Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at |http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen.
__^^
^t
^ONM£^^^
9^
• DEC '> 1964
6. ^^o<=i
Die Medicin der Naturvölker.
Die
Medicin der Naturvölker
Ethnologische Beiträge
zur
Urgesehiehte der Mediein.
Von
Dr. Max Bartels,
Sanitätsrath in BerliiL
Mit 175 Original-Holzschnitten im Text
Leipzig.
Th. Grieben's Verlag (L. Fernau).
1893.
Vorwort
Die erste Anlage zu dem vorliegenden Buche hatte den Stoff
zu einem Vortrage abgegeben, welchen ich in der Berliner Gesell-
schaft für Natur- und Heilkunde im März 1892 hielt. Der für
die fertiggestellte Abhandlung gewählte Titel möge aber nicht in dem
Leser die Erwartung hervorrufen, dass ihm hier etwas geboten
werden solle, was den überreichen Stoff vollkommen erschöpft. Bei
der Zersplitterung des Materiales, das in Sitzungsberichten, in Zeit-
schriften und in Reisebeschreibungen der gesammten civilisirten Welt
sich findet, ist es selbstverständlich eine Unmöglichkeit, allen ein-
schlägigen Angaben nachspüren zu können. Es ist auch nicht in
allen Fällen möglich gewesen, auf die Original Veröffentlichungen
zurückzugehen, da sie in vielen Fällen nicht zu erlangen waren;
und namentlich von den Indianer-Stämmen des westlichen Ame-
rika ist Vieles nach den ausführlichen und ausgezeichneten Citaten
von Hubert Howe Bancroft gegeben worden. Soweit es aber irgend
auszuführen war, bin ich stets auf die ursprünglichen Quellen zu-
rückgegangen.
Es unterliegt für mich gar keinem Zweifel, dass manches Reise-
werk etc. von mir übersehen sein wird, in welchem sich vielleicht
die eine oder die andere recht brauchbare Angabe über unseren
Gegenstand befinden mag. Besonders wird dieses bei der Literatur
vergangener Jahrhunderte der Fall gewesen sein. Der zur Zeit
verarbeitete Stoff erstreckt sich aber schon über die ganze bewohnte
Erde, und er dürfte wohl schon hinreichend sein, um nichts Wesent-
liches von den Anschauungen der Naturvölker auf medicinischem
Gebiete übergangen zu haben.
VI Vorwort
Es liegt nicht in der Absicht dieser Schrift, die Krankheitsarten
zu besprechen, welchen die Naturvölker unterworfen sind, und wie
dieselben bei ihnen verlaufen. Solche Untersuchungen gehören in die
Werke über medicinische Geographie. Hier soll wesentlich nur er-
öii:ert werden, was für medicinische Anschauungen unter niederen
Culturverhältnissen herrschen und was für Mittel und W^ege die
Naturvölker benutzen, um sich mit den Krankheiten abzufinden.
Eine erhebliche Förderung meiner Besti*ebungen gewährte mir
die freundliche Erlaubniss des Herrn Geheimen Regierungsraths
Professor Dr. Adolf Bastian, die Schätze des königlichen Museums
für Völkerkunde in Berlin für meine Zwecke benutzen zu dürfen.
Ich spreche ihm meinen besten Dank dafür aus, sowie auch seinen
Assistenten, den Herren Professoren Grünwedel und Grube und den
Herren Doctoren von Lmchan, Müller und Seier.
Auch dem Herrn Gustos Franz Heger vom k. k. Naturhisto-
rischen Hofmuseum in Wien, sowie dem Herrn Naturalienhändler
Umlauff in Hamburg bin ich zu grossem Danke verpflichtet, dem
Letzteren, dass er es mir freundlichst gestattete, interessante ethno-
graphische Gegenstände seines Besitzes photographisch aufzunehmen,
wobei mir Herr Capitän Adrian Jacobsen in liebenswürdigster Weise
behülflich war.
Einen ganz besonderen Dank habe ich noch Fräulein Julie
Schlemm auszusprechen, deren kuiistgeübte Hand mir unermüdlich
geholfen hat, das in Betracht kommende Material in Malereien und
Zeichnungen festzulegen, so dass es mir neben meinen photographischen
Aufnahmen stets bei der Arbeit zur bequemen Verfügung stand.
Eine grosse Anzahl der benutzten Veröffentlichungen ist in eng-
lischer, holländischer oder italienischer Sprache geschrieben.
Da dieselben nicht Jeglichem geläufig sein mögen, so habe ich zur
grösseren Bequemlichkeit der Leser die zahlreichen Citate aus aus-
ländischen Schriften durchgängig in deutscher Übersetzimg gegeben,
auch der besseren Gleichmässigkeit wegen die in französischer
Sprache veröffentlichten. Um endlose Wiederholungen zu vermeiden
und den Text nicht unnütz schwerfällig zu machen, sind ihm die
Namen der benutzten Autoren für gewöhnlich nicht eingefügt. Im
Anhang IH aber kann man leicht bei dem Namen des betreffenden
Volkes auch denjenigen des Berichterstatters finden, so dass keinem
Vorwort. VII
der Autoren sein Recht geschmälert werden soll. Im Anhang II
sind ihre Schriften in alphabetischer Ordnung aufgeführt.
Der bildlichen Ausstattimg des Buches ist eine ganz besondere
Sorgfalt gewidmet, und viele der ethnographischen Gegenstände
werden hier zum ersten Mal in der Abbildung vorgeführt. Dem ent-
sprechend ist auch die Figurenerklärung mit grosser Genauigkeit
ausgearbeitet. Einzelne von den Illustrationen sind aber auch anderen
Verpflfentlichimgen entnommen. Selbstverständlich findet sich dann
stets die UrsprungssteUe ausführlich bemerkt.
Die Durchmusterung und die Ordnung und die monographische
Verarbeitung der weit zerstreuten Einzelangaben, wie das vorliegende
Buch sie bietet, bildet ein vollkommen neues und bisher noch un-
verwerthetes Capitel aus dem grossen Bereiche der Geschichte der
Medicin, welches zwischen der Geschichte der medicinischen Wissen-
schaften und der Geschichte der Volksmedicin das vermittelnde
Zwischenglied bildet. Als ein erster*) Schritt auf diesem bisher noch
imbebauten Gebiete muss dieser Abhandlung noch Vieles an Voll-
ständigkeit und sicherer Abrundung fehlen. JNIöge sie trotz dieser
Älängel dem Leser eine willkommene Gabe sein.
*) Einen ersten Verstoss bildet die kleine Schrift von A. Bouchinet,
Les Etats primitifs de La M6decine. 88 Seiten. 8». Paris 1891. Die-
selbe ist mir erst nach Drucklegung dieses Buches bekannt geworden.
Berlin, 21. Juli 1893.
Dr. Max Bartels.
Inhaltsverzeichniss.
i
Seite
Vorwort V
L Einleitung i
1. Die Quellen zu einer Vorgeschichte der Medicin 3
IL Die Krankheit
(
2. Das Wesen der Krankheit 9
3. Die Krankheit ist durch Dämonen bedingt 11
4. Das Aussehen der Krankheitsdämonen 13
5. Die Geister Verstorbener als Ursache der Krankheit 18
6. Dämonische Menschen als Ursache der Krankheit 19
7. Thiere im Körper als Ursache der Krankheit 21
8. Fremde Substanzen im Körper sind die Krankheit 23
9. Die Krankheit verursacht durch einen magischen Schuss .... 25
10. Die Krankheit entsteht als Strafe 27
11. Krankmachender Zauber 29
12. Krankheit entsteht durch Ortsveränderung oder Verlust von Körper-
bestandtheilen 36
13. Die Krankheit entsteht durch den Willen oder die gnädige Fügung
der Gottheit 39
14. Sympathetische Uebertragung als Ursache der Krankheit .... 40
15. Böse Winde als Ursache der Krankheit 41
16. Natürliche Krankheitsursachen 42
17. Der böse Blick 43
18. Rückblick 44
in. Die Aerzte 45
19. Die Medicin-Männer 47
20. Die sociale Stellung der Medicin-Männer 49
21. Uebematürliche Fähigkeiten der Medicin-Männer 50
Inhaltsverzeichniss. IX
Seite
22. Auffallendes Benehmen der Medicin-Männer 52
23. Weibliche Aerzte 52
24. Die Vertheilung der Medicin-Männer 53
25. Consultationen und gemeinsame ärztliche Behandlung 54
26. Brodneid 55
27. Die Wohnung des Arztes 55
28. Aerztliche Honorare 56
29. Gefahren des ärztlichen Berufes 59
30. Verschiedene Arten der Medicin-Männer und die Specialisten . . 61
31. Das Hülfspersonal des Medicin-Mannes 66
32. Die Amtstracht 67
33. Die Beweggründe für das ärztliche Studium 75
34. Die Vorbereitung zum ärztlichen Studium 78
35. Das ärztliche Studium 79
36. Das ärztliche Examen und die Approbation 81
37. Der Eintritt in die Midö-Gesellschaft 83
38. Das kanonische Alter der Medicin-Männer 86
39. Die fachmännische Fortbildung approbirter Aerzte 87
40. Medicinische Lehrbücher 88
41. Rangstufen der Medicin-Männer 90
42. Krankheit und Lebensende des Medicin-Mannes 92
IV. Die Diagnostik der Naturvölker 93
43. Erkennungsmittel der Diagnostik 95
44. Die B^rankheitsnamen 96
45. Krankheits-Fetische und Amulete 97
46. Verbotszeichen 98
V. Die Medicamente und ihre Anwendung 103
47. Die Medicinal-Droguen 105
48. Medicamentös behandelte Krankheiten 108
49. Die Beschaffung der Arzneimittel 108
50. Die Bereitung der Arzneimittel 109
51. Die Aufbewahrung der Arzneimittel 111
52. Die Züchtung der Arzneipflanzen 113
53. Das Einnehmen der Medicin 114
VI. Die Arzneiverordnungslehre der Naturvölker 117
54. Abkochungen und Umschläge 119
55. Einreibungen, Salben, Pflaster und Pulver 119
56. Abführmittel und Klystiere 120
57. Brechmittel 121
58. Inhalationen 123
X Inhaltsverzeichniss.
Seite
59. Einschlürfungen und Einträufelungen 123
60. Pillen 124
61. Die hautröthenden Mittel 124
62. Die Narcotica 125
63. Das Bepusten und Bespeien 127
64. Die Impfung 128
V£L t>ie Wasserkur I3i
»
66. Kalte Bäder 133
66. Wanne Bäder und Trinkkuren 134
67. Schwitzkuren 135
68. Das Dampfbad 137
VUL Ma43sagekur6n 143
69. Die legitime Massage 145
70. Die versteckte Massage 146
EEL Verhaltungsvorschrifteii für den Kranken I5l
71. Die Diät 153
72. Sonstiges Verhalten ' 154
X. Die übernatürliche Diagnose 157
73. Laien diagnosticiren die Krankheit 159
74. Der Medicin-Mann stellt die Diagnose 161
75. Die Diagnose wird von Geistern gestellt 162
76. Prognose und Semiotik 167
XI. Die übernatürliche Krankenbehandlung 171
77. Opfer und Gebet 173
78. Die Trommel als Handwerkszeug des Medicin-Mannes 176
79. Die Rassel und andere musikalische Instrumente als Handwerkszeug
des Medicin-Mannes 178
80. Medicin-Sack und Medicin-Steine 180
81. Das Heraussaugen der Krankheit 183
82. Das Aufsuchen des Locus affectus 186
83. Das Herausnehmen der Krankheit 187
84. Der Exorcismus durch den Medicin-Mann 189
85. Das Ausräuchern der Krankheitsdämonen 191
86. Der Exorcismus durch übernatürliche Gehülfen 192
87. Das Eangen, Eestbannen und Vernichten der Krankheitsdämonen . 194
88. Das Bemalen und das Ummalen des Kranken 196
Inhaltsverzeichniss. XI
Seite
89. Das Zurückholen der Seele oder des Schattens 200
90. Das Zurückbringen geraubter Körpertheile 204
91. Die sympathetische Krankenbehandlung 205
Xn. Einzelne Capitel der speciellen Pathologie und
Therapie 207
92. Die Augenkrankheiten 209
93. Die Ohrenkrankheiten 212
94. Geisteskrankheiten und die Epilepsie 212
XTTT. Die Gesundheitspflege und die Epidemien 219
95. Die private Gesundheitspflege 221
96. Die Amulete 225
97. Die öffentliche Gesundheitspflege 235
98. Der Schutz vor der Berührung mit den Inficirten 237
99. Die Unterbringung der ansteckenden Kranken 239
100. Die Versorgung der ansteckenden Kranken 241
101. Die Unterbringung der nicht ansteckenden Kranken 242
102. Das Schicksal der Schwerkranken, Siechen und Krüppel .... 246
103. Die Flucht vor der Seuche 248
104. Die Grenzsperre für die Seuche 250
105. Das Vertreiben der Epidemien 254
106. Die Todten 257
107. Die Assanirung der Wohnplätze 259
XIV. Die kleine Chirurgie 263
108. Das Blutsaugen 265
109. Das Scarificiren 267
110. Der Aderlass 268
111. Das Schröpfen 269
112. Die Kitual-Operationen .... 271
113. Kosmetische Operationen 272
114. Die Entfernung fremder Körper und die Behandlung der Abscesse 274
115. Die Zahnheilkunde 276
XV. Die grosse Chirurgie 279
116. Allgemeines 281
117. Die Wundbehandlung 282
118. Die Behandlung der Schusswunden 284
119. Die Blutstillung 285
120. Das Glühen 286
XII Inhaltsverzeichniss.
Seite
121. Knochenbrüche und Verrenkungen 289
122. Der Krankentransport 291
123. Amputationen 292
124. Die Bruchschäden 294
125. Operationen an den männlichen Harn- und Geschlechtsorganen . 290
126. Operationen am Halse und Trepanationen 299
127. Der Bauchschnitt oder die Laparotomien 30:1
Schlusswort 309
Anhang I. Erklärung der Abbildungen 313
Anhang II. Verzeichniss der benutzten Schriften 33')
Anhang III. Verzeichniss der geographischen und Völkernamen 345
I.
Einleitung.
Bartels, Mcdicin der Naturtölkef .
1. Die Quellen zu einer Yorgeschiehte der Medleln.
Das letzte halbe Jahrhundert hat in dem Studium der Geschichte ganz
f^ew altige Umwälzungen hervorgerufen. Wir haben gelernt, dass keineswegs aus-
schliesslich das geschriebene und uns überlieferte Wort die wahre und
t*inzige Quelle der historischen Wissenschaft ist, sondern dass — ganz ab-
gesehen davon, dass man hier bisweilen absichtlichen Fälschungen und ten-
denziösen Entstellungen begegnet — auch noch ganz andere Quellen von
uns erschlossen werden müssen. Es ist uns mit zwingender Gewissheit die
Thatsache zum Bewusstsein gekommen, dass der Mensch nicht plötzlich und
unvermittelt in denjenigen Zustand der gesellschaftlichen Regelung und
(Jultur eingetreten ist, welchen man kurzweg als „die Geschichte" be-
zeichnet hat, d. h. von dem uns geschichtliche Nachrichten aufgezeichnet
worden sind, sondern dass bereits tausende von Jahren vor jeglichem ge-
schriebenen Documente die Menschheit ihre „Geschichte" hatte, dass sie
ihre socialen Gesetze besass, ihre religiösen Institutionen, ihre Künste imd
Wissenschaften, von denen der geschriebene Buchstabe auch nicht die leiseste
Andeutung auf uns hat gelangen lassen.
Durch das deutliche Bewusstwerden dieser neuen Thatsache entwickelte
sich eine ganz neue Disciplin, die Urgeschichte. Das Quellenmaterial,
aus welchem sich diese aufbaut, ist im wesentlichen ein vierfaches. In
erster Linie sind es naturgemäss die zufällig gemachten oder die zielbewusst
gesuchten antiquarischen Funde, welche die prähistorische Archäologie
zu erläutern hat.
Von hoher Bedeutung sind aber auch gewisse Sitten, Gebräuche und
Anschauungen der heutigen niederen Volksschichten und namentlich des
Tiandvolkes, welche sich als sogenannte „Ueberlebsel" aus längst vergangener
Vorzeit kennzeichnen. Zu ihrer Erklärung hat die Volkskunde einzutreten.
Als dritten Factor haben wir die aufinerksame Betrachtung der Lebens-
weise der heutigen Naturvölker zu nennen, welche uns heute noch ver-
schiedenartige Culturstufen vorfuhren, auf denen einstmals auch die histo-
rischen Völker gestanden haben, bevor sie den culturellen Höhepunkt ihrer
Entwicklung erreicht hatten. Hier uns das nöthige Material herbeizu-
schaffen ist die Sache der Ethnologie.
Die vierte Quelle endlich, die wir benutzen müssen, bietet sich uns in
der vergleichenden Sprachforschung dar, welche aus bestimmten Wort-
bildungen und Buchstabenformen bedeutungsvolle Rückschlüsse auf ver-
jrangene Culturverhältnisse zu machen gelehrt hat.
4 r. Einleitung.
Diese selben Quellen nun, welcher wir ftir die Autauge der Geschichte
und der Culturgeschichte im Allgemeinen bedürfen, müssen wir auch zu
Rathe ziehen, wenn wir die Geschichte specieller Culturgebiete zu studiren
beabsichtigen. Auch die Medicin hat ihre Vorgeschichte, welche ihre
Schatten noch weit in das Leben der heutigen Völker hineinwirft. Aber
von einem systematischen Studium derselben ist bisher noch nicht die
Rede gewesen. Allerdings stehen uns auch hier bereits manche vereinzelte
Bausteine zur Verfugung, aber sie bedürfen noch ganz erhebUch der Ver-
mehrung, und vor allen Dingen der sorgfältigen Sammlung, Zusammenstellung
und Vergleichung. Wir wollen nun zusehen, von welcher der vorher ge-
nannten vier Quellen wir für die Urgeschichte der Medicin die aus-
giebigsten Aufschlüsse zu erwarten haben.
Von der vergleichenden Sprachforschung sind wir bisher am
spärlichsten bedient worden. Das hat aber vielleicht darin seinen Grund,
dass ihr noch nicht hinreichend präcise Fragen vorgelegt worden sind.
Recht beachtenswerthe Resultate verdanken wir bereits der Wissen-
schaft des Spatens. Wir werden darauf hier aber nur ganz beiläufig
zurückkommen können.
Das Material, das uns die Volkskunde geliefert hat, ist ein sehr
reichliches, jedoch zu seiner Verwerthung fiir die Urgeschichte der Medicin
bedarf es noch einer ganz besonders sorgfältigen Kritik und Vorsicht
Denn nicht Jegliches, das uns in der Volksmedicin entgegentritt, spiegelt
uns die Anschauungen und Maassnahmen der auf einer primitiven Cultur-
stufe stehenden Menschen, oder mit anderen Worten prähistorische Ueber-
lebsel wieder, sondern nicht Wenige sind die Ueberreste alter Magistral-
Medicin, welche, von den Aerzten schon längst verworfen und vergessen,
allmählich in den Wissensschatz der sogenannten Bauem-Doctoren gelangt
sind, und bei diesen nun mit echter Bauemzähigkeit haften.
Endlich haben wir noch von der Ethnologie zu sprechen. Dieselbe
bietet, wie für die Culturgeschichte im Allgemeinen, so auch fiir die Ur-
geschichte der Medicin die allerwichtigste Fundgrube dar.
Wir begegnen bei den Naturvölkern überall der auffälligen Erscheinung,
dass sie in gleichen Lebenslagen zu ganz gleichen oder sehr ähnlichen
Maassnahmen und Anschauungen gelangen, ganz gleichgültig, ob sie im
hohen Norden, ob sie am Aequator, oder ob sie in einer gemässigten Zone
wohnen. Das ist es, was Adolf Bastian als den Völkergedanken be-
zeichnet hat Kleine Varianten können, wie es wohl selbstverständlich ist,
nicht ausbleiben, wie sie die umgebende Natur bedingt. Ob ein Volk in
dem Hochgebirge wohnt, oder an dem Strande des Meeres, ob es ein Wald-
und Jägervolk ist, oder ein Hirten- und Steppenvolk, oder eine fischende
und seefahrende Nation, das bedingt, wie man wohl begreifen wird, gewisse
Ijocalfärbungen in ihren Mythen und in ihrer Dämonologie, sowie in ihren
alltäglichen Lebensgewohnheiten. Aber der Kern ihrer Anschauungen bleibt
doch im Grossen und Ganzen der gleiche. Nicht wenige dieser Völker-
gedanken spielen auch noch in dem Leben der heutigen Culturvölker
eine wichtige Rolle, und ihnen nachzuspüren und ihren psychologischen
Zusammenhang darzulegen, darin liegt die hohe Bedeutung der modernen
Ethnologie.
In Bezug auf die primitiven Anfangsstadien der Medicin eröffnet
1. Die Quellen zu einer Vorgeschichte der Medicin. 5
uns das Studium der Ethnologie vielerei Ausblicke. Wir lernen die Auf-
fassung niederer Volksstämme von dem Wesen und von den Ursachen
der Krankheiten kennen, wir erfahren, in welcher Weise die Aerzte oder
Medicin-Männer zu ihrem einäussreichen Berufe ausgebildet werden und
was für ein Hülfspersonal, entsprechend unseren Heilgehülfen u. s. w., sie
nöthig haben. Wir finden auch bei manchen Völkern, z. B. bei den Ein-
geborenen Australiens, sowie bei vielen nordamerikanischen Indianer-
stämmen u. 8. w., bereits die Errungenschaft der modernsten Neuzeit, nämlich
weibliche Aerzte.
Die Behandlungsmethoden der Medicin-Männer besitzen vielfache Analo-
gien mit denjenigen, welche wir heute noch die Heilkünstler imserer Land-
bevölkerung ausfuhren sehen. Es sind Gebetsformeln, Besprechungen, Be-
schwörungen und Drohungen, aber wohlweislich verbunden mit der innerlichen
Darreichung medicamentöser Tränke, mit der Anwendung einer Kaltwasser-
methode, oder von Dampfbädern, von Hautreizen, Scarificationen und Blut-
entziehungen, oder namentlich von der Massage. Eine hervorragende Rolle
spielt auch überall bei den Naturvölkern eine der allemeuesten Eroberungen
der modernen Therapie, nämlich der Hypnotismus imd die Suggestion. Sie
harren noch eines eingehenden Studiums und der Bearbeitung durch einen
ethnologisch geschulten Neuropathologen.
Um sich nun eine Vorstellung und ein klares Bild von den medicinischen
Begriflfen und Kenntnissen der Naturvölker zu machen, muss man auf ver-
schiedenartige Dinge sein Augenmerk richten, auf ihre Dämonologie, auf
den Wortlaut ihrer Beschwörungen, auf ihre Medicamente, ihre Speise-
verbote und ihre Reinigungsgesetze, auf ihre Verbotszeichen und ihre Feste
und Tänze. Dass die directen Berichte der Reisenden, sowie der unter
diesen Volksstämmen lebenden Aerzte, Missionare und Regierungsbeamten
ebenfalls eine hervorragende Berücksichtigimg verdienen, das brauchen wir
kaum erst hervorzuheben.
II.
Die Krankheit
•
3. Das Wesen der Krankheit.
Wer mit dem medicinischeu Wissen und Können der NatuiTÖlkei* sich
zu beschäftigen beabsichtigt, der darf den Versuch nicht unterlassen, zuvor
darüber ins Klare zu kommen, was fiir Anschauungen bei denselben über
die Natur und das Wesen desjenigen Zustandes bestehen, welchen man
mit dem allgemeinen Worte Krankheit zu bezeichnen pflegt Was ist
nach dem Glauben der Naturvölker die Krankheit und wie ent-
steht dieselbe? Das sind die beiden Cardinalfragen , welche in erster
Linie beantwortet werden müssen. Denn eine sehr grosse Zahl von thera-
})eutischen Maassnahmen müssen vollkommen unverständlich fiir uns bleiben^
wenn wir nicht in diese Begriflfe einzudringen und uns im Geiste hinein-
zuversetzen im Stande sind. Sehr vieles, was uns widersinnig und gedankenlos
aussieht, wird uns vei-ständlich und muss uns als ein ganz logisches und
wohldurchdachtes Vorgehen erscheinen, sobald wir einen hinreichenden
Kinblick gewonnen haben, was die NatuiTölker sich unter der Krankheit
und ihren Ursachen vorstellen, und manches Schlaglicht wird dabei gleich-
zeitig auf die sympathetischen und ähnliche Curmethoden geworfen werden,
wie sie uns auch heutiges Tages noch in der Volksmedicin der Culturvölker
(Mitgegentreten.
Wenn wir nun auf die erste Frage wieder zurückkommen: was ist
Krankheit? so ist man gewöhnlich sehr schnell mit der Antwort bei der
Hand, indem man sagt: Krankheit ist der Einfluss böser Geister. Nun hat
(^s ja allerdings seine Richtigkeit, dass vielfach die Naturvölker die Krankheit
mit den Dämonen in eine bestimmte ursächliche Verbindung bringen. Wir
finden dieses in Amerika, Asien, Oceanieu und Afrika und, wenn wir
genau hinsehen, auch in Europa.
Dass dieses hier auch die Ansicht der Gebildeten war, das beweist
folgender Ausspruch von Martin Luther:
,,Ueber das ist khein Zweyfel, dass Pestilentz und Fiber und ander
schwer Krankheyten nichts anders sein, denn des Teufel werkhe."
Aber wenn wir die Sache eingehender betrachten, so kommen wir mit
einer solchen Erläuterung leider doch nicht viel weiter. Denn es entsteht
natürlicherweise sofort die neue Frage, was ist das für ein Einfluss und
wie äussert er sich? Es bleibt daher nichts anderes übrig, als den Versuch
zu machen, sich doch noch etwas tiefer in diese Gedankengänge der Natur-
völker hinein zu versetzen, soweit das immerhin noch spärliche Material
10 n. Die Krankheit.
'es gestattet, das uns dui-ch Keisende und ändert» wissenschaftlidie Beobachter
ÄUgänglich gemacht worden ist
Da zeigt es sich denn sehr bald, dass es nicht allein die dämonischon
Einflüsse sind, durcli welche die sogenannten Wilden die Krankheiten
h(^r\'orgenifen glauben, sondern dass hier auch noch eine ganze Reihe anderer
Factoren in Wirksamkeit treten. Wii* müssen diese Factoren jetzt einer
gesonderten Betrachtung unterziehen, indem wir noch einmal' uns die Frage
vorlegen, was ist nach dem Glauben der Naturvölker die Krankheit?
Die erste zutreffende Antwort lautet: die Krankheit ist ein Dämon
(es können aber auch gleichzeitig mehrere sein). Hier schliesst sich gleicli
eine zweite Auffassung an: Die Krankheit ist der Geist eines Ver-
storbenen. Die Krankheit ist aber «uch ein Thier oder der Geist
eines Thieres; und endlich ist die Krankheit auch das Saugen oder
Zehren eines dämonischen Menschen. Man könnte nun allerdings
hier den Einwand erheben, dass dieses doch im Grunde genommen eigentlich
alles als unter den Begriff der Dämonen fallend aufgefasst werden kann.
Denn sie alle umschlingt doch ein gemeinsames Band und die Geister der
Verstorbenen sowohl, als auch die in den Körper des Kranken eingedrungenen
Thiere imd deren Geister und ganz besonders auch die dämonischen Menschen
wird man doch immerhin in den Sammell)egriff der bösen Geister einziu'eihen
)»erechtigt sein.
Aber wir sind mit unseren Definitionen der Krankheit auch noch nicht
zu Ende und es zeigt sich, dass wir gar nicht selten vei-schiedenen Krank-
heits-Definitionen bei demselben Volke begegnen. Es ist das ein recht
deutlicher Beweis dafür, dass ihnen ilu-e Dämonen-Theorie doch nicht alle
ihnen zur Beobachtung kommenden Krankheitsfalle in befriedigender Weist»
zu erklären vermochte.
Die Krankheit ist, um in unseren Betrachtungen fortzufahren, ferner
etwas Belebtes, ein Aniraatum, welches nicht genauer präcisirt wird.
In den Beschwörungsformehl der deutschen Volksmedicin wird es mit der
Fähigkeit begabt, umherzuwandem und auf gestellte Fragen Rede und
Antwoi-t zu stehen. So heisst es in einer von Frischbier citirt^n Be-
schwörung aus Bürgersdorf bei Wehlau in der Provinz Preussen, um
,,das Geschoss*', eine Erkrankung, bei welcher necro tische Knochensplitter
ansgestossen werden, zu besprechen:
Christas ging auf einen hohen Berg,
Er begegnete dem Geschoss.
Geschoss, wo gehst du hin?
Ich gehe, den Menschen die Knochen ausbrechen,
Das Blut aussaugen.
(Treschoss, ich verbiete es dir.
Gehe wo die Glocken klingen
Und die Evangelien singen!
Auch dieses kann man allenfalls noch in die Dämon(»ngruppe eiu-
rangiren.
Die Krankheit ist ferner ein Fremdkörper, der, sichtbar oder
uijsichtbar, auf oder häufiger in des Kranken Körper sich befindet.
Die Krankheit ist aber auch ein Gift.
Die Krankheit ist die Ortsveränderung eines Köri)erbestand-
3. Die Krankheit ist durch Dämonen bedingt. 11
t heiles, welch letzterer entweder überhaupt den Körper verlässt oder innerhalb
desselben sich an eine falsche Stelle begiebt
Die Krankheit ist dann auch noch der übernatürliche Verlust
eiues Körperbestandtheiles.
Die Krankheit ist aber femer auch eine Behexung, eine Verfluchung,
eine Bestrafung, der Wille oder ein Geschenk der Götter u. s. w.,
aber nüt diesen letzteren Erklärungen treten wir eigentlich schon in die
zweite Frage ein, nämlich in diejenige: Wie entsteht die Krankheit?
3. Die Krankheit Ist durch Dämonen hedingt.
Um zu erioi*schen, was für eine Voi*stellung sich die Naturvölker von
der Entstehung der Ki^ankheit machen, wird es am zweckmässigsten sein,
in erster Linie die dämonischen Einflüsse näher zu erörtern. Denn es
braucht, nach dem im vorigen Abschnitte Besprochenen, wohl kaum erst
darauf hingewiesen zu werden, dass für gewöhnlich mehrere Entstehungs-
iirsachen für die Krankheiten verantwortlich gemacht zu werden pflegen.
Als das Werk der bösen Geister, oder durch den Einfluss der
Dämonen entstanden, werden uns die Krankheiten von den Karava-
Indianern in Brasilien, von den Eingeborenen der Mentavej-lnsel in
Indonesien, von Dorej und Andai in Neu-Guinea, von Siam, vom
westlichen Borneo, von Mittel-Sumatra und auf den Inseln Buru und
Serang, sowie auf den Kei-. den Tanembar- und Timorlao-Inseln
und vom Seranglao- und Gorong-Archipel u. s. w. berichtet. Dieses
..Werk" oder dieser „Einfluss*^ ist ohne allen Zweifel in den allermeisten
Fällen die Besitzergreifimg des betreffenden Menschen, welche in der Weis(»
stattfindet, dass der böse Geist in den Körper hineinfährt und nun ist er
also die Krankheit.
An eine solche Besitzergreifung durch einen Dämon, l)eziehungsweise
ein Hineinfahren desselben in den ihm veriallenen unglücklichen Menschen,
also an eine Besessenheit des Kranken, glauben die Koniagas und andere
Eiugebome von Alaska und Britisch-Columbien, die Chippeway-
]ndianer, die Austral-Neger in Victoria, die Siamesen, die Niasser
und die Einwohner von Ambon und den Uliase-lnseln. Es soll
hiermit aber nicht gesagt sein, dass nicht auch noch sehr viele ändert^
Völkerschaften an eine Besessenheit in Krankheitsfällen glauben; aber
vim den genannten Volksstämmen liegen mir directe Xachrichten hier-
über vor.
Die Phi Pob sind Dämonen in Siam, welche von den Zaul)erern
besonders gezüchtet werden, um sie dann in die Köii)er ihrer Mitmenschen
zu jagen. Auch die bösen Geister Rahang fahren dort in die Arenschen
und zerfi'essen ihnen die Eingeweide.
Die Eingeborenen von Victoria betonen es besonders, dass selbst
bejahrte und weise Männer von den Krankheitsdämonen besessen werden
können.
12 IL Die Krankheit.
Eigenthüinlich ist die Aiififassung der MosqTiito-liidianer, dass der
Dämon nur von dem erkrankten Körpertheile Besitz ergriffen habe.
Es kannten übrigens auch bereits die Assyrer und Akkader Dämonen,
welche von besonderen Körpertheilen Besitz ergriffen. Das ersehen wir ans
einer Beschwörungsformel, welche der Thontafel-Bibliothek des Assurban-
habal (des Sardanapal der Bibel) aus dem Königspalaste von Niniv<*h
entstammt. Es heisst darin:
„Gegen den Kopf des Menschen richtet seine Macht der fluchwürdige /dpa.
Gegen das Leben des Menschen der grausame Namtar,
Gegen den Hals des Menschen der schändliche Utuq,
Gegen die Brust des Menschen der verderbenbringende Ma/^
Gegen die Eingeweide des Menschen der böse Gig im.
Gegen die Hand des Menschen der schreckliche Telal.""
Die Bewohner des Seranglao- und Goroug- Archipels lassen nicht
den Dämon selber, sondern dessen Schatten in den Kranken hineinfahren,
der dann die Eingeweide des unglücklichen Mens'chen verzehrt.
Eine ganz besonders reiche Ausbildung hat diese Dämonologie bei den
Singhai esen auf Ceylon erfahren. Dieselben erkennen sogar fiir eine
ganze Reihe von einzelnen Krankheitssymptomen besondere Dämonen au.
So haben sie z. B. die Teufel der Blindheit, der Taubheit, der Klrämpfe,
der einseitigen Lähmung, des Zittems, der Fieberhitze, der Keberphanüisieu
u. s. w. Wir werden auf dieselben später noch zurückkommeu.
Aber nicht in allen Fällen fälirt der die Krankheit verursachende böse
Geist in den Körper des von ihm auserkorenen Menschen hinein. Bei den
Annamiten greift der Dämon die Menschen an, er attackirt sie. und
macht sie dadurch krank.
Unter den zahlreichen Krankheits-Dämonen in Siam leben die wilden
Teufel PA» Du in den Wäldeni. „Diese fallen meist von den Bäumen
auf die Vorübergehenden herab, da sie zornigen Gemüthes sind und sich
für Gesetzwidrigkeiten rächen oder strafen w^oUen.*' Auf diese Weise er-
zeugen sie die Malaria-Erkrankungen. Eine andere Art der Wald-Dämoueu,
welche den Namen Phi Disaty d. h. Dreckteufel, tragen, stellen im Dickicht
Netze aus. Wen sie in diesen unsichtbaren Netzen fangen, der verfällt in eiue
schwere Krankheit, gegen welche die ärztliche Kunst sich machtlos erweist.
Nur durch kräftige Beschwörung vermag hier Hülfe gebracht zu werden.
In Süd-Australien schlägt der Dämon, gewöhnlich in Menschen-
gestalt, sein auserwähltes Opfer. So hatte ein Eingeborener angegeben, es
sei in der Nacht ein anderer Schwarzer gekommen und habe ihm einen
Schlag in das Genick versetzt; darauf sei derselbe in einer Flamme zum
Himmel aufgeflogen. An der bezeichneten Stelle hinten am Halse entwickelte
sich bei dem Manne ein grosses Blutgeschwür.
Die Marokkaner fassen die Cholera als einen Dämon auf, der die
von ihm ausgewählten Opfer schlägt.
Die Harari in Central- Afrika benennen die von uns als Hexenschuss
bezeichnete rheumatische Erkrankung mit dem Namen Teufelsschlag.
Auch eine Stelle aus dem Buche Hiob (2, 7) ist hier der Erwähnung
werth. Sie lautet:
4. Das Aussehen der Krankheitsdämonen. 13
Da fuhr der Satan aus vom Angesichte des Herrn und schlug Hiob mit
Ix'jsen Schwären von den Fusssohlen an bis auf seinen Scheitel.
Der Begriff der Besessenheit ist den europäischen Völkern wahr-
scheinlich erst durch die biblischen Vorstellungen zum Bewusstsein gekommen.
Denn Erzählungen von Besessenen treffen wir ja in der Bibel wiederholentlich
an, und wie tief dieselben in dem Geiste gläubiger Gemüther zu haften ver-
mögen . das haben allbekannte Vorkommnisse der allerjüngsteu Zeit in
hinreichender Weise dargethan. Da»ss aber diese Art der Auffassung dem
ileutschen Volke wenigstens eine künstlich aufgepfropfte ist, das beweist,
wie ich glauben möchte, zur Genüge der auch heute noch zu Recht bestehende
Si)rachgebrauch. Die Krankheit ist allerdings belebt, sie ist eine Persönlichkeit,
welche man ganz wohl unter die Seh aar der bösen Gfeister einordnen kann;
aber sie fälirt nicht in den Menschen hinein, sondern sie tritt von aussen
an ihn heran, sie packt fast oder ergreift ihn, sie wirft ihn nieder, sie
schlägt ihn, sie rüttelt, schüttelt und reisst ihn, sie nagt und zehrt an ihm,
sie bricht ihm die Glieder, sie tödtet ihn, oder sie lässt ihn wieder los,
so dass der Mensch ihr glücklich entrinnt
4. Das Aussehen der Erankheltsd&moneii.
Den Teufel soll man nicht an die Wand malen; das ist ein Satz, der
auch bei den Naturvölkern zu Recht zu bestehen scheint. Nur in sehr
sf4tenen Fällen wenigstens begegnen wii* bildlichen Darstellungen von den
Dämonen, welche die Krankheiten veranlassen. Für gewöhnlich scheint
dann ein besonderer therapeutischer Zweck mit diesen Darstellungen ver-
])unden zu sein. Es hat den Anschein, als wenn man den Dämonen ihr
eigen(»s hässliches Bildniss zeigen wolle, um sie vor sich selber erschrecken
zu lassen und sie auf diese Weise zu vertreiben, ähnlich wie man wohl ein
eigensinnig schreiendes Kind vor den Spiegel fiihrt, damit es sich vor
seinem eigenen verzen-ten Gesicht entsetze und so „der Bock hinausgejagt
werde'*.
So haben wir wahrscheinlich gewisse Masken auficufassen, die in
scheusslicher Form mit greller Bemalung bestimmte Krankheitsteufel
zur Darstellung bringen. Vielleicht glauben die Leute aber auch, dass die
Dämonen ihre Macht und ihren Einfluss verlieren, wenn sie sich davon
überzeugen, dass die Menschen, die sie überfallen wollen, sie entdeckt und
sie richtig erkannt haben, dass diesen genau ihr Aussehen und ihre Gestalt
bekannt ist, ganz ähnlich wie in dem deutschen Märchen das Rumpel-
stilzchen sein Anrecht au sein auserkorenes Opfer verlor und nichts
auszurichten vermochte, als es hört, dass man seinen Namen kennt.
Die Singhalesen glauben an eine ganze Anzahl von Dämonen, welche,
wie wir bereits oben gesagt haben, besondere Stadien und Symptome der
Krankheiten zu Stande bringen. Sie werden durch Holzmasken dargestellt,
abscheulich verzerrte Menschengesichter, bemalt mit grellen Farben, blau,
gelb, griin, roth, braun u. s. w. Sie sind Trabanten des MahäJcola Yakscha
(Fig. 1) und 18 von ihnen sollen nach Freudenberg die vei*schiedenen Stadien
der Sannileda oder Majanleda d.h. des Unterleibs-Typhus bedeuten.
14
II. Diu Krankheit.
Sannijd ist ibr genieiiisainer Haiiif, wuk uiic'li Grünwedel*) soviel Ik--
<Ieutft als convulsivisclie, krankhafte Zustäude. welche in Folge von Störungen
der drei Humores der altindischen Mediciu entstehen.
Wir haben einige dieser Sannijd schon genannt- Es mögen noch ein
[>aar andere hier ihre Erwähnung finden. Da ist dei- Gulmaaanmfdt der
Teafel der Wurmkrankheiteu, der Wätasanniid, der Teufel der rheuma-
tischen Schmerzen, der Kanasanmjä, der Teufel, durcli welchen d«'r
Kj-anke sein Gesicht eiabüsst.
der Nagäsannijä (Pig. 2), der
Teufel, welcher Schmerzen ver-
»■"sacht, die denen des Bis8f>.
der Brillenschlange ähnlich sind.
<ler Dschalasanniiä, der Teufel
durch den der Leih des Kranken
kalt wird ii. s. w.
Diese Masken werden zur
Beschwörung der Kraukheit«-
Dämoneu in der Weise benutzt.
dass der Medicin-Mann , tu
diesem Falle der sogenannte
Teufelstänzer, sich eine ganz
schmale Hütte eiTichtet mit
einer grossen Anzahl von
Nischen, in deren jeder er eine
diesei" Masken aufstellt Vor der
Maske errichtet er einen kleinen
Altar, aufweichem erdem Dämon
opfert, während der Kranke auf
einer Tragbahre vor ihm liegt.
Nach dem Opfer nimmt der
Teufelstänzer die betreffendi.^
Maske vor das Gesicht und
tanzt um den Patienten, bis ei-
schliesslich bewusstlos, also
wahrscheinlich liypnotisirt, zu
Boden fällt. Er wird dann
nach Hause getragen und nun
inuss der Kranke geheilt sein.
Holzmaskeu, welcheKrank-
lieits-Dämouen mit verzerrtt-u
Men sehen gesichteni diu-stelieu, haben auch die Onondaga-lndianer in
Nord-Amerika (Fig. :i u. 4). Dieselben sollen die bösen Geister Hondui
bedeuten, welche den Menschen Krankheiten und Unglück bringen. Sie
werden durch Tänze versöhnt und durch Speise- und Tabaksopfer. Dann
aber beschützen sie die Menschen und bewahn'n sie vor Krankheit sowohl.
als auch vor Behexung und Bezaubenmg.
%. 1. Maliükula Yakieha mit seinen 18 ihi
begleitenden KrankbeitB-DämoDen.
(Singhalesen),
Uns. r. Tfilkfrbuiide Berlin. Nuh Pbotognphi«.
*) In nächster Zeit wird eine Monographie über dieat
Herrn Grümveäet als Supplementheft zu dem Internation
Ethnographie in Leiden erscheinen.
Gegenstand von
n Archiv für
4. Das Aussehen der KrankheiUdÜnioiien. 13,
Bildliche Dai'stellungeu vou Däinoneu der Krankheit lindeii wir jiucln
bei den waudemdeu Zigeunorndea südöstlichen Euroiias. Diftselben ghudien,
daBS Ana, die schöne Königin der Keshalyi oder
Feen, sich wider ihren Willen mit dem abscheulichen
Könige derLogolico, der Dämonen, vermählt tmd
ihm neun Kinder geboren habe. Das sind die
ueun Mise«;«, die Bösen d. h. die Dämonen, welche
K^rankheiten bringen. Sie gingen mit einander
ICheu ein und haben unzählige Kinder gezeugt,
welche ähnliche Eigeuschafteu wie die Eltern be-
sitzen. Hieraus erklären sich die vielfachen Varia-
tionen im Verlaufe der Krankheiten.
Um sicli vor diesen Dämonen zu schützen,
luuss man seinen Leib oder seinen Arm mit einei'
besonderen Binde umgeben, in welche das Abbild
des Dämons in bestimmten Farben von der Zauber- f\g 2. Nagäsannijä.
trau hiueingenäht ist. Auch in kleine Holz- Krankheita -Dimor
täfeichen brennt sie die Dämonenfiguren mit einer chers'climerzen''vernr-
f^lübenden Nadel ein. a&nht, die denen des
Diese neun Dämonen sind Melalo, der Brillenachlargenbia-
Schmutzige, von der Gestalt eines weitaus- hdb. r väikerkuaie Berlin,
schreitenden kleinen Vogels mit zwei Köpfen. „Alle """^ ^'"«««"Phie'
Krankheiten, bei denen Paroxismus, Bewusstlosigkeit, auftritt, werden dem
Melalo zugeschrieben, der entweder im Ijeibe des Kranken haust, oder
Fig S. UoliimRHke der Fig. 4. Uolzmagke dor
OnoDdiea-IndisDor, einen Onoodaea-Indianer, einen
Er&nkbeits-DämoD dar- Krankheita-D&mon dar-
stellend. BteUend.
Hns. f. Völkerkiinile Berlin. Uns. t TülkirKuade Berlin.
Nach PholDgraphle. Nub Pbotogiaphie.
seinen Nebel darin zui-ück gelassen hat.*- lAlyi, die Schleimige (Fig. Tt)^
hat die Gestalt eines Fisches mit einem langbehaarten Menschenkoi)t'.
..Wenn sie in deu Körper eines Menschen hinein schlüpft und wiedi-r--
16 . II. Die Krankheit.
herauskommt, ko lässt sie in seinem Leibe eines ihier Kchleimigen Haare
zurück, wodurch eben die schleimige Kraukheit entsteht." Ojitarrhc und
Ruhr werden von ihr verursacht.
T^iulo, der Dicke, der Fette, „hat die Gestalt einer kleinen Kugel,
welche dicht mit kleineu Stacheln besetzt ist Wenn
er sich im Leibe des Menschen herumrollt, so verur-
sacht er die heftigsten TJuterleilisschmerzen; besonders
hal>eu schwangere Weiber viel von ihm zu leiden.''
Tfaridyi, die Heisse, die Grlühende, „hat die
Gestnlt eines kleinen Wurmes, dessen Leib dicht mit
Haareu besetzt ist Im Leihe des Menschen lässt
sie einige Haare zurück, wodurch die „Hitze", das
Kindbettfieber entsteht.'-
Knmilieite-Dtaon' der SkiMyi, die Kalte, „erzeugt im Menschen das
Zigeuner. kalte Fieber und hat die Gestalt einer kleinen weissen
Maus, die unzählige Füsse besitzt."
Bitoao, der Fastende, ist der unschuldigste
aller seiuer Geschwister. Denn er verursacht nur Kopf- und Magenschmerzeu.
Appetitlosigkeit u. s. w. ,^r hat die Gestalt eines vielköpfigen kleinen
Wurmes, der in dem betreffenden
Körpertheil durch seint ungemein
raschen Bewegungen Schmerzen ver-
ursacht. Dieselbe Form besitzen auch
seine Kinder, die ebenfalls weniger ge-
föhrliche Krankheiten erzeugen, wii-
Zahnschnierzen,Bauchgrimmen,Ohren-
sausen, Wadenkrämpfe u. s. w."
Lolmisho, Rothinaus, macht di<'
^' ^ E"-dSl ^^^?^?^'"' '^" Aussclilagskrankheiten und hat. wie
Nuta B. itkJöK.''* ' schon sein Name besagt, die Gestalt
einer kleinen rothen Maus.
Minceshre, die vom weiblichen Geschlechtstheile, verursacht die
Krankheiten der Genitalien sowohl bei den Frauen, wie bei den Mänueni.
mit FinschlusR alier venerischen Erkrankungen. Sie ruft diese Krankheiten
dadurch hervor, dass sie des Nachts als ein haariger Käfer über den Leib
des Menschen hin weg kriecht
Poreskoro, der Geschwänzte, ist der neunte und letzte dieser Krank-
heits-Damonen. Er sowohl als auch seine Kinder sind hennaphroditischen
(Geschlechts. Cholera, Pest und andere Epidemien sind die Krankheiten,
welche sie bringen. Auch die Seuchen unter dem Vieh werden von dieser
•Sippe verursiu:ht (Fig. G). „Der Poreskoro hat vier Katzen- und vier
Hundeköpfe, femer einen Vogelleib und einen Schlaugenschweil> Brechen
Epidemien aus, so winl sein Bild mit glühender Nadel in ein Holztäfelchen
eingebrannt und dieses dann ins Feuer geworfen.
PcaS den Kei-Liseln wird ebenfalls ein dämonisches Wesen figürlich
dargestellt, welches von den Eingeborenen als Bringer der Krankheiten
hetracliti't wird. Es ist die Vlar Ndga (Fig. 7), eine drachenartige, liegende
Holztigur mit dickem Kopf und phantastischen Höniem und mit einem
4. Drh ÄuHsehen der Krankheitsdämonen. 1 7
langen Schwänze. Vor sich hat sie eine kleine Schale von Uolz. in welche
man die Opfergaben legt, durch die man die Krankheiten abzuwehren
bemüht ist.
Der Krankheitsbringer der Altai-Völker ist der schreckliche Erlik
Kau, der Beherrscher iler Unterwelt, dessen Aussehen eine von Sadloff
jiegehene Beachwömngsformel der Schamanen mit folgenden Worten schildert :
„Du Erlik,. auf achwarzem Rosee
Hast ein Bett auH schwarzem Biber,
Deine Hüften sind so mächtig,
Dass kein Gürtel sie umapannt,
Deinen Hals, den allgewalt'gen,
Kann kein Menschenkind umfangen;
Rpannenbreit sind Deine Brauen,
Schwarz ist Deines Bartes Fülle,
Blutbefleckt Dein graues Antlitz.
0, Du reicher Kan Edik,
Dessen Haare strahlend funkeln,
Immer dienet Dir als Eimer
Eines todten Menschen Brust.
Menschenschädel sind Dir Becher,
Grünes Eisen ist Dein Schwert,
Eisen Deine Schulterblätter,
Funkelnd ist Dein schwarzes Antlit/..
Wellend tlattem Deine Haare.
Bei der Thüre Deiner Jurte
Stehen viele mächt'ge Throne.
Einen ii-d'nen Dreifuss hast Du,
Eisern ist Dein Jurtendach.
Reitest den gewalt'gen Ochsen.
Zum Bezug iiir Deinen Sattel
Reicht nicht eines Pferdes Haut,
Helden stürzen, i-eckst die Hand Du,
Pferde stürzen, wenn den Bauchriem,
Fürchterlicher, Du nur festziehst!
0, Erlik, Erlik, mein Vater!
Was verfolgest Du das Volk so?
Sag', was richte.it Du zu Grund esV
Bartels, Medicin der Natnrvülher. 3
IK II. Die Krankheit.
Schwarz, wie E-uss ist stets Dein Antlitz,
Finster glänzend, wie die Kohle,
O, Erlik, Erlik^ mein Vat«r!
Von Geschlechtern zu Geschlechtern
In dem langen Lauf der Zeiten
Ehren wir Dich Tag' und Nächte,
Von Geschlechtern zu Geschlechtern,
Bist ein hochgeehrter Führer!"
5. Die Geister Verstorbener als Ursaelie der Eranklieit
Au die bösen Geister schliesseu wir natiirgemäss die Seelen der Ver-
storbenen oder der Vorfahren als die Krankbeitsbringer, beziehungsweise
als di(^ Ki-ankheit selber an. AVenn in dem Tode die Seele von dem Kör-
j)er scheidet, so fliegt sie in vielen Fällen unstät in der Luft umher und
ist eifrig bemüht, von Neuem in einem Körjier sich eine andere Behausung
zu suchen, (lelingt ihr dieses, so wird derjenige, der nun von ihr beseelt
wird, in seinem ganzen körperlichen (Gleichgewichte beeinträchtigt, — ei-
wird krank. Eine solche Anschauung linden wir z. B. bei den Dacota-
Indianern und in ähnlicher Weise auch in Anibon und den üliase-
luseln. Aber nicht nur der Wunsch, wiederum ein körperliches Substrat
zu besitzen, veranlasst die Seelen der Vorfahren als Krankheitserreger in
die Menschen zu fahren, sondern auch der Zorn über allerlei Vernaclüäs-
sigungen und Versündigungen des jetzigen Geschlechts. Wenn wir davon
zu sprechen haben werden, dass die Krankheit als eine Strafe auftritt, so
werden wir uns noch einmal mit diesem (Tegenstande beschäftigen müssen.
Die soeben besprochenen Anschauungen herrschen voniehmlich auf den
zahlreichen Inselgruppen des malayi sehen Archipels. Die Namen tiir
diese Art umherschweifender Geister wechseln, im Wesentlichen aber kommt
es immer auf die gleichen Gedankengänge hinaus.
Bei den Papua der Geelvinkbai in Neu- Guinea darfeine soeben
zur Wittwe gewordene Frau lange Zeit hindurch das Haus nicht verlassen;
denn wenn sie es thäte und hierbei anderen l)egegnete. so glaubt man, dass
der Geist ihres verstorbenen Gatten diesen eine Krankheit anhauchen würde.
Ym ganz besonders gefährlich werden die (Geister unter besonderen
I^mständen Gestorbener erachtet, so namentlich die Geister von den un-
glücklichen Weibeni, welche während der Entbindung oder im Wochenbett
ilir Leben lassen mussten. Aber auch die Geister von Schwangeren und
auch von Jungfrauen, sowie von todtgeborenen oder gleich nach der Gebui-t
gestorbenen Kindern können den I^eberl eben den grosse» (gefahren bringen.
„Die Annamiten fiirchten die Con Ranh oder Con Lön, Es sind
das die Geister todtgeborenei- oder in sehr zartem Alter gestorbener Kinder,
welche immer bestrebt sind, sich zu verkörpern (Ion bedeutet in das Leben
eintreten) und welche, wenn sie in einen Körper eingedrungen sind, unfähig
sind, zu leben. Man nennt ihren Namen nicht in der Gegenwart von
Frauen, da man fürchtet, dass sie sich sonst an diese machen möchten, und
eine Neuvermählte hütet sich in der gleichen Furcht, von einer JVau etwas
f). Die Geister Verstorbener als Ursache der Krankheit. 19
nnzuiielimeu, oder ein Kleidimgsstück zu tragen, welche bereits einmal oder
^nr uiehnnals unrichtige AVochen gehalten hat" Es bedjirf besonderer Maass-
iiahmen, um sich von den einmal an der Familie haftenden Con Bank zu
befreien.
Ehelos gestorbene Mädchen bringen in Griechenland Kindern den
^Pod, in Siam tödten sie diejenigen, welche sie bei ihren Tänzen überraschen.
Auch in Serbien tanzen die Seelen von .Jungfrauen und tödten die Jüng-
linge; es müssen aber Bräute gewesen sein. In Annam veinirsacheu sie
(icisteskrankheiten, wie wir später noch sehen werden. In Indien fährt
der Geist einer im Brautstande Verstorbenen in den Körjjer der späteren
Krau ihres einstigen Bräutigams und redet aus ihr heraus und zwar lau-
ter Uebles gegen ihre Nachfolgerin.
In hohem Maasse gefürchtet sind die Geister der wäluend der Entbin-
dung gestorbenen Frauen. Auf Java suchen dieselben in Ki'eissende zu
fahren, und diese werden dann wahnsinnig. In dem Seranglao- und Go-
rong-Archipel, auf Ambon und den U Hase -Inseln, auf den Kei-lnsehi
und auf der Insel Djailolo werden sie zu bösen Geistern, welche die
Kieissenden quälen und deren Entbindung zu verhindern suchen. Auf
Djailolo, auf den Kei -Inseln und ebenso auch auf Selebes stellen sie
auch den Männern nach, um dieselben zu entmannen und sich auf diese
AV'cnse für die Befruchtung zu rächen, welche sie ins Unglück gestürzt hat.
Auch die vorher erwähnten (ileister der Neugeborenen in Annam werden
von dem Geiste einer während der Niederkuntl gestorbenen Frau gehütet,
«rtnviegt und ausgesendet, um ihren schädlichen Einfiuss auszuüben.
Bei den Ewe- Negern an der Sklavenküste werden die bei der Ent-
bindung verstorbenen Weiber zu Blutmenschen.
Im Wochenbett gestorbene Fi-auen werden in Borneo und auf Nias
ebenfalls zu Dämonen, welche auf ersterer Insel überhaupt als Plagegeister
der Lebenden umherschwärmen, auf Nias aber hauptsächlich den Kreissen-
d(Mi imd den Schwangeren nachstellen und den letzteren die Frucht im
Mutterleibe tödten, so dass dieselben abortiren.
In Annam fahren die Geister der eben an den Pocken Gestor])enen
in ihre Verwandten und machen sie dadurch ebenfalls pockenkrank. Das
gilt aber imr fiii' die schweren Formen dieser Krankheit: die leichten schreibt
man natürlichen Ursachen zu.
In Mittel- Sumatra heiTscht der Glaube, dass die dem Menschen
Krankheiten bringenden Buschgeister, Hantoe, aus dem Blute von solchen
P(M-sonen entstehen, welche durch irgend einen Unfall verw^undet und dabei
ums Leben gekommen sind.
Die Seelen der Gehängten, der plötzlich Veretorbenen, oder der durch
die Pest dahingerafften Menschen werden in Siam zu den Dämonen PAt-
Tdi'Hong,
6. DSmonisehe Menschen als Ursache der Krankheit.
Auch dämonische Menschen vermögen Iviankheiten zu verm'sachen.
Wir dürfen sie nicht verwechseln mit Zauberern, welche ebenfalls, wie wir
sehr bald sehen werden, allerlei Ki*ankheit erzeugen können. Die dämo-
nischen Menschen dagegen bringen nicht durch Zau])erkraft, welche in die
20 II. Die Krankheit.
Ferne wirkt, sondern durch eigenen directen Angiiff auf den auserkoreutMi
Körper die Krankheit zu Stande. Ein gutes Beispiel für ihre Thätigkeit ist
der allbekannte Vampyr, und auch der Wehrwolf ist hierher zu rechneiu
Wir müssen einen Uebergang zu diesen Anschauungen bereits in dem
vorher angeführten Glauben der Ewe-Neger erblicken, nach welchem rtin
im Wochenbett verstorbenen AVeiber zu Blutmenschen werden. Solch oinen
Blutmenschen haben wir uns doch zweifellos ganz ähnlich zu denken wit
einen Vampyr, oder noch besser, wie den sogenannten Doppelsauger de>
pommerschen Landvolkes. Die Vorstellung aber, dass lebendige Men-
schen in dieser Weise unheilbringend wirken können, findet sich bei den
eingeborenen Malayen von Mittel-Sumatra. Hier fiihren solche dänu»-
nische Menschen den Xamen Paläsieq.
„Die Paläsieq, sagt van Hasselty sind eigentlich keine fteister. son-
dern Menschen, welche die Macht haben, den Kopf mit dem Halse odei
auch die Eingeweide von ihrem Körper zu trennen, so dass die Theile ein
selbstst&ndiges Ganzes bilden, das meistens Nachts den Köiper verlässt, uui
umherzuschleichen, wo Jemand gestorben, verwundet, ermordet oder geboren
ist, um da das Blut aufzulecken. Unter das Haus, worin ein Kind geboren
ist, legt man darum allezeit Dombüsche, um die Paläsieq abzuwehn^j.
Ist Jemand verwimdet und kann man das ausströmende Blut nicht stilieii.
dann heisst es: „der Paläsieq hat an der Wunde gesogen"; dadurch ist
diese unheilbar geworden und der Verwundete muss sterben."
„Es besteht ein grosser Abscheu vor einer Heirath mit Jemandem, d«T '
Paläsieq Afit aber dennoch, sagt der Malaye, kommen diese Heirathen vor.
weil man es nicht immer weiss. Der Paläsieq hat die Macht, sich un-
sichtbar zu machen, jedoch ist er dann an seinem Geräusch zu erkennen."
An der Lo an go -Küste können bestimmte Zauberer unsichtbar bei
Nacht ihre Opfer beschleichen und ihnen, gleich einem Vampyr, das Blut
aussaugen.
In der Provinz Cueba in Mexico gab es nach den Berichten von
Oviedo eine ausserordentliche Plage, welche diu-ch die erschreckliche Aus-
dehnung des Saugens schaudererregende Folgen herbeifiihrte. Die Personen.
Männer und Frauen, welche diese dämonische Gewohnheit anfingen, veurdeu
von den Spaniern Ghupadores genannt. Sie gingen des Nachts aus, um
bestimmte Einwohner zu besuchen. An diesen sogen sie stundenlang und
wiederholten dieses Nacht fiir Nacht, bis endlich ihre unglücklichen Opfer
so dürr und abgemagert waren, dass sie in vielen Fällen vor Erschöpfiin.ii
starben.
Es erinnert dieses alles an einen auch heute noch bestehenden Aber-
glauben der Süd-Slaven, bei welchen diese dämonischen Menschen aber
keine besondere Gruppe des Volkes bilden. Bei ihnen hat jegliches Weib.
das zur Hexe geworden ist, die Fähigkeit und die Gewohnheit, derartiges
Unheil anzurichten. Allerdings muss sie nach dem Glauben der Mon-
tenegriner, um diese Fähigkeit zu erlangen, zuvor ihr eigenes Kind ge-
fressen haben. „Ueberfällt wo eine Hexe einen Schläfer," schreibt Krauss,
„so versetzt sie ihm mit ihi-er Zaubergerte vorerst einen Streich über dit»
linke Bnistwarze, worauf sich der Brustkorb von selber öffnet. Die Hex«'
reisst nun das Herz heraus, frisst es auf. imd die Wunde in der Brust
wächst von selber gleich \\4eder zu. ifanche ansgeweidoto Menschen ster-
7. Thiere im Körper als Ürsaclie der Krankheit. 21
ben auf der Stelle, andere wieder schleppen ihr Dasein noch einige Zeit
>¥eiter, soviel Lebensfrist ihnen die Hexe nach der That noch zu beschei-
den für gut befunden, ja sie bestimmt ihnen noch die besondere Todesai*!,
un welcher sie sterben müssen. Zuweilen betheiligen sich auf einmal mehrere
Hexen an solchem Mahle.*^
7. Thiere im KSrper als Ursache der Krankheit
Die Kranklieit, aufgefasst als ein Thier, das in den menschlichen Körper
j^erathen ist, finden wir wiederum bei sehr vielen Völkerschaften. Sehr richtig
sagt bereits van Hasselt^ dass dieses Thier im Grunde genommen dann
doch weiter nichts ist, als ein böser Geist, der eben in dieser Gestalt sich
verkörpert hat. Darum sprechen auch in solchen Fällen die Dacota-In-
(lianer bisweilen nicht von einem Thiere selbst, sondern von dem Geiste des
betreffenden Thieres. Diese Thiere können nicht nur kleine, wirbellose Thiei'e
sein, sondern auch Reptilien und Amphibien, Vögel und sogar Säugethiere.
Ja als ein Curiosum müssen wir es hier anfügen, dass die Dacota-In-
dianer selbst eine Besessenheit durch einen Baum für möglich halten.
Unter den Thieren, welche als Krankheit in den menschlichen Körper ein-
dringen, steht bei weitem in Bezug auf die geographische Verbreitung obenan
der Wurm. Entweder ist es nur ein einzelner, oder es sind deren gleich
mehrere. Wir müssen es natürlicherweise unentschieden lassen, in wie weit
(^iiie wirkliche Naturbeobachtung zu einer solchen AuöVissung der Krank-
heit beigetragen hat. Es kann ja doch keinem Zweifel unterliegen, dass
bei den in nicht zu kalten Klimaten lebenden Völkern die Wunden, welche,
wie wir später sehen werden, sehr häufig ohne jeglichen Verband gelassen
werden, den Fliegen zum Absetzen ihrer Eier dienen und sich daher sehr
))ald mit FliegenlaiTcn, d. h. also nach dem allgemeinen Sprachgebrauche
mit Wüi'mern bedecken werden. So haben die Verletzten also Würmer
aus ihrem Körper hervorkriechend sichtbarlich vor Augen, und das Brennen
und Schmerzen der Wunde mögen sie wohl als durch diese unschuldigen
Tkiere verursacht betrachten. Auch das gelegentliche Abgehen von Hel-
luinthen bringt ihnen wohl die Ueberzeugung bei, dass ihr Körper von Wür-
mern bewohnt sein könne, und es ist dann doch nur ein Schritt, dass bei
grösseren Leiden die kleinen Würmer sich in ihrer Phantasie auch zu
grösseren Thieren entwickeln.
leidlanga, d. h. Fresser, nennen die Xosa-Kaffern solche Thiere im
Körper.
An einen Wurm als Personification der Krankheit glauben die Sioux
und einige ihnen benachbai-te Indianer- Stämme, aber auch die Central-
Mexicaner, ferner die Harrari in Afrika, die Siamesen, die Aaru-
lusulaner und die Eingeborenen von Selebes und von Mittel-Sumatra;
ebenso auch die vorher schon erwähnten Xosa-Kaffern.
Die Annamiten betrachten einen Wurm im Körper als das Wesen
und die Ursache der asthmatischen Beschwerdcui. Dieser Wurm hat die
fatale Gewohnheit, bei dem Tode seines Wirthes dessen Köiper zu verlassen
und sich einen der Verwandten oder der Freunde des Verstorbenen als
neue Wohnung auszusuchen. Die Folge dieses Aberglaubens ist, dass einen
22 IL Dio Krankheit.
sterbenden Asthmatiker die Freunde und Verwandten im Stiehe hissen mm
fremden Leuten seine letzte PHepe nhei-traj^en.
Auch Hieb klaf^ in seiner Krankheit:
Mein Fleisch ist um und um würmicht.
Vnd ähnlich tritt in dem deutschen Volksglauben der Wurm odtr
mehrere AVürnuM* im Köri)er ganz unverkennbar als die Krankheit auf. Aii
liekanntesten ist das Panaritium, der Wurm am Finger; ein auch dei
Siamesen geläufiger Begriff. Aber auch s(nist noch treffen wir inehrfacli
auf Wünner als das AVeseu der Krankheit, was namentlich in uiaiK-lici.
Beschwöiiingsfonneln recht deutlich zu Tage tritt.
Es heisst in einer Beschwörungsformel fiir ein krebsartiges (Jesclnvüi.
welche in Neudorf bei Graudenz gebräuchlich ist:
Der Herr ging zu ackern auf des Herrn Acker,
Er nahm drei Fuhren im dürren Wackern,
Er fand drei Würmer.
Der erste hiess Gehwurm,
Der zweite hiess Streitwurni.
Der dritte hiess Haar wurm,
Alle Würmer haltet ein.
Lasset ab von des Nächsten Fleisch und Bein.
Bei den Klamatb-Indianern und ebenfalls bei den Sioux uiul d*u
Xosa-Kaffern kann das Thier aber auch ein Insect. bei den Central-
Mexicaneru eine grosse Ameise sein. Den Frosch als Krankheit treffen
wir bei den Klaniath- und den Karok- und anderen Indianern Nord-
(^aliforniens, die Schlange bei den Klamath, den Karok und bei <leu
Eetar-Jnsulanern, die Eidechse bei den Xosa-Kaffern und die Schild-
kröte bei den Dacotas.
Ein Vogel, und zwar im Koj)fe des Kranken, veranlasst auf Eetar
die Epile])sie. und auf den Tanembar- und den Timoriao- Inseln tVw
Epilepsie und die Geisteski-ankheiten. Wir Deutsche sind also nicht lie-
rcThtigt. uns auf die Neuheit unsen^s Gedankens etwas einzulnlden.
Ein Holzspecht ist es bisweilen bei den Twana-, den Chemakuin-
nnd den KLall am -Indianern, welcher am Herzen seines Opfers herumpickt.
AVenn es dem Arzte in Siam gelingt, die Inichst gefährlichen Krauk-
heits-Dämonen Phi Xin aus dem Köri)er des I^atienten herauszutreiben, so
sieht man, wie sie in der (ilestalt eines schwarzen Vogels, einer Krähe ähu-
lich. von dannen fliegen. Dann darf der Arzt aber nicht von dem Krank(Mi
gehen, denn wenn er ihn verlassen würde, so kehrt im Augenblick der dä-
monische Vogel in seine vorige Behausung zurück und zerhackt dem Pa-
tienten die Eingeweide und dann erfolgt unausbleiblich der Tod.
Anch bei den Klamath-Indianern in Oregon werden bisweilen
vei'schiedeue Vögel als die Bringer der Krankheit verantwortlich gemacht.
Si<* rühmen sich dessen selber in Beschwörungsgesängen. So lautet der Eine:
,,Ich, der junge Holzspecht, habe Krankheit herbeigebracht."
Ein anderer heisst:
„Die von mir, der Lerche, gebrachte Krankheit breitet sich überall aus.**
S. Fremde Substanzen im Köq^er sind die Krankheit. 2^
Auch der Kraiii(^h und mehrere Enten treten als Kranklieitserreger auf:
^Die gebrachte Krankheit kommt von mir, dem jungen WAkash-Kranich."
^Eine Krankheit ist gekommen, und ich, die Wä-u'htuash-Ente, habe sie
hervorgerufen.**
Die Jliünaktsu-Ente und die Mpanipaktish-Ente singen jedt*:
„Bauchschmerz ist die Krankheit, welche ich mit mir bringe.'*
Aber auch noch grössere Thiere kcinuen im Körper des erkrankten Men-
sclien stecken, entweder in Substanz oder als Geist des Thieres. Das kann
l)ei den Twana-. den Chemakum- und den Klallam-Tndianern ein
K ich hörn eben, bei den Sioux-Indianeru ein Stachelschwein sein,
auf den Luang- und Serm ata- Inseln ein Bock, auf den Inseln Leti.
^I(ia und Lak<»r eine Ziege, in den ])eiden letzten Fällen als Hervorbringer
iUn' Epilepsie.
Die Otter wird bei den Klamath- Indianern für die Pocktni verant-
Avortlich gemacht. Der Mediciu-Maun singt bei der Beschwörung in ihrem
Namen:
„Die Pocken, von mir gebracht, der Otter, sind bei Euch,"
und der Chor fiillt dann ein:
„Der Otter Schritt hat den Staub aufgewirbelt. **
Bei den Dacota-Tndianern kann das in den Körper des Patienten
eiugednmgene Thier sogar ein Hirsch sein, oder ein Bär.
Ein Bär wird auch den Twana- Indianern, sowie den Chemakum
und den Klallam von bösen Zauberern in das Herz geschickt, um an ihm
zu fi-essen und sie auf diese Weise krank zu machen.
Hier schliesst sich ein Glaube der Siamesen, der Karen und der
Laoten an, ü))er welchen Bastian berichtet hat:
..Die Zauberer der Laos sowohl wie die der Karen sind wohlerfahren
in der Sai Khun gt»nannten Zauberkunst, indem sie sich auf die Haut
eines Biififels oder eines Ochsen setzen und dieselbe durch Hexerei kleiner
und kleiner zusammenschinimpfen lassen, so dass sie zuletzt zu weniger als
Handbreite reduciii: wird. Dieses comprimirte Stück wird dann in Wasser
aufgelöst, und wenn man davon gegen einen Älenschen spritzt, so erfolgt
der Tod, da in dessen Innerem sich die Haut wieder zu der ui'sprünglichen
Fonn eines Ochsen oder Büifels aufbläht und so den K()rj)er zerreisst. Beim
Verbrennen der Leiche eines so Getödteten bleibt ein Klumpen zäher Masse»
imverkohlt zurück, und die Siamesen bestechen oft die Bestatter, ihnen
ein Stück davon zu verschaffen, denn wer ein Stück davon gegessen hat,
bleibt fiir die Folge gegen solchen Zauber geschützt.'*
8. Fremde Substanzen im KSrper sind die Krankheit.
Von diesen Anschauungen ist es eigentlich nur noch ein Schritt bis zu
dem Urlauben, dass die Krankheit ein in dem Inneren des Patienten stecken-
der Fremdkörper sei. Diese Fremdkörper werden bei verschiedenen Volks-
stämmen den Ijeidenden und ihrer Umgebung ad oculos demonstrirt, indem
der Arzt sie aus ihrem Köq)er heraussaugt und sie dann aus seinem Munde
24
II. Die Krankheit.
zum Vorschein bringt (Fig. 8). Derartige Verköipei-uugen der B[raiikLeir
sind z. B. Strohhalme bei den Australnegeru in Victoria, Holzstücke
in Victoria, Stid-Australien, aiif den Aaru-Inseln und auf den In-
seln Eetar, Leti, Moa und Lakor; eine Bohne bei den Xosa-Kaftem.
Dornen auf den drei zuletzt genannten Inseln und auf Selebes. Eiii
Erdklumpen ist es aufE^tar, ein Stückchen Kohle in Süd-Australien,
ein Eisenstück bei nordamerikanischen Indianern, ein» Korallen-
stück auf den Kei-Inseln, Muschelschalen auf den letzteren und auf
Leti, Moa und Lakor. Nordamerikanische Indianer sehen als die
verkörperte Krankheit auch bisweilen die Krallen eines Thieres au, die
Tatzen eines Bären, die Stacheln des Stachelschweins, die Eing«-
borenen Victorias ein Stück Opossumfell. Fischgräten sind die Krank-
heit häufig auf Eetar, auf Leti, Moa und Lakor, auf den Aaru- und
K§i-Inseln, Knochenstücke auf den Kei-Inseln und den Inseln Buru
und Eetar, bei den Siamesen, bei den Australnegern in Süd-Austra-
lien und Victoria, sowie bei den Klamath- Indianern und bei verschi«'-
denen Stämmen in Britisch-Columbien. Als ein Stein
markirt sich die Krankheit auf Selebes, Eetar, Leti,
Moa. Lakor, den Kei-Inseln, in Siani und bei den
Ipurina-Indianern in Brasilien, aber auch bei sehr
vieU'n nordamerikanischen In dianer- Stämmen.
Bei den h^tzteren ist die Sache aber wohl noch eiL
wenig anders aufzufassen. Der einer besonderen Orden>-
verbindung angehörige Arzt bringt allerdings, wenn or die
Krankheit von dem Patienten fortgenommen hat, einen
Stein aus seinem Munde hen'or, aber es ist jedesmal
derselbe, der ausserdem auch noch zu anderweitigen
Ceremonien gebraucht wird. Und da nun bei gewissi»n
Stämmen sich die vier vei'schiedenen Grade dieses
Ordens unter anderem auch durch die Form dieser Steine
unterscheiden (für welche übrigens auch SchneckenhäustT
in Kraft treten), so wird mau, wie ich glaube, wohl den
Vorgang so auflassen müssen, dass die dem Krankten
Fig. 8. Krallen und entnommenes nicht näher substantiirte Krankheit durch
Fellfltücke, welche der Jie übernatürliche Kraft d(^s Arztes in dessen Munde
Klamath-In^ianer gleichsam zu der Form des betreifenden Steines coagulirt,
dem Kranken aussaugt, aber dass nicht etwa dieser Stein (oder das Schnecken -
^"'- 'ßlriiS'^'""'^^ haus) selber als Krankheit in dem Körper des LeidendiMi
Nach Photographie gesesscn habe.
Wir finden auch noch bei anderen Völkern, dass die Krankheit, wenn
man so sagen darf, als ein körperlosem* Fremdkörper aus dem Patienten
entfernt und dann foii:geworfen oder ausgespieen wird; so bei den Bilqula^
den Isthmus-Indianern, den Bakairi in Brasilien und den Einge-
borenen in Süd-Australien und Victoria.
Einer besonderen Art eines fremden Stoffes, welcher die Krankheit
verursachen kann, haben wir noch zu gedenken. Die Niasser nänüich
glauben, dass die BelUf die bösen Geister, gewisse Stofife, namentlich Asche
auf den Körper werfen, wodurch dann Stiche und Hautausschläge entstehen.
Hieran erinneii; ein Zauber der Australneirer in Victoria.
9. Die Krankheit venirsacht durch einen magiechen Schiiss. 25
„Bill Stück Baumrinde wird in die Hand genommen und heisse Asche
Avird nach der Himmelsgegend geworfen, wo.inan weiss, dass 'der feindliche
Stamm lagert und ein Gesang wird angestimmt und alle Vögel in der Luft
M'erden aufgefordert, die Asche fortzutragen und sie auf den bestimmten
Arann fallen zu lassen. Die Asche verursacht es, dass sein Fleisch ver-
ti'ocknet, und der Mann verdoni: und wird wie ein. abgestorbener Baum.
Kr ist nicht fähig, sich umheraube wegen, und endlich stirbt er/*
9. Die Krankheit rerursaeht dureh einen magisehen Seliuss.
Einer besonderen Ali: von Fremdkörper müssen wir noch gedenken,
ilas ist das in den Köi7)er des Kranken eingedrungene magische Ge-
sclioss. Dasselbe kann eine Gewehrkugel sein oder ein Stein, ein Geschoss
von Stroh oder eine Kugel von Haaren. Wir finden dasselbe bei vei'schie-
deiien Indianer- Stämmen durch unsere Berichterstatter erwähnt
So glauben die Ipurina-Indianer in Brasilien, dass ihre Medicin-
^[änner im Stande sind, Abwesende durch ihre mit magischer Kraft begab-
t«»ii IVIedicin-Steine zu verletzen und zu tödten. Der Mediciu-Mann wirft sie
in der entsprechenden B,ichtung, in welcher er den Auserlesenen vermuthet,
j^egen diesen. Derselbe empfindet dann sofort einen heftig<»n Stich, wie von
(»iner Wesj)e, und von dieser Z(*it an siecht er langsam dahin und stirbt
Von den Creek-Indiauern berichtet Oaler Swan im Jahre 1795:
„Stiche in der Seite und rheumatische Schmerzen, welche bei ihnen
liäufig sind, werden oft als AVirkung magischer Wunden betrachtet Sie
j^lauben fest, dass ihre Feinde imter den Indianern die Kraft besitzen,
sie, wenn sie im Schlafe liegen, auf eine Entfernung von 5()() Meilen zu
schiessen. Sie beklagen sich oft, dass sie von einem Choctaw oder
Chicasaw aus der Mitte dieses Volkes geschossen worden sind, imd sie
schicken oder gehen direct zu der erfahrensten Aerztin, un» Hülfe zu
suchen. Die erfahrene Fi-au erzählt ihm, dass das, was er beobachtet hat,
wirklich wahr sei, und beginnt ihn auszufragen und die Cur zu macheu.
In diesen Fällen ist Ritzen und Schröpfen das Heilmittel; oder, was oft
stattfindet, sie saugt an dem befallenen Theile mit ihrem Munde und bringt
vor seine Augen ein Fragment einer Kugel, oder Stücke von Stroh, welche
sie vorsorglich in ihrem Munde verborgen hatte», um den Glauben an das-
jenige zu befestigen, was sie versichert hatte; darauf werden wenige magische
Tränke verordnet, und der Patient ist gesund gemacht"
P]ine an Brustfellentzündung leidende Clioctaw-Indianerin war nach
der Aussage des Medicin-Mannes von (»inem Zauberer mit einer magischen
Kugel von Haaren geschossen worden.
Die Zauberer der Twana-, der Chemakum- und der Klallam-
Indianer vermögen ihren Opfern eine magische Kugel oder einen Stein
i^i das Herz zu schiessen. Hierdurch erzeugen sie Krankheit und endlich
den Tod, und es ist ein ganz feststehender Glaube, dass wenn man das
Herz eines Verstorbenen (iffnet, mau den Fremdkörper noch darin zu finden
vennag.
Die Eingeborenen von Vancouver haben einen ähnlichen Glauben.
Jacobsen höiie vom Missionar Crosby, dass ein junger Indianer seiner
Station einst einen Medicin-Mann neckte. Dieser rief ihm im Zorne zu:
26 IL Die Krankheit.
„Du wirst iu seclis AVochen sterben/* Der jiuif^e Mann wurde stiller und
stiller; er lej^te sich hin und wurde krank und war fest davon überzeugt,
<lass der Medicin-Mann ihm einen Stein in das Herz f?esehos8en lialx».
Aller Zuspmch war vergeblich und noch vor dem Ablaufe des gestellten
Termines führte seine Melancholie zum Tode.
Die Eingeborenen von Nord-Gippsland in Australien schreibfMi
eine Reihe ihrer Erkrankungen, welche sie Tundung nennen (Brust-
affectionen und heftige Schmerzen im Abdomen), dem bösen (t eiste Brewin
zu. Dieser wii-ft den Menschen das spitze Ende seines Murrawun. seint»s
AVurfstockes, in den Körper, uud um diesen wieder zu entfernen, muss mau
einen monotonen, drohend(»n Gesang anstimmen, welcher lautet:
„0 Brcfvin^ ich vermuthe, Du hast Tundung gegeben oder das Äugt*
(d. h. das scharf umgebogene Ende) des Murrawnin."
Wem liele hierbei nicht unser Hexenschuss ein. der bei den Ein-
wohnern von Wales als Elbenschuss bezeichnet wird. In Irland
brauchten die Bauern Feuerstein-Pfeilspitzen in Silber gefasst, die sie als
Eiben- Pfeil e(Elf-arrows) betrachteten. alsAmulet gegen den Elbenschuss.
Nilsson erzählt, dass die Lai)pen von den benachbarten Stännneu
tür zauberkundig gehalten wurden. „Sie wussten diej« und drohten dem-
jenigen, der ihnen nicht ge})en wollte, was sie verlangten, einen (lan auf
ihn zu schiessen. Die Gaue bestanden nach Mone in bläulichen flügellosen
Insecten, welche der zauberkundige Lappe in einem ledenien Säckchen in
der Nähe seiner Götterbilder zu bewahren pflegte. Wollte er einem Neben-
menschen Schaden zufügen, so schoss er einen Gan auf ihn, und alsobald
iühlte das gedachte Individuum einen jähen Schmerz (Lappenschuss), der
bisweilen in langwierige, bösartige Krankheit überging."
Den homerischen Griechen vor Ilium brachte Apollo mit seinem
(leschosse tödtliche Krankheit (T, 43 — 58).
•
„Ihn hörete Phöbox Apolion,
Und von den Höh'n des Olymp os enteilet er, zürnenden Herzens,
Er auf der Schulter den Bogen und wohlverschlossenen Köcher,
Laut erschollen die Pfeil' an der Schulter des zürnenden Gottes,
Als er einher sich schwang; er wandelte, düsterer Nacht gleich:
Setzte sich drauf von den Schiffen entfernt, und schnellte den Pfeil ali:
GraunvoU aber erklang das Getön des silbernen Bogens.
Nur Maulthier' erlegt' er zuerst und hurtige Hunde;
Doch nun gegen sie selbst das herbe Geschoss hinwendend.
Traf er, und rastlos brannten die Todtenfeuer in Menge:
Schon neun Tage durchflogen das Heer die Geschosse des Gottes."
Im Buche Hiob begegnen wir ebenfalls der Auffassung der Krankheit
als <»iues göttlichen Geschosses. Hiob klagt (0, 4):
„Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir,"^
und :54, 5. wirft ihm sein Freund Elihu von Buss vor:
„Denn IJiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott weigert mir mein
Recht. Ich muss liegen, ob ich wohl recht habe, und bin gequälet von
meinen Pfeilen, ob ich wohl nichts verschuldet habe.'*
Aber selbst noch in der christlichen Kunst des 10. Jahrhunderts flnden
wir die Beweise dafiir, dass die Voi'stellung eines schiessenden Gottes in
10. Die Krankheit entsteht als Strafe. 27
ihnii Bewusstseiu des Volkes noch immer le])eudig gebli(-l)en war. So be-
findet sich in der Burgkapelle des Schlosses Brück bei Lienz in Tirol
ein dem KJ. Jahrhundert entstammendes Fi'escogemälde . auf welchem Gott
Täter vom Himmel herab auf die Menschen mit einem Bogen schiesst.
Die Mutter Gottes tritt aber dazwischen und breitet ihren Mantel über
ihren Schutzbefohlenen aus und nun vermögen die göttlichen Pfeile ihren
^Mantel nicht zu durchdringen, sondern sie verbiegen sich, indem ihr Schaft
sicli zickzackförmig zerknickt.
10. Die Krankheit entstellt als Strafe.
Die Auflassung, dass die Krankheit eine göttliche Strafe sei, entspiicht
bekanntermaassen vollkommen gewissen modernen Anschauungen. Im Jahre
1>^66 habe ich selber einem Gottesdienste beigewohnt, bei welchem der
(leistJiche einer Krankenanstalt den fiir das Vaterland verwundeten Soldaten,
deren einem beide Augen weggeschossen waren, auseinandersetzte, dass ihre
Verwundungen die wohlverdiente Strafe fiir ihre persönlichen Sünden seien.
Im Buche Hiob (33, 19—21) lesen wir:
.,Er (Gott) strafet ihn mit Schmerzen auf seinem Bette und alle seine
(tebeine heftig, und richtet ihm sein Leben so zu, dass ihm vor der Speise
ekelt und seine Seele, dass sie nicht Lust zu essen hat. Sein Fleisch ver-
schwindet, dass er nicht wohl sehen mag. und seine Beine werden zer-
schlagen, dass man sie nicht gerne ansiehet."
Nicht wenig überraschend ist es, wie ganz ähnliche Anschauungen weit
über den Erdball verbreitet sich bei den Natunölkeiii wiederfinden. Es
lehrt dieses ein Blick in das uns zu Gebote stehende Material. Als eine
#>trafe Allahs erscheint die Krankheit auf dem Seranglao- und Gorong-
Archipel. Es kämpfen hier aber sichtlich noch die uraltheidnische Tradition
und die der Bevölkenmg aufgepfropfte muhammedanische Auflassung mit
einander. Denn sie nehmen an, dass Allah, über ihr Vergehen erzürnt,
den krankheitserregenden Dämonen die Erlaubniss giebt, in die iSlenschen
zu fahren und von ihnen Besitz zu ergreifen.
Auch schon bei den alten Akkadern treffen wir bestimmte Dänumen
als die Vollstrecker des göttlichen Zornes an. Dieselben werden folgeuder-
maassen ])eschworen :
„Sieben sind's! Sieben sind's!
Sieben sind es in des Oceans tiefsten Gründen!
Sieben sind es, Verstörer des Himmels!
Sie wachsen empor aus des Oceans tiefsten Gründen, aus dem (ver-
borgenen) Schlupfwinkel.
Sie sind nicht männlich, sind nicht weiblich;
Sie breiten sich aus, gleich Fesseln;
Sie haben kein Weib, sie zeugen nicht Kinder:
Ehrfurcht imd Wohlthun kennen sie nicht!
Gebet und Flehen erhören sie nicht!
Ungeziefer, dem Gebirge entsprossen.
Feinde des Eä;
Sie sind die Werkzeuge des Zorns der (rötter.
28 II. Die Krankheit.
Die Landstrasse störend, lassen sie auf dem Wege sich nieder:
Die Feinde, die Feinde!
Sieben sind sie! Sieben sind sie! Sieben (zweimal) sind sie!
Geist des Himmels! dass sie beschworen seien!
Geist der Erde, dass sie beschworen seien!"
Wir müssen aber auch hier wiederum das Buch Hioh (2, 6) anfiihren,
wo es heisst:
„Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in Deiner Hand,
doch schone seines Lebens."
Auch auf den Inseln Leti, Moa und La kor und auf einigen beuach-
V)arten Inseln erscheinen die Krankheiten als Strafe der Gottheit oder auch
als eine Strafe der Geister der Verstorbenen, welche dann, wie es den
Anschein hat, bisweilen wohl selber als Krankheitsdämon in die Menschen
hineinfahren. Die Gründe nun, wanini die Krankheiten als Strafe über die
sündige Menschheit verhängt werden, lässt manche überraschenden Züge tief
ethischen Gefühles imd pietätvoller Anhänghchkeit an die Vorfahren er-
kennen.
Die Geister der Verstorbenen strafen mit Krankheit, wenn man ihnen
nicht bei dem Begräbniss eine hinreichende Ausrüstung mitgegeben oder
wenn man ihre Gräber schändet (Buru), wenn man ihr Andenken ver-
nachlässigt und sie nicht hinreichend mit Speise versorgt (Serang, Keisar.
Leti, Moa, Lakor, Ambon und die ITliase-Tnseln, Aaru-Inselu,
Watubela-Inseln), wenn mau das Hausdach über ihrem Opferplatz defeet
werden lässt (Leti, Moa, Lakor).
Auch bei den Zulu und Basutho machen die Vorfahren die Uebei--
lebenden krank, um sie für Kränkungen und Beleidigungen zu bestrafen.
Hier handelt es sich aber nicht um Vernachlässigungen nach dem Tode,
sondern um solche Beleidigungen, .welche ihnen bei ihren Lebzeiten zugefügt
win-den und die nicht in entsprechender Weise gesühnt worden sind. Eine
Vernachlässigung der Geister, denen bei der Erlegung eines Bären oder
eines Hirsches nicht ein entsprechender Antheil gegeben worden ist, bringt
auch den nordamerikanischen Indianern Krankheiten. Auf Selebes
genügt es hierzu, einen bösen Geist in seiner Ruhe gestört zu haben, und
auf den Kei- Inseln folgt Krankheit darauf, wenn man einen Wawa-Baum
(Ficus altimeralao Rixl.) schändet, oder an ihm seine Nothdurft verrichtet.
Die Maya-Völker Central-Amerikas glaubten, dass eine Krankheit
die Strafe sei tür ein Verbrechen, das nicht eingestanden wurde. Auf
Eetar, Ambon und den Uliase-lnseln strafen die Vorfahren mit Krank-
heit, wenn man ihr einstiges Eigenthum vergeudet; auf Ambon, den Uliase-
lnseln und Serang, wenn man die Reliquien veräusserf, oder auch wenn
man die althergebrachten Institutionen nicht befolgt; ebenso auf Keisar.
Auf Nias entsteht ein starkes Halsübel, wenn man sich mit dem Dorf-
oberhaupte zankt, und Diarrhoe und Magen schmerz nach dem Genuss ge-
stohlener Früchte. Auf den Kei-Inseln treten Epidemien auf, wenn
die regierenden Häupter sich Ungerechtigkeiten zu Schulden kommen lassen,
auf Nias, wenn das Dorfoberhaupt die bei ihm in Verwahrung gehaltenen
nonnalen Maasse und Gewichte fälscht; und darum ist bei dem Ausbruch
einer Epidemie die erste Maassnahme, sich von dem Zustande dieser Gewichte
11. Krankmachender Zauber. 29
\ind Maasse zu überzeugen. Wer auf den Watubela-Inseln seine Dorf-
Genossen betrügt, wer auf Selebes einen falschen Eid schwört, wer auf
den Kei-Insebi Blutschande treibt, wer auf Nias mit seiner Frau während
cler Gravidität verbotenen Umgang hat, und wer auf Eetar verbotene Speisen
isst, der wird ebenfalls mit Krankheit bestraft. Aber auch seinen Eandem
kann der Vater Krankheiten bringen, wenn er, während die Mutter mit
ilinen schwanger ist, gewisse Handlungen vornimmt oder gewisse Nahrungs-
mittel geniesst Es resultirt hieraus eine grosse Anzahl von Enthaltungs-
Torschriften für den Ehegatten einer schwangeren Frau, wie wir ihnen bei
sehr vielen Völkern begegnen.
Auch dem Loango-Neger sind Zeit seines Lebens bestimmte Dinge
zu essen verboten, dem Einen dieses, dem Anderen jenes, ganz ähnlich wie
der Indianer und der Australier sein Totem-Thier nicht essen darf.
Wild dieses als Quixilla bezeichnete Verbot übertreten, so ist Erkrankung
des Uebertreters die ganz unausbleibliche Strafe.
Eine besondere Form der Bestrafung mit Krankheit treffen wir
ebenfalls hauptsächlich auf den Inseln des malayischen Archipels.
Hier besteht vielfach die Sitte, das Betreten oder die Beschädigung be-
stimmter Feldmarken durch ein besonders gefonntes und mit Segenssprüchen
geweihtes Zeichen zu ver})ieten. Wer nun ein solches Verbotszeichen nicht
respectirt, der verfällt einer ganz bestimmten Krankheit, welche durch die
Form des Verbotszeichens für Jedermann kenntlich gemacht ist. Wir
werden später hiervon noch eingehend zu sprechen haben.
11. Krankmachender Zauber.
Unendlich ei-findungsreich ist der menschliche Geist in Versuchen,
seinen Nebenmenschen Schaden zu bringen; und so treffen wir auch die
complicirtesten Maassnahmen, durch welche ein verhasster Gegner krank
gemacht oder gar getödtet werden soll. Für gewöhnlich wird ein langsames
Dahinsiechen bezweckt, und nur selten handelt (»s sich um directe Ver-
giftungen. Meistentheils ist es irgend eine Form der Behexung, der Be-
zauberung oder das Auslegen eines magischen Giftes, welches niu' in eine
gewisse Nähe von dem auserkorenen Opfer zu gelangen braucht, um seine
schädlichen Wirkungen zu entfalten. Die Bezauberungen jedoch sind auf
unglaubliche Entfemimgen hin wirksam, und von dem unfehlbaren Eintreten
des gewünschten Erfolges ist der den Zauber Ausübende fest überzeugt,
ebenso wie sehr häufig irgend ein Erkrankter keinen Augenblick darüber
im Zweifel ist, dass er seine Leiden den Zaubermanipulationen irgend eines
Feindes in der Feme zu verdanken habe. Wir müssen versuchen, einige
dieser Zaubereien näher kennen zulernen; es können allerdings die magischen
Schüsse der Ipurina-, der Creek- und der Choctaw-lndianer u. s. w.,
sowie der Hexen- und Lappenschuss mit in diese Gruppe gerechnet
werden.
An wirkliche Vergiftungen durch böse Menschen, welche Krankheit
hervorrufende Ingredienzien in das Essen mischen, glaubt man auf Selebes.
;«) IT. Die Krankheit.
AiK'li in ilciii Si-raiiKliiii- uiul Guruu^-Ai'rlii|ii-I wird die Kraiiklii-it
iiDter L'nistiüidcii fiir die Folfii- einer Vergiftimg durch feiudseligc Staninie>-
^eiiijsseii ^eliKlti'ii. und iiiiui licdieiit »ich diiKef;eii eiues iiacli ^imz bestiinititfii
Vorschriften jret'ertifiteii (Jepeiigiftes. Auf der xu den Tiinenihar- timl
Tiinorlao-rDseln (jeliörigeii Insel Selaru macht man (iebranch von eiiiciii
(lift. das von B'isclien und Rclialthieifu hergestellt wiiti. Auf Aniboii iiiid
den T'liiise-Inseln benutzt man eiue feiuKerkleinerte Strvchnus-Art, welclu-
iiiau dem Essen iH'imischt; sie verui-SHclit
.Schwindel, Erbrechen und [icilwchmei-zi-ii
und endlich den T<id. In dem Serauplao-
und Gorouy-Arciiipel wird die mit Kalk
vermengte feingestosseue Leber der Matig;t-
rat-ScIilauge dem auserlesenen Opfer iriit
der Nahrung beigebracht. Die Folge davon
ist ein böser Hu st^-n, an welchem der Ki-aiikf
langsam dahinsiecht. Die Marokkaner
suchen ihren Mitmenschen ein zehrendes
Tieiden und endlich den Tod zu hringeii.
indem sie ihm gestossene Eierschalen, Kopf-
schiini und ahrasii-te HaHrstoppeln in die
Speisen mischen. Auch <!er Zusatz von
zerkleinerten Fingernägeln und dem Mehle
von einem Menschen knoc he n hat den gleichfii
Erfolg. Auch ist es schon genügend, den
Mehlbrei, der von dem armen Opfer ver-
zehrt werden soll, mit der Hand eines eben
(iestorhenen durch zuriihi-en.
Von denBattakeru in kSumatra besitzt
das Berliner Aluseum für Völkerkunde
einen mit Schweinshauerii und einer mensch-
lichen Figur verzierten Tui>f (Fig. 9( mit
einer Mediciu, welche fiir so giftig gilt, dass
schon ihr Geruch eine Vergiftung verursacht.
Fig. 9. Guri Guri, Gifttopt der Sie soll aus MenschenHeisch hergestellt
Battaker. werden.
*""*■« ^"'^w'^'S.""" Die Xarrinveri in Süd-Anstralien
diigegen haben nach laphn gar keinen
Begriff von einem Gifte. ..Ungleich anderen Australiern kennen sie kein
giftige» Gras oder keine giftige Ptlanze. Sie sind sehr erstaunt, wenn
sie hören, dass die Eurojiaer Jemandes Tod durch etwas bedingt betrachten.
das in seinen Magen gekommen wäre. Sie halten den Tod stets als duivh
Zauberei bedingt."
Es wurde bereits gesagt, dass die Naturvölker auch an eine auf gewisse
Entfernung liiuwirken<le Vergiftmig glauben. So wurde 7,. H. Moffat von
einem Beamten eines kranken Betschnauen-Häuptlings mitgetheilt. der-
selbe würde nun bald geheilt sein, da zwei seiner Diener, welche nnin in
der Nachbarschaft seiner AVohiinng habe Gift anssIreuiTi >elien. soeheTi ge-
speert worden wären.
.\uf der Insel Serang, :iul' drn Kei-Insein und im -A aru-.\i'cliipel
11. Krankmachender Zauber. 31
jiräbt mau imheill)riiigende Gegenstände in die Erde, und wenn dann das
auserwählte Opfer beim Darüberhinschreiten diese Stelle mit dem Fusse
])erührt, so bricht bei ihm die beabsichtigte Krankheit aus. Als Krank-
heiten, weichein Serang auf diese Weise verursacht werden können, werden
aufgeführt ßlutspeien, Bauchkrämpfe, Ausfallen der Zähne u. s. w. Dieses
zauberhafte Vergraben von krankmachenden Gegenständen hat auf Tanembar
und den Timoriao -Inseln den Sinn, dass sie, wenn der UnglückUche
auf die Stelle tritt, wo sie vergraben wurden, in seinen Köri)er hineinfahren
und nun die Krankheit sind. Es werden zu diesem Zwecke unter dem
^lurmeln von Verwünschungen Domen, Fischgräten, Muschelstücke oder
spitze Steine vergraben. Man sieht, dass es von dieser Art der „Vergiftung"
nur noch ein Schritt ist bis zu der Behexung oder Bezauberung. Wir
müssen diese als einen internationalen Aberglauben hinstellen, denn wir
b(»gegnen ihm in allen fiinf Welttlieilen.
Eine solche, Krankheit hervorrufende Bezauberung ist bisweilen mit
unglaublich einfachen Hülfsmitteln, gewöhnlich aber nur mit einem com-
plicirteren Apparate auszufiihren. In beiden Fällen aber bedarf es dabei
häutig noch entweder eines besonderen Zauberwortes oder einer dem
Bezaubeniden innewohnenden, übernatürlichen Kraft. Der Fetissero oder
Endoxe, d. h. der Zauberer an der Loango-Küste braucht nur des
Nachts nackend umherzugehen und Verwünschungen gegen Jemanden aus-
zustossen, so wird derselbe erkranken.
Bei den Annami ten kann es schon hinreichend sein, einen Nagel
in einen der Hauspfosten oder der Schiffsplanken des zu Schädigenden ein-
zuschlagen, und wenn der Besitzer eines neuen Hauses sich krank fühlt, so
fahndet er sofort auf solch einen Zaubemagel.
Der Zauber pÜegt tür gewöhnlich um so leichter auslührbar zu seiiu
wenn es dem Bösewicht gelingt, etwas von der Person, die er krank zu
machen wünscht, in seinen Besitz zu bringen. Auf dieser Anschauung
beruht die bei den NatuiTÖlkem weitverbreitete Sorgfalt, ihre Nägelabschnitte,
ausgekämmte Haare, ja selbst ihren Speichel u. s. w. so zu vernichten oder
zu verbergen, dass Andere ihrer nicht habhaft werden können.
Eine Austral-Negerin in Victoria schrieb ihre fieberhafte Er-
krankung dem Linstande zu, dass ein von ihr bestimmt bezeichneter Schwarzer
ihr früher einmal Haare abgeschnitten habe und diese nun verbrenne. Ein
anderer Schwarzer schnitt Jemandem, von dem er etwas besorgt haben
wollte, einen Büschel Haare ab und drohte, ihn durch Verl)rennen derselben
krank zu machen, wenn er ihm nicht willfahre. Auf Serang kann man
dm*ch das Begraben von etwas Haaren und weggeworfenem, ausgekautem
Pinaug schwere Kopfschmerzen, von Haaren mit l)estimmtem Baumharz
Beinwunden hervorrufen. Das Verl)rennen der Haare und Nägelabschnitte
unter entsprechenden Verwünschungen macht auf denLuang- und Sermata-
Inseln Schwellungen des Kopfes und der Hände, das Verbrennen der
Excremente erzeugt auf Serang Blutdiarrhoe. Auf Eetar kann man
Jemanden krank machen, wenn man sich von seinem Si)eichel oder von
seinem Haar etwas verschaffen kann. Dieses wird unter dem Sprechen
von Beschwörungsfonneln in rothe Leinewand gewickelt und in einer be-
stimmten Grotte niedergesenkt; dabei ruft mau die brisen Geister an, dass
sie die betreffende Person krank machen sollen.
32 IL Die Krankheit
Es ist aber bei einigen Völkern auch schon genügend, etwas in seiiu»
Gewalt zu bringen, was mit dem auserkorenen Opfer in Berührung gewesen
ist, so z. B. ein Fussstapfen, ein Rest seiner Mahlzeit oder ein Stück sein(»s
Eigenthiims, um den schädlichen Zauber zu voUfiiliren.
So vermag man die soeben von der Insel Eetar beschriebene Bezauberunjr
anstatt mit den genannten Körperbestandtheilen auch ebenso gut mit etwas
Pinang, den der Betreffende ausgekaut hatte, oder auch mit einem Stück
seiner Kleidung auszuführen.
In dem Seranglao- imd Gorong-Archipel nimmt man den Fuss-
stapfen, welchen der Krankzumachende zurückgelassen hat, und -vermischt
ihn mit Damarharz. Dann wird die Mischung verbrannt, wobei drr
Zaubernde sprechen muss:
„Feuer verbrenne seine Beine, so das« sie gänzlich verzehrt sind."
Das Opfer bekommt hierdurch unheilbare Cieschwüre.
Ganz besonders ausgebildet finden wir diesen Zauber mit Speiserest^u
bei den Narrinveri in Süd-Australien.
George Taplin berichtet von ihnen:
.,Die Narrinyeri glauben, dass Krankheit durch Hexerei verui'sacht
werden könne. Jeder Erwachsene ist beständig auf der Suche nach Knocheu
von Enten, Schwänen oder anderen Vögeln, oder von Fischen, namens Ponde.
deren Fleisch ein Anderer gegessen hat Hiermit übt er seinen Ngadhungi
genannten Zauber aus. Alle Eingeborenen tragen daher Sorge, die Knochen
der Thiere, deren Fleisch sie gegessen haben, zu verbrennen, um sie nicht
in die Hände ihrer Feinde gelangen zu lassen; aber trotz dieser Vorsicht
werden diese Knochen für gewöhnlich von Krankheitsmachern erlangt,
welche ihrer bedürfen."
„Hat Jeniand solchen Knochen gefunden, z. B. den Schenkelknochen
einer Ente, dann glaubt er Macht über Leben und Tod des Mannes, der
Frau und des Kindes zu besitzen, welche das Fleisch hiervon verzehrt haben.
Der Knochen wird präparirt, indem er etwas wie ein Spiess geschabt (zu-
gespitzt) wird. Dann wird ein kleiner runder Klumpen gemacht, indem
man etwas Fischtliran und rothen Ocker zu einer Paste mischt und darin
das Auge eines Murray-Stockfisches und ein kleines Stück Fleisch von
einer menschlichen Leiche einschliesst. Dieser Klumpen wird auf die Spitze
des Knochens gesteckt und eine Umhüllung darüber gebunden, und das
Ganze wird in die Brust einer Leiche gesteckt, damit es durch die Be-
rühi-ung mit den Zersetzungsprodukten todtbringende Kraft erhalte. Wenn
es hierin einige Zeit verblieben ist, so nimmt man an, dass es zum Gebrauche
fertig sei und es wird fortgelegt, bis es gebraucht wird. Treten Umstände
ein, welche den Zorn des Krauklieitsmachers gegen die Person erregen,
welche das Fleisch des Thieres gegessen hatte, von dem der Knochen
stammt, so steckt er sofort den Knochen in die Erde beim Feuer, so dass
der vorhererwähnte Klumpen allmählich schmilzt; hierbei glaubt er fest, dass
wie dieser schwindet, er bei der l)etreffenden Person, wenn sie auch nocli
so weit entfernt sei, Krankheit errege. Die vollständige Schmelzung und
Abtropfung des Klumpens wird als den Tod verursachend l)etrachtet**
,,Ist Jemand krank, so betrachtet er gemeinhin die Krankheit als die
Wirkung des Xgadhungi und l)emüht sich, den Krankheitsmacher aus-
T5^
11. Krankmachender Zauber. ä3
findig zu machen. Wenn er ihn herausgefunden zu haben glaubt, dann
steckt er auch ein Ngadhungi in die Erde am Feuer zur Wiedervergeltung,
falls er einen .Knochen besitzt, dessen Fleisch sein Feind gegessen hat.
Besitzt er keinen, so versucht er, einen zu borgen."
Von der zu der Neu-Hebriden-Gruppe gehörigen Lisel Tana be-
richtet Turner einen ganz ähnlichen Glauben. Er sagt: „Als die wahren
(TÖtter von Tana müssen die Krankheits-Macher betrachtet werden. Es
ist überraschend, wie diese Leute gefürchtet werden und wie fest man glaubt,
dass sie Leben und Tod in ihren Händen haben. Man ist überzeugt, dass
diese Männer Krankheit und Tod zu bringen vermögen durch das Ver-
brennen von dem, was Nahak genannt wird; Nahak bedeutet Müll, aber
hauptsächlich Speisereste. Alles Derartige verbrennen sie oder tragen es
in die See, damit es nicht den Krankheits-Machem in die Hände fallt
Diese Biu^cheii sind stets bereit und betrachten es als ihren speciellen Be-
nif, Alles zu dem Nahak Gehörende, das ihnen in den Weg kommt, auf-
zunehmen und zu verbrennen. Findet ein Krankheits-Macher zufällig ein
Stück Bananenschale, so nimmt er es auf, wickelt es in ein Blatt und trägt
es täglich um seinen Hals gehängt. Das Volk staunt ihn an und Einer
raunt dem Anderen zu: „Er hat etwas, er will Nachts Einem etwas thun.'*
Abends schabt er etwas Baumrinde, vermischt sie mit der Bananenschale,
wickelt Alles fest in ein Blatt, wie eine Cigarre und bringt das eine Ende
an das Feuer, um es schwälen und allmählich verbrennen zu lassen."
„Wird Jemand krank, so glaubt er, dass es durch das Verbrennen von
solchem Abfall verursacTit wurde. Anstatt auf Medicin bedacht zu sein,
iiifl er Jemanden, dass er auf dem Muschelhorn blase, das zwei bis drei
englische Meilen weit gehört werden kann. Der Sinn hiervon ist, dass der
Mann, von dem er annimmt, dass er durch das Verbrennen des Speiseabfalls
die Krankheit venirsache, auf diese Weise aufgefordert werde, mit dem Ver-
brennen einzuhalten: und es ist eine Zusage, dass den anderen Morgen
^in Geschenk gebracht werden wird. Je grösser der Schmerz, desto stärker
wird das Muschelhorn geblasen, und wenn die Schmerzen nachlassen, so
lümmt man au, dass der Ki-ankheits-Macher freundlich genug ist, mit dem
Verbrennen inne zu halten. Dann richten die Fi-eunde des Kranken ein
beschenk für den Morgen her: Ferkel, Matten, Messer, Hacken, Perlen,
Walfischzähne u. s. w\"
,,Manche von der Krankheits-Macher-Zunft sind stets bereit. Gesch(»nke
zu nehmen und sie versprechen, ihr Bestes zu thun, um einer erneuten
Verbrennung der Speisereste vorzubeugen. Aber der arme Kranke hat
einen neuen Anfall in der Nacht und er glaubt, dass wieder sein Nahak
verbrannt werde. Das Muschelhorn wird wieder geblasen, andere Geschenke
werden gebracht, und so fort."
Eine Combination des Fiissstapfen-, Haar- und Speichel-Zaubers hat
Tentient bei den Tamilen auf Ceylon kennen gelernt. Derselbe ist aber
sehr gefährlicher Natur, denn es sind dazu auch die Köpfe von Kindern
erforderlich. Diejenigen von Knaben verdienen den Vorzug, namentlich
wenn diese fiir den genannten Zweck eigens getödtet worden sind. Zur
Noth thun es aber auch die Köpfe von Kindern, die eines natürlichen
Todes starben. Bei einer Haussuchung, welche bei einem dieser Zauber-
är/te vorgenommen wurde, fand man einen frisch vom Rumpfe al)ge-
Bartcls, Medicin der Naturvölker. 3
34 IT.' Die Krankheit.
schnitteneu Kinderkopf. Bei fernerem Suchen fand man dann auch den
Rumpf unter Körben versteckt, und ausserdem wurden noch die Reste
mehrerer anderer Kinderleichen aufgefunden.
Um den Zauber auszußihren, wird der Schädel von seinen Weichtheilen
entblösst und gewisse Figuren und cabbalistische Zeichen auf ihm ange-
bracht, in welche der Name des für die Bezauberung auserwählten Opfers
eingefugt wird. Von des Letzteren Fussstapfen wird dann der Sand mit
etwas von seinen Haaren und seinem Speichel zu einem Brei zusanimeu-
gemengt und auf einer Bleiplatte ausgebreitet Diese und den Schädel
bringt darauf der Zauberarzt durch vierzig Nächte zum Begräbnissplatze
des Dorfes und ruft die bösen Geister an, dass sie die betreffende Person
vernichten möchten. Je mehr der Brei auf der Bleiplatte eintrocknet, desto
mehr verdorrt der Bezauberte, und endlich ist nach dem allgemeinen GlaubtMi
der Tamilen sein Tod ganz unvermeidlich.
Dass auch den Akkadern und den Assyrern solch eine Bezauberuiig
mit dem Fussstapfen, sowie auch mit dem sogleich zu erwähnenden nienscli-
lichen Ebenbilde nicht unbekannt war, beweist uns wiederum eine Beschwörung
aus Sardanapals (Ässurbanhabals) interessanter Hymnensammlung:
„Der Zauberer hat mich durch Zauber bezaubert, er hat mich durch
seinen Zauber bezaubert!
Die Zauberin hat mich durch Zauber bezaubert, sie hat mich durch ihren
Zauber bezaubert!
Der Hexenmeister hat mich durch Hexerei behext, er hat mich durch
seine Hexerei behext!
Die Hexe hat mich durch Hexerei behext, sie hat mich durch ihre
Hexerei behext!
Die Zauberin hat mich .durch Zauber behext, sie hat mich durch ihren
Zauber behext!
Derjenige, der Bildnisse anfertigt, entsprechend meiner ganzen Erscheinung,
der hat meine ganze Erscheinung bezaubert.
Er hat den mir bereiteten Zaubertrank ergriffen und meine Kleider ver-
unreinigt.
Er hat meine Kleider zerrissen und sein zauberisches Kraut mit dem
8 taub meiner Füsse vermengt!
Dass der Feuergott, der Held, ihre Zaubereien zu Schanden machen
möge!"
Wie wir bei der Verbrennung der Haare und der Nägelabfälle u. s. w.
eine Vernichtung nach dem Satze pars pro toto vor uns haben, so gehört,
fast in das gleiche Gebiet der Zauber, welchen wir als einen sympathischen
Schmelzprocess bezeichnen können. Wir finden ihn z. B. bei den Austral-
negern in Victoria.
„Irgend etwas, das dem verurtheilten Mann gehört, wird aufbewahrt;
vielleicht ist es ein Speer. Dieser wird zerbrochen oder mit einer Axt iu
kleine Stücke zerschlagen; die Stücke werden in einen Beutel gethan und
dieser wird an das Feuer gehängt Ein Gesang wurde gesungen; der Len-
Ba-morr wird angefleht, die Hitze zu dem wilden Schwarzen überzuführeu,
sodass er welk wird und stirbt.*^
x4Lehnlich ist auch die Schmelzung des vorher bescliriebenen Zauber-
klumpens der Narrinyeri und der Tana-lnsulaner.
11. Krankmachender Zauber. 35
Bei derartigen Ideenassociationen liegt es nun sehr nahe, dem aus-
erwählten Feinde in effigie Schaden zuzufügen. Hier bieten uns wiederum
die Wilden in Victoria ein gutes Beispiel. Bei ihnen muss der Medicin-
Mann ein Holzmodell desjenigen Körpertheiles anfertigen, an welchem der
Feind unter grossen Schmerzen erkranken soll. Dieses Modell wird au
das Feuer gehängt und stark erhitzt, unter dem Absingen bestimmter
Gesänge.
In dem Babar- Archipel fertigt mau zu ähnlichem Zwecke eine
menschliche Figur aus einem Koliblatt und schneidet dieser unter Ver-
wünschungen den Kopf ab. Derselbe wird mit etwas Wachs zusammen in
ein Ei gethan und dann verbrannt. Tm Aaru-Archipel wird solch ein
Menschenbild aus einem Harz gemacht und unter Verwünschungen in die
See geworfen, während man auf Ambon und den Uliase- Inseln solche
Figur hoch in einen Baum schleudert. Ein ähnlicher Zauber ist auch in
der zuletzt angeführten Beschwörungsformel der Akkader und Assyrer
erwähnt. Auf Ambon und den Uliase -Inseln wird auch wohl der Name
der betreffenden Person aufgeschrieben und in den Baum geschleudert, was
doch auch eine Art der Krankmachung in effigie ist Eine Austral-
negerin in Victoria, welche fieberkrank war, erklärte, dass sie dahin-
siechen müsse, weil ein Schwarzer ihren Namen in einen Bamn geschnitten
habe. Sie hiess Murraff^ was Blatt bedeutet, und man fand wirklich, dass
die Figur von Blättern in einen (lummibaum geschnitten war. Sie erlag
ihrer Krankheit.
Wie sich die Annamiten das Siechthum und die Todesart denken,
welches durch solche Bezauberung beigebracht wird, das erfahren wir durch
die Aufzeichnmigen von Landes:
..Die Patienten fühlen unbestimmte Schmerzen, anhaltenden Kopfschmerz,
Erstarren der Glieder; sie verlieren die Besinnung, ihre Gliedmaassen
werden steif; sie fühlen eine Kugel oder eine Stange im Inneren ihres
Köq)ei"s, sie hören auf, zu essen und zu schlafen, und ihre Kräfte schwinden.
Die Augen und ihre Haut werden gelb, die Hände bedecken sich mit
schwärzlichen Flecken, der Bauch schwillt an und schliesslich platzt er und
verbreitet einen schrecklichen Gestank."
Wenn man glaubt, das Opfer einer solchen Bezaubeiiing zu sein, so
kann man bei einigen Völkern durch einen Gegenzauber das Unheil ab-
wenden oder es sogar auf denjenigen übertragen, der es veranlassen wollte.
Die Australneger sind aber noch vorsichtiger. Sie lassen es womöglich
giu* nicht bis zu der Ausübung des Zaubers kommen, sondern sie suchen
die für sie bestimmten Zaubermittel dem Besitzer abzukaufen oder gegen
solche auszutauschen, welche sie selber besitzen und mit denen sie dem
Anderen Schaden zufügen könnten.
Wir müssen noch die Frage aufwerfen, vermögen denn nun solche Zauber-
manipulationen in Wirklichkeit einen Schaden anzurichten? So absondei-
lich dieses auch erscheinen mag, so können wir diese iVage doch nur mit
einem entschiedenen ja beantworten. Natürlicher Weise sehen wir hier da-
von ab, dass die Naturvölker allerlei Krankheit, deren Ursache sie nicht zu
erklären im Stande sind, auf derai'tige Bezauberungen zurückzuführen pflegen.
Der Schaden ist in Wirklichkeit vorhanden und er ist wesentlich begi*ündet
in der tiefen Gemütlisverstimmung der Betroffenen. Dadurch werden sie, wie
3*
36 n. Die Krankheit.
Brough Smith von deu Australnegern Victorias sagt, so geschwächt in
ihren Kräften, so hülflos, dass die Krankheit, so Uncht sie auch sein mag.
nicht selten mit dem Tode endet Auch die obenerwähnte fieberkranke
Murran sagte ihren Tod vorher, und Taplin erzählt von einem Narrinyeri
in Süd-Australien Folgendes:
.,Als sich vor einiger Zeit ein Schwar/er meiner Bekanntschaft unwohl
fiihlte und glaubte, »dass dieses durch Behexung entstanden sei, rieb er sich
zum Zeichen der Verzweiflung mit Russ ein, nahm seine Waffen, ging und
zündete zwei Feuer an und theilte seiner ganzen Familie mit, von wem
er behext zu sein glaubte, obwohl die betreffende Person ungefähr vierzig
Miles von ihm entfernt war." Er war von seinem herannahenden Tode
so fest überzeugt, dass er seine zum Feuer gerufenen Verwandten aufforderte,
seinen Tod an dem Stamme zu rächen, der denselben verschuldet habe.
Die vorhergehenden Seiten haben wohl bereits gezeigt, wie weit der
Glaube an solch einen krankmachenden und tödtenden Zauber verbreitet
ist. Auch auf den Inseln der Südsee ist er heimisch. Von den Neu-
Hebriden, von deren Insel Tana wir schon gesprochen haben, sagt
Samuel Ella:
,,Auf den Inseln Tamoia und Erromanga giebt es mehr Krankheits-
macher als Aerzte, welche ein wahrer Schrecken für die Emgeborenen sind-
So gross ist die Furcht vor ihrer eingebildeten Macht und ihren Mani-
pulationen, dass den Insulanern das Leben durch stete Angst und Sorge
verbittert ist.**
Auch hier, wie in Australien, muss man sorgfältig jeden Speiserest
und jedes abgelegte Kleidungsstück verbrennen, weil es sonst als ein ver-
hängnissvolles und vernichtendes Zaubermittel benutzt werden könnte, um
seinen einstigen Besitzer zu Grunde zu richten. Derartiges Krankmacheu
durch Bezauberung ist bekanntlich auch in den verschiedensten Theileii
von Afrika bekannt Das Herausspüi*en des Schuldigen ist ein einträgliches
Verdienst der dortigen Medicin-Männer, und der Unglückliche, der als der
Thäter bezeichnet wird, pflegt ohne Gnade getödtet, oder wenigstens seiner
gesammten Habe beraubt zu werden. Bisweilen aber ist es ihm gestattet,
durch ein Gottesurtheil seine Unschuld zu beweisen.
13. Krankheit entsteht durch Ortsreränderung oder Verlust ron
EOrperbestandthellen.
Wir haben weiter oben bereits angegeben, dass l)ei den Naturvölkern
als Ursachen für die Entstehung von Krankheiten auch die Ortsverände-
rung eines Körperbestandtheiles oder der völlige Verlust eines solchen
anerkannt werden.
In erster Linie müssen wir dabei einer Auffassung der Chippeway-
Indianer gedenken, welche annehmen, dass die Leiden in dem schmerz-
haften Theile dadurch hen'orgeinifen wären, dass (he Galle in diesen Theil
eingetreten sei.
Im deutschen Landvolke, namentlich in deu Alpenläiidern, spielt
bekanntlich die Ortsverändenmg der Gebänuutter eine grosse Rolle. Sie
kann in die Höhe steigen, als sogenannte Hel)eniutter, und sie kann sogar
^A
12. Krankheit entsteht durch Ortöveränderung etc. 37
der Frau im Schlafe, wenn diese den Mund oflfeu hält, auf diesem Wege
in Gestalt einer Kröte herauskriechen.
Bei den Australnegern in Victoria spielt der Verlust des Nieren-
fettes eine grosse Rolle, und wieder ist es das Buch Hiob (19, 17), das uns
hierbei in die Erinnerung kommen muss, wo der Vielgeplagte klagt:
„Meine Nieren sind verzehrt in meinem Schooss."
Wem in Victoria das Nierenfett geraubt wird, der ist einem
vsicheren Tode verfallen, wenn es dem Medicin-Manne nicht gelingt, ihm
dasselbe wieder zu schaffen. Derjenige, der das Nierenfett raubt, ist gewöhn-
lich ein wilder Schwarzer, oder vielmehr der Geist eines solchen, also mit
anderen Worten ein Dämon. Der Medicin-Mann sucht in einem magischen
Fluge diesen Geist zu erreichen, ihm das Nierenfett abzujagen und es dem
Eigenthümer wieder zurückzubringen. Stirbt ihm aber der Patient, so sagt
(T den Angehörigen, dass der dämonische Schwarze das Nierenfett bereits
verzehrt hatte, bevor er ihn zu erreichen vermochte.
Einen solchen Kranken, welchem das Nierenfett geraubt worden war,
hatte Ihomas Gelegenheit zu beobachten. Der Beraubte war auf der Jagd
gewesen, als ihm das Unglück zustiess, und er wurde nach seiner eigenen
Aussage sehr schwach und war nur mühsam im Stande, zum Lager seiner
Freunde zurückzukriechen. Sow^ie er bei seinem Miam sass, erzählte er
seinen Freunden, was ihm begegnet sei, und die Männer versammelten sich
und setzten sich um ihn her. Sein Bruder und ein Freund stützten ihn in
ihren Armen, da er plötzlich sehr schwach wurde, und hielten ihm den Kopf
aufrecht. Todtenstille herrschte in der Versammlung. Die Weiber nahmen
die Hunde in Verwahrung und hüllten sie in ihre Pelle ein. Als sieh
Thomas in diesem Stadium dem Lager näherte, sah er nur wenige glim-
mende Lichter am Boden. Keine Stimme war zu hören, während unter
f^ewöhnlichen Verhältnissen fröhliche Stimmen, das Knacken von Zweigen,
(las Bellen der Hunde und alle die anderen Töne eines grossen Lagei^s
gehört wurden. Ein alter Mann, der Thomas* Ankunft bemerkte, trat zu
ihm, und warnte ihn, die Miams zu besuchen, wenn einem Manne von
einem wilden Schwarzen das Nierenfett (Marm-bu-la) foitgenommen sei.
Thomas* eigene Diener hatten ihn abhalten wollen, heranzukommen, und es
war überall deutlich, dass eine feierliche und ernste Handlung von den
Eingeborenen vorgenommen würde. Als Thomas verhairte, sagte ihm der x^lte,
dass er nicht sprechen dürfe, dass er leise auftreten, keine Zweige zertreten
und sonst kein Geräusch machen dürfe. Wie nun Thomas diesen Vorschriften
folgend herantrat, fand er die Schwarzen rund in Kreisen um den krank(»n
und wie sie glaubten, sterbenden Mann sitzend; die ältesten Männer bildeten
den innersten Kreis, die im Alter nächsten den zweiten und die jungen
Männer den äussei*steu.
Dem Medicin-Manne gelang es, dem Geiste des wilden Schwarzen das
Nierenfett wieder abzujagen und es dem Kranken wiederum an die richtige
Stelle zu setzen. „Der Kranke erhob sich, zündete seine Pfeife an und
rauchte ruhig in der Mitte seiner Fi'eunde." Er war geheilt.
Als fernere wesentliche Bestandtheile des Köi'pers werden aufgefasst
<lie Seele imd der Schatten.
Die Geister der in Annam verstorbenen Jungfrauen vergnügen sich
38
II. Die Kraukheit.
in den Zweigen der Bäume und lassen ein sonderbares Lachen hören. Sio
erscheinen den Vorübergehenden unter verscliiedenen (i estalten, und wenii
dieselben die Unklugheit besitzen, ihnen zu antworten, flieht ihre Seele aus
ihrem Körper und sie werden iiTsinnig. Dieser In^sinn ist ein besonders
schwerer und trotzt nicht selten allen Heilungsversuclien.
In Selebes glaubt man die Epilepsie dadurch ])edingt, dass die Seele
zeitweilig aus dem Körper flieht.
Wenn in Nias die bösen Geister von dem Körper Besitz ergreifen
und auf diese Weise in ihm die Krankheit verursachen, so ermöglichen sie
dieses nur, indem sie so lange die Seele verjagen.
Die Fetissero der Loango-Neger haben in ihrem Lcnbe einen Zauber-
sack, durch welchen sie das Leben der Erkrankten an sich ziehen.
Auf den Watubela-Inseln wird in bestimmten Krankheit« tällen die
Seele des Erkrankten von den Dämonen gefangen gehalten. Auch in
Sumatra finden wir Aehnliches. Hier hat der
Mensch zwei Seeleu, und wird er krank, so ist
die eine derselben von einem bösen Geiste ent-
fuhrt worden. „Das Leiden ist von kürzei'er
oder längerer Dauer, von minder oder mehr
ernstlicher Art, je nach der Länge der Zeit,
welche die Seele in der Gefangenschaft zubringt
und der Qualen, denen sie ausgesetzt ist." Denn
der Köqier des Patienten empfindet die Qualen
und die Pein, welche die Seele durch die Plage-
reien des bösen Geistes zu erdulden hat
In dem Seranglao- und Gorong- Archipel
legen bisweilen böse Menschen ein Matavuli-Blatt.
auf welches sie eine gegen einen ihrer Genossen
gerichtete Verfluchung geschrieben haben, unter
eine Leiche. Auf diese Weise versuchen sie
die Seele des Betreffenden zu entfuhren un<l
bei dem Todten festzuhalten. Hierdurch ver-
fällt der Unglückliche einer langsamen Er-
schöpfung und endlich dem Tode.
Auf den Hervey -Inseln benutzen böse
Menschen einen Seelenfänger, um die Seele
ihres Feindes zu fangen (Fig. 10). Es ist nacli
Pleyte eine imgeiähr drei Meter lange Schnur
Her^fV-^InßflInS''nf^h/^^^^^^ aus "^ Cocosfasem , an welcher schlingenförniig
Stricke befestigt sind. Man hängt dieses Ge-
ra th an einem Baume auf, bei dem das Opfer vorüber muss, und verbirgt
es im Laube. Erblickt der Betreffende nun das Instrument, so glaubt er
fest, dass seine Seele in demselben hängen geblieben ist, „und regt sich da-
durch so auf, dass er krank wird vor Angst und Schrecken und bald stirbt.
Wie die Eingeborenen sagen, ist dieses Instrument ein probates Mittel,
um Jemanden aus der Welt zu schaffen."
Auf Ambon und den Uliase- Inseln, sowie auf Buru machen die
Dämonen die Menschen krank, indem sie entweder ihre Seele oder ihren
Schatten fortführen. Bisweilen aber zieht auch der Schatten die Seele an
13. Die Krankheit entsteht durch den Willen der Gottheit. 39
sich und daraus resultirt ebenfalls Krankheit, bis die Seele wieder von dem
Schatten fort und an ihren Platz zurückgebracht ist.
Die Niasser glauben, dass die schwersten Krankheiten dadurch zu
Stande kommen, dass die Gottheit den Schatten verschlingt, welchen die
Älenschen unter dem Himmel werfen. Wenn dann gleichzeitig die bösen
(leister sich des Schattens bemächtigen, welchen die Menschen unter die
Krde werfen und denselben verzehren, so müssen die Ki-anken sterben.
Fangen die bösen Geister den Schatten und fressen ihn, so verfällt der
Alensch ebenfalls in Krankheit. Er kann jedoch aus derselben noch errettet
werden, wenn nicht die Gottheit auch den anderen Schatten verschlingt.
Die bösen Geister haben für diese Jagd auf die Schatten besondere Hunde
mit rückwärts gedrehtem Kopfe; sie sind unter dem Namen ,,Lufthunde**
l)(»kannt.
13. Die Krankheit entsteht durch den Willen oder die gnädige
Ffigung der Grottheit.
Haben wir in dem vorigen Abschnitt bereits die untrüglichen Beweise
j^efunden, dass die Naturvölker ethischer Empfindungen durchaus nicht
l)aar sind, so tritt dieses noch um so deutlicher hervor bei zwei ferneren
Kntstehungsursacheii der Krankheiten. Als die erste haben wir die Auf-
fassung zu bezeichnen, dass die Krankheit entstanden wäre, weil es so dtT
AVille der Gottheit sei. Es ist das ein Glaube, welchen w^ir auf der Insel
Bali antreffen. Dei-selbe ist wahrscheinlich bereits wesentlich beeinflusst
durch den Fatalismus des Islam. Und so anerkennimgswerth auch diese
(i Ottergebenheit ist, so hat sie doch auch ihre nicht unerheblichen Nach-
theile, da ein Versuch, der Erkrankung vorzubeugen, natürlicher Weise
gleichbedeutend sein würde mit einer Auflehnung gegen den göttlichen
Willen. Aus diesem Grunde widersetzen sich diese Insulaner auch beispiels-
weise der Pockenimpfung, denn sie nehmen an, dass es der unumstössliche
Wille der Götter sei, dass eine bestimmte Anzahl von Menschen von den
Pocken ergriffen würde. Die Dewa Mctdjapahit sind es, welche ihnen die
Pocken bringen, und wer sich ihrem Willen zu widersetzen sucht, der muss,
wie sie glauben, nach dem Tode tausend Jahre harren, bis es ihm vergönnt
wird, in die himmlische Glückseligkeit einzugehen.
In manchen, allerdings nicht sehr häufigen Fällen werden auch von
den Loango-Negern plötzliche Todesfälle als der Ausfluss göttlichen
Willens aufgefasst Sie gebrauchen dann den Ausdruck gläubiger Ergeben-
heit: „Zambi tumesi", d. h. „Gott hat ihn gerufen".
Noch absonderlicher will uns eine zweite Auffassung erscheinen, welche
in der Krankheit, und zwar ebenfalls wieder in den Pocken, nicht allein den
Ausfluss des göttlichen Willens, sondern sogar eine göttliche Begnadigung
erblickt Auch dieses ist wiederum bei einigen Eingeborenen der Insel
Bali der Fall. Es erklären sich hieraus eine Anzahl von Redensailen,
welche sämmtlich für den Begriff „von den Pocken befallen sein" gebraucht
werden. Derartige Redewendungen sind „begnadigt sein*-, ,,ein Geschenk
der Götter haben", ,,durch die Götter geehrt sein".
II, Die Kraiikhei
.,I)iese Anschauung, fugt Jacobs, dem
daukf'ii. liiiixu, Scheint rein hinduisrli zu w
Fig. U. Goldener PfeiltiDg. Suhirert und Steine, alte Erb-
stücke der iMrateu »on Paaimpai (Sumatra), deren
Anblick die Kinder krank macht.
Nach ton HiuiiU.
such von ilirer Seite. Aber den Verlust nni* ein
nodi /u den luilden Fällen.
[■ die obigen Angiihen vt-i-
und man findet sie aucti hei
den meisten Buddhistfu
wieder. Ein chioc-
si seil es Mädchen z.B.hut
raeteris paribus mehr
Aussicht auf eine Vei-
heirathung, wenu ihr da*
(icsicht durch diePdckni
mit Naiben bedeckt ist,-
AuchbeideuBheels
in Radschputana er-
höhen nach3fo»rePockeu-
narlieu die weihliclit-
Schönheit, und sie sind
eint! Clabe der (lüttiii
Matha, welche in der
Xachbareehafl jegUchen
Dorfes einen Tempel odi-r
einen grossen heiligi'H
Platz, Jlfa(Ao-ka-thnii
genannt. l)esitzt. Bis-
weilen wild sie als eine
glotzäugige Holztignr
dargestellt, welche mit
Flitterwerk verziert ist:
häufiger ;iher wii'd sip
nur als ein lYithbenialfer
Stein vei-elirt. Tausenili;
von Weihern und Kin-
dern uaheu ilu- mit
Opfergahen; aber d*«
(xebet bezieht sich nicht
darauf, dass sie die Bi'-
völkeruug verschonen
soll, sondern sie erflehen
nur einen milden Bi'-
Auges rechnen sie auili
14. Sympathetische TJehertraguDg als Ursache der Krankheit.
Trotz dieser zahheiehen Möglichkeiten, welche den Naturkindeni zur
Verfügung stehen, um den Ausbruch einer hei ihnen aufgetretenen Krank-
heit zu erklären, ist ihneu das doch Alles noch nicht genügend uitd sie
suchen in manchen Fällen fiir bestinmite Erkrankungen auch noch na»"
anderen Eiitstehungsursachen. Die eine derselben, die zauberhafte Ueber-
tragung der eigenen Krankheit auf einen Anderen, haben wir bereits in dem
Abschnitte, welcher von den Uczauheningen hiindelt, erwähnt. War ''s
15. Böse Winde als Ursache der Krairkheit. 41
*
hier immer der Zaubernde, welcher die Erkrankung verursacht hatte, auf
den der Bezauberte die Krankheit zurückzuzaubem vermbchte, so finden
wir bekanntermaassen in der deutschen . Volksmediciu alleriei Versuche,
sich von einer Krankheit dadurch zu befreien, dass man sie auf irgend
einen ganz, unschuldigen Nebenmenschen hinüberwandem lässt. Man heftet
sie durch gewisse Beschwörungen an Geld oder andenj Dinge, welche des
Kranken Eigenthum sind. Das wird irgendwo an öffentlicher Stelle nieder-
gelegt, und wenn es Jemand aufnimmt, so nimmt er damit die Krankheit
auf sich und der Andere ist geheilt.
Eine andere Art von Krankheitsursache lernte van Hasselt in Pasimpai
in Mittel-Sumatra kennen. Es waren sorgfältig verwahrte Erbstücke
(Fig. 11), welche unter Umständen zu Heilzwecken dienten. Sie durften
nicht zu ebener Erde aufbewahrt werden, da der Glanz, welcher von ihnen
ausstrahlt, nachtheilig auf die Gesundheit der Kinder einwirken würde.
Die nordamerikanischen Indianer glauben auch, dass Jemand da-
durch erkranken könne, dass er einen unglücklichen Namen trage. Wenn
dieses als die Ui'sache der Krankheit erkannt ist, so muss sein Name ge-
ändert werden.
15. BOse Winde als Ursache der Krankheit.
Auf den Luang- und Sermata-Inseln, sowie auf Buru, Ambou
und den Uli ase -Inseln werden für den Ausbruch von Krankheiten bis-
weilen „böse Winde*' verantwortlich gemacht. Auf der Insel Eetar glauben
die Eingeborenen, dass die Pockenkrankheit auf der Insel Alor ihren Wohn-
sitz habe, und dass die Winde sie ihnen von dorther herüberführten, damit
sie diejenigen Männer tödte, welche innerhalb eines bestimmten Zeitraumes
einige Aloresen umgebracht haben.
Auch den Indianern Nord -Amerikas ist der Gedanke ganz geläufig,
dass die Winde etwas mit der Verbreitung der Krankheiten zu schaffen
hätten. Es spricht sich das in Beschwörungsgesängen der Medicin-Männer
aus, welche uns Oatschet von den Klamath-Indianern in Oregon zu-
gänglich gemacht hat. Stets tritt in diesen Gesängen der Medicin-Männer
die übernatürliche Gewalt, an welche die Beschwörung gerichtet ist, selbst-
redend auf. So begegnen wir daselbst z.B. dem Gesango des Westwindes:
„Ich, der Westwind, hoch über der Erde
Blase ich als ein verderblicher Windstoss."
Der Regensturm singt:
.,Die von mir hervorgerufene Krankheit ist angelangt,
Ich bin der Sturm und Wind, und dies ist mein Gesang."
Fn einem anderen Gesänge heisst es:
„Wer, möcht ich wissen, bläst aus meinem Mnnde?
Die Krankheit geht aus von meinem Munde;"*
und wieder in einem anderen:
„Was für. ein Ding blase ich umher?
Die Krankheit blase ich rings in die Luft."
42 II. Die Krankheit.
Bei den alteu Türken scheinen iihnliche Anschauunfi^en geheriM-ht
zn haben, denn es heisst in einem iiij?uris( hen liiede vom Jahre 10(i9:
„Der Besprecher ^iebt es viele,
Die des Windes Krankheit heilen.
An die musst Du, Herr, Dich wenden.
Von der Krankheit heilen Sprüche."*
Auch in Cambodja bringt man den Wind mit der Krankheit in Ver-
bindung. Man muss auf seiner Hut sein, damit man ihn nicht beleidi}rt.
Denn ein solches Vorgehen straft er damit, dass er x\nschwel langen nml
(leschwüre entstehen lässt.
I
16. Natflrliehe Erankheitsursaehen.
Wir nähern uns mit dieser schon halb meteorologischen Auffassung der
Krankheitsentstehung bereits den weniger übernatürlichen Vorstellungen
v(m den Ursachen der Krankheiten. Unter den letzteren ist zu erwähnen.
dass auch einzelnen Natun'ölkern l)ereits das Bewusstsein aufgegangen ist.
dass durch eine unzweckmässige Ernährung Krankheiten entstehen könneu.
So glaubt man auf den Luang- und Sermata-Inseln, dass Erkrankungen
durch schlechte Nahrung hervorgerufen werden können, und in dem Serao-
glao- und Gorong- Archipel schiebt man den Ausbinich der T^epra, des
Aussatzes, auf eine unzweckmässig gewählte Ernährung. Dahin gehört
der übermässige Gebrauch von spanischem Pfeffer, so^ie von einer be-
stimmten Fischart mit rothem Kopfe und vom Tintenfisch (Octopus).
Die Anna miten schieben das übermässige Dickwerden der Bäuche bei
jungen Kindern darauf, dass die Mutter fortgefahren habe, sie zu sängen,
während sie sich bereits wieder in anderen Umständen befand.
Körperliche Ueberanstrengung kennt man als Ui^sache von Er-
krankung auf den Seranglao- und Goroug-Inseln. Es wird dieselbe
ebenfalls für eine der Ursachen der Lepra gehalten. Für die Entstehun
des Kropfes macht man auf Buru das viele Klettern auf Bäume ver-
antwortlich.
Eine Ansteckung erkennen die Einwohner von Tanembar und den
Timorlao-Inseln, die Kei-Insulaner und die Karayä-Indianer m
Brasilien an, die letzteren bei der Lungentuberkulose, An eine Vererbung
der Krankheit glaubt man auf Serang, auf Keisar, auf Leti, Moa udJ
Lakor, auf Tanembar und den Timorlao-Inseln, sowie auf den Kei-
und Aaru-Tnseln. Es ist in hohem Grade interessant zu sehen, welche
Krankheiten diese Insulaner für erblich betrachten. Es sind auf Keisar.
Serang und den Aaru-Inseln der Aussatz, auf Leti, Moa und Lakor.
auf Tanembar und den Timorlao-Inseln die Epilepsie und auf den
letzteren Inselgruppen und den Kei -Inseln die Geisteskrankheiten. Man
sieht, dass uns hier trotz aller sonstigen Absonderlichkeiten doch wiedennn
ein Stück recht guter Naturbeobachtungen entgegentritt.
r
17. Der böse Blick. 43
17. Der bOse Blick.
Wir dürfen es nicht unterlasseo, schliesslich noch einer weitverbreiteten
Ursache nicht selten todtbringender Krankheit zti gedenken, das ist der
böse Blick, das maloccUio der Italiener. Fiir mich hat es den An-
schein, als ob man zwei verschiedene Arten des bösen Auges unterscheiden
tnüsste, welche man als den beabsichtigten und den unabsichtlichen hosen
Blick bezeichnen könnte. In ihrer Wirkung sind sie beide gleich. Wessen
Auge von ihnen getroffen wird, dem ist
Unheil, Krankheit «nel Siechtlium gewiss
und der Tod ka^n hiervon die Folge sein.
Der Unterscliied ist aber darin zu suclien,
düss der Eine mit der magischen Kraft
seines Blickes absichtlich und bewusst
seinem Mitmenschen diesen Schaden zu-
tiigt, während dem Auge des Anderen
der Fluch, die unglückliche Gabe an-
haftet, das Unglück zu bringen, ohne
d.iss er selber es weiss und beabsichtigt.
Diese letztere Auffassung scheinen
wohl zum Theil die südeuropäischen p- ,„ .„ , . . ^,. . .
IT..], , ., ., . ,„■ , ,, F'B' 12. Amulet d«r Türken gegen den
\ olker zu beeitzen. Absicntlicli schien- böwnBlick. (Constantinopel.)
dert den bösen Blick der Medicin-Mann Tn7BSlS;''dlSTeSSSJre
der Sahaptin-lndianer. sowie der
Klaniath, der Waskows, der Cayuse und der Walla-Walla, tie-
»enkten Hauptes muss mau bei ihnen vorübergehen, damit man nicht von deu
krankheitbringenden Strahlen ihres zomfunkelnden Auges getroffen werde.
Auch die Laoten fürchten sich vor dem bösen Blick bestimmter Jjeute.
Abwehrende und den Zauber
di'6 bösen Blickes unschädlich-
niachende Amulete änden wir bei
manchen anderen Volksstiimmen.
Am bekanntesten ist hier die Fica
der alten Römer, die kleine Nach-
bildung einer Faust, deren Daumen
zwischen dem Zeigefinger und dem
Mittelfinger steif gerade hervor-
gestreckt ist. Eine kleine gläserne
Hand, aber mit sämmtlich aus- Fig. U. Äntnlet der
gestreckten Fingern, tragen noch Fig. 18. Amulet der Cypi
heute die Türken in Constan- t„*J!"^° '*"''*"
,j Juden g^en ■
tinopel (Fig. 12). und auch bei den Blick.
Juden in Marokko ist es Sitte. ""• 'b™?!^!"""^"
kleine Hände aus Messingblech '*"'' Pi>otngr»piiJ6.
(Fig. 13) mit ausgestreckten Fingern an der Kopfbedeckung der Knaben zu
Iwfestigen, um sie vor dem schädlichen Einflüsse des bösen Blickes zu
bewahren. Die Cyprinten versehen sich in der gl ei eben Absicht mit einem
gläsernen Knopfe, welcher in blauer und gelber Umrandung eine weisse
Mittelfläclie mit schwarzem Mittelpunkt besitzt und so eine entfemte-Aehn-
lichkeit mit dem Bilde eines Auges darbietet (Fig. 14).
bSaen Blick.
den bSsen In Besitz d« VerfUMra.
44 II. Die Krankheit.
Bei den Kl am ath -In dianern vermögen unter Umständen Be-
schwörungs-Gesänge gegen den Zauber des bösen Blickes zu helfen. Die
Harrari in Afrika trinken dagegen die Abkochung einer Damasmämi
genannten Pflanze.
18. Mekbllek.
Wir haben in den vorhergehenden Seiten den Versuch gemacht, an-
nähernd die Vorstellungen kennen zu lernen, welche die Naturvölker sich
von dem Wesen und den Ursachen der Krankheiten gebildet haben. Einen
vollständig klaren und erschöpfenden Einbhck hier erlangen zu können, ist
wohl überhaupt ein Ding der Unmöglichkeit. Denn in den meisten Fällen
werden sich diese uncivilisirten Stämme wohl selber nicht vollständig klar
über diese doch immerhin etwas abstrakten Begriffe sein. Und sicherlich
können und wollen sie dem Europäer nicht Alles mittheilen, was sie von
diesen Dingen denken und empfinden. Das Eine haben wir aber zu er-
kennen vermocht, dass nicht bei aillen Völkern diese Begriffe so scharf
präcisirt und abgegrenzt erscheinen, wie wir es im Interesse einer klaren
Uebersichtlichkeit vornehmen mussten. Wir haben wohl gesehen, wie sich
die Anschauungen nicht selten verschieben, vermischen und in einander
übergehen. Aber ist denn das bei unserer Volksmedicin etwas anderes?
Wer aus unserem Landvolke würde wohl im Stande sein, erschöpfend und
klar uns auseinander zu setzen, was er sich unter den Krankheiten vor-
stellt und wie er glaubt, dass sie zu Stande kommen? In der Mehrzahl
der Fälle werden seine Vorstellungen hiervon höchst unklar und verworren
sein und es wird ihm an der rechten Ausdrucksweise gebrechen, um uns in
seine Empfindungen einzuweihen. Trotz dieser UnvoUkommenheit jedoch
durften unsere Untersuchungen nicht unterbleiben. Denn ganz nothw^endig
bedürfen wir ihrer, wie wir bereits im Anfange erwähnt haben, um allerlei
Maassnahmen zu verstehen, welche zur Beseitigung der Krankheit und zur
Wiederherstellung des Patienten unternommen werden. Und Vieles, was
uns vorher sinnlos vorkommen musste, und wo wir nicht zu begreifen ver-
mochten, warum man nun gerade zu solchen Hülfsmitteln seine Zuflucht
nimmt, wird uns dann ganz überlegt und wohl durchdacht erscheinen müssen,
obgleich es natürlicher Weise oft nach unseren civilisirten Anschaumigen
imd Kenntnissen vollständig unzureichend ist und nicht selten daher auch
den angestrebten Zweck verfehlt
m.
Die Aerzte.
19. Die Medieln-Mftniier.
Wenn wir einen Blick auf unser Landvolk werfen, so sehen wir, dass
überall eine einzelne Persönlichkeit sich aus der Gruppe der Gaugenossen
liervorhebt, welcher in allerlei Nöthen und Gebresten des Leibes und nicht
selten auch der Seele das allgemeine Vertrauen entgegengetragen wird.
„Er kann mehr, wie Brodessen," lautet in Deutschland die ständige
Redensart und es ist damit für jeglichen Eingeweihten deutlich ausgesprochen,
dass demselben, ganz abgesehen von einem höheren Wissen und Können,
auch noch übernatürliche Kj-äfte innewohnen und dass er mit übernatürlichen
(iewalten in unmittelbarer Beziehung steht. Ganz das Gleiche finden wir
.luch bei den Naturvölkern, nur dass hier ganz oflFen zu Tage tritt, was in
unserer modenien Volksmedicin mehr oder weniger verstohlen sein Dasein
fristet. Damit ist es nun natürlicher Weise aber nicht ausgeschlossen, dass
man in Kleinigkeiten sich selber hilft, und es wird uns dieses von den
Eingeborenen Süd-Australiens auch noch besonders bestätigt. Wenn
aber Jagor von den Igorroten der Philippinen und von Rosenberg von
den Mentavej- und Aaru-Insulanern und von den Einwohnern von
Dorej an der Südwestküste von Neu -Guinea berichtet, dass es besondere
Aerzte bei ihnen nicht gäbe, sondern dass ein Jeder sich selber hilft, so
^ müssen wir hierfür wohl doch ei'st noch eine genauere Bestätigung ab-
warten. Es widerspricht das so sehr der menschlichen Natur, und wir
sehen selbst bei den culturell so tief stehenden Australnegern einen
wohl ausgebildeten ärztlichen Stand, so dass es mir doch der Wirklichkeit
mehr zu entsprechen scheint, wenn wir annehmen, dass es den genannten
Reisenden zufälliger Weise nur an der günstigen Gelegenheit gemangelt
hat, die Aerzte in Funktion treten zu sehen, und dass sie desshalb auf
einen gänzlichen Mangel dei'selben irrthümlich geschlossen haben. Es
widerlegt sich übrigens nach wenigen Absätzen von Bosenberg schon selber,
wenn er von den Doresen sagt:
,,Priester giebt es nicht, wohl aber Zauberer, welche Beschwöningeu
machen, Zaubereien verrichten und Kranke heilen.**
Deutlicher kann das Vorkommen eines besonderen ärztlichen Standes
doch wirklich kaum bestätigt werden.
Bei den Weddah, den wilden Ureinwohnern von Ceylon, gehen Paul
und Frita Sarasin so weit, dass sie ihnen überhaupt jegliche Spui* medi-
cinischer Kenntnisse absprechen und dass die Fälle, die das Gegentlieil be-
weisen, ihre Erklärung darin tändeu, dass hier der Verkehr mit Tamilen
und Singhalesen den Weddah diese Kenntnisse übermittelt habe. Auch
48 TIT. Die Aerzte.
hier liegt wahrscheinlich ein Irrthum vor; denn gerade die angefülirteu
Maassnahmen (Benutzung von- Rinden und Auflegen von Blättern), welche
den Beweis dafür liefern aollen, dass die Weddah sie von den Tamilen
und Singhalesen erlernt haben, stellen so elementare G-edankengänj^r
dar, dass wir sie bei den verschiedensten, auch ganz tiefstehenden Natur-
völkern wiederfinden und dass wir daher, wie mir scheinen will, durchaus
nicht genöthigt sind, sie bei den Weddah als etwas von anderswoher
ITeberliefertes anzusehen. Denn auch dem primitivsten menschlichen Geiste
wohnen diese Gedankengänge inne.
Die Krankheiten werden, wie wir oben ausführlich erörtert haben.
überwiegend als veranlasst durch überirdische Wesen angesehen. Es i^t
in Folge dessen ganz naturgemäss und logisch, dass man Hülfe und Heilung;
in Krankheitsfällen nur von solchen Menschen zu erwarten berechtigt ist
welche in den Besitz von übernatürlichen Kräften gelangt sind, welche im
Stande sind, mit den betreflfenden Geistern, seien es nun Gottheiten, Ahneii-
geister oder Dämonen, in unmittelbaren Verkehr zu treten, ihren Willen
und ihre Absichten zu erforschen, ihren Zlom zu besänftigen und ihreu
Unwillen zu versöhnen, oder auch sie zu bannen, sie zu verjagen und ihrer
Herr zu werden. Xun ist die Krankheit nicht 'das einzige Ungemach, (1ü>
' dem Menschen zustossen kann. Man will aber vor jeglichem Unglück ge-
schützt sein, man will Erfolg und Gedeihen in seinen Unternehmungen
haben, Segen im Landbau, reiche Beute auf der Jagd, Glück im Kriege.
und in Fplge dessen muss man ernstlich bemüht sein, njit den 'überirdischen
Gewalten, den Segenbringenden sowohl als auclr den Verderblichen, in
gutem Einvernehmen zu verharren. Der eigenen Kraft vertraut man nicht.
Wiederum bedarf man dazu einer mächtigeren Mittelsperson, und da kommen
nun natürlicher Weise in erster Linie wieder diejenigen Personen in Betracht,
deren übematüiiiche Fähigkeiten, deren Beziehungen zum Reiche der Geister
Allen bereits hinreichend bekannt sind.
So erklärt es sich in einfacher Weise, dass wir bei den Naturvölkern
ausserordentlich häufig die ärztlichen und die priesterlichen Funktionen in
denselben Händen sehen. Es ist der Arzt, der die priesterlichen Verricli-
tungen übernimmt, oder der Priester, welcher die Kranken heilt; denn di«*
Behandlung der Kranken wird zum Gottesdienst und strenge, rituelle Vor-
schriften sind mit ihr verbunden. Der Verkehr mit den Geistern ist im
Sinne der Naturvölker ja ein Gottesdienst. Denn auch die Dämonen können
segenbringend wirken, wenn man sie sich zu verbinden vermag, damit sie
dem Feinde Verderben bringen. Und der Arzt und Priester, der sie
hierzu veranlasst, wird auf diese Weise gleichzeitig auch zum Zauberer.
Und zum Seher und Wahrsager wird er, wenn ihm die Geisterweit die
Zukunft offenbart, ihm die Jagdgründe anzeigt, wo dem hungernden Volke
sich reiche Nahrung bietet, und ihn vorhersehen lässt, ob ein geplanter
Eroberungszug dem Stamme zum Glück ausschlagen wird, oder zum Ver-
derben. Diese Funktionen selien wir daher dauernd sich durch einander
schiel)en und die Reisenden melden uns niedicinisches Wirken bald vom
Arzte, bald vom Priester, bald vom Wahrsager und vom Zauberer. Und
für gewöhnlich sind das immer die gleichen Persönlichkeiten, welche bald
in der einen, bald in einer der anderen Punktionen von den Berichterstattem
belauscht werden konnten.
20. Die sociale Stellung der Medicin-Männer. 49
Zwei Ausdrücke sind es namentlich, mit welchen wir die Träger
dieser verschiedenartigen Funktionen bezeichnet finden. Das eine Mal
werden sie Schamanen genannt, das andere Mal Medicin-Männer. Der
erstere Ausdruck entstammt den nordasiatischen' Völkerschaften, der
letztere ist bekannter Maassen den nordamerikanischen Indianern
entnommen, welche mit dem französischen Worte medeciue alles bezeich-
ueten, was von ihnen als unbegreiflich und übernatürlich angesehen wurde.
Die übrigen Ausdrücke, die wir wohl noch antreffen, wie Doctor, Zauberer,
Hexer, Gaukler und Taschenspieler sind dagegen verschwindend und jeden-
falls um Vieles ungeeigneter.
20. Die sociale Stellung der Mediein-Mftnner.
Entsprechend dAi in das öffentliche und private Leben tief eingreifenden
Terpflichtungen, welche ihi^en Händen anvertraut sind, ist die Stellung der
Medicin-Männer im Allgemeinen eine besondere, bevorzugte und angesehene.*
Dass sie im Volke wenig in Ansehen stehen, ist sicherlich eine grosse
Ausnahme, von Bo^enberg berichtet dieses von Andai an der Nordwestküste
Neu-Guine^s. .Auch was derselbe Autor von der Insel Nias angiebt
dass dort die Aei^le Teben und arbeiten, wie jeder Dorfbewohner,* und dass
sie keinesweges .ein höheres Ansehen geniessen, das ist mindestens unge-
l)räuchlich.
Für gewöhnlich ist, wi^ gesagt, ihr Ansehen und ihr Einfluss sehr
^ross* Sie finden bei den Zulu, wenn sie auf der Wanderung sind, überall
me gute Aufoahme; sie werden bei den Dacota-lndianern stets mit der
grössten Ehrfurcht behandelt und mit den besten Dingen versehen, sie
sindbeiden Ipurina-Indianernundbeiden Australnegern von Victoria
die einflussreichsten Personen des Stammes. In Liberia sind sie die Rath-
^eber der regierenden Häupter in Kriegs- und Friedenszeiten. In Victoria
sind ^ie die ausschlaggebenden Personen in der Vertheilung des Landes,
ir» Gippsland ordnen sie die Wanderungen und Versammlungen d(»s
Stammes an. Höchst einflussreich ist auch ihre Stellung bei den von
Serpa Pinto besuchten Gangüella-Negern in Caquingue, obgleich bei
diesen die Medicin-Männer, die Wahrsager und die Zauberer gesonderte
Stände bilden. Viele heilige Handlungen dürfen hier nur in der Gegenwart
des Medicin-Mannes vorgenommen werden, und in Fragen von Wichtigkeit
^'ilt seine Stimme mehr sogar, als diejenige des AVahrsagers. Er spricht
seine Entscheidung aber niemals aus, „ohne vorher gewisse Ceremonien zu
veranstalten, die sogenannten medicinischen Gebräuche, zu denen er bald
l^flanzen, bald Menschen- oder Thierblut verwendet."
Das allerhöchste Maass von Ansehen, das der Medicin-Mann geniesseu
l^Hnn, berichtet Turner von einer bestimmten Gegend von Samoa. Hier
^vurde ein alter Mann als die Incamation des Gottes Taisumalie (d. h. die
^anft anschwellende Fluth) angesehen, der als Medicin-Mann in der Familie
wirkte. Die Nachbarn zogen ebenfalls in ihren Krankheiten zu ihm. Sein
Hauptmittel war, den befallenen Theil mit Oel zu reiben und dann mit
iiartels, Medicin der Naturvölker. 4
50 III. Die Aerzte.
äusserster Kraft seiner Stimme tuof Mal das Woil Taisumalie zu sciirei^^u
und so ihn fiinf Mal zu rufen, dass er komme und heile. Wenn das ge-
schehen war, wui'de der Kranke entlassen, um die Heilung abzuwarten.
Trat die Genesung ein, so gab die Familie hierfür ein Fest, goss für den
Gott eine Schale voll Kawa auf die Erde, dankte fiir die Heilung und die
Gesundheit und betete, dass er fortfahren möge, seinen Rücken zum Schutze
ihnen zuzukehren, sein Antlitz aber gegen die Feinde der Familie.
Die Kranken bringen den Medicin-Mäiineni ein unbedingtes Zutrauen
entgegen; das linden wir im malayischen Archipel, sowie durch ganz
Amerika und Australien. Aber kein Vertrauen wird bei den Zulu
in einen Arzt gesetzt, welcher sich einer Fettleibigkeit zu erfreuen hat
Mit grosser Genugthuung rühmten die Eingeborenen von Victoria in
einem Falle, in welchem der Medicin-Mann einen scheinbar Sterbenden
durch schleunige Zurückbringung des ihm gestohlenen Nierenfettes geheilt
hatte, „wie schnell ein Arzt ihres Volkes eine Krankheit heilen könne,
welche ein weisser Arzt fiir unheilbar betrachte."
Wir sehen, die Einbildung ist es, oder wie man heute sagen würde, die
Auto-Suggestion, welche bei den Naturvölkern allerlei Krankheiten ent-
stehen lässt, und durch die geschickt ausgeinhrte Suggestion ilirer Medicin-
Männer werden sie geheilt.
üie Medicin-Männer der Chippeway- und der Wii^nebago-Indianer
werden auch bei den Nachbarstämmen als besonders erfahren und leistungs-
fähig angesehen, und von Liberia berichtet Büttikofer, dass in einzelnen
Krankheiten selbst Weisse, die bei den europäischen Aerzten keine Hülfe
gefunden hatten, sich der Behandlung der eingeborenen Medicin-Männer
anvertraut hatten und von ihnen geheilt worden waren.
Bei den In dianer- Völkern müssen die Medicin-Männer auch ge-
schickte Taschenspieler sein; bei den nordwestlichen Stämihen wenigstens
müssen sie, bevor sie die Krankenbehandlung beginnen, stets erst ein interes-
santes Zauberstück ausführen, um den staunenden Zuschauern ihre über-
natürliche Macht zu beweisen. In Ann am werden sie als ungebildet, aber
als sehr energisch bezeichnet.
21. UebematUrliche Ffthlgkeiten der Medicln-Mftnner.
Ihr intimer Verkehi- mit der Geisterwelt begabt die Medicin-Männer
abei- auch mit ganz besonderen Fähigkeiten. Sie köimen das Leben bringen,
aber auch den Tod, und diese überirdische Kraft wird ihnen selbst nicht
seltiui zum Verhängniss. Allerlei wunderbare Dinge weiss man sich von
dem übernatürlichen Verkehre der Medicin-Männer mit der Geisterwelt zu
berichten, und sorgsam sind die Aerzte darauf bedacht, diesem Glauben
bei dem Volke hinreichende Nahrung zu geben. In Victoria behaupten
sie, dass sie alle Dinge über und unter der Erde kennen, sie behaupten,
dass sie Alles wissen, und sie beschreiben den Stammesgeuossen nicht selten,
was bei irgend einem fernen Stamme zur Zeit gemacht wird. Die Meewocs
in Central-Californien glauben, dass ihre Medicin-Männer auf der
Spitze eines Berges sitzen können, fünfzig Meilen weit von einem Manne,
den sie zu vernichten wünschen, und dass sie den Tod desselben dadurch
21. üebernatürliche Fähigkeiten der Mediciii-Mäniier. 51
herboizufiihi'en im Stande sind, dass sie mit ihren Fingei'spitzen ein magisches
(lift ihm entgegenschnellen. Bei den Indianern Süd-Californiens be-
fehlen sie den Elementen, blicken in die Zukunft und vennögen sich nach
ihrem Belieben zu verwandeln.
Wenn bei den Dacota-Indianern der Arzt längere Zeit ohne Praxis
ist, so hat er grosse Unbequemlichkeiten vim der Unruhe der Geister in
ihm zu erdulden. Um die Geister zu beruliigen nimmt er bisweilen Blut
aus dem Arme irgend einer Person und trinkt dasselbe. So ist es denn
kein Wunder, dass auch Furcht die zagenden Gemttther befallt , wenn sie
dem Medicin-Mann gegenübei-treten. Wer ihn bei den Klamath-
Indianern zu einem erkrankten Familiengliede ruft, der bleibt vor der
Thüi- der Hütte stehen, welche voll ist der überirdischen Wesen. Die
Männer in Victoria fiirchten sich, sie anzutasten, und fiigen sich daher
jiUen ihren Anforderungen; die Weiber zittern vor ihnen, weil sie sie ver-
wunden, ihnen dns Nierenfett rauben, sie unfruchtbar machen und ilu'e
Kinder tödten könnten. Die Sahaptin-Indianer sterben häufig aus Furcht
vor des Medicin-Mannes bösem BHck, und auch bei den Wascow-Indianern
wird geglaubt, dass, gegen wen er seine grässlichen Blicke schleudert, dem
sicheren Tode verfallen sei. Man muss daher in ihrer Gegenwart sein Hauj)t
abwenden oder verbergen, um ihren erzürnten Blicken zu entgehen. „Wenn
«'iner von dem Gedanken erfasst ist, berichtet Alvord, dass er von einem
Medicin-Manne schrecklich angel)lickt worden ist, so siecht er dahin, zehi-t
ab, oft verweigert er zu essen und stirbt durch Verhungern und Melancholie."
Auch die Schamanen der sibirischen Volksstämme gemessen beim
Volke ein ganz besonderes Ansehen; aber si(» sind, wie Radioff sagt, viel-
mehr gefiiixhtet als geliebt.
Die alten Peruaner hatten nach von Tschudi zwei Arten von Priester-
ärzten, die Sonkoyox und die Kamaska. Der erstere Name bezeichnet
^die Muthigen*^, oder „die ein Her/ haben", der letztere Name bedeutet „dit*
Fähigen", oder „die Geschickten*'.
Missionar Johl in Emdiseni-Petersberg in Kafferland giebt an,
-dass die Kaffem von einem igqira (Kafferdoktor) meinen, derselbe reite
des Nachts auf einem Pavian herum und behexe die Leute und das Vieh."
JEr hat den impundulu, den die Kaffern fiirchten. Er soll ein Vogel
des Donners sein, etwa gleich dem ishulogu. Dann aber meinen die
Heiden, es sei ein Traum (ipu))a), oder umgekehi-t, der ipupa sei der
\ Jshologu oder impundulu, der die Leute des Nachts beschleiclie und ihnen
allerlei des Nachts ins Ohr sage.'*
Als der Missionar den Zauberdoktor fragte: Sage mir, was ist impun-
dulu? da antwortete er: ,,Das kann ich nicht; dtis ist ein Ding, welches
kein Ding ist, welches die Heiden fiirchten. Man sagt, es ist der Blitz.
Ich habe das Diiig aber noch nicht gesehen.'-
^ Bei den Mincopies auf den Andamanen wird dem Medicin-Manne, dem
Oko-pai-ad (d. h. Träume^r) die Fähigkeit zugeschn(4)en. durch Träume
nüt den guten und bösen unsichtbaren Mäcliten in Verbindung zu stehen,
und ebenso die Geister der Vei-storbenen oder derjenigen Leute, weicht*
krank sind, zu sehen.
4*
52 ni. Die Aerzt«.
22. Auffallendes Benehmen der Medleln-Minner.
In Victoria fuhren die Medicin-Männer ein absonderliches LeWü.
um den Glauben an ihre überirdische Gewalt rege zu erhalten; „sie essen
getrennt und zu ungewöhnlichen Zeiten, sie schlafen, wenn die Andereö
wachen, und sie behaupten, lange Wanderungen zu unternehmen, wenD &
Anderen im Lager alle im Schlafe liegen. Selten jagen und fischen sie.
oder thun irgend eine Arbeit Sie mach(»n eigenthümUche Geräusche in
der Nacht, wandern fort und suchen ihr Volk zu erschrecken. Durch ihn*
Klugheit und Verschmitztheit und durch ihre Geschicklichkeit, den Zufall
zu benutzen, indem sie Wache halten, wenn die Anderen schlafen, erhate
sie sich ein üebergewicht über die Mitglieder ihres Stammes und sie ver-
stehen es, angenehm zu leben und Vortheil von ihrer fremdartigen Lebens-
weise zu ziehen."
Die Baksa der Kirgisen haben in ihrem Benehmen etwas Affek-
tirtes und Unnatürliches. Einer derselben, welchen Radioff sah, führte stet>
fromme Redensarten im Munde. „Bei jeder Handlung, die er untemato
wie Trinken, Niedersetzen u. s. w., seufzte er ein lautes „Bismillah'* (Ini
Namen Gottes) vor sich hin, und jeder Rede, die er that, fugte er ein ,,Wal-
lahi, Billahi" („Bei Gott") hinzu, was bei den Kirgisen nur einig»
ganz alte Leute zu thun pflegen. Mancher Baksa soll immer einen geistin
Gestörten nachahmen, und stets Grimassen schneiden, als ob er, wenn er
auch nicht die Beschwörung ausfuhrt, von bösen Geistern besessen sei."
Den Thäy phäp der Annamiten ist eine besondere Diät vor-
geschrieben. Sie dürfen kein Fleisch vom Büfl*el oder vom Hunde geniesser
und sie müssen sich des Genusses einer kleinen Pflanze (rau giäp cä) mit
herzförmigen Blättern enthalten, welche einen Geruch nach Fischen hat
Die Ganga, d. h. die Medicin-Männer der Loango-Neger, dürl»""
nui- an bestimmten Plätzen Wasser trinken und dieses auch nur zu ga^^
bestimmten Stunden des Tages oder der Nacht. Ihre dem Fetisch ver-
mählte Frau muss ihnen dasselbe herbeiholen. Ihr Küchenzettel ist ein
sehr beschränkter, da sie eine Anzahl von Viei-füsslem und Fischen auch
nicht einmal mit ihren Augen erblicken dürfen. Vielfach leben sie von
Wurzeln und Kräutera, jedoch ist ihnen rohes Thierblut zu trinken erla^^*-
Alles was die Fetischfrau des obersten Ganga bei Tage erblickt hat, wus^
sie des Nachts ihrem Gatten berichten, weil sie sonst in Krankheit ver-
fallen und die Zauberkraft des Fetischs verderben würde.
23. Weibliche Aerzte.
Die Funktionen des Medicin-Manues sind nicht nur auf das männlicl^^'
Geschlecht beschränkt; wir finden es bei den Naturvölkern weit verbreitet-
dass auch die Weiber den ärztlichen Beinif ergreifen. Das wird uns be-
richtet von den Aschanti, von den Negern in Loango und in Lubuk^
und von den Zulu, ferner von Bali, Borneo undSelebes, von AustralieD.
sowie von vielen nordamerikanischen Indianer-Stämmen. Auch i"
Sibirien können Weiber die Schamanen würde erlangen. In Nor«'
24. Die Vertheilung der Medicin-Männer. 53
Californien und bei den Creek-Indianern sollen sie sogar zahlreicher
sein, als die männlichen Aerzte. Bei den Dacota finden sie sich neben
den männlichen Aerzten in jedem Dorfe. Bei den Central-Californiern
hingegen ist weiblichen Personen die ärztliche Praxis untersagt.
Auf den Aaru-Inseln, aufLeti, Moa und Lakor, bei den Koniagas
in Nordwest-Amerika, bei den Pimas in Mexico und bei den Central-
Mexicanern scheinen diese weiblichen Aerzte den männlichen gegenüber
sich nicht in einem Zustande der Gleichberechtigung zu befinden, sondern
mehr eine Rolle zu spielen, wie bei uns die kurpfuschenden alten Weiber.
Sie werden übrigens auch wirklich hier in den Berichten immer als „alte
Weiber*' bezeichnet, und von Sumatra wird gesagt, dass sie mehr Heb-
ammen wären. Auch die Kirgisen pflegen sich, bevor sie den Medicin-
Mann rufen, den Händen alter Weiber anzuvertrauen.
Die voll anerkannten weiblichen Aerzte haben bei den Waskow-
Indianern aber doch nicht das gleiche Ansehen, wie die Medicin-Männer;
sie sind nicht so sehr gefurchtet und sie haben nicht wie diese willkürliche
Gewalt über Leben und Tod. In Vancouver hat man ebenfalls das
Institut der weiblichen Aerzte, jedoch werden dieselben den Medicin-Männem
zweiten Ranges gleichgeachtet und nur bei geringen Krankheiten geinifen.
Vor ihren Geschlechtsgenossinnen haben die weiblichen Aerzte aber doch
mancherlei voraus. Bei den Aschanti scheinen sie vor und nach der
Hochzeit die Erlaubniss zu haben, ihre Gunst an Jeden zu verschenken,
der ihnen beliebt. Bei den Topantunuasu in Central-Selebes dürfen
sie nicht heirathen. Sie repräsentiren einen besonderen höheren Stand und
sie werden von ihren Dorfgenossen unterhalten. In Central-Amerika
ist nur ihnen der Zutritt zum Schwitzhause gestattet, der den gewöhnlichen
Weibern streng untersagt ist.
24. Die Yertheilnng der Hedleln-Männer.
Es liegen uns einige Angaben vor über das numerische Verhältniss
des ärztlichen Standes. PaulitschJce schreibt: „Aerzte giebt es in grosser
Anzahl in Harrär und es ist diese Stadt auch bei den Galla als der Sitz
der höheren Medicin geachtet."
Auch in Bali finden sie sich in grosser Menge, und in Ann am sind
sie in den westlichen Provinzen zahlreich, namentlich in Chaudoc und
Hatien. Als zahkeich werden sie auch bei den Winnebago-lndianern
erwähnt, sowie bei den alten Maya- Völkern. Bei den Karaya und
Tpurina in Brasilien finden sich in jedem Dorfe mehrere. Bei den
Dacota werden 5 bis 25 männliche und weibliche Aerzte in jedem Dorfe
augegeben. In Nias hat jedes Dorf von einiger Bedeutung je einen eigenen
männlichen und einen weil)lichen Arzt, während kleinere, die nahe bei
einander liegen, diese Personen meist gemeinsam besitzen. Im westlichen
Rorneo sollen die Zauberärzte selten sein. Selten sind sie auch bei den
Süd-Australiern in der nächsten Nachbarschaft des Port Lincoln; der
berühmte Kukuta-Stamiii im Nordwesten soll aber sehr viele solche
Medicin-Männer besitzen.
■>4 III. Die Aerzte.
25. Consultatlonen und gemeinsame Srztliehe Behandlang.
Das Verhalten der Collegen unter einander finden wir durchaus nicht
überall gleich. Die Einrichtung der Consultationen in zweifelhaften und
besonders schwierigen Fällen ist ihnen keineswegs unbekannt, und daraib
folgt, dass auch eine gemeinsame Behandlung vorkommt.
Bei den Mosquito-Indianern pflegen die Aerzte bei Ejüdemien zu
consultiren und sich ihre wichtigen Träume gegenseitig mitzutheilen. J)er
Thäy-phäp der Annamiten ruft fiir die Behandlung seine Collegen herbei
und präsidirt dann den für die Heilung nothwendigen Ceremonien. Von
den Xiassern schreibt Modigliani: .,Und wie bei uns in schweren und
zweifelhaften Krankheiten mehrere Aerzte zur Consultatiou gerufen werden,
so werden bei den Niassern jedesmal mehrere Er^ zum Kranken geladen,
weil, wenn einer von ihnen einen Bela (Geist) zum Beschützer hat. der
mächtiger und geschickter ist, als derjenige, welcher die anderen Magier
beschützt, sich der Kranke jedenfalls besser befinden könne."
In Victoria, wo die Consultationen ebenfalls gebräuchlich sind, warn»
in einem bestimmten Falle neun weibliche Aerzte gemeinsam zu der Be-
bandhmg zusammengekommen.
Bei deiiLoango-Negern sind Consultationen mehrerer Medicin-Mäunei
(ebenfalls gebräuchlich, und wenn dieselben in ihren Ansichten nicht über-
einstimmen, so wird ein älterer als Superarbiter herbeigerufen, dessen Aus-
«pnich dann entscheidend ist.
Auch bei den Persern sind Consultationen eine ganz gewöhnliclu'
Ei-scheinung. Polak sagt:
„Erkrankt ein Grosser des Reichs, so haben viele Personen ein Interesse
(biran, zu wissen, ob er bald wieder genesen, oder ob er das ZeitUche segnen
werde. Sie Alle schicken desshalb ihren Arzt zu dem Kranken, selbst der
Schah den Seinigen, und diese oft sehr zahlreiche ärztliche Versammlung:
hält zur anberaumten Stunde eine Consultation. Nachdem durch die Diener
Nargileh und Kaflee herumgereicht worden, Avird die Sitzung eröflfhet D^i'
Reihe» nach tritt Jeder an das Lager des Patienten, fühlt mit wichtiger
Afiene dessen Puls, indem ei* dabei gewöhnlich einige Redensarten von der
Anamnese und dem Status i)raesens fallen lässt, und erkundigt sich genau,
was fiir Speisen. l)esonders welche Suppe» der Kranke am Tage vorher zu
sich genommen, ob er Saures oder Süsses genossen habe. Hierauf ent-
spinnt sich zunächst unter den Anwesenden ein hitziger Kampf, inwiefern
die Krankheit als eine „heisse" oder als eine ,,feuchte" zu classificiren sei.*'
Bei einer grossen Meinungsverschiedenheit Hess der Patient (in diesem
Falle der Grossvezier selber) die Aerzte in den Garten fiihren. Sie lagerten
sich auf (»inem dicken Filzteppich und wurden mit Tliee, Kafl'ee und Nar-
gileh gestärkt. „Uebrigens nahm die Debatte ihren Fortgang. Mancher
sclilei)i)te dicke Folianten herbei und suchte seine Ansicht Schwarz aij^
AVeiss zu begiiinden. In der Hitze des Gefechts fielen auch mitunter scharte
Worte, die man jedoch dem Eifer für das Wohl der „Ersten Person" ^
Gute hielt." Der Kranke Hess dann einen Priester höheren Ranges rufeWt
welcher feierlich den Koran aufschlug und aus diesem die Entscheidung
fällte, welcher der sich gegenüberstehenden Ansichten vom Patienten Folg^
zu geben sei.
26. Brodneid. 27. Die Wohnung des Arztes. 55
36. Brodneid.
Aber auch eine zweite Eigenart moderner Oivilisation ist leider den
Naturvölkern ebenfalls nicht fremd geblieben, das ist der Brodneid und die
Herabsetzung und Verdächtigung des concurrirenden Collegen.
So gewinnen die Medicin-Männer der Australneger Victorias ihren
Eiufluss „durch grosses Selbstlob, unermüdliches Schwatzen und manche
geschickte Herabsetzung Anderer/*
Diese Herabsetzung geht bisweilen so weit, dass dem Patienten sogar
die Tödtung des Concun^enten angerathen wird. So pflegen bei den Sa-
liaptin-Indianern, wenn Jemand ärztlich behandelt wird, Rivalen oft die
Furcht der Patienten zu erregen, damit der behandelnde Arzt getödtet
w(»rde. Auch bei den Stämmen in Oregon drängt sich wohl ein anderer
Arzt an den Kranken heran und fragt ihn, warum es ihm nicht gut ginge.
„Vielleicht arbeitet Dein Arzt an Dir mit seinem unheilbringenden Zauber."
Wenn dann der Kranke seinen Ven^-andten hiervon Anzeige macht, so
wird der behandelnde Arzt dem Tode nicht entrinnen.
Den Indianern in Britisch-Columbien ist die Aufreizung zum
Jlorde eines ärztlichen Rivalen ebenfalls nicht fremd. Aber hier geschieht
es nur in Folge des Selbsterhaltungstriebes. Denn der Arzt, dem ein
Patient gestorben ist, sucht die Angehörigen desselben zu überreden, dass
der böse Einfluss eines missgünstigen Concurrenten dieses traurige Schicksal
Vfiiirsacht habe. So entgeht er der Rache und jener wird getödtet.
27. Die Wohnung des Arztes.
Die Ausnahmestellung, welche die Aerzte unter ilirenj Volke ein-
zunehmen pflegen, zeigt sich bisweilen auch bereits durch die äussere Er-
scheinung ihrer Wohnung au. Die Hütten der Medicin-Männer bei den
Klamath-Indianern in Oregon sind z. B. dadurch kenntlich, dass an
ihnen ein Fuchsfell als Berufszeichen befestigt ist, das sie an einer schräg-
gestellten Ruthe baumeln lassen. In West-Borneo liegen vor dem Hause
der Aerzte gewöhnlich zwei kleine, rohe Baumstämme mit ausgeschnittenen
und gefärbten Schlangenköpfen an den Enden. Dieselben scheinen die
Hantu (Geister) vorstellen zu sollen. Bisweilen geben die Medicin-Männer
diesen Ungeheuern zu fressen, und si(^ wissen dann die Speisen mit solcher
(lesch windigkeit verschwinden zu lassen, dass das Volk fest davon über-
z(^ugt ist, dass wirklich die Geister die ihnen vorgesetzte Mahlzeit ver-
zehrt hätten.
Die Wohnungen von den Medicin-Männern der Betschuanen sind
nach Holub daran kenntlich, dass sich in ihnen Fussdecken befinden, welche
aus dem Fell der gefleckten Hyäne (Hyäna crocata) gearbeitet sind. Auf
diesen halten sie ihre Sprechstunden ab.
Die Medicin-Männer der Annamiten haben in ihrer Wohnung
mindestens zwei oft sehr kümmerliche Altäre. Der eine ist den Geistern
geweiht, der andere den oberen Gottheiten der Sekte. Die Altäre bestehen
aus einem Tisch, über welchem die Tafel mit dem Namen des Meisters
56 III. Die Aerzte.
dieses Standes aufgehängt ist, mit einer Inschrift, welche nach dem GeburtsS-
jahre des Medicin-Mannes , des Thäy phäp, wechselt. Davor sind einige
Gefässe mit Opfergaben aus Blumen und Früchten bestehend aufgestellt,
femer ein Kohlenbecken, Rasseln, Räuchergefässe und Trommeln. Zu den
Seiten stehen Leuchter und eine Unzahl von Lanzen un^ von Flaggen. Ausser-
dem befinden sich doii; die Tafeln von Kindern, welche der Thäy phap
von bösen Geistern befreit hat, und welche die Eltern nicht in ihren Häusern
aufbewahren können, weil dieselben ungeeignet sind. Dahinter bemerkt
man eine Art von vierseitigem Brunnen, welcher die Hölle darstellt; hier
müssen die Soldaten des Medicin-Mannes, d. h. die ihm dienstbaren Geister
ihre Widersacher hineintauchen. Vor der Tafel stehen in bestimmter Reihen-
folge kleine Puppen, welche diese dienstbaren Geister vorstellen, und deren
jede ihren besonderen Namen hat; es können fabelhafte Wesen sein, oder
auch historische Persönlichkeiten, Helden der Sekte u. s. w.
In Marokko, Tunis und Tripolis sieht man die Heilkünstler, wie
Quedettfeldt berichtet, auf den Märkten in der OeflFnung ihres kleinen, Gitnn
genannten, dachförmigen Wanderzeltes sitzen. Ein Paar geschriebene Bücher,
seine Reiseapotheke, bestehend in einigen Gläsern fragwürdigen Inhalts,
sowie die Glüheisen nebst Kohlenbecken und Handblasebalg, sowie eine
grosse Scheere, einige Messer, ein Tintenfass und eine Rohrfeder bilden die
Ausrüstung.
Von der Wohnung der persischen Aerzte finden wir bei Polak die
folgende Schilderung.
„Entweder in seinem Hause oder im nächsten Bazar hat der Ar/t
einen Laden (Mahkemeh), wo er die ihn besuchende Kundschaft empfängt.
Der Boden ist mit einer Rohrmatte oder mit Filz bedeckt; in Schränkeu
an den Wänden steht eine Anzahl Schachteln, Krüge und Flaschen mit
europäischen Etiketten versehen und mit Latwergen, Pillen und Elixireu
gefüllt*' X
28. Aerztliehe Honorare.
Es wird gewiss nicht ohne Interesse sein, auch über die Honorar-
verhältnisse dieser wilden CoUegen, sowie über ihre Vermögenslage einige*
in Erfahrung zu bringen. Wir haben bei den Australnegern in Victoria
bereits gesehen, dass die Medicin-Männer sich nicht bei den Arbeiten ihres
Stammes betheiligen. Sie benutzen vielmehr in geschickter Weise die aber-
gläubische Furcht ihrer Stammesgenosseu und lassen sich durch deren Gabe»
und Geschenke erhalten. Das kann man aber eigentlich nicht auftässeD
als ein ärztliches Honorar. Ein solches raüsste doch immerhin ftir direkte,
ärztliche Hülfsleistungen gegeben worden sein. Solche unregelmässige Gaben
müssen wir aber allerdings ebenfalls dem Einkommen der Medicin-Männer
hinzurechnen. Die australischen Aerzte erhalten übrigens auch noth
besondere Geschenke bei der Behandlung von Krankheiten. Bei der Honorar-
frage treiFen wir vielfach den Grundsatz, dass überhaupt nur dann bezahlt
wird, wenn die ärztliche Behandlung von Erfolg gekrönt wai*. Das ist
z. B. der Fall bei den Zulu, bei den Annamiten, bei den Koniagas iß
Nordwest-Amerika und bei den Creek-Indianern. Auf den Aaru-
28. Aerztliche Honorare. 57
Inseln und in Alaska muss ein vorausbezahlter Preis wieder zurück-
gezahlt werden, wenn der Klranke nicht am Leben bleibt.
Bei den Isthmus-Indianern richtet sich der Preis der Behandlung
je nach der Schwere des Krankheitsfalles. Die alten May as brachten ihren
Aerzten bereits (lescl^nke, wenn sie sie zum Kranken riefen. Auch bei
den Creek-Indianern sind Geschenke gebräuchlich, und wenn der Arzt
die Behandlung fortsetzen soll, so müssen dieselben täglich wiederholt
werden. Als ganz besonders ei^wünschte Gabe* wird hier ein Hund als
Opferthier betrachtet Ausserdem erhält er aber als Honorar eine reichliche
Gabe an Häuten und Vieh. Die Dacota-Indianer pflegen ihren Arzt
freigebig vorauszubezahlen.» Die Medicin-Männer der Natal-Kaffern haben
den Gebrauch, wohl gewitzigt dadurch, dass es Sitte ist, nur zu bezahlen,
wenn der Kranke geheilt wurde, sich eine Summe von zehn Schilling im
Voraus geben zu lassen unter dem Verwände, dass sie hierfür Medicin
kaufen müssten. Für die vollendete Kur erhalten sie ausserdem noch einen
Ochsen. Auch bei den Aerzten der Perser wird gegen die Empfangnahme
des Receptes sogleich das ärztliche Hojiorar entrichtet.
In Liberia ist die Hülfe des Arztes biUig, aber es müssen allerlei
Opfergaben gegeben werden, welche theils vergraben, theils im Flusse ver-
senkt werden müssen; einen Theil derselben aber muss der Patient dem Arzte
übergeben, damit sie „verkauft" würden. Diese behält der Arzt daim für
sich. Reis und ein weisses Huhn spielen dabei eine grosse Rolle. Billig
ist auch der malayische Arzt in Stfmatra, der fiir wenige Scheidemünze
seine Kunst zum Besten giebt. Etwas theurer wird schon die Saclie auf
der Insel Keisar, wo dem Medicin-Manne die Hälfte des Opferthieres zu-
kommt. Gewöhnlich ist ein Schaf fiii- das Opfer ausersehen. Bei den
Betschuanen und bei den Xosa-Kaffern wird von dem Arzte bald eine
Ziege, bald ein oder mehrere Ochsen als Opferthier gefordert, an denen er
natürlicher Weise einen hervorragenden Antheil hat. Holuh isagt von den
Betschuanen, dass der Medicin-Mann fleissig schweisstreibenda Mittel
verordnet. Er weist dabei den Kranken an, „sich in seinen besten Kaross
(Pellmantel) oder in eine gekaufte Wolldecke zu hüllen; und nachdem das
Mittel seine Schuldigkeit gethan hat, erscheint der Doctor, um den Kaross
oder die Decke mit dem Schweisse, dem transpirirten Krankheitsstoffo „ein-
zugraben", d. h. sie in Besitz zu nehmen, während der Kranke froh ist, den
Grund seines TTebels aus dem Hause entfernt zu wissen. Der Patient würde
es nie wagen, dieselbe zurückzufordern, sollte er auch nach seiner Genesung
die Frau Doctorin mit seinem Schakalmantel in den Strassen des Dorfes
herumstolziren sehen."
Der Baksa der Kirgisen erhält als Lohn die besten Stücke vom
Opfermahle und das Fell des geschlachteten Thieres. Reiche Leute geben
aber noch Extra geschenke, ein lebendes Schaf oder einen neuen Rock.
In Ann am wird das ärztliche Honorar vorher ausbedungen. Die Cur
ist nicht unter 20 Piaster, und reiche Leute pflegen noch viel mehr zu be-
zahlen und den Arzt ausserdem noch mit Kleidern zu beschenken. Zu
den für die Heilung nothwendigen Opferceremonien sind bestimmte Tücher
erforderlich, welche dem Medicin-Manne und seinem Gehülfen verbleiben.
Für den Ersteren sind sie roth, fiir den Letzteren weiss. Sie dürfen zu
irgend welchen häuslichen Zwecken benutzt werden, aber Hosen darf sich
58 III. Die Aerzte.
der Arzt nicht daraus feilij^en lassc^n: das wäre eine I^nehnThieti^keit «le^cü
die (Jeister.
l^^ber die Honorare der Aerzte in Siam heriohtet Bastian nach t-iiiein
siamesischen Manuscripte: ^Nach ärztlicher Taxe muss der aus einer
Krankheit j^enesene l\itient den Keis der Satisfaction gehen, und aii
(leld für die Kosten der Arzeueien zwei Bath (Tikal) zahlen, sowie seoh^
Salüng zur „Sühne". Ausserdem wird eine Schüssel mit Confect und ein
Schweinskopf zugefügt"
Die Aerzte des Königs erhalten je nach ihrem Range einmal im Jahre
djis (xehalt in Kauris zugemessen und zwar der Vornehmste fiinf Pfiin«!
(400 Tikal), die Nächsten drei Pfund „und so im Verhältniss ahwärts bis
zu fünf Tamlüng (20 Tikal)."
üeber die älteren Z(»iten in flapan erhalten wir duirh Wemick folgen-
den Bericht: „Gesetzlich war der Arzt ganz rechtlos; er durfte kein Honorar
fordern, sondern er war ganz auf die (irossmuth der Kranken angewiesen,
die ihr ,. Geschenk*', wie es noch Iris in die »Jetztzeit heisst, willkürlich be-
messen durften. Der 32. Abschnitt aus den hundert (iesetzen des lye-Yasu.
des Gründers der letzten Äo^/wn-Dynastie. spricht sich darüber aus, wie folgt;
,,,,Weil die Menschen dieser AVeit nicht von Krankheiten fi*ei sein können,
liaben die Weisen des Alterthunis voll Mitleid <he Heilkunde geschafFen.
Wenn deren »Jünger nun auch die Krankheiten geschickt heilen und Er-
folge haben, so dürft ihr ihnen doch keine grossen Einkünfte verleihen,
denn sie würden im Besitze derselben nothwendiger Weise ihren Beruf ver-
nachlässigen. Ihr sollt ihnen aber, so oft sie eine Cur gemacht haben,
eine der Grösse ihres Erfolges entsprechende Belohnung ^eben.**''
,,Das dürftige Honorar ist etwa das zwei- bis vierfache des Medica-
mentenpreises, der dem Arzte ebenfalls erstattet wurde; für Beides aber
hatte er sich höflich zu bedanken. Es galt für unanständig, das Geschenk
zu unterlassen, doch existirte kein Rechtstitel, der dem Arzte beim Ein-
treiben seiner Fordeiung behülflich gewesen wäre. Consultirte der Kranke
den Arzt in desseai Hause, so hatte er ihm überhau|)t nur die Medicin zu
bezahlen."
Bei den (j anguella-Negern wird die Kur als kostspiebg bezeichnet.
Theuer ist die ärztliche Behandlung auch bei den Negern von der
liOanffo-Küste. Hier muss der Medicin-Mann erst untei^suchen, welchtM-
in den Fetisch eingeschlagene Nagel die betreffende Krankheit venirsacbt
hat. Das kostet Geld. Diesen Nagel muss er dann herausziehen und dem
Fetisch die Wunde heilen. Das kostet abermals Geld. Dann erst kann
er daran denken, nun auch den Patient(ai wiedt^rherzustellen; und hierfür
muss natürlicher Wcrise nun wiederum eine Zahlung geleistet werden.
Auf den Aaru- Inseln erklärt bisw^eilen der Arzt, dass die Krankheit
darin ihre Ursache habe», dass die Vorfahren des Erkrankten den Vorfaliren
eines bestimmten anderen Arztes e»twas schuldig geblieben sind. Dies«»
Schuld lässt sich dann der jetzt behandelnde Arzt von dem Kranken dreifach
oder vierfach bezahlen.
Ganz besonders theuer scheinen die Aerzte der Indianer zu sein.
Bei den Central-Californiern und den Winnebagos wird von den er-
pressendsten Forderungen gesprochen. Ein Nord-Californier forderte ein
Pferd als Htmorar, und die Dacota- Indianer geben ofit ein Pferd fiir
29. Gefahren des ärztlichen Berufes. 59
^iue ganz kleine Hilfsleistung und sind bereit, Alles was sie besitzen und
^'jis sie auf Credit bekommen können, hinzugeben, damit der Arzt sie be-
ll andele. Ein Arzt der Navajö in Arizona erhielt für eine neun Tage
währende grosse Heilceremonie ein sehr reichliches Geschenk an Pferden
lind ausserdem fiir sich und alle seine Gehülfen für die ganze Zeit Nahrung
in Hülle und Fülle, bestehend aus Suppe, Maisbrei, Getreidekuchen und
Hammelbraten. Dem Arzte während der Zeit der Behandlung auch das
Essen zu liefern ist übrigens auch bei den Sioux-Indianern und bei den
Niassern der Gebrauch. Die Letzteren müssen ausserdem noch viele
Hühner und Schweine opfern und dadurch werden in Nias die Krank-
heiten so kostspielig, dass man nicht selten Leute trifft, welche ihr ganzes
Yermögen erschöpft haben oder sogar in Sklaverei gerathen sind, um die
Schulden zu bezahlen, in welche sie sich gestürzt hatten, um sich die Hülfe
der Medicin-Männer zu verschaflFen.
Bei den Zulu reisen geschickte Aerzte von Ort zu Ort durch das
liand und bleiben häutig durch Monate, oder selbst «Jahre lang unterwegs.
Als reiche Leute, im Besitze grosser Viehheerden pflegen sie dann nach
Hause zurückzukehren.
Die ärztlichen Visiten sind bei diesen Völkern aber auch von besonders
langer Dauer, so z. B. in Sumatra. Die Winnebago-Aerzte widmen
sich ihrem Patienten Tag und Nacht, und die Aerzte der alten Maya ver-
liessen ihren Kranken erst, wenn er geheilt oder gestorben war. Bei den
IVfedicin-Männern der Indianer dauern die ärztlichen Ceremonien häufig
Tage lang, imd an jedem dieser einzelnen Tage ist der Medicin-Mann in
angestrengtester Thätigkeit. Aehnliches ist auch von den Australiern, sowie
von den Kirgisen und von den Süd-Afrikanern zu berichten.
29. Oefahren des ftrztliehen Berufes.
Es hat aber doch auch seine Schattenseiten, bei den Natur\^ölkern die
ärztliche Praxis auszuüben. Dass unter Umständen, wenn die Behandlung
keinen Erfolg hatte, die im Voraus gegebene Bezahlung wieder zurück-
erstattet werden musste, das haben wir bereits gesehen. Auch eine Ent-
schädigungssumme muss bisweilen den Hinterbliebenen noch entrichtet
werden, z. B. bei den Indianern in Britisch-Columbien.
Aber man traut, wie bereits oben erwähnt worden ist, den Mediciu-
Männem auch die Fähigkeit zu, durch ihre Zauberkräfte den Tod zu bringen.
Wenn ihnen daher der Kranke stirbt, so macht man sie für seinen Tod
verantwortlich. In Sumatra suchen sich dann die Medicin-Männer heraus-
zureden und sagen, die Geister waren dem Kranken nicht geneigt. Die
Twana-, Chemakum- und Klallam-Indianer behaupten dann, dass
mehrere Dämonen von dem Kranken Besitz ergriffen hätten, und dass nur
jeder einzeln zu vertreiben sei: Die Dacota-Indianer schieben den Miss-
erfolg auf die Sünden des Volkes. Auch die Ipurina-Indianer und die
Eingeborenen von Victoria und Süd-Australien wissen sich zu helfen
und behaupten, dass ein Zauberer eines feindlichen Stammes, welcher mäch-
tiger ist, als sie, ihnen die Kur vereitelt habe. Die Mosquito- Aerzte um-
60 III. Die Aerzte.
geben den Kranken mit allerlei Verboten, deren unschuldige Uebertretung
durch Vorübergehende ihnen bei unglücklicher Behandlung eine erwünschte
Ausrede bietet.
Die Haidah und die Columbianer jedoch, sowie die Califoriiier
und die Creek- und Oregon-Indianer lassen nicht mit sich spasseu.
Stirbt der Kranke, so hat des Medicin-Mannes Zauber ihn getödtet und
desshalb muss dieser ebenfalls getödtet werden. Ja die Nord-Californier
gehen so weit, dass wenn auch der Gestorbene überhaupt nicht ärzthch be-
handelt worden ist, man den Tod desselben dennoch den Medicin-Männem
in die Schuhe schiebt und den ersten Besten derselben tödtet, dessen man
habhaft werden kann. Gewöhnlich ist es ein Medicin-Mann eines anderen
Stammes, und für die Tödtung desselben sind sie dann verpflichtet, ein
B,eugeld zu bezahlen. Alvord berichtet aus Oregon:
„Alle Ermordungen unter ihnen, von denen ich erfahren konnte, ge-
schahen in dieser Weise, und drei Aerzte wurden in den letzten vier Monaten
bei verschiedenen Stämmen, nicht über 40 Miles von hier entfernt, getödtet.**
So kann es uns nicht wundern, zu vernehmen, dass der Medicin-Manu der
Nord-Californier zuweilen doch sich weigert, die Behandlung zu über-
nehmen, obgleich man ihm die hohe Honorarforderung bewilligt hat Und
in Ann am verlassen manchmal die Aerzte ihre Kranken, um sich einer
späteren Verantwortlichkeit zu entziehen, bisweilen allerdings auch, weil sie
bei einer etwaigen Heilung des Kranken die Rache der Geister zu furchten
haben, von denen sie den Patienten befreiten.
Auch von den Kindern der Thäy phäb glaubt man, dass sie in Folge
dieses Ingrimms der Dämonen entweder überhaupt bald sterben oder schwäch-
lich und elend sind, und dass, wenn der Arzt einen Pockenkranken heile,
die Pocken auf seine Kinder übergehen.
Selbst bei den Persern findet man, wie Foläk berichtet, noch ganz
ähnliche Anschauungen:
„Wenn ein Patient unter der Behandlung des Arztes stirbt, so verliert
Letzterer nicht nui* allen Anspruch auf Honorar, sondern man legt ihm
auch direct die Schuld an der eingetretenen Auflösimg zur Last; denn es
herrscht die Ansicht, dass ohne Zuthun des Arztes der Kranke nicht ge-
storben wäre. Sobald daher ein Krankheitsfall tödtlich zu enden droht,
pflegen die Aerzte sich zurückzuziehen, wodurch dem Kranken und seiner
Familie gewissemiaassen officiell angekündigt wird, dass das Ende nahe sei.
Macht unglücklicher Weise der Arzt weil er nicht weiss, dass der Kranke
bereits verschieden ist, noch einen Besuch im Hause so kann er leicht in
Gefahr kommen, von den Weibern und dem Gesinde thätlich misshandelt
zu werden. Aus diesem Grunde unterhält jeder practische Arzt in der
Umgebung seiner gefährlichen Patienten Spione, die ihn sofort von dem
unglücklichen Ausgang in Keuntniss setzen."
Das Amt des Medicin-ilannes in Oregon ist, wie Alvord richtig sagU
„ein gefährliches,- aber auch ein machtvolles und geehrtes Gewerbe, und
weil dieser Beruf mit Gefahr ausgeführt wird, so erhält er, wie der Soldaten-
stand, hierdurch einen besonderen Reiz. Sicher ist, dass ich nicht erfahren
habe, dass die Gewohnheit, die Aerzte zu tödten, bei irgend einem Stamme
dazu geführt habe, die Novizen von diesem Stande zurückzuschrecken.-^
30. Verschiedene Arten der Medicin-Männer und die Specialisten. 61
30. Yersehledene Arten der Medlcln-MBnner und die Speeialiston.
Wir haben oben bereits gesehen, dass die Thätigkeit der Aerzte auch
l^ei den Naturvölkern keine unumstrittene ist Haben sie doch in nicht
wenigen Fällen ihren Ruhm und ihre Arbeit in ganz ähnlicher Weise wie
bei uns mit einer Anzahl alter Weiber zu theilen. Aber auch männliche
Curpfuscher tauchen auf, und wenn z. B. in Dorej auch noch „erfahrene
Ijeute" um Bath gefragt werden, so steht das doch kaum auf einer
anderen Stufe.
Bei den Persern gehört eine gewisse Summe medicinischer Kenntnisse
zu dem Wissensschatze jedes Gebildeten. „Darum fehlen medicinische Bücher
auch in keiner Hausbibliothek. Durch die Leetüre derselben verleitet, halten
sich viele Laien für berufen, bei Krankheitsfällen in der Familie mitzu-
sprechen und ärztlichen Rath zu ertheilen. Selbst Damen glauben sich
zur Verordnung von Heilmitteln berechtigt"
Bei den Mincopies auf den Andamanen übernimmt nicht selten die
Ehegattin oder eine andere Verwandte die Behandlung des erkrankten
Mannes.
Auch bei den alten Peruanern Hess sich das gemeine Volk „in der
Regel von alten Weibern curiren, oder Einer gab dem Anderen irgend einen
Rath oder Heilmittel aufs Gerathewohl, so dass die Epidemien schrankenlos
wüthen und ihre zahllosen Opfer dahinraflfen konnten."
In Alaska macht man allerdings mit dem Curpfuscher nicht viel
Federlesens. Hat hier ein TTnberufener Jemanden behandelt, und ist der-
selbe der Krankheit erlegen, so wird der selbstbewusste Curpfuscher ohne
Gnade umgebracht.
Man wird hiermit aber nicht verwechseln dürfen, dass es bei mancheu
Volksstämmen wirklich verschiedene Kategorien von Aerzten giebt Obenan
in dieser Beziehung stehen ohne allen Zweifel die Xosa-Kaffern, bei denen
Kropf nicht weniger als acht vei-schiedene Arten von „Doctoren" aufzählt
Allerdings haben zwei dei-selben mit der Heilkunde eigentlich nichts zu
thun; es bleiben, wenn wir von diesen absehen, aber immerhin doch noch
sechs Arten übrig. Bisweilen allerdings sind mehrere dieser Arten in der-
selben Person vereinigt Für gewöhnlich aber handelt es sich wirklich um
differente Persönlichkeiten.
Der erste derselben ist der Amagqira oluxa, d. h. wörtlich „Doctor
des Spatens", wobei man sich „zum Wurzelgraben" zu ergänzen hat Wir
würden also sagen „Kräuterärzte". „Sie haben eine grosse Kenntniss von
heilbringenden Kräutern gegen Krankheiten und besonders gegen die Bisse
der giftigen Schlangen und anderen Gewürms, Sie geben nur Medicin und
beschuldigen nicht der Zauberei, sondern sie meinen, die Krankheit käme
von dem Uhili^ der sich im Wasser aufhält"
Als zweite Gruppe müssen wir die „Doctoren des Zumachens, des
V er Stopfens" hinstellen. Dieselben gehören gleichzeitig auch der eisten
Gruppe an. Sie verstopfen das Herz eines Menschen, der sich häufig
Hexereien zu Schulden kommen Hess, „damit er nicht an solche Sachen
denke. Sie geben einem solchen Medicin und waschen ihn. wofür der ge-
docterte Mann eine Kuh schlachten und Vieh für seine Cur bezahlen muss,
versteht sich, nur weuu HcMlung erfolgt ist"
i\2 111. Die Aerzte.
Die dritte Gmppe bilden die Amagqira wokupata, welche dunh
Auflegen von Kuhdünger die in den Kr>rj)er des Patienten hineingezaubert^'u
Fremdköqier und Thiere herausziehen.
Es folgen dann die Amagqira awokuuibulula, welche dadurch den
Kranken heilen, dass sie die Zaubenuittel. mit welchen ihm seine Krank-
heit angehext wurde, herausriechen.
Die fünfte Gruppe wird oft durch die jjjleichen Leute wie die vorigen
vertreten. Es sind die Isanuse oder Amagqira abukali, d. h. ,,dip
scharfen Doctoren". Ihres Amtes ist es, denjenigen herauszuriechen,
der die schadenbringende Hex(»rei ausgefiihrt hat. ..Die dabei stattfindende
Versammlung und Ceremonie heisst Umhlahlo, ein pohtisches Werkzeusr
der Häuptlinge, um sich von irg(*nd einem einflussreichen Mann, der ihnen
im Wege steht, zu befi-eien."
Die sechste Gruppe endlicli wird repräsentirt durch den Amagqira
awokukafula, welcher auch Amatola genannt wird. „Er hat das grosse
nationale Opfer beim Auszuge in den Krieg darzubringen, um durch diese>
und Amulßte die Krieger unverwundbar, zu machen. Diese Leute haben
einen einträglichen, aber auch sehr gefährlichen Beruf." Denn wenn ihrt'
schützenden Amulete nicht die erwartete Wirkung gehabt haben, so werden
sie getödtet, sobald man ihrer habhaft wird.
Wenn uns diese Fülle des Heilpei-sonales im ei*sten Augenbück auch
etwas überraschend vorkommen mag, so möchte ich doch hier wiederum
eine Parallele aus der deutschen Volksmedicin beibringen. Nach Fossel
ist nämlich das Bauemvolk der Steiermark selbst noch den Xosa-
Kaffern über. Denn in die ärztliche Praxis theilen sich: 1. der Bauern-
doctor (Harnbeschauer), 2. die Doctorin, 3. die Hebamme, 4. der
Bruchrichter (Beinbruchdoctor), 5. der Chirurgus, G. der Zahn-
reisser, 7. der Schmied, 8. der Abdecker. 9. die Aderlass- und
Schröpf-Männer und Weiber, 10. der Abbeter, 11. der Krämer.
12. der Apotlieker, 13. der Pfarrer. Aber Alle kommen erst dann an
«lie Reihe, wenn der eigene oder der Familienrath 'zu der Behandlung
nicht mehr ausreichen will.
Wir sehen hier in den Beispielen von der Steiermark und den Xosa-
Kaffern sich bereits Specialitäten im ärztlichen Stande herausbilden. S<»
etwas lässt sich aber auch anderwärts nachweisen. So hat man nach von
Rosenberg auf Nias weibliche Aerzte, welche sich nur mit Fi-auenkranklieiten
abgeben, und ganz etwas Aehnliches besteht bei den Loango- Negern.
Von der Insel Bali schi'eibt Jacobs:
.,Personen, welche sich mit der Heilkunde beschäftigen, sowohl männ-
liche als weibliche, findet man unter den Baliern in grosser Anzahl und
Verschiedenheit, ja man hat sogar Personen, die sich speciell mit einer
(einzigen Krankheit beschäftigen, beispielsAveise eine Specialität fiir Bauch-
krankheiten. Seine hauj)tsächlicliste Thätigkeit besteht im Reiben und
Kneten des Bauches der Kranken und zwar allein bei aufgetriebenem Leibe.
Colica flatulenta, Ascites und bei Hemia inguinalis. Diairliöe, Dysenterit'
und andere Damikrankheiten behandelt er aber nicht.**
Ein sehr ausgebildetes Specialistenwesen finden wir auch an der Lo-
ango-Küste. Hier hängt dasselbe damit zusammen, dass ganz bestimmt«'
Fetisch«» di«» Heilunir bestiiinnter Krankheiten bewirken. Da nun dies«'
30. Verschiedene Arten der Medicin-Männer und die Spocialisten. GH
Keltische aber verschiedeneD Zauberpriestem unterthan sind, ko muss man
Nich in einem Krankheitsfalle an denjenigen Ganga um Hülfe wenden, dem
<ler heilende Fetisch für die betreifende Krankheit dienstbar und zu Willen ist.
Auf Samoa hat nach George Turner „jegliche Krankheit ihren besonderen
Arzt".
In Koetei auf Borneo tinden sich ausser den männlichen und weib-
lichen Aerzten auch noch Pei-sonen, welche zu Heilzwecken die Geister und
Halbgötter in sich aufzunehmen vermögen, damit dieselben dann durch sie
handeln können. In Ann am hat man neben dem durch Beschwörungen
heilenden Thdy phäp auch noch den Thäy ngäi, einen Zauberer, welcher
Krankheiten verursachen kann, dieselben dann aber auch wieder gegen ent-
sprechende Bezahlung heilt. Die Siamesen haben ebenfalls mehrere Arten
der Aerzte (Mo), die Mo Luang, die Aerzte des Königs, die Mo Khong
(.'hao, die Aerzte des Adels, und die Mo Rasadon, die Aerzte des Volkes,
Dazu gesellen sich die Krankheitsbeschwörer. Bei den Xarrinyeri in
Fig. 15. Mi de nach einem
Mosikbrett der Chippeway-
Indianer.
Nach Hoffman,
Fig. 16. Mi de, desaen Herz mit
KemitDiBS von den heiligen Medi-
cinen der Erde erfüllt iat. Nach
einem Musikbrett der
Chi ppeway-In dianer.
Nach Hoffman.
Süd- Australien scheinen zwei Arten von Aerzten zu existiren, deren
Thätigkeit aber im Ganzen eine ähnliche ist. In Liberia finden wir den
Kräuterdoctor neben dem Zauberarzt, und in Lubuku in Afrika
fimgirt neben dem Medicin-Manne ein besonderer Beschneid(»r.
Bei den nordam er ikanischen In dianer- Stämmen treten vier Arten
von Aerzten auf. Der eigentliche Arzt in unserem Sinne iat der Muskeke-
winince. Neben ihm fungirt der Jossakeed oder Jes' akkid, der Hell-
seher, welch(»r ausser anderen Dingen auch die l'rsache der Erkrankunij^
und das zur Hei*stellung noth wendige Heilmittel anzugeben vermag. Vor-
nehmer wie sie beide ist der Mi de, der durch übernatürliche Mittel heilende
Medicin-Mann (Fig. 15, 10). Diese Mide bieten eine der allermerk-
würdigsten Erscheinungen dar. Sie bilden eine geschlossene Gesellschaft
mit geheimen Erkennungszeichen, w^elche von den südlich(»n Staaten Nord-
Amerikas bis in die nördlichen Provinzen verbreitet ist. Die Gesellschaft,
Mi de' wiwin trenannt. ist eine Art Geheimbund. Sie hat vier CJrade,
64 III. Die Aerzte. .
dßreu jeder seine besonderen Geheimnisse besitzt, die von den Mitgliedern
auf das Sorgsamste gewahrt werden. Wenige Äuserwählte nur erreichen
rh(n höchsten Grad. Auch Weiber können nach Erfüllung der ncith-
wendigen Vorbereitungen Mide werden. Bisweilen werden grössere Cerc-
monien aufgeführt, welche mit dem Namen Mediciu-Tänze bezeichnet
KU werden pflegen (Fig. 17). Von weither strömen dazu die Mitglieder dfs
Ordens zusammen. Es handelt sich dabei entweder um die feierliche Auf-
niibnie von neuen Candidateu in den Orden, oder um die zauberharte HeiiuD^
■ eines Kranken, der dann die Kosten des Festes zu tragen bat.
Die vierte Gruppe der indianischen Aerzte repräsentiren die Wabeno.
Fs ist das eine wenig angesehene Abart der Midfi-Gesellschaft, dif
sich meist aus solchen Individuen rekrutirt, welche bei den Alide keine
Aufnahme gefunden haben. Ihre Feierlichkeiten finden Nachts gegen die
Zeit des Morgengrauens statt wovon sie ihren Namen erhalten luiben solleu.
Fig. 17. Hedicin-Tanz der Winnsbago-Indianer.
Nush Sdtoolemft,
Die Karoks in Ciilifornieu haben nach Mason zwei Arten von
Nchamauen, die "Wur/ol-Aerzte. welche mit Trinken und Umschlägen
behandeln, und die bellenden Aerzte, welche die Krankheit her aussaugen-
Die Ijetzteren, meistentheils Weiber, heulen wie ein Hund vor dem Patienten
und bellen Stunden laug.
Von den Sonkoyox und den Kamaska der alten Peruaner ist iw-
ii'its weiter oben die Rede gewesen; sie beschäftigten sich nicht mit dem
gemeinen Volke, sondern sie practiciiien nur in den höheren Gesellschaft*-
schicliteu, bei den höheren Beamten, den Priestern, den Adligen und den Inka.
Bei den Kirgiseu muss der Baksa seine Thätigkeit mit dem Mulhi
f heilen, welcher mit Koranspriicheu die Krankheiten behandelt. In einem
36. Das ärztliche Examen und die Approbation. 81
Bei der Mi de -Brüderschaft muss der Candidat immer wieder seine
w:ilirend strengen Fastens ihn erfiillenden Träume dem Oberhaupte des
< )rdeiis mittheilen, und wenn diese Vorbedeutungen gute sind, so wird er
aufgefordert, in seinen Vorbereitungen und Bestrebungen fortzufahren, bis
man ihn für hinreichend vorbereitet für den Eintritt in die Brüderschaft
hält. X>ajin wird er, durch ein Dampfbad geheiligt, einigen älteren Ordens-
biüdem zur ferneren Ausbildung anvertraut, und von ihnen wird er in die
^grundlegenden Geheimnisse eingeweiht, welche die Kunst des Heilens und
glücklichen Jagens, die Kiaft der Beschw^örungen und die Unschädlich-
iiiachung des Zaubers umfassen.
In seltenen Ausnahmefällen finden wir bei den Zulu Medicin-Männer,
welche als Autodidakten zu betrachten sind. Auch von der oben bereits er-
wähnten Schamanin derTungusen behaupteten dieses ihre Landsleute mit
])esonderem Stolze; jedoch traten Andere diesem entgegen und sie wussten
auch den Schamanen namhaft zu machen, bei dem sie ihre- Ausbildung er-
halten hatte.
Von der ärztlichen Ausbildung in Persien sagt Folah: „Nur hier und
da versammelt ein einzelner in Arabicis bewanderter Arzt einen kleinen
Kreis von Schülern um sich, denen er privatim einige Capitel aus dem
Canon der Abu AU Sina (Avicenna) und dessen Interpretation nach dem
Schciereh^Asbab des Ibne Zekeriah mehr in sprachlicher, als in stofflicher
Hinsicht unentgeltlich exponirt In den allermeisten Fällen jedoch nimmt
der angehende Mediciner ohne jede theoretische Vorbildung Dienste bei
einem practischen Arzt und schreibt sich dessen Recepte ab." Nach kurzer
Zeit ist die Ausbildung vollendet
36. Das ärztliche Examen und die Approbation.
Nach glücklich erfolgter Ausbildung und Vorbereitung folgt dann natur-
gemäss die Approbation des jungen Mediciners. Aber bei manchen Volks-
stämmen geht derselben noch ein besonderes Examen vorher.
Der kleine Candidat bei den Waskow-Indianern Canadas gilt
schon von vornherein für durchgefallen, wenn er, aus der nächtlichen Ein-
samkeit zurückgekehrt, die Seinigen um Essen bittet
Au der Loango-Küste ziehen sich die Ganga zu gewissen Zeiten
uiit ihren Schülern in das Innere des Waldes zurück, um dieselben ein-
zuweihen. Der Betretung dieses Waldes wird dann durch Verbotszeichen
gewehrt. Nur die den Fetischen vermählten Frauen dürfen die Männer auf
bestimmten Wegen besuchen.
Bei den Xosa-Kaffern muss der Candidat, wie oben erzählt, zur
Vorbereitung einsam in seiner Hütte verweilen. Ist diese Zeit, füi- welche
sie den Namen TJku t was a, d.h. Neu wer den, gebrauchen, endlich vorüber,
so treten die Aerzte zusammen, um auf Geheiss des Häuptlings den jungen
Mann einem Examen zu unterwerfen, wozu der nächste schwere Krankheits-
fall benutzt wird. Hier muss er zeigen, ob er im Stande ist, den Patienten
wiederherzustellen, oder denjenigen, der gehext hat, herauszuriechen. Hat
^r das zuwege gebracht, so erfolgt seine Approbation in etwas absonderlicher
Weise. Das Kraut oder die Wurzel, deren Eigenschaften die Geister ihm
Bartels, Medicin der Natoryölker. 6
82
III. Die Äerzte.
offenbart habea, wird iu Stücke geschnitten und iu Wasser gekocht. Diese
Abkochung giesst ihm dann der vornehmste der Medicin-Mänuer über deu
Kopf, und diese Ceremonie beweist dem Volke, dass sie Ton jetzt ab in
ihm eine geschickte und geeignete Persönlichkeit zu erblicken haben, um
die HeilkuDst oder die Kunst des Ausriechens tou Hexereien auszuUbeii.
Es kann dem Candidaten aber auch die Approbation verweigert werden.
Dann musa er sich noch weiteren Unterricht ertheileu lassen und ist ge-
zwungen, sich spät«r noch einmal einer Prüfung zu unterziehen. Ein noch-
maliges Durchfallen macht ihn jedoch untauglich für den ärztlichen Stand.
Wenn in Auuam der junge Mediciner sich für
fähig hält, selbständig zu practicireu, s» macht er
seinem Lehrmeister ein Geschenk, befragt die Grott-
heit durch Verbrennen eines an dieselbe gerichteten
Grebetes, und wenn dann ein günstiger Tag ausgewählt
ist, so wird ein Eiafuhrungsopfer dargebriicht. Der
Lehrmeister überreicht dem Candidaten dann ein
Diplom, durch welches ihm die Herrschaft über eine
gewisse Anzahl von ü-eneralen und Soldaten über-
tragen wird. Unter diesen Truppen sind Geister zu
verstehen. Gleichzeitig gieht er ihm das Handwerks-
zeug des zaubemrztlichen Standes: eine Tafel, einen
magischen Stab, eiü Schwei-t, ein Gefäss, ein Tamtam
und eine Glocke. Das Diplom überträgt dem ueuen
Meister das Recht, gleichzeitig aber auch die Ver-
pflichtung, Krankheiten zu verjagen, mn allgemeiuen
Frieden zu bitten, mit einem Worte sich für die Wohl-
fahrt des Volkes nützlich zu erweisen. Gleichzeitig
wird ihm ein besonderer Name ertheilt, welcher nach
seinem Geburtsjahre wechselt und für alle in dem-
selben Jahre Geborenen der Gleiche ist.
Bei den Sibiriern sind es die Geister der Vnr-
' faljreu selbst, welche dem jungen Candidaten die
Approbation ertbeilen. Wir haben oben bereits ge-
sehen, wie sie ihn plötzhch iu Krankheit verfallen
lassen, um ihn für den Beruf des Schamanen vorzu-
bereit«n. „Alle diese Leiden, sagt Radioff, werden
immer stärker, bis das so geplagte Individuum zu-
letzt die Schamaneutrommel ergreift und zu schaiiia-
nisiren beginnt Dann erst beruhigt sich die Natur; die Kraft der Vor-
fahren ist in ihn übergegangen und er kann jetzt nicht anders, er muss
schäm anisiren."
„Widersetzt sich der zum Schamauen Bestimmte dem Willen der Vor-
fahren, weigert er sich, zu schamanisiren , so setzt er sich sehreckhchen
Qualen aus, die entweder damit enden, dass der Betreffende entweder alle
Geisteskraft überhaupt verliert, also blödsinnig und stumpf wird, oder dass
er in wilden Wahnsinn verfällt und gewöhnlich sich nach kurzer Zeit ein
Leides auUiut oder im Paroxysinus stirbt"
Äloord berichtet über die Approbation eines ärztlichen Candidaten b<'i
deu Indianer-Stämmen Oregons:
FJK 29. HokfiguT. deo
SahamaneD-CandidBten
dantelleDd. Golden
(Sibirien).
Iliu.t.V61kerkandB, Berlin.
N>ob Pbotoenphie,
37. Der "Ö^^tritt in die Mide-GesellBchaft. 83
„"Wenn der Novize die Manubarkeit erreicht hat, so wird er in die
IteUige Profession in einem Medicin-Tanze eingeführt, welcher theilweise toii
i-eligiösem Charakter ist oder eine Art von Gottesdienst für ihre Tdole.
Tüese Idole sind die Geister verschiedener Thiere.
»Sie bewegen sich im Tanze, diese Thiere vor-
»telleud, wie das Brüllen des Büffels und das
"Henlen des Wolfes. Ein interessanter Fall wurde
mir, als im letzten Winter passirt, von einem Augen-
zeugen beschrieben. Der Novize wollte den Elch
■mitireu, der von seiner Jugend an der gut« Geist
und der Schutzgenius seines Lebens gewesen war.
Zu bestimmten Jahreszeiten hat der Elch die Ge-
wohnheit, sich im Schlamme zu wälzen. Der In-
dianer goss melirere Eimer Wasser in eine ver-
tiefte Stelle, in dem Ringe, in dem getanzt werden
sollte, und nachdem er wie der Elch gepfiffen hatte,
wiirf er sich nieder, um sich in der Lache zu wälzen.
Während der Ceremonie der Einführung singen
einige von den Hauptärzten gewisse Gesänge und
lucantationen. und suchen durch bestimmte Vor-
iialimen, welche dein Mesmerismus nicht unähnlich
sind, den Candidaten in einen Schlaf zu versetzen.
Wemi er aus diesem Schlafe erwacht, so wird er
für fähig erklärt zu der Praxis in seinem erhabenen
und mächtigen Berufe."
Bei den Golden in Sibirien muss der älteste
Schamane, wenn Jemand die Schamanen würde er-
langen will, dessen Figur in ungefähr einem halben
Meter Höhe in Holz schnitzen. Wenn die Figur
vollendet ist, so hat der Candidat (Fig. 29) oder die pig, 30. HoUBpir die 8ch«-
Oandidatin (Fig. 30) die Schamanen würde erlangt maneQ-CMididatiiniiretellend.
¥.» scheint mir hieiin eine versteckte Art von „ '^"'^"" '^'V'L"'*",
... . , Um. f. VSlkerkimde. Berlin.
Appntliationsrecht vernorgen zu sein; denn wenn nmIi Photogrcphie.
der Oijer-Schamane die Candidaten nicht zulassen
will, so brancht er ja nnr ganz einfach die Vollendung der P'igur zu
u uteri iissen.
37. Der Eintritt In die Htde-Gesellsehaft.
Die CandJdatur lUr deu Mide-Orden der nordamerikanischen
Indianer währt, wie es scheint, nicht immer in allen Fällen die gleiche
Zeit. Unterschiede in den Fähigkeiten der einzelneu Candidaten, vor allen
Dingen aber aiich Verschiedenheittju in ihren Vemiögeiisverhältuissen scheinen
hier eine wichtige Rolle zu spielen. Es muss der ueu Eiuzu&hrende näm-
lich reiche Gesclienke an Kleidung und Waffen als eine Art von Eintritts-
geld bezahlen, und hei dem Hinaüfrücken in einen höheren Grad mUssen
immer grössere Gaben überliefert werden, so dass oft ein Jahre langes
Span'ii notliwendie wird, nm das erwünschte Ziel zu eiTcichen. Uober da-.
84 m. Die Aerzte.
Bituale der Einfuhrang liegeu uns ältere Xurhriehteu vor vou Schoolcrafi
und femer solche von W. J, Hoffman aus der allerjüngsten Zeit. Die Eil-
fiihrung wird zu einem grossen öffentlichen Feste des ganzen Stammes.
Ausfuhrliche Vorbereitungen gehen vorher. Dem besonderen Protector de^
Candidaten sendet Letzterer die Speisen zu einem Schmause zu, zu welchem
er drei Collegen ladet Diesen theilt er den Wunsch des Candidaten mit.
rühmt ihnen seine Fähigkeiten, zählt ihnen die Einfuhrungsgescheuke aui
und gewinnt sie so zu seiner Unterstützung für die Ceremonien an dem
feierlichen Tage. Nach der nöthigen Vorbereitung durch Fasten muss der
Candidat nun mit seinen Meistern mehrere Tage ein Schwitzbad nehmen
und zwar deren vier, wenn er vier Meister hat, und acht, wenn ihn acht
Mide einfuhren sollen. In dem letzteren Falle dürfen dann zwei Schwitz-
bäder an einem Tage genommen werden. Beschwörungsgesänge und Unter-
weisung füllen die Zeit in der Schwitzhütte aus. ünterdess eilen Boten
durchs Land, um die Ordensbrüder zum Feste zu laden. Ein mit Federn
geschmückter Stock wird ihnen als Einladungszeichen übergeben. Dieses
bringen sie zum Feste mit, und wer durch ernste Krankheit verhindert ist
zu erscheinen, der muss den Stock gleichsam als Quittung senden; wer
aber ohne triftige Gründe ausbleibt oder zu spät zum Feste erscheint^ der
verfällt in eine hohe Strafe.
Beim Dorfe wird jetzt für das Einfiihrungsfest an geeignetem Platze
die Medicin-Hütte errichtet Die Bezeichnung als Hütte ist eigentlich nicht
genau; es ist nur eine rechteckige Einzäunung nach Art einer Hecke aus
dichten Baumzweigen gebildet. An jeder Schmalseite ist in der Mitte eine
Eingangsöffnung freigelassen. Ein Dach besitzt das Bauwerk nicht Ein
aufgerichteter Pfahl im Inneren der Hecke wird am Festtage mit den Ge-
schenken des Candidaten behängt
Bis zu dem angesetzten Tage haben die Geladenen sich versammelt
imd nach Landsmannschaften ihre Lager errichtet Am Einfuhrungstage
selbst nehmen sie in der Umzäunung die ihnen angewiesenen Plätze ein.
Die vier oder acht einftihrenden Mide konmien darauf im Gänsemarsche io
den Festraum hinein (Fig. 31). Urnen voran geht der Candidat mit deu
Geschenken an einer Stange; dabei singen sie:
„Sieh mich an! Sieh mich an! Sieh mich an!
Wie ich vorbereitet bin!"
Es werden dann allerlei Umgänge gemacht, Gesänge gesungen u. s. w.
Aus dem reichen Ceremoniell kann nur Einzelnes herausgehoben werden.
Einer der acht Mide hält eine Rede über die Kraft der Hülfisgeister (Ma-
nidos), zu heilen und krank zu machen, eine Kraft, welche auch den Mides
gegeben ist und von Generation auf Generation übertragen wird. Dann
folgt ein Umgang des Candidaten, der Jeden der Anwesenden einzeln be-
grüsst Unter dem Gesänge der Mide:
„Ich vermag einen Geist zu tödten mit meinem Medicin-Sack,
Gefertigt aus der Haut des männlichen Bären!"
kniet der Candidat auf einem Blanket nieder, die einftihrenden Mides um-
wandem ihn, immer im Gänsemarsch, begriissen ihn mit dem Titel „Ni-
kanug", d. h. ,,College*S und der Vorderete hält ihm den Medicin-Sack
37. Der Eintritt in die Mide-Geaellschaft 85
entgegen, als wenn es eine BUcbee wäre, die er abfeuern wollte. Mit dem
Rufe: „Ho lio ho ho! ho ho ho ho! ho ho! ho ho! ho!" thut er, als
■wenn er schösse. Der Candidat zittert und ist nur verwundet Die acht
ACide marschiren vorbei, der Nächste tritt an die Spitze und die Sache
^Tird wiederholt Jedeemul vermag der Schnss mit dem Medicin-Sack dem
Oandidaten nur eine Verwundung beizubringen. Beim achten Umgänge
tritt derjenige Mide au die Spitze des Zuges, der den zuvor im Uesange
gefeierten Medicin-Sack aus Bärenfell trägt. Bevor er schiesHt, hält er
folgende Bede:
„Behalt« diesen Medicin-Sack, welcher auf mich gekommen ist von meinem
(iroBSvater durch meinen Vater; mein Vater sagt« mir, dass ich niemals
meinen Erfolg vermissen würde mit seiner Hülfe. Aber ich bin alt; helft
86 III. Die Aerzte.
mir, meine Brüder, dass ich die Kraft habe, zu schiessen, zu feuern auf
diesen Mann, der hier auf seinen Knieen liegt; er hat ein rothes Zeichen an
seinem Herzen; ich will gehen und auf dieses schiessen und meine Mediciu
wird nicht verfehlen, ihr Werk zu thun."
Dann erfolgt der Schuss und der Candidat stürzt zu Boden, als wäiv
er todt
Nun entsteht ein grosser Tumult, und unter dem Schall der Trommeln
und Rasseln wird der die Geschenke tragende Pfosten umtanzt; die acht Mide
werfen ihre Medicin-Säcke auf den Todten; dann richten sie ihn mit An-
strengung auf die Füsse und schreien ihn an: „Yä ha! yä ha!" Da er-
wacht der Todte; er erhält einen Heiltrunk und nun ist er wieder völlig
gesund. Er begrüsst dann jeden Einzelnen mit dem Rufe Nikanug (Col-
lege) und singt darauf:
„Ich ebenfalls, ich bin ebenso, wie die Mide sind."
Dann muss er den Medicinstein verschlucken, wovon wir später noch
sprechen werden. Nun hat er das Recht, an den Mide- Schmausen Theil
zu nehmen, und um dies zu beweisen, nimmt er etwas Speise und vertlieilt
darauf mit kurzer Dankesrede die Geschenke an die acht einfuhrenden Mide.
Nächstdem ist er noch verpflichtet, seine Mi de -Kraft zu beweisen. Zu
diesem Zwecke macht er acht Umgänge um den Festraum und streckt nach
jedem einen der acht einfuhrenden Mide durch einen Schuss mit dem
Medicin-Sack todt zu Boden. Er ruft die Getödteten darauf in das Lebeu
zurück und ein allgemeiner Medicin-Tanz beschliesst die Feier. Der Can-
didat ist nun eingeführt, aber der Unterricht wird danach noch fortgesetzt.
Uebrigens finden sich je nach dem Indianer- Stamme bei diesen Eiu-
fiihrungsfesten kleine Abweichungen.
38. Das kanonische Alter der Medlcln-HBnner.
Auch über das Lebensalter, in welchem die Medicin-Männer ihre ärzt-
liche Praxis auszuüben beginnen, liegen uns vereinzelte Naclirichten vor.
Die ersten Anfänge des ärztlichen Studiums werden, wie wir sahen, sehr
häufig schon in frühem Knabenalter begonnen. Bei den Cayuse, den
Walla-Walla und den Waskows in Oregon muss der Candidat erst die
Mannbarkeit erreicht haben, ehe er als Novize eingeführt werden kann.
Bei dem Dieyeri-Stamme in Süd-Australien wird es nicht ftir geeignet
gehalten, dass die jungen Candidaten vor dem vollendeten zehnten Jahre
die ärztliche Thätigkeit übernehmen; niemals aber dürfen sie practiciren,
bevor die Beschneidung an ihnen ausgeführt ist
Bei den Onkanagan in Britisch Columbien werden die Aerzte
geschildert als „Männer, welche gewöhnlich schon den Meridian ihres Lebens
überschritten haben".
Die Medicin-Männer der Mabunde am Zambesi sind, wie HoM>
berichtet, nicht durch besondere Kennzeichen, sondern nur durch ihr hohes
Alter von dem übrigen Volke zu unterscheiden.
39. Die fachmännische Fortbildung approbirter Aerzte. 87
89. Die fliclimBniilsclie Fortblldang approbirter Aerzte.
So wie bei uns der practische Arzt wohl gern einmal seine Müsse be-
^a.tzt, um Krankenhäuser zu besuchen. Vorlesungen zu hören oder sich an
Issenschaftlichen Cursen zu betheiligen, um hier und da ihm zum Bewusst-
s^in gekommene Lücken in seinem Wissen und Können wiederum aus-
zTifiillen, so fühlen auch die Medicin-Männer bisweilen das BedürfiiisSy ihre
xcmagische Heilkraft und ärztliche Kunstfertigkeit von Neuem wiederum zu
stärken und zu kräftigen.
Die Medicin- Männer der Nez-Percez-Indianer ziehen sich unter
tiolchen Umständen von Neuem, ähnlich wie in ihrer Studienzeit, in die
IKerge zurück und pflegen dort Berathungen mit dem Wolfe. Die süd-
oalifornischen Aerzte stärken sich durch den Verkehr mit übernatürlichen
Wesen. Auch der Medicin-Mann der Klamath-Indianer in Oregon
liat seinen übernatürlichen Lehrmeister. Oatschet schreibt darüber:
„Fussspuren, nicht grösser als diejenigen eines Baby, werden bisweilen
in den höheren Bergen des Cascade Bange gefunden. Die Indianer
schreiben sie einem Zwerge zu, Namens Nähnias, dessen Körper allein von
dem Beschwörer des Stammes gesehen werden kann. Der Zwerg giebt
ihm seine Anweisimg für die Heilung von Krankheiten oder Ajideres und
inspirirt ihn mit einer höheren Art von Kenntnissen."
Darum besitzen die Klamath-Indianer auch einen Beschwörungs-
gesang „von dem Zwerge".
Der Wer-raap der Australneger in Victoria wird von dem Len-
ba-moorr, dem Geiste des verstorbenen Medicin-Mannes, dem er seine Aus-
bildung zu verdanken hat, von Zeit zu Zeit besucht und er erhält von dem-
selben Hülfe und Unterweisung. Bisweilen finden Nachts diese Besuche
Statt und der gespenstige Gast theilt dann dabei dem Arzte mit, dass
irgend eine bestimmte Person aus der Horde erkrankt sei und versorgt ihn
mit den Mitteln, deren er zu der Behandlung bedarf.
Der Thäy phäp der Annamiten befehligt eine grosse Schaar von
dienstbaren Geistern, welche er in militärischer Weise in Armeecorps und
Regimenter getheilt hat Scheint ihm sein Heer nicht stark genug, so be-
giebt er sich während hundert auf einander folgender Nächte um Mittemacht
an einen einsamen Ort, wo er sich bei dem Scheine der Kerzen und bei
dem Klange des Mo, Reis und Salz nach allen Himmelsrichtungen wer-
fend, magischen Anrufungen überlässt Diese Operation, welche zum Zweck
hat, neue Truppen auszuheben, fährt den Namen Luyen binh, oder in
der Vulgärsprache Hü ma. Die Geister erscheinen dem Thäy phäp unter
den erschrecklichsten Gestalten. Wenn er sich aber nicht schrecken lässt,
so wird er schliesslich zu ihrem Herrn. Nun gehorchen sie seinen Befehlen
und kämpfen für ihn gegen die bösen Geister. Dafür emälirt er sie und
besoldet sie vollständig wie ein wirkliches Kriegsheer, aber mit Geld aus
Papier.
88
III. Die Aerzte.
40. Medietnlsehe Lehrbftcher.
Auch das Vorkommen inedi4n-
üischer Lehrbücher wird uns von
einzelnen Yolksstämmen bestätigt
So erzählt v(m HasseU^ dass er sich
in Alahanpandjang in Mittel-
Sumatra mit vieler Mühe an«l
grossen Kosten die Copie einer
Handschrift über die Entstehuii!;
und die Heilung von Krankheiteu
yerschaffib habe, welche das Eigen-
thum eines berühmten eingeborenen
Arztes war, der aus demManind-
jauischen stammte. Zum gross teu
Theile bestand dieses Lehrbuch in
einer Au&ählung von bösen Geistern,
durch welche die Krankheiten ver-
ursacht werden und von den laii-
gen, sinnlosen Beschwörungsformeln,
welche hergesagt werden müssen, uiu
den Einäuss dieser Dämonen zu
brechen.
Jacobs fand bei den Eingebf>i-e-
nen von Bali eine Art von Heil-
mittellehre, welche den Namen
Oesada fuhrt Auch hierin finden
sich die für jede Krankheit noth wen-
digen Beschwörungsformeln, ausser-
dem aber auch viele inländische Se-
cepte sowohl für innerlichen, als auch
fiir äusserlichen Gebrauch. Auch von
den Annamiten behauptet Landes.
dass ihre Medicin- Männer Bücher
besässen, in denen durch Wort und
Bild die nothwendigen Beschwörungs-
ceremonien zur Darstellung gebracht
w^orden sind,
,J)as medicinische Buch Khau-
tharaxa, schreibt Bastian von
Siam, handelt von den verschiede-
nen Krankheiten, und hat jeder dei-
selben die Figur desjenigen Dämon
oder Gottes beigefiigt, dem Sühn-
opfer zu bringen sind. In den ana-
tomischen Figuren der über das
Massiren handelnden Bücher werden
die Ansätze der Sen (Sehnen oder
40. Medicinische Lehrbücher. 89
^^^x-ven), die je nach dem Leiden zu berücksichtigen sind, mit Punkten
l>^zeichnet. Die Mehrzahl der medicinischen Bücher wurden von den Ere-
init^en verfasst"
Bei den Harrari fand PaulitscMe Heilkräuterbücher, von deren einem
*T Einsicht nehmen konnte. Wiederholentlich hat sie die ägyptische
Tt^gierung durch Massenverbrennungen zu vernichten gesucht
Ein Zauberarzt der Tamilen in Ceylon war des Leichenraubes be-
sioJbuldigt worden. Eine bei ihm vorgenommene Haussuchung, von der
?sclion in einem fiüheren Abschnitte die Kede war, hatte auch die Richtig-
keit der Anklage bestätigt Man fand bei dieser Gelegenheit auch eine
l^eceptsammlung zur Herstellung schädlicher Mischungen und Gifte und
2t.u8serdem ein Manuscript mit Zauberzeichen und an ,,Siva den Ver-
nichtet* gerichteten Beschwörungsformeln „fiir alle nur denkbaren Fälle:
lim die Liebe eines Weibes zu verfuhren; um eine Entzweiung zwischen
dem Gatten und der Gattin zu bewirken; um Abort hervorzurufen; um von
t^inem Dämon besessen zu machen; um Krankheiten zu verursachen; um
den Tod eines Feindes zu veranlassen. In der beträchtlichen Sammlung
von Hausmitteln war unter den zahllosen ßecepten,
lun Krankheiten zu verursachen, auch nicht ein
einziges, um sie zu heilen."
Sehr eigenthümlich und von hervorragendem
«ethnographischen Interesse sind gewisse Tafeln mit
bildlichen Darstellungen, deren die Medicin-Männer
*ler nordamerikanischen Indianer sich bedienen,
lind zwar sowohl die Mi de, als auch die Wabeno.
Sie werden mit dem Namen Musikbretter (Fig. 32)
bezeichnet und sie enthalten einen zusammenhängen- j.- gg Medicin-Hütte
den Cyklus von bildlichen Darstellungen. Diese in vom grossen Geiste erfüUt.
bunten Farben hergestellten Bilder sind nicht von Von einem Musikbrett der
Schriftzeichen begleitet, und sie besitzen selber nicht niechen Indianer,
etwa die Bedeutung einer Bilderschrift nach Art Nach stAoohnfi.
der ägyptischen Hieroglyphen. Jeder Bilder-
cyklus gehört zu einer abgeschlossenen, rituellen Feier, zu einem Medicin-
Tanze; jedes Bild stellt einen einzelnen Act des Medicin- Tanzes dar
und erinnert den Medicin-Mann nicht allein daran, was er mit seinen Ge-
nossen in diesem Acte auszuführen hat, sondern es ruft in seinem Geiste
auch das Erinnerungsbild wach ftir den ein fiir allemal feststehenden Gesang,
welchen er in diesem Acte absingen muss. Bestimmte bildliche Darstel-
lungen zeigen ihm an, dass in die feierliche Handlung eine Pause, ein
Zwischenact, eingeschoben werden soll. Der Text fiir diese Gesänge ist
ebenso, wie die Melodie, feststehend, und der Sänger muss beides vorher
sicher auswendig gelernt haben, damit der Anblick der betreflfenden Malerei
ihm beides in die Erinnerung zurückruft*)
Es möge hier ein Beispiel gegeben werden: "Wir sehen in der ersten
Figur eines solchen Musikbrettes (Fig. 33) einen hohen Bogen, unter welchem
sich ein grosser, breitbeinig stehender Vogel mit ausgebreiteten Flügeln be-
*) Eine ganz genaue Erläuterung des in Fig. 32 abgebildeten Musil--
brettes wird im Anhang I bei der Erklärung der Abbildungen gegeben.
90 III. Die Aerzte.
findet. Die Bedeutimg dieses Bildes ist nun folgende: Der Bogen stellt den
Festraum für den Medicin-Tan« dar, die sogenannte Medicin-Hütte. Sie ist
ganz erfüllt mit der Gegenwart des grossen Oeistes, welcher, wie versichert
wird, mit Flügeln zu der Erde herabkam, um die Indianer in diesei^
Ceremonien zu unterrichten. Diese Bedeutung der Abbildung ist dem Mi de
ohne Weiteres verständlich und er weiss nun auch sofort, was er hierbei
zu singen hat. Es lautet:
„Des grossen Geistes Hütte — ihr [habt von ihr gehört — ich will «ie
betreten."
Auch was rituell hierbei vorgeschrieben ist, wissen die Mi de. I>er
Gesang wird wiederholt; ihr Führer schüttelt dabei die Rassel, und jedes
Mitglied der Gesellschaft streckt flehend eine Hand gen HimmeL Alle
stehen still, ohne zu tanzen; die Trommel wird bei diesem einleitenden
Gesänge nicht geschlagen.
Das Alles lehrt das eine Bild, natürlicher Weise aber nur für den-
jenigen, der genau in diese Geheimnisse eingeweiht ist imd fest die feier-
lichen Gesangestexte im Kopfe hat Ganz ebenso verhält es sich nun auch
mit den folgenden Bildern, und fiir jede ihrer Ceremonien sind, wie gesagt
besondere Musikbretter vorhanden. In ihren Besitz zu gelangen ist natür-
licher Weise sehr schwer. Auch für die Pausen in den Gesängen haben
sie besondere gemalte Zeichen.
41. Rangstufen der Medicin-MBnner.
Die Medicin-Männer sind in ihrer Stellung und in ihrem Einflüsse
nicht alle einander gleich, wie wir bereits weiter oben bei der Besprechung
der Concurrenz und des Brotneides gesehen haben. Ueberall wohl wird
Alter, Geschick und Erfahrung den einen Arzt dem anderen überlegen er-
scheinen lassen. Und sicherlich wird der Meister wohl auch noch lange
Zeit nach ihrer Approbation die Anerkennung seiner Schüler 'finden. Wir
treffen aber auch ganz bestimmte Angaben darüber, dass bei einzelneu
Völkern sich höherstehende Aerzte aus dem Kreise ihrer CoUegen heraus-
heben. Es wurde ja schon bei der Besprechung des ärztlichen Examens,
das der Medicinal-Candidat der Xosa-Kaffern ablegen muss, darauf hin-
gewiesen, dass schliesslich der „vornehmste" der examinirenden Aerzte dem
glücklich bestandenen Examinanden zum Zeichen der Approbation die be-
stimmte Abkochung über den Kopf giessen muss.
Den vielen Zauberärzten der Loango-Küste steht der Ganga-Kunga
vor. Er sendet die anderen Ganga, seine Schüler, zu Curen und Pro-
phezeiungen aus. Seine Wohnung befindet sich ausserhalb des Dorfes am
Waldessaum. Dort w^ird er von seinen Frauen bedient, deren vornehmste
seine Mahlzeiten an einem abgelegenen Theile des Waldes zubereitet und
dieselben dann, mit Palmblättem bedeckt, damit Niemandes Augen darauf
fallen, ihm in die Hütte bringt, woselbst er das Mahl verzehrt, ohne von
einem Fremden gesehen zu werden.
Wenn an der Loango-Küste bei einer ärztlichen Consultation der
älteste Ganga, dessen Stimme bei Meinungsverschiedenheiten den Ausschlag
41. Rangstufen, der Medicin-Männer. 91
giebt, herausfindet, dass einer der Medicin-Männer eine unrichtige Diagnose
gestellt hat, so entzieht er ihm auf einige Zeit die Erlaubniss, die äi^tliche
Praxis auszuüben. Es ist das eine Disciplinargewalt, welche bei anderen
T^aturvölkem unbekannt zu sein scheint
Auch bei den Schamanen in Sibirien haben wir S^ngunterschiede
7Ai verzeichnen, je nach der ihnen innewohnenden Kraft und Fähigkeit, bei
ihren Beschwörungsceremonien in höhere Himmel einzudringen. Es giebt
Schamanen, welche bis zum siebenten der siebzehn Himmel durchdringen
können, während andere sich bis zum zehnten, ja einzehie sogar bis zum
zwölften Himmel zu erheben vermögen. In besonders wichtigen Fällen
werden die Letzteren oft aus weiten Entfernungen herbeigeholt
Bei den Xosa-Kaffern begegnen wir ebenfalls einer sonst, wie es
4len Anschein hat, fast unbekannten Eigenthümlichkeit, nämlich eines be-
sonderen Shrentitels eines bestimmten Arztes. Es handelt sich um den-
jenigen Medicin-Maun, welcher dem Hofe des Königs zugetheilt ist Der-
selbe fuhrt den besonderen Titel: „Stab des Keiches.*^ Es giebt daselbst
nach ^Ejropf Häuptlinge, welche niemals ausgehen, ohne von einem Arzte
begleitet zu sein.
Ueber die Rangverhältnisse der japanischen Aerzte lesen wir bei
Wemich Folgendes: „Sehr selten, aber nicht ganz unerhört war es, dass
Volks ärzte, nachdem sie berühmt geworden waren, in den S.ang der
Fürstenärzte vorrückten; besonders scheint eine Emennuug solcher Volks -
zu Siogun-Aerzten mehrmals stattgefunden zu haben. Alle Fürsten-
ärzte waren in den Mechanismus der bestehenden Bangklassen eingefügt,
so dass die niedrigsten Daimio-Aerzte hinter den berittenen und vor den
Fuss-Samurais rangirten, welche dieDaimios begleiteten. Höhere Dai-
mio-Aerzte besassen eine der 15 bis 20 Rangstufen der Samurais, die
höchsten gewöhiilich die vierte Bangstufe, welcher im Uebrigen die Leib-
wache der Fürsten angehörte. Die gewöhnlichen Daimio-Aerzte wurden
zur 5. bis 7. Rangstufe gerechnet Die Siogun-Aerzte standen in ganz
ähnlichen Verhältnissen. Die wirklichen Leibärzte zählten zum reichs-
immittelbaren, kleinen Adel, besassen ein Schloss und ein kleines Gut und
waren dem Siogun direct uuterthan. Unter den verschiedenen Bangclassen
<ler Siogun-Aerzte scheint ein lebhaftes Avancement stattgefunden zu haben,
auch genossen sie den Vorzug, durch besondere Titel für ihre Verdienste
ausgezeichnet zu werden, deren Verleihung etwa der des Professorentitels
an Künstler und Gelehrte bei uns analog war. Die Mikado-Aerzte end-
lich hatten den höchsten Kang unter den Aerzten; es gab ihrer etwa 50,
darunter 20 höhere und ein ganz hoher, der grosse Einkünfte hatte und
s^ogar eine Art von Disciplinargewalt über seine CoUegen ausübte. Die
Fürstenärzte bildeten so eine Art wohlgegliederter Hierarchie, die auf ihre
■Beru&genossen aus dem Volk hoch herabblicken konnten; denn jeder
Samurai stand den Volksclassen wie der Herr den Dienern gegenüber."
Die Krone in Bezug auf dieses Titel wesen müssen wir aber den Sia-
luesen zuerkennen. Wir sahen ja schon, dass sie ausser ihren Zauber-
ärzten drei verschiedene Arten der Mo, der eigentlichen Aerzte haben,
diejenigen des Königs, die der Adligen und die des Volkes. Von den
Mo Luang, den königlichen Aerzten, werden einige zu Chao Krom er-
nannt; andere erhalten den Titel PalatKrom, noch andere werden Phra-
92 III. Die Aerzte.
Luang oder Khun-müm oder Phantavai. Das sind also nicht weniger
als iiinf verschiedene Titelklassen. Dazu kommen nun noch die zu Hegie-
mngsdiensten ausgehobenen Phrai Phon Luang, welche in der Medicinal-
Behörde einen um den anderen Monat in ihrer Arbeit abwechseln. „Si^^
müssen die Magazine der Arzneien bewahren und andere sind beauftragt
Heilkräuter zu sammeln."
42. EranUielt und Lebensende des Medlein-Kannes.
Im Allgemeinen hören wir nichts darüber, was denn ein Medicin-Manii
unteiTiimmt, wenn er selber einmal von Krankheit befallen wird; ob solch
ein Erkrankter dann nach der bekannten Aufforderung handelt: Arzt, hilf
Dir selber!
Nur einmal sind wir der Angabe begegnet, dass die Aerzte, die Kunkie.
von dem Dieyerie-Stamme in Süd-Australien, wenn sie erkranken, sich
einen anderen Kunkie herbeirufen lassen, um von diesem geheilt m
werden.
Wenn nun die Tage des Medicin-Mannes erfüllt sind und er auü
diesem irdischen Leben scheidet, so ist es wohl nicht sehr zu verwundern.
dass wir hier und da auch noch besonderen mystischen Anschauungen über
sein Verhalten aoch dem Tode begegnen. Von einer derselben haben wir
bereits gesprochen. Es war der Glaube der Australneger von Victoria.
dass der Geist eines verstorbenen Medicin-Mannes als Len^bct-moorr weiter
existire, im Walde neue Schüler heranbilde und diesen auch noch später
in ihrer ärztlichen Thätigkeit helfend und berathend zur Seite stehe. Die
Medicin-Männer der Dacota-Indianer kehren nach ihrem Tode in die
Wohnung desjenigen Gottes zurück, der sie bei Lebzeiten beseelt hatte.
Darauf durchlaufen sie eine neue Incamation, um einer anderen QeneratioD
zu dienen, entsprechend dem Willen der sie beherrschenden Gottheit Vier
Incamationen (vier ist die heilige Zahl) haben sie auf diese Weise durch-
zumachen; dann kehren sie in ihr ursprüngliches I^ichts zurück.
Wenn auch der Ipurina-Indianer Nichts über das Fortleben seines
Medicin-Mannes nach dem Tode zu erzählen weiss, so ist doch auch hier
das Sterben desselben von Fabel und Aberglauben umrankt Diese Leute
sind nämlich fest davon überzeugt, dass die Seelen ihrer sterbenden Medicin-
Männer im Feuer zu dem Himmel auffahren.
IV.
Die Diagnostik der Naturvölker.
43. Erkennungsmittel der Diagnostik.
Bei den phantastischen und vielfach mit Mysticismus durchsetzten An-
schauungen ^ welche die Naturvölker von dem Wesen der Krankheiten und
von deren Ursachen besitzen, ist es wohl ganz naturgemäss, dass wir von
ihren Kenntnissen und ihrer Unterscheidungsfähigkeit der einzelnen Krank-
heitsarten keine allzu hohe Ausbildung erwarten können. Vollständig fehlend
ist dieselbe aber wohl nirgends mehr, und selbst bei solchen Volksstämmen,
welche unter den uns bekannt gewordenen Naturvölkern auf der aller-
niedrigsten Stufe civilisatorischer Entwickelung stehen, treflFen wir dennoch
schon eine Unterscheidung, wenn auch nur weniger, verschiedenartiger Krank-
heiten an. Um diese diagnostischen Kenntnisse der Naturvölker kennen zu
lernen, giebt es nun mancherlei Wege und Hülfsmittel. Schon die ver-
schiedenen Ursachen, aus welchen nach dem Glauben desselben Volkes die
Krankheiten entstehen sollen, legen uns die Vermuthung nahe, dass ihm
bereits gewisse Unterschiede in den Ejankheitserscheinungen zu vollem
Bewusstsein gekommen sind. Das wird noch deutlicher natürlicher Weise,
wenn wir in seiner Sprache besondere Ausdrücke für besondere Symptomen-
complexe antrefifen.
Auch ihren guten Geistern und ihren Fetischen haben wir eine ganz
eingehende Aufmerksamkeit zu schenken. ■ Denn häufig wird diesen die
Kraft und Fähigkeit zugeschrieben, den getreuen Jünger vor einer oder
der anderen ganz bestimmten Krankheit zu beschützen. Ganz ähnlich ver-
hält es sich mit den Amuleten und Talismanen. Darum bieten auch sie
fiir unsere Untersuchungen ein höchst erwünschtes Material.
Es schliessen sich femer an die Medicamente, welche von den be-
treffenden Volksstämmen als Specifica gegen bestimmte Krankheiten be-
trachtet werden, und endlich folgen noch die Verbotszeichen, denen die
Zauberkraft inne wohnt, dem Uebertreter des Verbotes eine ganz bestimmte
Krankheit angedeihen zu lassen. Auch die Beschwörungsformeln sind hier
nicht zu unterschätzen, denn auch in ihnen werden uns bisweilen specielle
Krankheiten namhaft gemacht Alle diese Dinge müssen wir nun einoi*
näheren Betrachtung unterziehen.
96 IV. Die Diagnostik der Naturvölker.
44. Die Erankheltsnanien.
Einheimische Krankheitsnamen liegen uns von verschiedenen Natur-
völkern vor. Einige dieser Krankheiten, wie Yaws, Berfberi, Ainhuni
u. s. w., sind in ihrem Wesen und in ihren Erscheinungen wiederholentlich
von Fachmännern studirt worden. Bei einer Reihe von anderen Namen
steht es ziemlich fest, mit welcher der auch bei uns vorkommenden Er-
krankungen sich die durch diese Namen bezeichneten Krankheiten decken.
Manche andere Krankheit aber, für welche uns die von den Eingeborenen
gebrauchten Bezeichnungen berichtet werden, sind bis jetzt noch nicht mit
irgend einer unserer Krankheiten mit Sicherheit zu identificiren und harren
noch eines genaueren Studiums.
Uns interessirt es an dieser Stelle nur, dass die Naturvölker überhaupt
solche verschiedenartige Ej'ankheitsnamen besitzen. So werden uns z. B.
von den Australnegern in Victoria nicht weniger als fünf derselben
berichtet Es ist dabei aber noch nicht ausgeschlossen, dass sie nicht noch
einige mehr besitzen.
Hier uns helfend beizuspringen würde die Sache der vergleichenden
Sprachforschung sein. Denn so, wie diese Krankheitsnamen jetzt uns vor-
liegen, sind sie fiir uns nur ein sinnloser Schall. Erst die Linguistik wird
es vermögen, uns hier das richtige Verständniss anzubahnen. Denn es unter-
liegt für mich keinem Zweifel, dass diese Worte eine ganz bestimmte Be-
deutung besitzen, dass sie diejenigen Symptome der durch sie bezeichneten
Erkrankungen zum Ausdruck bringen, welche diesen Kindern der Natur
als die am meisten in die Augen springenden erschienen sind. Finden wii*
bei uns doch in der Volksmedicin ganz das Gleiche. Es mag hier nur
an Krankheitsnamen wie Bothlauf, Herz wurm, Brustgesperr, Mehl-
mund, Kriebelkrankheit u. s. w. erinnert werden. Bei den Naturvölkern
wird dieses kaum anders sein, und die grosse Bedeutung der Analyse ihrer
Krankheitsnamen für unsere Beurtheilung ihrer diagnostischen Fähigkeiten
liegt somit wohl auf der Hand.
Dass ihre Krankheitsnamen wirklich etwas Bestimmtes zu bedeuten
haben und ein auffallendes Symptom der Erkrankung zum Ausdruck bringen,
dafür liefert uns ein Bericht von der Oster-Insel den Beweis. Hier
kommt eine Krankheit vor, welche die Eingeborenen mit dem Namen Kino
bezeichnen, und die entstehen soll, wenn die Leute über die Felsen längs
der Küste bei Tahai gehen. An dieser Stelle wächst eine saftreiche Ranke,
von welcher wahrscheinlich die Füsse zerschnitten und abgeschunden werden.
Die Bedeutung des Wortes Kino ist „krachender Fuss". Es erinnert
diese Bezeichnung übrigens an den in der Provinz Preussen üblichen
Ej'ankheitsnamen Knarrband, welcher für eine schmerzhafte Behinderung
der Bewegungen des Fusses im Gebrauche ist
Auch von den Annamitenist etwas AehnUches zu berichten. Dieselben
bedienen sich fiir die verschiedenen Krankheitsstadien der Pocken verschie-
dener Bezeichnungen. Das erste Auftreten des Ausschlags nennen sie Nen-
bong oder Nenhue; das bedeutet „Ausbruch der Blumen". Die Pusteln
bezeichnen sie mit dem Schmeichelnamen öng, d. h. ,, Grossvater**:
dieses ist gleichzeitig auch ihre euphemistische Bezeichnung für den Tiger.
45. Krank hei tefetische und Amulete. 97
Für die Eiterung iu den Fockenpusteln gebrauchen tue nicht das gewöhn-
liche Wort, was Eitern bezeichnet, sondern das Wort giu-o-ng, was „sich
auBbreiten, sich entwickeln" heisst Die Abschuppung
bezeichnet das Wort xuöng, was wörtlich heisst nber-
untersteigen". Das hängt mit der von ihnen gemachten
Beobachtung zusammen, dass die Desquamation am Kopf
tind Oberkörper zuerst beginnt und Ton oben nach unten
ihren Fortgang nimmt
Die Lampongschen Äerzte in Sumatra tbeilen
die Krankheiten in fönf Classeu ein, in die Oepas, die
Pasowan, die Tjelor, die Sekedi und die Tjatjar.
Ton den Oepas giebt es drei Unterarten (Oepas ugison,
panas und angin), deneu je nach ihren Erscheinungen
<Üe verschiedeneu Bauchkrankheiten mit Blutabgang zu-
getheilt werden. Jede erfordert eine besondere Behand-
lung. Die Pasowan werden durch die Geister verursacht, Fig. 34. VeTbotsiei-
und Durchfall und Cholera gehört zu ihnen. Sekedi ist ÄTliÄ^Ä^'
eine Krankheitsgruppe für sich und bezeichnet den Aus- m Umbu. Serang.
satz, während Tjatjar die Pocken sind. Die Krank- Steb Bitda.
heitsgruppe Tjelor mit deu sechs Unterarten Tjelor
boeroeng, boeuga, halibambang, mais, malikas und widadari,
scbbesst hauptsächlich die verschiedenen Fieberfonnen in sich. Tjelor
halibambang ist das kalte Fieber, mais, das kalte Fieber in heftigem
Grade, widadari das Fieber in Folge eines Beischlafes, malikas das heiase
Fieber u. s. w.
-"«»»»«»»««»wiess^
45. Ennkheltsfetlsclie and Amalete.
Fetische, welche ganz bestimmte Erkrankungen zu heilen vermögen,
werden unt«r anderen von den Loaugo-Negern verehrt. Aber sie können
auch ebenso die Krankheit bringen, und um so mehr niuss man ihnen deu
Hof machen, um sie bei guter Laune zu erhalten. Bastian fuhrt uns die
Folgenden an: Lembe hilft gpgen Krankheiten des Kopfes, Luhan^la gegen
Augenkrankheiten, Tonse macht Schlaflosigkeit, JJmsasi verursacht und heilt
die Fieberhitze, Tschänbuko macht
Lähmungen, indem er sein Opfer
Ix-i dem Genick ergreift. Eonde
Mamba , durch eine männliche
Figur mit grossem Bauche dar- pig 35. Verbotswieben, um dem Uebertretet
gestellt, heilt die Krankheiten des IchthyoriB zd yeruiMchen Berang.
Bauches, Mokisso Mambili, dei- Nad. ffi«w.
ebenfalls durch eine sehr dick-
bäuchige männliche Figur repräseutirt wird, verursacht die Bauchwasser-
sucht Imbika endlich, in der Gestalt eines Sackes, heilt die veneiischen
Krankheiten.
Etwas sehr Äehnliches findet sich aufNias. Hier giebt es eine ganze
Beibe von Geistern, Add genannt, welche, wenn man ihneu opfert, bestimmte
Krankheiten zu heilen vermögen.
BaitalB, Uedldn d«T NBtarvfilker. 7
98 IV. Die Diagnostik der Naturvölker,
Der Aäü TombdH eaniri, ein Stück Gocusstamm mit roh auBg^chnit-
teueui Menscbengeeicht, heilt epileptische Krämpfe; der Adü LaÜuwu wird
bei Augenkrankheiten angerufen; Ädü Tamahorou
heilt Halaübel, Ada 8i lakigo Magenschmerz und
Diarrhöe. Der Adü Mbdli miKdi vermag den
Schwindel zu beseitigen, und der Adü Latmlo höngo.
eine Holzfigur mit einem Nagel im Kopf^ ist gegen
schwere Kopfiibel gut Bei Fieber muss man sich
an den Ada Tabagösa und, an den Adü Fangola
nA^u wenden. Add Fangüru schützt vor Pocken.
Der Adü Oba, eine rohe Figur mit flacher Nase,
heilt das nächtliche Aufschrecken der Kinder, und
Adü Fano'o ni amaho'o stillt deren Nasenbluten. Der
Adü Foldgi Boro (Fig. 36) endhch beseitigt Leib-
schmerzen; er wird durch zwei Holzsplitter mit Ge-
sichtern an den Enden gebildet; durch die Splitter
ist ein Stock hindurch gesteckt
Ob wir nun hier in den Namen der Adü und
der Fetische zugleich auch die Namen der ent-
sprechenden Krankheiten zu erkennen haben, welche
pig_ 38, von ihnen geheilt oder hervorgerufen werden, dies zu
Ädü Foiagi Boro, Schatz- entscheiden würde wiederum die Sache der Lin-
geiet gegen Leibschmerzen.
guisten i
NMh ModitSiaiH. ^on Amuleten und Talismanen vermögen uns
an dieser Stelle nur diejenigen zu intereBsiren.
welche nicht im Allgemeinen vor Unglück und somit auch vor Erkrankung
schützen, sondern welche ganz bestimmte Krankheiten verhüten oder, wenn
sie bereits ausgebrochen sind, sie heileo
sollen.
Derartige Tahsmaue sind uns durch
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ Adrian Jacobsen von den Golden und
„„__,.., . „ den Giliaken in dem Amur-Gebiete
Ina. 37. Verbotszeichen) um dem IJebertreter ■ > . j /n- j l
Jie Kiefer «rsteifen lu luseD. Sersng. oeka.iiJit geworden. Gliederschmerzen
Nuh Rüdti. imd Schmerzen des Kreuzes spielen
dabei eine hervorragende Solle. Auch
vom malajischen Archipel, und zwar ebenMls von Joco&sen mitgebracht,
hegen uns eine Reihe von Talismanen vor. Allen diesen aber, sowie den
Verbotszeichen und den Beschwörungsformeln, sollen besondere Abschnitte
gewidmet werden.
46. Terbotszeiehen.
Es ist ein auf den Inseln des malayischen Archipels weit ver-
breiteter Gebrauch, dass die Eingeborenen ihren Grundbesitz vor Betretung
und Beschädigung und namentUcb ihre Felder und ihre Baumpflanzungen
vor Beraubung durch ein sogenanntes Verbotszeichen, ein Matakau, zu
schützen verstehen. Im Principe ist es also dasselbe, als wenn unser Land-
mann vor seinem Acker oder seiner Wiese auf einer Stange einen Sbvh-
46. Verbotazeichen. 99
wisch au^flanzi Aber ein viel tieferer Sinn, eine viel gewaltigere Schutz-
krait wolmt dem Matakau- Zeichen inne. Schon seine Äu^äanzimg ist
mit ganz besonderen Förmlichkeiten verbunden. In manchen Fällen müssen
die X>orfäItesten erst die Srlaubniss dazu ertheilen; oft aber macht es auch
der Besitzer allein. Ein Opfer wird dargebracht, ein beschwörendeB Gebet
wird gesprochen, und nun hat das YerbotAzeichen die gewünschte £raft.
fÜnes der Verbotszeichen, deren man sich auf der Insel Fetar zu bedienen
pflegt, wird das „Beutelthier-Verbotszeichen" (Naur lau) genannt Das-
selbe besteht aus drei Stangen, welche mit jungen Kalapablättem an ein-
ander gebunden sind. Auf die mittelste steckt man das aus den Fasern
der Areng-Palme gefertigte Bild eines Beutelthieres und setzt eine Eier-
schale obendrauf Unter das Bild wird ein Fruchtzweig von Capsicum
^ Fig. 39. Verbotszeichen, um dem
„ ,^ ■ ^ Uebertretet die Eingeweide lu ver-
Fig. 38. VerbotsMichen, um dem Debertreter den drehui Luaug
Leib »chwellen ta luseD. LetL H^ ,. VSttarknnd«, Berlin.
Hol. r. Vaiknkuiide, Berlin. — Nsch Ptaotosnphle. Nach Photognphie.
fastigiatum gebunden. Um den Hals von dem Beuteltbier, das mau sls
beseelt ausist, bindet der Mann dann ein Eoliblatt, bestreicht dasselbe
niit Sirih-Speichel und spricht dabei die folgende Beschwörung:
„Verbotszeichen von dem Beutelthier! ich habe Dich hier aufgepflanzt!
Leute, welche hemmen, um Früchte vom Artocarpus incisa zu stehlen, um
Früchte von der Kaiapa zu stehlen, um Sirih zu stehlen, um Erachte von dem
Pinang zu stehlen, die sollen es in ihre Eingeweide kriegen; ihr Körper soll
krank werden, gänzlich, sie sollen ihre Lagerstätte mit ihren Excrementen,
mit ihrem TJrine besudeln; kein Heilmittel, von wem auch immer, soll sie
teilen; sie müssen sterben!"
Nun haftet der Fluch an dem Matakau, und wer das Verbot zu Über-
treten wagt, der ist der dem Verbotszeichen anhaftenden Zauberkraft ver-
fallen. Das Unglück ereilt ihn, oder die Krankheit, welche durcli die Macht
100
IV. Die Diagnostik der Naturvölker.
der Beschwörung, die bei dem Au&tellen des Matakau gesprochen wurde,
dieses Letztere mit seinen magischen Kräften dem Uebertreter bringen
mnss. Was für ein Unglück, was für eine Erkrankung dieses ist, das zeigt
die besondere Form des Matakau an: Deutlich und nicht zu verkennen
für Jedermann ist diese Symbolik plastischer Darstellung. Mächtig und
wirkungsvoll ist aber auch ihre schützende Kraft, denn Niemand zweifelt
daran, dass wenn er es wagen sollte, das Matakau zu übertreten, unfehlbar
der Much sich an ihm vollziehen würde.
Derartige Unglücksfalle, welche die Matakau-Uebertretung mit sich
bringt, sind z. B. dass der Ungehorsame vom Casuar zu Tode geü'eten, vom
Orocodil gefressen werden, oder eines plötzlichen Todes sterben solle u. s. w.
Uns können an dieser Stelle natürlicher Weise nur solche Matakau-
Zeichen interessiren, in welche die verhängnissvolle Kraft hineinbeschworen
ist, dem Frevler bestimmte Krankheiten zu bringen. Die hohe Wichtig-
keit und Bedeutung derselben fiir die Beurtheilung der diagnostischen Fähig-
keiten dieser Volksstämme liegt nun wohl deutlich genug auf der Hand.
Denn naturgemäss werden diejenigen, welche Matakau-Zeichen anpflanzen.
Fig. 40. Verbotszeicheii, um dem Uebertreter
Blutdiarrhoe zu venirsachen. Serang.
Nach Riedel.
Fig. 41. Verbotszeichen, um dem Ueber-
treter Schmerzen in den Gliedmaassen
zu yerursachen. Serang.
Nach Riedel.
diesen doch immer nur solche Erkrankungen hineinzuzaubern suchen, welche
ihnen aus eigener Erfahrung und aus direkter Beobachtung bekannt ge-
worden sind und welche sie als ganz besonders quälend, als intensiv schmerz-
haft oder als hochgradig gefährlich zu betrachten pflegen. Und somit ge-
winnt ihre Kenntniss auch eine grosse Wichtigkeit fiir die medicinische
Geographie.
Manche dieser Matakau-Zeichen lassen es nach ihrer äusseren Form
gar wohl begreifen, wie es dem fiir solche Dinge geschulten Auge sofort
verständlich werden kann, was für eine Erkrankung oder welches Krank-
heitssymptom dem verwegenen Uebertreter droht.
Eine kleine menschliche Figur (Fig. 34), aus deren Augen je ein langer
Spahn hervorragt, soll anzeigen, dass der Uebertreter blind werden wird;
eine Kalebasse (Fig. 38) mit sich stark verdickendem Bauche droht dem
Frevler ein Anschwellen seines Leibes an; ein Stäbchen mit zwei daran
befestigten windschiefen Palmenblättern (Fig. 39) zeigt an, dass ihm die
Eingeweide verdreht werden sollen; ein Stäbchen mit eingeschnittener
schuppenartiger Verzierung (Fig. 35) besagt, dass er die Ichthyosis bekommen
würde. Das ist eine Zeichensprache, der auch wir noch zu folgen vermögen.
46, Verbotezeichen. 101
Mine tiefere Vertrautheit mit den Geheiranisseu dieser Symbolik gehört
aber schon dazu, die folgenden YerbotNzeichen richtig zu deuten. Ein horizon-
taler Stab trägt anf vier Stachehk je einen kleinen Bing von einem Falmen-
blatt gefertigt (Fig. 40). Bas heiBst, der Uehertreter soll von Blutdiarrhöe
befallen werden. Ein gleicher Stab, der auf drei Stacheln je sechs über
einander angebrachte Palmenblattringe trägt, soll Schmerzen in den Glied-
i erzeugen {Fig. 41). Fünf solche Einge auf dem Stabe, deren jeder
1 dem Ueber-
TBnuwachen.
8m «ng.
tiMllRilM.
Nach iMsIiI.
eine vorspringende Spitze hat, verursachen dem Frevler blutigen Urin; zwei
auf einauder liegende horizontale Stäbe, deren einer den anderen überragt
(Fig. 37), zeigen an, dass ihm die Kiefer versteifen aollen. Es lassen sich
hier noch mehr Beispiele bringen; Augenkrankheit, Rückenschmerz, Schwel-
lung der Testikel (Fig. 42), böee Schwären (Fig. 43) und Hinsiechen des
Körpers werden auf ähnhche Weise angedroht Aber die obigen werden,
denke ich, genügen, eine Anschauung dieser Dinge zu geben, so dass wir
von der genaueren Beschreibung dieser übrigen Abstand nehmen können.
V.
Die Medicamente und ihre
Anwendung.
f-
47. Bfe Hedlclnal-Ih'ogueD.
Von Reisenden und von Botanikern sind uns Yielfache Mittheilimgen
gemacht worden über allerlei Rinden, Wnrzeln, Früchte und Blätter, welche
sie in dem Heilmittel seh atze der uncivilisirten Völker aufgefimden bähen.
Es liegt aber nicht in unserer Absicht, die Liste derselben hie. au&uzählen.
Ein Theil dieser Medicinaldrogueti ist in gleicher oder ähnliclier Species
auch bei uns in den Apotheken gebräuchlich; andere sind uns zum Tbeil
in ihren physiologischen Wirkungen unbekannt, theils auch sind wir über
ihre chemischen Bestandtheile noch nicht untf'rrichtet. So würde ihre Auf-
zählung zeitraubend sein, aber
auch ohne Zweck und Nutzen.
Den Fharmakologen aber mag
ihr Studium recht dringend an
das Herz gelegt werden; denn
mancher therapeutische Schatz
mag hier noch im Verborgenen
schlummern. Uns war die Be-
kanntschaft mit diesen natür-
lichen Heilmitteln von Wichtig-
keit, weil sie uns ein Hülfsmittel
bot, um die diagnostischen Kennt-
nisse der Naturvölker zu be-
tutheilen. Einiges über das hier-
durch gewonnene Resultat wollen „„„„._,„.
vir hier nicht mit Stillschweigen hu. r. Teikerkande, Berlin. - KmIi photeenpUe.
übergehen.
Die Zahl dieser Medicinal-Droguen, deren Verzeichnisse mir zugängÜch
sind, ist eine recht yerschiedene. Und dennoch sind die Beobachter sicher-
lich immer ernstlich bemüht gewesen, hier alles zusammenzubringen, was
nur irgend zu ihrer Kenntniss gelangt war, Uebergehen müssen wir natür-
licher Weise solche Nachrichten, wo nur so nebenher hier und da eine
einzelne Pflanze als therapeutisch verwerthet angeführt wird; nur die wirk-
lichen Verzeichnisse können berücksichtigt werden.
Da haben wir nun erstens ein Verzeichniss von der Osterinsel. Mit
Recht wird die hier einheimische Pharmakopoe von Thomson als eine sehr
beschränkte bezeichnet, denn Arrowroot, eine Distel und eine Nachtschatten-
^ bilden den ganzen Arzneiraittelschatz. Erheblich zahlreicher sind nun
Fig. 44. Medicin-Bficbse, in Holz geachnitzt
106
T. Die Medicatnente und ihre Anwendung.
schou diejeDigen Medicinalpäanzen, welche die Karok-Indianer in Nord-
Califoroien gebrauchen. Es sind 13 Arten. Von den Twana-, den
Cheniakum- und den Klallam-IndiaDern werden uns 18 Arten aof-
gefülirt Aus dem Seranglao- und Gorong-Archipel wird von 25 Droguen
berichtet. Sowäitch konnte von den Aschanti 34 zusammenstellen.
Auf der niederländischen Espedition nach Mittel-Sumatra fand
man daselbst 38 Droguen im G-ebranch. Von den Chippeway-Indianern
führt Hof^nann 56 Medicinal-Droguen auf, und PaiditseJike fand bei den
Hariari 65 und darunter 3 fiir Teterinäre Verwendung. Am reichhaltigsten
ist ein bei ScAoolcrafl veröffentlichtes Verzeichniss, in
welchem sich 89 Üedicinaldroguen zusammengestellt
finden. Dieselben werden von den nordamerikanischen
Indianern benutzt und zwar im Besonderen von den
Dacota, den Creek, den Winnebagoe und den
Ghippeways.
Aber auch das, was der alte Rmlini mit dem Namen
„heylsame Dreck-Apotheke" bezeichnet bat, finden
wir unter den Medicam enten der Naturvölker. Und
überraschen wird es uns nicht, denn auch beutigen
Ta^es noch ist ja unsere eigene Volksmedicin voll von
dergleichen Medicameuten. Wir könnten höchstens ver-
wundert sein, dass wir niiht häufiger auf derlei un-
appetitliche Mittel stossen. Es möge hier nur erinnert
werden an die Escremente des ßalat Lama. Auch Pillen
von Taubenkoth kommen vor und zwar bei den Indi-
anern von Süd-Californien. Koth wird als Mittel zu
Umschlägen von den Dieyerie in Süd- Australien
benutzt Den menschlichen Urin oder Fferdeham als
Heiltrank finden wir bei einzelnen Stämmen, den Ersteren
in Canada, den Letzteren bei den Annamiten. In
Persien wird der Bärennrin vielfach in den Apotheken
gefordert Unter den Süd-Australiern von Adelaide
ist Frauenham als äussertiches Mittel bei allerlei Krank-
heiten hochgeschätzt
In Annam wurden die ausgefallenen Milchzähne der
r. TSikeikD&de, Kinder zu Medicamenten verarbeitet Die Indianer von
Canada benutzen nach der Auesage eines Eingeborenen
zuweilen gekochtes Menschenfleisch als Medicin. Das Blut
eines Menschen als Heilmittel innerlich zu nehmen, ist bei ihnen ebenfalls in
Gebrauch, und das Gleiche finden wir bei den von Serpa Pinto besuchten
Ganguella-Negern in Afrika. Von den Letzteren wird bisweilen auch
das Blut von Thieren benutzt Der innerliche Gebrauch von Meuschenblut
in Krankheitsfällen ist „sehr gewöhnlich" bei den wilden Stämmen vom
Maclay-River in (Queensland. Das für diesen Zweck nothwendige Blut
gewinnen sie dann folgendenuaassen : „Die Frau des Kranken besorgt ein
hohles Conjeboi -Blatt und ein starkes Stück Strick aus festgeflochtenem
Gpossum-Eell gefertigt Sie zieht dann den Strick mit Gewalt rückwärts
und vorwärts über ihr Zahnfleisch, bis dieses schrecklich verletzt ist und
profus blut^'t Sie speit das Blut wenn es ausfliesst in das Conjeboi-Blatt,
Naeb Photognpbia.
47. Die Medicinal-Drogaen. 107
uud ßihrt fort, ihr Zahnfleisch zu bearbeiten, biß sie eine erhebliche Menge
Blut hat, welches dann von ihrem kranken Manne hinunter geechluckt wird."
Diese Leute nehmen aber auch das eigene Blut als Heilmittel ein, jedoch
priegeo sie es dann zuvor zu
knchen.
In dieser Zusammenstellung;
dürfen wir den Speichel nicht
vergessen, der ja auch noch unter
ilen Heilmitteln unseres Volkes
fine hervorragende Stelle ein-
nimmt Hei den Naturvölkern
erfahren wir nichts darüber, ob
es wie bei unserer Landbevölke-
rung auch der nüchterne Spei-
eliel" sein muss. Wir finden ihn
iiiimentlich in Nias in Anwen-
<iung. Hier heilt er, mit gelösch-
tem Kalk gemischt auf die Stirn
gestrichen, Kopfschmerzen; es ist
aber nöthig, dass er von Jeman-
dem stammt, der Sirib gekaut
hat. Das gleiche Mittel, ohne
den Kalk, ist im Stande, das
■Tücken bei Hautausschlägen zu beseitigen. Auch gegen Fieberanfälle reiben
sie solchen Sirih-Speichel ein.
Aus dem Thierreich treten uns auch mancherlei merkwürdige Droguen
t'utgegen, z. B. Fischthran bei den Ostjaken gegen Yerstopfimg, sammt
ihren Federn verkohlte Turteltauben gegen allerlei Krankheiten in Laos,
geschabte Homer vom Beb und vom Azis-Hirsch in Tonkin gegen In-
continentia urinae und Spermatorrboe. Tigerknochen und Tigerzähne
brauchen die Annamiten gegen den Keuchhusten; die
Brühe eines AfFenkopfes wird in Laos gegen die Pocken
angewendet, und bei den Ostjaken rühmt man das Herz
und die Galle vom Eisbären als Heilmittel gegen Kinder-
krankheiten und Syphilis. Gegen Schweissfiisse lassen
die Annamiten Schuhe aus Elephantenbaut tragen. Auf '
der Insel Flores benutzt man gegen Kopischmerzen einen pig, 47. steb, ugeb-
Batu bawi genannten rundlichen Stein, welcher angeb- 'i™ ww dem Gehun
lieh aus dem Gehirn des Stachelschweines stammen soll M?ttel '^^^pT' k'^-
(Pig. 47), ftchmenen. Florei.
Ton den Medicamenten der Marutse in Süd-Afrika ""■■ f. TflikBrilunde.
sagt Holtib: „Von thierischen Stoffen gebraucht man n«* Photographie.
Knochenstaub, gebranntes Knochenpulver, die Schuppen
des Schuppenthieres , die Biechstoffe enthaltenden Drüsen gewisser Säuge-
thiere und thierische Excremente u. s. w. Aus Büffelfett gearbeitete Arm-
ringe und Brustbänder sollen gewisse Krankheiten bannen und gegen
menschliche Nachstellungen schützen."
V. Die Medicamente und ihre Anwendung.
iS. HedieamentOs Iwhandelte Krankheiten.
Entsprechend diesen immerhin nicht ganz kleinen Ziffern ist auch die
Anzahl der Krankheiten, gegen welche diese Mittel von den hetreffenden
Naturvölkern in Anwendung gezogen werden, keine ganz geringe, und somit
können wir auch nicht umhin, ihnen auch die Fähigkeit zuzutrauen, einf
ganze Menge verschiedener Krankheiten doch schon recht wohl za unter-
scheiden. Fast wäre es ja auch unnatiirUch, wenn es nicht so sein Bellte.
Das müssen wir ohne Weiteres zugeben, wenn wir uns nun einmal näher
ansehen, welche Krankheiten ea denn nun eigentlich sind, welche hier haupt-
sächlich in Betracht kommen. Da stehen obenan Fieberfrost und Fieber-
hitze, Durchfalle und Verstopfung, Magenverstini-
mung, Kopfschmerz, Nasenbluten, Leihschmerzen
und Bheumatismus. Es folgen Yerbrennungen,
Wunden und Hautausschläge, Pocken, Dysenterie,
Epilepsie und Creisteskrankheiten. Aber auch Augeu-
und Ohrenleiden, Asthma, Husten, Schwindsucht und
Lungenentzündungen, allerlei Frauenteiden, Hernien
und Blasensteine werden beobachtet, kurz wirwUrden
sehr unrecht thun, die diagnostischen Fähigkeiten
der Naturvölker uns gar zu gering und unbedeutend
vorzustellen. Wir wollen darauf verzichten, hier alle
die Krankheiten namentlich aufzufuhren, gegen welche
sie besondere Heilmittel in Anwendung ziehen. Auf
einige dieser Erkrankungen aber werden wir an
späterer Stelle wieder zu sprechen kommen.
49. Die Beschaffang der Arzneimittel.
Wenn wir nun auch, wie schon oben gesagt,
die Yerzeichnisse dieser von den Naturvölkern be-
nutzten Medicinal-Droguen hier nicht wiederholen
wollen, so wird es doch nicht ganz ohne Interesse
sein, zu erfahren, in welcher Weise diese Volks-
stamme respective ihre Medicin-Männer sich das
Material fiir ihre Medicamente verschaffen, wie sie
die Letzteren sich herstellen und wie sie dieselben
aufbewahren.
Schon bei dem Einsammeln des üohmateriales
müssen einige Vorschriften sorgfältig beobachtet wer-
den. In der Landschaft Kroe in Ost-Sumatra kann
das Einsammeln sowohl, wie auch das Bereiten der Heilmittel nur an ganz
bestimmten Tagen vorgenommen werden, und es müssen dabei von dem
Medicin-Manne gewisse Gebetformeln gemurmelt werden, welche er auch
später bei der Behandlung des Kranken wiederholt. Auf Tanembar und
den Timorlao-Inseln erfolgt das Einsammeln in grosser Gesellschaft. Alle
Sammelnden und ihre Begleiter müssen bei dieser Gielegenheit beten:
Fid, Die Bereitung der Arzneimittel. 109
flO Duäilaa! lass mich sehen, dass diese Blätter, einst getrunken,
gut Ednd!"
In dem Seranglao- und Gorong- Archipel benutzt man einen Ex-
tract von den Blättern der Nipa fructicana gegen das Erysipelas. Bevor
man die ßlätter abpflückt, muss man einen silbernen King unter dem Baume
Tcrgraben und dabei folgende Formel sprechen:
^Sei mir gegrUsst, o Prophet Loqman, der Weise! Ich lege hier den
Ring nieder und nehme Dein Heilmittel."
Hat man die Blätter aber abgepflückt, dann wird der Ring wieder aus-
gegi'aben.
Hier mag daran erinnert werden, dass nach den Vor-
schriften der altindiscben Medicin bei der Präparirung
des Quecksilbers fiir Heilzwecke folgendes Gebet gesprochen
werden musste:
„ Ugra, ick grüsse Dich und, o ügra, ich biete meine
Ehrfurcht dar! Goraksha, Ishwara, Sarva. Schiva und Badra,
ich grüase Eure verschiedenen Formen, und ich bitt« um
Euren gnädigen Beistand, damit diese Medicin wirksam werde!"
In Keisar wird dem Baume, von welchem der Medicin-
ilann die Heildrogue nahm, nach glücklich erfolgter Heilung
ein Dankopfer dargebracht.
An der Loango-Küste bedarf es fiir die Beschaffung
der Medicin nächtlicher Beschwörungen, bei denen dann
die mit ihren geheimen Namen angerufenen Fetische in der
Gestalt von Hunden, Ziegen u. s. w. dem Ganga er-
scheinen und ihm die nothwendige Arznei, sowie den Ort,
«o sie zu ünden ist, bezeichnen.
Die in Koetei in Borneo als Medicinal-Drogue ge-
Ijrauchten Raoen-Kräuter werden des Nachts dem Tliau
ausgesetzt, um ihre Heilkraft zu erhöhen. Auch in Cam-
hodja glaubt man au eine Heilwirkung <
Man breitet dort in kühlen Nächten in der trockenen mns-Warzel,
•lalireszeit des Abends ein weisses Baumwollenstück über Heilttank f. Wöch-
das Gras. Des Morgens ringt man es aus in den Phtel, "^'"c^liien!'*''
ein Gef äss von Metall, welches Jede Familie besitzt. Dieses kju. t. voikeritncde
Thauwasser mit dem flüssigen Harze des Baumes Thbeng N»oh Phowi^iiphie.
gemischt, giebt ein erfrischendes Getränk gegen innerliche
Hitze.
50. Die Bereitung der Arzneimittel.
Bei den Indianern Nord-Amerikas, und zwar bis nach Alaska
liinauf, wirkt nicht die Drogue an und für sich, soiidem durch des Medicin-
Mannes Zauberkraft wird ihr erst die Heilwirkung mitgetlteilt. Alle Natur-
producte, welche er sich fiir seinen medicinischen Gebrauch dienstbar zu
machen beabsichtigt, müssen in geheimnissvoller Weise gekocht, umgerührt,
geschüttelt und ültrirt werden, und Kasseln mit der Zauberrassel, Sununen.
110
V. Die HedJcsmeute und ihre Anwendung.
Murmeln und Singen von Beschwörungen miisseu alle diese Procesee be-
gleiten. Hierdurch erst erlangen sie die rechte und heilkräftige Wirksamkeit.
Jacobsen erzählt von den Indianern des Copper-River: „Die Medicin-
Männer machen ilire Zaubermittel oder die Einweihung der Atnnlets auf
folgende Weise. Der Schamane wirft sich zunächst in seine festliche Tracht
die aus einer Art Schürze besteht, die mit Vogelschnäbeln oder den Füssen
der wilden Gebirgsziege behängt ist. Er bemalt sein Gesicht, bedeckt seinen
Kopf mit einer Art Hut oder je nach der Medicin, welche er machen will.
mit einer Maske und nimmt seine Rassel in
die Hand. In der Mitte des Hausraumes wird
ein grosses Feuer entzündet, um welches er in
Gegenwart herbeigeströmter Einwohner seinen
Tanz ausfuhrt"
„Wenn die Siamesen ein Arzneimittel
bereiten, so befestigen sie, wie Bastian be-
richtet, an den Rand des Gefässes mit mv-
stischen Worten beschriebene Papiere, um zu
verhindern, dass die Pet-Fhaya-Thong (gewisse
böse Luftgeister) die Kraft des Heilmittels in
der Ausdünstung hin wegnehmen,"
Auch bei deuGanguella-Negern, welche
Serpa Finto besuchte, muss der Medicin-Mann.
während er seine Arzneien mischt und zu-
bereitet, eine Anzahl von Ceremonien aus-
fiihren und bestimmt« Beschwönmgsformelii
hersagen, ohne welche die Medicin ihre Wir-
kung verfehlen würde; und etwas ganz Aehu-
licbes berichtet ifoiwA von den Betschuanen:
..Die gesammelten Fflanzentheile werden sodanu
getrocknet, geröstet oder zerstampft und dann
ein Pulver oder Absud derselben als Heilmittel
erklärt, wobei jedoch gewisse Spruche und
Formalitäten bei der Zubereitung, wie bei der
Verabreichung zu beobachten sind."
Besonderer Gehülfen bedarf man dabei
auch zuweilen. So muss der Arzt der Mi-
nangkabauer in Sumatra in Krankheits-
fällen siebenerlei bestimmte Stoffe zusammen-
bringen, jedoch darf er sie nicht selber zurecht-
machen, sondern das muss durch eine reine Frau geschehen, d. h. durch
eine Frau, welche im Augenblick nicht ihre Menses hat Auch ein be-
rühmtes Volksmittel auf dem Seranglao- und Gorong-Archipel, das
in keinem Hause fehlt, muss von besonderen Personen hergestellt werden.
Es ist ein geweihtes Oel, das als Antidotum gegen Vergiftungen dient.
Man fertigt es aus einer jungen rothen Kaiapa, welche Morgens von der
Sonne beschienen ist Ein Knabe muss sie Freitags pflücken, der noch
keinen geschlechtlichen Umgang gehabt hat. Das Oel wird dann von einem
Mädchen zubereitet, welches rein ist und zuvor gebadet hat, und endlich
muBS der Geistliche noch einige Segenssprüche darüber beten.
51. Die Auibewahrung der Arzneimittel.
51. Die Anfbeirahmng der Arzneimittel.
Die Medicin-Männer der nordamerikanischen Indianer pflegen einen
Theil ihrer Droguen sorgfältig zu trocknen und dann in ihren Mörsern zu
pulverisireu. So sind die Stoffe dann unkennthch geworden. Sie werden
dann in Thierfellsäcken oder Blasen aufbewahrt, welche
undurchlässig für die Luft und zum Theil auch fiir das
Wasser sind. Diejenigen von dem Sacoon, von der Otter
(Fig. 51) und von dem Stinkthier sollen auf die darin
aufbewahrten Heilmittel noch ganz besondere Kräfte und
heilsame Eigenschaften übertragen.
Der Beutel ist aus dem Fell eines ganzen Thieres
gemacht, mit den Haaren nach aussen, und oft mit
Perlen und Stachel seh wein stacheln verziert Dem pul-
verisirten Medicamente sind oft noch andere Stoffe bei-
gemischt, um seinen Geruch und Geschmack zu ver-
decken und es so fiir den Laien unkenntlich zu machen.
Es ruht aber auch ein eigener Zauber auf diesen
Medicin - Seuteln. Niemals unvorbereitet darf sie der
Medicin-Mann öffnen, sondern zuvor muss er durch die
Ceremonie eines Dampfbades die nöthige Weihe hierfür
erhalten. Wenn ein Medicin-Mann längere Zeit auf der
H«ise war und wenn er annimmt, dass die Pflanzen in
seinem Medicinsacke durch Feuchtigkeit oder andere Um-
stände gelitten haben, „so construirt er eine Hütte, geht
in dieselbe, sein Weib macht Steine heiss, bringt sie
hinein und trägt Sorge, dass der Dampf (durch Aut-
;,'iesseu von Wasser erzeugt) gut darin bleibt. Der Mann
raucht, singt, spricht einige Gebete und kommt heraus.
Dann bereitet er ein Fest für den Abend oder für den
nächsten Tag vor. Er ladet zuerst einen anderen Me-
diciner ein, zu welchem er sagt, dass er nöthig habe,
seine Pflanzen zu prüfen, dass er im Begriffe stehe, ein
Fest zu geben, zu welchem er ihn bitte, einzuladen, wer
ihm beliebt. Dieser Letztere macht die Einladungen nach
seinem Gefallen, ohne Ansehen der Person, gleichgültig
iib Mediciner oder uicht, allein Männer. Die Eingeladenen
treten ein, dem Laufe der Sonnenbewegung nach, ihren
Weg zur Hütte machend. Sie setzen sich und jeder stellt ?*uV Medicin-Sack
eine leere Schüssel vor sich hin, welche er mitgebracht anei. "
hat; Pfeifen werden vorbereitet und der Befehl, sie zu be- Km. f. VfiikerfaBndc.
nutzen, wird abgewartet Der, welcher das Fest giebt, sagt Nuh Fbaia^phie
kanagakana, jeder einzelne wiederholt kanagakana,
zündet an und raucht Während das Rauchen im Gange ist, nimmt der-
jenige, der mit den Einladungen beauftragt war, den Kessel, geht herum
und füllt die Schüsseln. Der Unternehmer macht eine kurze Erzählung in
Bezug auf die Besichtigung seines Medicin-Sackes und endet mit dem Wort»
kanagakana, welches jeder wiederholt, und dann beginnen sie zu essen:
112
Y. Die Medicamente und ihre Anwendung.
aber bevor sie den ersten Mundvoll herunterschlucken, speit jeder ein kleines
Stück vor sich auf die Erde, für die Geister. Die Schüsseln werden dann
umgekehrt, und alle ziehen sich still zurück, gemäss der vorgeschriebeneu
Ordnung. Hier bleibt nur mit dem Unternehmer derjenige zurück, der mit
den Einladungen betraut war. Sie inspiciren dann den Sack gemeinsam
geheimnissvoll und ohne dass irgend Jemandem von der Familie gestattet
ist, Kenntniss von dieser Operation zu haben.'' (Schoolcraft,)
Einen Medicin-Beutel tragen auch die Oanga bei den Loango-
Negern. Er ist mit einem rothen Tuch umwunden und mit Glöckcheu
behängt und enthält Steine, Muscheln, Nüsse, Homstücke, Schlangenzähiio
u. 8. w., von denen kleine abgeschabte Theilchen als mächtige Medicin be-
trachtet werden. Der Medicin-Beutel eines Medicin-Mannes der Basutho
wird in Fig. 2(»
vorgeführt.
Auch bei den
Australnegern
von Victoria
tragen die Medi-
cin- Männer ihre
Medicin - Steine
und ihre Zau-
berknochen vom
Emu in einem
Belang genann-
ten Beutel. Sie
dürfen ihn nie
aus den Augen
lassen, denn so-
lange sie ihn
behüten, können
sie niemals von
Kjankheit be-
fallen werden.
Aber manchmal
ist sein Len-ha-
moorr, sein über-
natürlicher Beschützer, mit dem Medicin-Manne unzufrieden und fuhrt diese
Schätze aus dem Beutel in denjenigen eines anderen Medicin-Mannes über.
Dann ist von dem ersten die Kraft gewichen, er verfällt in Krankheit und
ist in kurzer Zeit todt.
Das Berliner Museum für Völkerkunde besitzt in seinen Samm-
lungen mehrere Gefässe, die zum Aufbewahren von Medicamenten dienen.
Von der Insel Keisar ist es ein einfaches, schmuckloses Holztöpfchen und
ein mit eingeschnittenen Ornamenten versehenes Holzgefäss (Fig. 44).
Von der Mündung des Kapuas in Borneo ist es ein Hom in
einem hübschen, polychromen Rohrgeflecht (Fig. 50). Aus ihm trinken
die von den Sangiang, den Luft geistern Besessenen Arac. Von den
Battakern in Sumatra stammen zwei Ziegenhömer (Fig. 45, 48)
mit einem reichgeschnitzten Deckel. Sie sind mit Arznei gefiillt und die
Fig. 52. Perlen-Halsband der Zula-KaffeiD in Natal, mit
daranhäDgenden Medicamenten und AntUopenhörnerspitzen, welche
Arzneien enthalten.
Im Besitz des Verfassers. — Nach Photographie.
52. Die Züchtung der Arzneipflanzen. IIB
Schnitzerei des Deckels stellt ein menschliches Figürchen dar, welches auf
einer anderen reitet. Eine kleine Vase mit sehr zauberkräftiger Medicin,
welche angeblich aus Menschenfleisch gefertigt ist, rührt ebenfalls Ton den
Battakern her (Fig. 54). Auch sie ist mit einem Deckel verschlossen,
welcher einen Beiter zu Pferde trägt. Diese Figur soll den Fangulu balangi
d. h. den Geist der Medicin, darstellen.
Einer absonderlichen Art, die Medicinen aufzubewahren, begegnen wir bei
den Zulu-Kaffern von Natal. Ich verdanke dem Herrn Missionar Projsesky
ein Halsband (Fig. 52) derselben, das aus schönen erbsengrossen, opakgelben
Perlen gefertigt ist. In unregelmässigen Abständen sind allerlei Dinge zwischen
den Perlen befestigt, das Stück eines Entenschnabels, Holz- und Wurzelstücke
und namentlich eine Anzahl von zugeschnittenen Spitzen von Antilopen-
hömem. Diese Homer sind es nun, welche zur Aufbewahrung der Medicinen be-
stimmt sind und zwar enthält ein jegliches ein Medicament gegen eine andere
Krankheit. Aber auch die Wurzelstücke u. s. w. sind gleichfalls wichtige
Arzneien und auch sie müssen bei
bestimmten Leiden herhalten.
Die Schamanen der Golden
in Sibirien lassen für die Wöch-
nerinnen einen Heiltrank aus der
Wurzel des Kalmus abkochen.
Die dazu nöthigen Wurzelstücke
geben sie dem Ehemann der Pa-
tientin zu Zwölfen auf ein Stäb-
chen aufgereiht (Fig. 49).
Bei den Singhalesen fin- ... '^ ,, j. . ixir i i es- u i
1 . , j T ..«• 1 Flg. 53. Medicinlöffel der Singhalesen.
den wu- besondere Lionel zum ^ Naatüusschale.
Einnehmen der Medicin. Theils Mus. f. Völkerkunde. Berlin. — Nach Photographie.
sind es Abschnitte aus Nautilus-
schalen (Fig. 53), theils auch sind es niedere runde oder gestreckt herz-
förmige Schälchen aus einem sehr hart gebrannten Thon (Fig. 46).
52. Die ZDehtang der Arzneipflanzen.
Für gewöhnlich sind diese in der Heilkunde benutzten Droguen dem
Pflanzenleben in Wald und Feld, das die Naturvölker rings umgiebt, ent-
nommen. Auch ihre Nutzpflanzen kommen zur Verwerthung, wie Reis,
Pisang, Cocus, Pfeffer u. s. w. Es kommen aber sogar Beispiele vor, wenn
auch nur vereinzelt, dass bestimmte Pflanzen ganz speciell für den medici-
üischen Gebrauch angepflanzt werden. Wir treffen dieses bei den Anna-
miten und in Sumatra.
Die Eingeborenen von Mittel-Sumatra brauchen den in Palmöl ge-
kochten, milchweissen Saft einer Cactuspflanze, welche den Namen Soedoe-
«oedoe fiihrt, zu Einträuflungen bei dem Ohrenlaufen der Kinder. Dieser
Oactus wird besonders von ihnen angepflanzt, damit sie den Safl für den
genannten Zweck zu ihrer Verfugung haben.
Die annamitischen Zauberärzte gebrauchen vielfach ein Knollen-
gewächs, dem sie besondere magische Wirkungen beimessen. Diese unter
Bartels, Medicin der Naturvölker. ^
114 V, Die Hedicamente und ihre Anwendung.
dem Namen Ngäi bekauDut« Pflanze wächst wild in den Bergen, aber der
Zauberarzt züchtet sie auch heimlich in seinem Hause oder im Felde. In
bestimmten Zwischeorämnen muss er dort, wo er sie angepflanzt hat, seinem
Schutzgeist einen weissen Hahn opfern. Er legt denselben mit gebundenen
Füssen nieder und spricht bestimmte Beschwörungsfonneln. Am anderen
Morgen findet er dann nichts mehr ron dem Hahn vor, als die Federn-
53, Das Einnehmen der Hedicln.
Um den Medicamenten die nöthige Krall zu verleihen, müssen schon
bei dem Einsammeln der Droguen, wie wir sahen, gewisse Gebete gesprochen.
l>ei der Bereitung bestimmte Beschwö-
rungen gemurmelt werden. Aber auch
bei dem Eingeben der Mediciu wieder-
holen sich bisweilen ähnliche Dinge,
•So betet man auf Keisar zu Makka-
rom manouwe, vordem man die Arznei
einnehmen lasst, dass er eine günstige
Wirkung veranlassen möge. Wenn
man im Seranglao- und Gorong-
Archipel ein Kind Ciircuraa - Sajft
gegen Verstopfimg trinken lässt, so
inuBS man dal>ei sprechen:
„In dem Namen des gütigen Got-
tes. Ich glaube an Gott, seine Engel,
seine Gesandten, seine Bücher und an
die Vorberbestimmung, und dass dau
Gute sowohl, als das Böse von Gott
kommt."
Bei den nordamerikaniscben
Indianern berichtet Schoolcraft von
einer Art von Medicin-Männem, welche,
wenn sie sich vorbereitet haben, dem
Kranken die Äiznei einzugeben, sich
au dieselbe wenden, als wenn es eine
empfindende Person wäre und sagen:
„Du biet geschaffen worden ftr
den Gebrauch des Menschen; Du sollst
die Pflicht erfüllen, fiir welche Du be-
Fig. 54. GeflM mit sehr laDbrabräftiger stimmt worden bist ; Du sollst den
Medido dar Battaker. Körper dieses Hannes reinigen; Du
""•""N^'nSw^^pßo*"""' ä°ll»* wirken gleich einem, der rein-
fegt und reinigt alles, was an ihm
schadhaft ist; und wenn Du zu kräftig bist, so sollst Du zurückkehren ans
des Patienten Körper, ohne ihm Schaden zu thun."
Als eine der originellsten Erscheinungen wohl verdient es hervorgehoben
zu werden, wenn wir sehen, dass der Medicin-Mann die von ihm dem Kranken
53. Das Einnehmen der Medicin. 115
bereitete Arznei mit diesem gemeinsam selber einnimmt Dieses beobachtete
Matthews bei einer grossen Heil-Ceremonie der Navajö-Indianer, dem so-
genannten „Gesang gegen die Berge'', von welchem früher bereits die
Rede war. Bei dem einen Akte dieser Feierlichkeit besprengte der Medicin-
Mann mit einer Abkochung Kop^ Brast und Augenbrauen der in besonderer
Weise gemalten Gottheiten und gab darauf der Patientin in zwei Absätzen
davon zu trinken. Auch ihre Begleiterin musste zwei Schluck davon nehmen,
und schliesslich nahm der Medicin-Mann selber in zwei Absätzen davon ein.
Die Zuschauer erhielten den Ueberrest und sie trockneten sorgfältig die
Schüssel aus, ^amit kein Tropfen verloren ginge.
>{♦
VI.
Die Arzneiverordnungslehre der
N aturvölker.
54. Abkochungen und Umschlilge.
Es bleibt uns jetzt noch zu untersuchen übrig, in welchen Formen und
in welcher Weise die Naturvölker ihre Medicamente anzuwenden pflegen.
Hier steht wohl entschieden obenan das Decoct, die Abkochung , welche
sie aus allerlei Wurzeln, Einden, Blättern u. s. w. herzustellen wissen. Für
gewöhnlich sind diese Abkochungen zu innerlichem Gebrauche bestimmt;
bisweilen aber werden sie auch als medicamentöse Waschung u. s. w. an-
gewendet. Der Pflanzenaufguss, das Infus, ist wunderbarer Weise nur in
Ausnahmefällen anzutreffen. An Häufigkeit dem Decocte am nächsten
steht der Umschlag, das Cataplasma. Dasselbe wird aber in anderer Weise
hergestellt als dieses bei uns gebräuchlich ist Saftreiche Blätter oder voll-
saftige Wurzeln werden feingestampft bis sie einen Brei bilden, und diesen
legt man dann dem kranken Theile auf. Anstatt die Drogue zu zerstampfen,
wird sie in manchen Fällen auch gekaut, um dann, mit dem Speichel innig
vermischt, zur äusserlichen Anwendung zu gelangen. An diese Cataplasmen
schliesst sich an das Auflegen heissgemachter oder auch kühler Blätter
und die Applikation von heisser Asche. Mit beiden sucht man ähnliche
therapeutische Erfolge zu erzielen, wie mit den Umschlägen.
So wird in Mittel-Sumatra bei asthmatischen Beschwerden ein Tabaks-
blatt mit warmem Oel auf die Brust gelegt Die Süd- Australier wenden
das Auflegen heissgemachter Blätter gegen den Tenesmus bei Durchfällen
an. Die Karok-Indianer in Nord-Californien heilen damit Bheuma-
tismus und die Eingeborenen der Insel Engano wenden sie gegen Ge-
schwüre an. In Selebes und auch in Victoria dienen frische Blätter,
kühl aufgelegt als ein gut wirkender Wundverband.
55. Einreibungen, Salben, Pflaster und Pulrer.
Dass die Naturvölker auch Oele und thierische Fette zu Einreibungen
benutzen, das wird uns kaum zu überraschen vermögen. Aber auch medica-
mentöse Salben stellen sie sich her und wenden sie bei Wunden, bei Ver-
brennungen, bei Hautausschlägen und dergleichen an. Je nach der den
betreffenden Volksstamm umgebenden Natur sind diese Fette natürlicher
Weise von verschiedener Art Cocosöl dominirt im Süden; Fischthran und
Bärenfett tritt dafür im Norden auf Die Fette sind zuweilen auch aus
giftigen Thieren hergestellt und werden dann auch zur Bekämpfung der
I
120 VI. Die Arzneiverordnungslehre der Naturvölker.
durch das Thier hervorgerufenen Vergiftung angewendet So ist bei den
Central-Mexicanern Scorpionenöl im Gebrauch, und bei denCariben wird
ein aus Schlangenköpfen gewonnenes Oel als Antidotum gegen Schlangen-
bisse angewendet In Mittel-Sumatra wird bei Hals- und Brustschmerzen
etwas Sirih-Kalk aufgeschmiert, und zwar geschieht dieses gewöhnlich in
der Figur eines Kreuzes.
Ausser mit den Salben sind die Naturvölker auch mit der Anfertigung
und Herstellung von Pflastern wohl vertraut, wozu sie bisweilen bestimmte
Baumharze als geeigneten KlebestoflF verwen-
den. Solche Pflaster werden nicht nur bei
äusserlichen Krankheiten aufgelegt, sondern
auch bei innerlichen Leiden recurrirt man zu-
weilen auf ihre Hülfe. Eine eigenthümliche
Gewohnheit der Yamamadi und einiger
ihnen benachbarter Indianerstämme Bra-
siliens mag hier angeschlossen werden. Die-
selbe besteht darin, dass sie sich den kranken
Körpertheil mit Vogelfedem bekleben lassen.
Die Anwendung des Medicam entes in Pulver-
Rg. 55. BiDg aus Gelbholz- ^^™ ^^ äusserliches Mittel scheint eine ziem-
stücken, Mittel gegen Fieber Uche Seltenheit zu sein. In gewissen Fällen
und Kopfechmeraen. Flores. kommt sie aber bei den Dacota-Indianeru,
Hos. f. Völkerkunde, Berlin. * i. • j tt * :i r^ i
Nach Photographie. sowic bei den Marrari und am Congo und
auch bei den Australnegern vor. %
Grobe Stückchen Gelbholz, zu einem Halbringe vereinigt, dadurch, dass
man sie auf einen Faden aufzieht, werden auf der Insel Flores äusseriich
gegen Fieber und Kopfschmerzen gebraucht (Fig. 55).
56. Abführmittel und Elysüere.
Zahlreiche Abführmittel sind den Naturvölkern wohlbekannt und auch
Stomachicis begegnen wir zuweilen bei ihnen. Manche Yolksstämme ver-
fugen sogar über eine gewisse Abwechslung in ihren Abfuhrmitteln; wenig-
stens wird uns von mehreren ihrer Droguen berichtet, dass sie dieselben
ihrer abführenden Wirkung wegen in Anwendung ziehen. Auch die Hand-
habung der Klystiere ist einzelnen Völkern nicht unbekannt, z. B. den Bil-
qula, den Dacota-Indianern und den Negern von Liberia. Sie be-
dienen sich dazu eigens construirter Spritzen, und als Injectionsflüssigkeit
werden bisweilen Decocte benutzt
Die Chorotegans machen Eingiessungen von Decocten mit Hülfe
eines besonderen Rohres.
Die Klystierspritze der Liberia-Neger (Fig. 56) ist eine sich flaschen-
halsartig verjüngende Kalebasse; die Bilqula giessen Haifischthran ein mit
Hülfe eines Salzkrautrohres; als Mundstück hierzu bedienen sie sich des
Flügelknochens von einem Adler. Auch die alten Maya- Völker machten
von Klystieren einen ausgiebigen Gebrauch.
Abiuhrmittel sowohl, als auch Klystiere bringen die Perser häufig in
Anwendung. Als Instrument für Letztere dient nach Polak ein sehr hoher
57. Brechmittel. 121
Trichter mit abgerundetem und wie ein Katheter umgebogenem Ende. „Ver-
möge des Luftdrucks stürzt die Flüssigkeit mit brodelndem Geräusche in
das Rectum. In keinem Hause fehlt dieser Trichter; gewöhnlich ist er von
Glas, bei reichen Familien von Silber mit einer Vorrichtung zum Auseinander-
schrauben.'* Sehr complicirt sind die Vorschriften über die zum Klysma oder
als Abfuhrmittel auszuwählenden Stoffe, sowie über die am Abfuhrtage ein-
zuhaltende Diät „An dem Tage, an welchem der Perser zum Abfuhren
einnimmt, ist er in geschäftlichen Angelegenheiten nicht zu sprechen, sondern
lehnt alle diesfallsigen Zumuthungen mit den Worten ab: „Ich habe Medicin
genommen.'* Beamte und selbst Minister entschuldigen damit ihr Nicht-
erscheinen bei Hofe, oder die Unterlassung von
Berufsgeschäften.''
Die Mincopies auf den Andamanen essen,
wenn sie Verstopfungen zu beseitigen wünschen,
die Bienenlarven, welche sich in den Honig-
waben vorfinden.
Der Curiosität wegen müssen wir noch eines Fig. 56. KlyBtierepritjse für
Abfuhrmittels der Winnebago- Indianer ge- Nach BßttOo/är.
denken, das ist die Kinde des weissen HoUunders.
Die abfuhrende "Wirkung hat diese aber nur, wenn der Medicin-Mann sie von
oben nach unten schabt, d. h. von den Zweigen nach der Wurzel zu. Schabt
er sie aber in umgekehrter Richtung, also von der Wurzel aufwärts gegen
den Stiel, so wirkt sie nicht abführend, sondern als Brechmittel.
57. Brechmittel.
Brechmittel wenden die Naturvölker vielfach an, aber nicht alle sind
raedicamentöser Natur. Das Erbrechen wird von den Naturvölkern als ein
wichtiger Heilfaktor angesehen, und eine ganze Anzahl von pflanzlichen
Brechmitteln stehen ihnen zur Verftigung. Auch das Trinken von See-
wasser wird von ihnen mit gutem Erfolge als Emeticum benutzt, z. B. von
den Haidah-Indianern und von den Eingeborenen einiger Südsee-Inseln.
Aber auch mechanischer Hülfsmittel bedient man sich zuweilen. Die
Karayä-Indianer in Brasilien fertigen sich extra für diesen Zweck
Holzstücke (Fig. 57) von etwas über Fingerlänge und von der Dicke eines
Daumens. Dieselben werden vom ein Wenig abgeschrägt und dann im
Feuer angekohlt. Dies Holzstück wird tief in den Schlund eingeführt, bis
die erwünschte Wirkung erzielt ist. Die Dacota-Indianer kitzeln sich
bisweilen zu gleichem Zweck den Schlund mit einer Vogelfeder.
Nicht in allen Fällen hat das absichtliche Hervorrufen von Erbrechen
die Bedeutung einer therapeutischen Maassnahme. Die soeben erwähnten
Karayä-Indianer rufen täglich in der geschilderten Weise Erbrechen
hervor aus prophylactischen oder hygieinischen Gründen. Sie sind der An-
sicht, dass es nöthig sei, täglich den Magen von dem überflüssigen Speisen-
ballast zu befreien, um sich gesund und leistungsfähig zu erhalten. Auch
in Ecuador soll Aehnliches gebräuchlich sein. Es erinnert dieses in etwas
an jene Zeit, die nur wenige Jahrzehnte hinter uns liegt, wo auch bei uns
122 VI. Die ArzneiverordnuDgalehre der Naturvölker.
sämmÜiche Kinder am Sonnabend oder wenigstens einmal im Monat durch
ein Brechmittel ihren Magen entlasten mussten.
Eine hervorragende Rolle spielt bei den Indianer-Völkern und nament-
lich bei deren Medicin-Männem eine besondere Art des künstlich proTo-
cirten ErbrecheHS, die man als das rituelle Erbrechen bezeichnen könnte.
Ich meine hier nicht das bei ihren Heilmanipulationen unter Wü^e-
bewegungen erfolgende Hervorbringen von Fröschen, Schlangen und anderem
Gethier, von HolzstUcken, Knochen, Scherben u, s. w, oder von ihren
magischen Medicin-Steinen, welche sie als das die Krankheit darstellende
Princip aus des Patienten Körper heraussaugten. Hier ist ein wirkliches
Erbrechen gemeint, das durch das Einnehmen eines besonderen Emeticum
absichtlich hervorgerufen wird. Wir haben dasselbe wohl anzufassen als
einen religiösen Beinigungsakt, als eine weihevolle Vorbereitung des mensch-
lichen Körpers für die Aufnahme der unsterblichen Gottheit, ganz ähnlicli.
wie mau durch strenges Fasten sich
bereitet, wenn man in nähere Be-
ziehung zu den Göttern zu treteu
wUnscht
Matthews hatte die Gelegen-
heit, bei einem grossen Medicin-
Tanze der Navajö-Indianer in
Arizona etwas derartiges zu be-
obachten.
Es handelte sich hier um eine
Heilungsceremonie, welche als „der
Gesang gegen die Berge*' be-
zeichnet wird und welche neun volle
Tage in Anspruch nahm. Am vier-
ten Tage hatte jeder, der da wollte.
Mann oder Weib, zu der Medicin-
Hütte Zutritt. Sie setzten sich auf
die Erde, and vor jedem Theil-
lv?i,^n/ÄltS!^''"K^?'"1''''."L'l? nehmer war ein kleiner Erdhaufen
Hu- r. VeiksrkDsde, Berlio. - Nach Photographie. aUIgeSCtlUttet l>ann muSStCD Sie eui
Brechmittel einnehmen, das aus &nl-
zehii verschiedenen Pfianzenaiien gemischt war. Die Erdhaufen dienten zur
Aufnahme des Erbrochenen und wurden nach erfolgter Wirkung in be-
sonderer Weise hinausbefördert. Danach bestreute der Medicin-Mann die
Anwesenden mit Medicin.
Auch Niblack berichtet von den KUsten-I n d i a n er n des sUdlichen
Alaska, dass sie sich fiir Gottesgerichte und besondere Ceremonien durch
Brechmittel vorzubereiten pflegen.
Myron EUx wohnte einer Krankeubehandlung der Twana-Indianer
bei. Der Medicin-Mann sass der Kranken gegenüber. Sein Haupt dauernd
auf und nieder schwingend, sang er, begleitet von dem Gesänge der An-
wesenden, seine Beschwörungen. Nach zwölf Minuten begann er heftig über
tiich hin auf die Erde zu erbrechen. Dann kam eine Pause von wenigen
Minuten, worauf der Medicin-Mann sich abwusch und dann bei der Patientin
die Saugecur begann.
58. Inhalationen. — 59. Einschlürfungen und Einträufelungen. 123
Wie bereits gesagt, werden aber auch die Emetica sehr vielfach als
wirkliche Heilmittel angewendet bei allen möglichen Magenverstimmungen,
auch bei denjenigen, welche nur als Begleiterscheinung einer allgemeinen
Infectionskrankheit aufgefasst werden müssen. Das Eingeben von Brech-
mitteln , um Gifte aus dem Magen wieder zu entfernen, ist einigen nord-
amerikanischen Indianer-Stämmen geläufig.
68. Inhalationen.
Mancherlei Pflanzen werden auch als Medicamente zur Inhalation ge-
braucht. Bisweilen findet diese Inhalation in der Form von Bäucherungen
statt, welche mit der betreflfenden Pflanze ausgeführt werden. Wir finden
diesen Gebrauch in Amerika bei den Dacota, den Karoks und den
Navajö, in Afrika bei den Aschanti und in Harrär, in Asien bei den
Tataren. Kopfschmerz, Epilepsie, Husten und Erkältungen sind die
Krankheiten, welche diese medicamentösen Bäucherungen behufs der Inha-
lation veranlassen. Die Harrari räuchern aber auch den Körper mit ge-
wissen Medicamenten, um Ausschläge, Pocken und Fieber zu heilen.
Eine andere Form der Inhalation haben die Karayä-Indianer in
Brasilien. Sie fertigen aus bestimmten Arzneistoflfen eine Biechessenz,
mit welcher sie Kopfschmerzen zu bekämpfen suchen. Die Harrari pulveri-
siren eine bestimmte Drogue und halten sie Epileptischen und Tobsüchtigen
unter die Nase. Ein anderes Pulver ziehen sie in die Nase ein, wenn sie
vom Teufelsschlag, d. h. vom Hexenschuss befallen sind oder wenn sie an
Schlaflosigkeit leiden, und auch beim Schnupfen und Husten junger Mädchen
lassen sie ein Schnup^ulver benutzen, das aber aus der Asche einer be-
stimmten Medicinalpflanze besteht
59. Einschlflrftingen und Einträafelungen.
Es ist von hier nur noch ein Schritt zu den feuchten Einschlürfungen
in die Nase, die wir als eine Art der Nasendouche anerkennen müssen.
Wir finden dieselben wiederum in Harrär, sowie bei den Aschanti und
den Keisar-Insulanem. Bei Allen ist Kopfschmerz die Veranlassung; bei
den Harrari ausserdem auch Nasenbluten. Auf Keisar ist solch Kopf-
schmerz eine ganz kostspiehge Sache. Der Medicin-Mann nimmt die Blätter
eines Quarree genannten Baumes, stampft diese fein, wäscht den Kopf
damit und lässt den Kranken auch die Feuchtigkeit mit der Nase auf-
schnaufen. Wird man gesund, dann ist man verpflichtet, ein Schaf zu
schlachten. Ein Stück von dem Ohr, die Lippen und die Leber werden
gekocht und mit etwas Beis und Sirih-Pinang auf einen Teller und dann
niit einem Umschlagetuch darunter auf eine Beiswanne gelegt Der Marne
l^ringt dieses durch einander und wirft es unter den Baum, von wo er die
Heilmittel geholt hat Den Teller und die Beiswanne bringt er zurück,
während er das Umschlagetuch behält Die Hälfte des geschlachteten Schafes
f^rhält er gleichzeitig als Antheil, die andere Hälfte wird gebraucht, um
124 VI. Die Arznei Verordnungslehre der Naturvölker.
den Blutsverwandten, welche den Kranken versorgt haben, eine Mahlzeit
zu bereiten.
Die Nasendouche derAschanti heschreihi Bawditch fblgendermaassen :
„Ein Mann klagte sehr über Kopfschmerzen, und eine seiner Frauen
brachte ihm ein Decoct von Kräutern und ein hohles Stück Holz mit zwei
Röhren, die sie ihm in die Nasenlöcher steckte, dann den Kopf zurück-
lehnte und den Decoct hineingoss, den er alsdann durch den Mund wieder
von sich gab."
Auch in das Ohr und in die Aug^n werden von den Naturvölkern £in-
träufelungen gemacht Wir wollen davon aber erst später sprechen, weil
wir den Erkrankungen dieser Organe einen besonderen Abschnitt widmen
w^oUen.
60. PiUen.
Besonders interessant ist es mir erschienen, dass wir in dem Arzneien-
schatz dieser uncivilisirten Volksstämme auch einige Mal der Pillenform
begegnen. Pillen fertigen die Australneger von Victoria aus einer
Baumrinde zur Bekämpfung der Dysenterie. Die Indianer Süd-Cali-
forniens rollen den Koth der wilden Tauben zu Pillen und gebrauchen
^ese gegen Gonorrhoe. Die Dacota-Indianer und die benachbarten
Stämme wissen Pillen aus dem Cambium gewisser Bäume herzustellen und
sie heilen damit dyspeptische Zustände. Die Kunst des Pillendrehens war
auch den alten Völkern Neu- Spaniens bekannt Sie benutzten als Bllebe-
stoflF das Guttapercha, in welches sie das wirksame Medicament hineinknet^teu.
Palktö fand heilige Pillen, aus Tibet eingefiihrt, bei den Kalmücken im
Gebrauch. Vornehme und Reiche fiihren sie beständig bei sich und nehmen
sie in schweren Krankheiten ein, wenn der Tod fast unvermeidlich scheint
Sie dienen dazu, die Seele von dem Zeitlichen zu entfernen und zu heiligen.
Sie sind von Erbsengrösse und sehen schwarz aus. Ihre Wirkung soll eine
abführende sein.
Bei den Persern stehen gewisse Pillen in hohem Ansehen, welche aus
Bernstein, Ambra, Rubinen, Gold und gestossenen Perlen gefertigt werden.
Sie dienen als Aphrodisiaca.
61. Die hautrOthenden Mittel.
Wir haben bereits eine ganze Anzahl von Medicament^n-Gruppen be-
sprochen, die wir in dem Arzneischatze der Naturvölker fanden. Es mögen
aber noch zwei derselben hier angeführt werden, nämlich die Rubefacientia
und die Narcotica. Die ableitende und häufig schmerzstillende Wirkung
der hautröthenden Mittel ist den uncivilisirten Volksstämmen wohlbekannt
Manche Anwendung erhitzter Blätter oder heisser Asche ist in diese Rubrik
zu bringen. Die Süd-Californier verstehen es, aus Nesselstengeln eine
Paste zu bereiten, w^elche, auf die blosse Haut gelegt, Blasen zieht, be-
sonders wenn der Patient sich dabei dicht an das Feuer setzt Die Nieder-
Californier benutzen ebenfalls die Nessel als Rubefaciens, aber sie peitschen
damit den kranken Körpertheil oder sie setzen Ameisen an denselben. Die
62. Die Narcotica. 125
Chippeway- und Creek-Indianer haben einige Pflanzen im Gebrauch,
deren Saft eine hautreizende Wirkung besitzt Die Einwohner von Tonga
und Samoa wenden den Saft eines Rankengewächses an, der so scharf ist,
dass seine Wirkung derjenigen eines Aetzkali ähnlich ist ^ Diesen die Haut
röthenden und reizenden Mittehi am nächsten verwandt sind dann die Scanfl-
cationen und gewisse Methoden des Glühens. Ihre Verbreitung ist eine sein*
ausgedehnte. Da sie aber als ein, wenn auch nur kleiner akiurgischer Ein-
griff zu betrachten sind, so sollen sie erst später in dem der kleinen
Chirurgie gewidmeten Capitel ihre Besprechimg finden.
62. Die Narcotica.
Um nun auf die Narcotica zu kommen, so ist die Anwendung von
Opium und Hanf, Haschisch oder Dacha als ein betäubendes Eauchmaterial
ja schon vielfach besprochen worden und allbekannt Beide Stoffe sind
aber nur als Genussmittel aufzufassen und werden meines Wissens niemals
aus therapeutischen Gründen angewandt Es kommen aber auch Medica-
mente vor, welche die Naturvölker nun wirklich in der ausgesprochenen Ab-
sicht verordnen, um Schmerzen zu betäuben oder eine Art von Narcose her-
vorzurufen. Die Tataren und Kasaken am Jenessei bereiten aus den
Zweigen und Blättern einer Alpenrose (Bhododendron Chrysanthum), welche
sie von den Koibalen bekommen, ein Decoct, zu welchem Zweck sie die
Pflanze „in einem wohlverdeckten oder lieber verschmierten Topf im Ofen
schmoren" lassen. „Auf diese Weise bekommen sie, sagt PallaSj einen starken,
bittem braunen Trank, welcher eingenommen den Kranken in eine fieber-
hafte Hitze und Art von Trunkenheit, ja Sinnlosigkeit setzt, während
welcher sich in denjenigen Gliedern oder inneren Theilen, welche mit
Schmerzen oder Fehlem behaftet sind, ein imaufhörliches Krübeln spüren
lässt Der Kausch vergeht aber geschwinder als der von stai'ken Getränken
entstehende, lässt weder Kopfweh, noch die allergeringste Unpässlichkeit
nach, und gemeiniglich spürt der Kranke nach einer einzigen oder der zweyten
Portion den behafteten Theil ganz gesund und hergestellt Während der
Hitze, welche die Arzney erweckt, haben die Kranken starken Durst; trinken
sie alsdann kaltes Wasser, so erfolgt ein heftiges aber heilsames Erbrechen,
welches besonders bey Zufällen im Unterleibe dienlich befunden wird. Sonst
brauchen es die Kasaken fast wider allerley rheumatische Zufälle und
wider chronische Gliederschmerzen, die es unter heftigen Krübeln unfehl-
bar genesen soll."
Eine Narcose zum Zweck der Ausfuhrung einer Operation hat Felkm
in Uganda in Central-Afrika beobachtet Hier machte ein eingeborener
Operateur an einer Kreissenden den Kaiserschnitt Zuvor aber hatte man
die Patientin durch Banana-Wein in einen Zustand von halber Betäubung
versetzt
Ein weit verbreitetes Narcoticum, um sich von Schmerzen zu be-
freien, ist der Tabak. Die Eingeborenen von Mittel -Sumatra ver-
ordnen bei Erkältungen des Kopfes eine Cigarre zu rauchen, die Dacota-,
die Creek- und Winnebago-Indianer u. s. w. lassen bei asthmatischen
Beschwerden eine Pfeife Tabak rauchen. Auch die südlichen Mexicaner
i
126 VI. Die Arzneiverordnungslehre der Naturvölker.
bekämpfen das Asthma ebenso, aber sie wenden die Tabakspfeife auch bei
rheumatischen* Schmerzen an.
Die Ipurina-Indianer in Brasilien erzielen durch den Tabak eine
volbtändige Narkose. Unheilbare Kranke werden auf diese Weise betäubt
und in den Fluss gestürzt, um bei dem Wassergeist Heilung zu finden.
Auch zu dem Zweck einer absonderlichen Operation narcotisirt der Medicin-
Mann dieses Volkes den Patienten in gleicher Weise. Er saugt ihm dann
die Eingeweide aus dem Körper und setzt ihm dafür thierische ein. Wenn
dann der Kranke wieder erwacht, so ist er vollkommen davon überzeugt,
„nunmehr den Magen, die Leber u. s. w. eines Schweines oder sonst eines
Thieres in sich zu haben."
Aber auch noch ein anderes Mittel, um eine Narcose hervorzurufen,
darf man, wie ich glaube, nicht unterschätzen, das vielfach von den Natur-
völkern angewendet wird. Der betäubende Lärm der Rasseln und Trommeln,
der monotone Gesang des Medicin-Mannes und seiner Gehülfen, die sich
dauernd wiederholenden gleichförmigen Bewegungen des Arztes, sein häufig
erwähntes Schwingen der Hände, dies Alles muss eine Wirkung auf den
Patienten ausüben, welche wir nur als eine hypnotisirende zu bezeichnen
vermögen; ein Weisser hat es selbst an sich empfunden. Er hatte einem
Medicin-Manne der Guyana-Indianer Kopfschmerzen vorgeheuchelt, um
die Art seiner Behandlung kennen zu lernen.
Den bei ihm in der dunklen Hütte hervorgerufenen Zustand schildert
er mit folgenden Worten:
„Einer fi-eiwilUgen Bewegung entzogen, erschien es mir, als wenn ich
einem endlosen unaufhörhchen Getöse ausgesetzt sei, das ständig hinauf-
schwoll; meine einzigen Gedanken waren darauf gerichtet, das Wunder zu
ergründen, das die Ursache des Geräusches bildete: ein angenehmer, indessen
fi:Tichtlo8er Versuch, um sich dessen zu erinnern, ob je zuvor eine Zeit be-
standen, in der es kein Geräusch gegeben. Wenn hin und wieder das Ge-
räusch für Augenblicke verschwand, nänüich dann, wenn der Peaiman
(der Thiergeist) vermuthhcher Weise entschwunden war durch's Dach, oder
wenn er nur von grosser Entfernung aus gehört werden konnte, erwachte
ich halb besinnungslos. Aber sobald er auch zurückkam und das Geräusch
anschwoll, verfiel ich allmähUch mehr und mehr in einen Zustand von
Betäubimg. Als am Morgen das Getöse geendet hatte, erwachte ich all-
mählich. Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass mein Kopf nichts
weniger als curirt war von seinen Schmerzen."
In den Krankengeschichten, welche uns berichtet werden, ist wieder-
holentlich davon die Rede, dass die Patienten wie todt, oder wie sterbend
zur Erde fallen. Wenn sie dann bald darauf wie zu einem neuen Leben
erwachend sich erheben, sich die Pfeife anzünden und rauchen und ö*öhlich
mit den Ihrigen plaudern, so kann ihr lebloser Zustand doch nur entweder
ein erheuckelter gewesen sein, oder eine wahre Hypnose. Ich glaube be-
stimmt, dass es das Letztere ist
63. Das Bepusten und Bespeien. 127
63. Das Bepusten und Bespeien.
Wir haben noch zweier besonderer Arten der therapeutischen Maass-
nahmen zu gedenken, das ist das Bepusten und das Bespeien. Wem fiele
bei dem Bepusten nicht seine Kindheit ein, wo die hebende Mutter gegen
die schmerzende Stelle pustete und nun theils durch das Kühlende des Luft-
stroms, theils durch die Ablenkung der Aufmerksamkeit die Schmerzen ver-
trieb. So wird auch in Mittel-Sumatra den Fieberkranken der Kopf
bepustet, um. ihnen Kühlung und gleichzeitig eine Linderung der Kopf-
schmerzen zu bringen. Auch in Canada und in Victoria ist das Be-
pusten der Kranken gebräuchlich, und in Alaska pustet ihnen der Medicin-
Mann in Mund und Nase. In diesen Ländern hat das Bepusten, wie es
scheint, aber nur den Zweck, den Krankheitsdämon aus dem Körper zu
entfernen. Die Körperstelle, welche der Medicin-Mann der Eingeborenen
von Victoria zum Bepusten auswählt, ist der Bauchnabel seines Patienten.
Mit dem Bespeien, das wir haupteächlich im malayischen Archipele,
aber auch in Victoria im Gebrauche finden, hat es scheinbar eine andere
Bewandtniss. Man möchte glauben, dass es sich hier ausschliesslich um
eine therapeutische Maassnahme handelt Denn wenn wir von den Austral-
negern absehen, so werden in allen Fällen ausnahmslos bestimmte Pflanzen-
theile gekaut, bisweilen mehrere gemeinsam, nach Art einer gemischten
Medicin, und auf des Patienten Körper gespieen. In Mittel-Sumatra
benutzt man sogar verschiedene Medicamente bei verschiedenen Krankheiten^
denen aber immer einige bestimmte, für alle Fälle gleiche Grundstoflfe bei-
gemischt werden müssen.
Die Medicin-Männer in Victoria benutzten zum Bespeien nun aller-
dings nur einfaches Wasser, aber gerade bei ihnen kann die therapeutische
Absicht dieses Verfahrens nicht dem geringsten Zweifel unterliegen. Die
Patienten nämUch, bei welchen sie diese Art der Behandlung anwenden^
sind die Fieberkranken, deren Körper sie von oben bis unten mit einem
Sprühregen von Wasser aus ihrem Munde berieseln. Dass die Verdunstung
desselben mit einer starken Wärmeentziehung verbunden sein muss und
dass in Folge dessen die Fieberhitze verringert werden kann, das liegt wohl
klar auf der Hand. Von den Eetar-Insulanem wird in ähnlicher Weise
der Bauchschmerz behandelt, und in Bali werden die geschwollenen Drüsen
der Kinder mit gekauten Medicamenten bespieen, bei einer dem Ziegen-
peter ähnlichen Krankheit Hier hat man für ein durch Bespeien geheiltes
Organ einen ganz besonderen Ausdruck.
Ob es aber bei den übrigen malayischen Inselvölkem, welche hier
in Betracht zu ziehen sind, sich ganz allein um rein therapeutische Ab-
sichten ihrer Medicin-Männer handelt, das muss doch schon ein wenig
zweifelhaft werden, wenn wir erfahren, welche Krankheiten es denn eigent-
lich sind, die in Mittel-Sumatra in der geschilderten Weise behandelt
werden. Es sind Phantasien, Irrsinn und zeitweiUge Bewusstlosigkeit, abo
alles Krankheitserscheinungen, welche so recht eigentlich dem Eindringen
böser Geister in den Körper zugeschrieben werden. Sollte hier nicht der
Gedaiike verborgen liegen, dass die, man könnte sagen, unehrerbietige Art
der Darreichung des Medicamentes zur schnelleren Vertreibung des Dämons
128 VI. Die Arzneiverordnungslehre der Naturvölker.
benutzt werden soll? Hier fuhren uns die Einwohner von Koetei in
Borneo wahrscheinlich auf die richtige Spur. Sie beschmieren und be-
speien ihre kleinen Bänder unter dem Murmeln bestimmter Gebete fort-
dauernd mit gewissen Medicinen, „um die bösen Geister zu verjagen". Am
deutlichsten ausgesprochen aber finden wir diese Anschauung auf Ambon
und den XJliase-Inseln. Man benutzt hier als Medicament zum Zerkauen
lauter scharfe und aromatische Substanzen, Muscatnuss, Gewürznelken,
Gember u. s. w. Wenn man nun hiermit den Kranken bespeit , so will
man theils durch die hierin liegende Beleidigung, theils aber auch durch
das Prickeln, das die Medicamente hervorrufen, den bösen Dämon nöthigen.
dass er den armen Patienten verlässt
Bei einer Behandlung der klopfenden Kopfschmerzen auf Bali sollen
die geheiligten Sjrmbole des männlichen und des weiblichen Principes die Ver-
treibung der Krankheit unterstützen. Jacobs führt aus einem medicinischen
Werke dieser Insel die folgende Verordnung gegen dieses Leiden an : „Alte
Sirih-Blätter, deren Blattnerven parallel laufen, 7 Stück, Wurzeln von
Gamongan (Zingiber amarineus) drei Stück, auf deren jedem man erst
mit einem Messer die Form eines Penis einkratzt; eine rothe Zwiebel, worin
vorher die Form einer Vulva ausgeschnitten wird. Dies Alles muss fein-
gekaut und mit diesem Speichel die Stirn bespieen werden."
Die S am an er glauben, wie Turner berichtet, dass Krankheit durch
den Zorn irgend einer bestimmten Gottheit entstände, und die Freunde des
Kranken rufen die Hülfe des Oberpriesters des Dorfes an und gewähren
ihm jede Forderung, um den Unwillen der Gottheit zu sühnen. Häufig ver-
langt er, dass sie ihre Sünden bekennen. Zum Zeichen der Keue nimmt
dann jedes Familienglied etwas Wasser in den Mund und speit es gegen
den Patienten.
64. Die Impfting.
Auch die subcutane Methode treffen wir zweimal bei den Naturvölkern
an und zwar beide Male in der Form der prophylaktischen Impfung. Es
ist ihnen auch sehr wohl bekannt, dass diese Schutzkraft keine dauernde
ist, sondern dass sie nach einer gewissen Zeit wiederum verloren geht.
Dann muss die Impfung wiederholt werden. Weniger als zehn Jahre waren
es in dem einen Fall, fiir welche die Schutzkraft erhalten sein soll. Es
handelte sich um ein Präservativ-Mittel gegen die Bisse von giftigen Schlangen,
welches die Buschneger in Surinam mit Erfolg sich in Einschnitte hinein-
bringen, die sie zu diesem Zwecke sich in die Haut machen. Bei den
Aschanti, welche ebenfalls sich auf das Impfen verstehen, ist es eine wirk-
liche Pocken-Impfimg, welche nach. Bowdüch auch in den maurischen
Ländern Sitte ist „Sie nehmen die Materie und impfen den Kranken an
sieben Stellen (die mystische Zahl), sowohl an Armen als Beinen. Die
Krankheit dauert nur wenige Tage und selten stirbt Jemand daran."
Es mag hier daran erinnert werden, dass die Pockenimpfung angeblich
auch bei den Chinesen seit alten Zeiten wohlbekannt war. „Die Alten,
so heisst es in einer von Lockhart citirten chinesischen Schrift, besassen
die Kenntniss der Inoculation der Blattern; sie ist auf uns gekommen von
64. Die Impfung. 129
der Zeit des Tschin-tsang aus der Dynastie Sung (das entspräche dem
Jahre 1014), und wurde von einem Philosophen erfanden. Wenn die Krank-
heit spontan ausbricht, so ist sie sehr schwer und oft tödtlich, während sie
durch Inoculation herbeigeführt gemeiniglich mild verläuft und nicht mehr
als ein Todesfall unter zehntausend Fällen vorkommt Es folgt dann eine
Reihe von Vorschriften über den Bezug der Lymphe, über die Wahl der
Jahreszeit und der Tage, imd über das hygieinische Verhalten des Patienten.
Eine Schilderung des Verlaufes und der Wirkung schliesst sich an, und
dann heisst es: „Wenn nach vierzehntägigem Warten das Fieber nicht er-
scheint, so kann die Inocidation wiederholt werden, wenn die Jahreszeit
noch günstig ist^'
In Persien ist ebenfalls das Impfen Sitte und wird von den
Chirurgen und Badern ausgeführt Sie machen auf der Mitte des Vorder-
arms leichte Hautritze imd reiben nach gestillter Blutung die gepulverten
abgefallenen Impfschorfe hinein. „Die Heilung erfolgt fast immer, doch
bleiben ziemlich ausgedehnte Narben zurück."
Bei den Siamesen war es gebräuchlich, als eine Art der Schutz-
impfung geriebene Pockenschorfe in die Nase zu blasen.
Bartels, Medioin der Nataryölker. 9
VII.
Die Wassercur
9*
I
65. Kalte Bftder.
In dem Bespeien der Fieberkranken mit Wasser, wie wir es die Medicin-
Männer in Victoria ausfuhren sahen, haben wir bereits eine Form der
Hydrotherapie der Naturvölker kennen gelernt, und dass den Anwohnern
des Meeresstrandes und der Ufer von Flüssen und Seen auch die segens-
reiche Wirkung kalter Bäder nicht unbekannt gebUeben ist, das wird wohl
Niemanden überraschen. Bisweilen scheint man mit diesen Bädern aller-
dings auch einen rechten Unfug zu treiben und sie in recht unzweckmässiger
Weise anzuwenden. In Victoria wenigstens sterben viele junge Leute,
wenn sie vom Fieber befallen werden, weil der Medicin-Mann sie veranlasst,
drei- bis viermal täglich im Flusse zu baden. Bei den Skagit-Indianern
in Columbia sah Holmes einen alten Mann in den letzten Stadien der
Schwindsucht klappernd vor Frost nach der Einwirkung eines kalten Bades,
das er bei einer Lufttemperatur von 40 Grad Fahrenheit hatte nehmen
müssen. Auch die Huatstecos haben viele Pockenkranke verloren, weil
sie sie mit kalten Bädern behandelten. Das Gleiche gilt von Mittel-
Sumatra.
Die Moquis und die Pueblos wenden keine kalten Bäder an, während
sie bei den Pimas, den Nieder-Californiern und den Bewohnern der
Insel Saleyer sehr gewöhnlich sind. Die Dacota, Creeks imd Chippe-
ways, die Klamath in Oregon und die Flatheads lassen die kalten
Bäder direct dem Dampfbade folgen. Die Indianer von Honduras
lassen ihre Kranken ein kurzes Flussbad nehmen, und dann müssen sie
sich zum Feuer legen. Die Moquis gehen, wenn sie fieberkrank sind, in
das kalte Wasser und bleiben darin, „bis sie gesund oder todt sind." Wir
hätten hier also ein Beispiel eines perpetuirlichen Bades. BeidenWinne-
bagos wird als kaltes Bad „irgend ein natürlicher Fluss oder eine Quelle
benutet, in welche der Kranke in sitzender Stellung gebracht wird, so dass
ihm das Wasser bis zum Kinn reicht; oder wenn solch natürliches Bad
der Entfernung wegen nicht zu beschaffen ist, so wird der Kranke in Blan-
kets gewickelt, und kaltes Wasser auf ihn gegossen; das wird fortgesetzt,
solange es dem Operateur gefällt. Diese Vornahme hat bisweilen einen
günstigen Erfolg in Fällen von Fieber; aber gewöhnlicher ist das Resultat
eine Congestion zu wichtigen Eingeweiden oder zum Gehirn."
In ähnlicher Weise pflegen die Dacota-Indianer, die Eingeborenen
von Kroe in Sumatra, die Doresen in Neu-Guinea und die Ein-
geborenen von Süd- Australien bisweilen ihre Kranken kalt zu über-
134 VIL Die Wassercur.
giessen, und in Victoria spritzt ihnen der Medicin-Mann mit den hohlen
Händen Wasser über den Körper. Eine die Temperatur herabmindernde
Wirkung haben zweifellos auch gewisse Waschungen. Sie werden in Süd-
Californien und von den Dacota-Indianern mit gewöhnlichem Wasser
ausgeführt; in Victoria und auf Buru, bisweilen aber auch bei den Dacota,
werden besondere Pflanzendecocte hierzu verwendet In Mittel-Sumatra
und bei den Aschanti macht man diese Waschungen mit kühlenden oder
mit stärkenden Pflanzensäften.
66. Warme Bider und Trinkcuren.
Ausser den kalten Bädern werden auch bisweilen heisse Bäder in Ge-
brauch gezogen. Das wird aber nur von den Nez-Perc6z und von den
Indianern Columbiens gemeldet Allerdings scheinen sie bei diesen
Stämmen ein sehr beliebtes Mittel zu sein.
Auch die Heilwirkung gewisser Thermalwässer ist den Naturvölkern
wohlbekannt, wenn sich zufällig solche Heilquellen in dem von ihnen be-
wohnten Gebiete vorfinden. Es mag hier an die heissen Quellen von Neu-
seeland erinnert werden, welche vielfach von den Eingeborenen zum Baden
benutzt werden. Auch die Haidah-Indianer gebrauchen nach Jacohsen
mit gutem Erfolge eine warme Schwefelquelle, um sich von syphilitischen
Erkrankungen zu befreien. In ähnlicher Weise behandeln die Eingeborenen
von Mittel-Sumatra ihre an Krätze und an Hautausschlägen Erkrankten.
Von den Siamesen sagt Bastian: „Kranke in Aynthia baden zur
Heilung in dem Theile des Flusses, der bei dem Kloster Prot-Satr vor-
überfliesst und die Kräfte des Teiches Bethesda besitzt" Auch die Perser
machen von den zahlreichen Heilquellen in ihrem Lande für Badecuren
einen ausgiebigen Gebrauch.
Im Seranglao- und Gorong-Archipel und auf den Babar-Inseln
versteht man es, aus bestimmten Pflanzen medicamentöse Bäder für er-
krankte Kinder herzustellen.
An diese Badecuren schliesst sich der Gebrauch der Heilwasser fiir
bestimmte Trinkcuren an, wie wir ihn bei den Central-Mexicanern und
bei den Buräten vorfinden. Die Ersteren benutzen ein Wasser, welches
bei Fiebern eine günstige Wirkung ausüben soll, und die Buräten trinken
das Pogromnische Sauerwasser, worüber Pallas Folgendes berichtet:
„Die Buräten bedienen sich desselben wider allerley Krankheiten und
trinken, nach Vorschrift ihrer Lamen, deren jährlich einige hierher kommen
und den Quell mit Gebeten seegnen, gemeiniglich sieben Tage lang, täglich
drey bis viermahl zu sieben Schaalen, welche kleinen Spülkummen gleich
sind. Sie werden von dem Genuss des Wassers matt und etwas fieberhaft,
und viele genesen von allerley Zufällen. Von schädlichen oder gar tödt-
lichen Wirkimgen wissen die Buräten unter sich nichts, und man sieht
leicht, dass in ein paar Fällen, welche von den Küssen erzählt werden,
nur der unmässige Genuss bey vorhergehenden schweren Ej*ankheiten der-
gleichen habe nach sich ziehen können.^'
Noch einer Art der Bäder haben wir zu gedenken, welche vor nicht
gar langer Zeit auch bei uns noch eine ziemliche Rolle spielte; ich meine
67. Schwitzcuren. 135
die Thierbäder. Sie bestehen bekanntermaassen darin; dass der Patient
das erkrankte Glied in den noch wannen, frisch geöfiheten Leib eines so-
eben geschlachteten Thieres steckt Nur ein einziges Beispiel für diese
Sitte ist mir bei den Naturvölkern bekannt geworden. Dasselbe betrifft
die Onkanagan-Indianer in Nord-Amerika. Ein verzweifelter Fall
von Schwindsucht wurde von ihnen dadurch angeblich geheilt, dass sie 42
Tage hindurch täglich einen Hund tödteten, ihm den Bauch aufschnitten
und die Seine des Patienten in die noch warmen Eingeweide legten. Aller-
dings wurden gewisse Rindenabkochungen von dem Kranken noch ausserdem
gebraucht.
67. Schwitzenren.
Wir wenden uns jetzt der Besprechung eines Heilfactors zu, welcher
in der Therapie und der Gesundheitspflege der Naturvölker eine hervor-
ragende Stellung einnimmt, das ist die künstlich gesteigerte Körperwärme,
die Transpiration, das Schwitzen. Auf den Inselgruppen des malayischen
Archipels wird dieses vorwiegend dadurch erzielt, dass man den Kranken
dicht an das Feuer legt oder dass man sogar unter seiner Lagerstätte ein
Schwälfeuer entzündet Diese Methode spielt auch in der Wochenbettpflege
dieser Volksstämme eine bedeutende Rolle und sie ist von mir bereits an
anderer Stelle ausführlich besprochen worden. In Dorej imd in Mittel-
Sumatra wird hierfür auch ein Liegen in der Sonne in Anwendimg gezogen.
Die Australneger von Victoria haben eine besondere Methode, um
heisse Asche auf den Körper einwirken zu lassen. „Wenn es an den Lenden
oder Unterschenkeln sehr schmerzt, so nimmt der Arzt einen guten Haufen
vorbereiteter heisser Asche, welche nur von Binde gemacht ist; der Patient
wird auf den Bauch gelegt, und der Arzt reibt höchst unbarmherzig die
heisse Asche auf den befallenen Theil, wie ein Schlächter, der Fleisch salzen
will; wenn die Lenden und Unterschenkel schmerzen, wird der Kranke bis
nahe zu den Kjiieen in den Berg von heisser Asche gesteckt, indessen der
Arzt die befallenen Theile mit heisser Asche reibt Während dieser Vor-
nahme macht der Arzt seine Beschwörungen, wobei er gelegenthch einen
Theil des Staubes mit einem zischenden Geräusche in die Luft schlägt.
Wenn er genügend manipulirt hat, wird der Kranke in sein Gewand ge-
wickelt."
Ein weiteres Mittel, die Transpiration zu erregen, welches vielfach bei
den Völkern Amerikas gebräuchlich ist, bildet der Tanz. Wir dürfen
hierbei eins aber nicht vergessen; der Tanz dieser Stämme ist nicht wie
bei imserem Volke ein Vergnügen, eine Volksbelustigung, sondern er ist fast
unter allen Umständen eine rituelle Handlung, ein Gottesdienst. Der Er-
krankte selber tanzt nicht mit, als Heilfactor kommt der Tanz nicht in
Betracht Der Medicin-Mann aber und seine Gehülfen müssen sehr häufig
Tänze aufßihren, wenn sie den Patienten von seinen Leiden befreien wollen.
Trotzdem ist der Tanz auch für das allgemeine Volk von einer grossen
Wichtigkeit, denn er dient als bedeutsame prophylactische Maassregel. So
heisst es bei Bancroß von den Süd-Californiern: „Um das Missfallen der
Gottheit abzuwenden und dem bösen Einfluss der Zauberer entgegenzu-
136 VII. Die Wassercur.
arbeiten, werden regelmässige Tänze zur Sühne und Abbitte abgehalten,
in welchen sich der gesammte Stamm vereinigf^
Sehr lehrreich ist hierfür die Erzählung eines Klamath-Indianers
in Oregon, deren Mittheilung wir GaUchet verdanken. Ich will sie in wört-
licher üebersetzung hier folgen lassen: „Um zu schwitzen während fünf
Tagen sollen wir gehen, um einen Tanz zu haben, die alten Weiber eben-
falls. Ihr sollt gehen zu einem Schmause, um zu essen. Ich fürchte, icli
muss machen zu warm. Laut müsst ihr singen; bei fönf Feuern habt ihi*
zu singen. Ihr, noch dazu, Weiber und Genossen beginnt zu tanzen mit
Anstrengung; nach und nach sollt ihr Ueberfluss essen morgen. „„Bjrank-
heit will herankommen,"" der Schamane so sagt, manche Tamänuash-
Medicin (zu ihm) „„das ist so,"" sagt; „„an Pocken, sagt sie, wird leiden
(das Volk)"", die Tamänuash, gerade so sagt sie. Es ist klagend das
Volk, all erschreckt durch die Pocken. So der Schamane vor dem Schwitzen
spricht: „„Wie viele Esskübel zählst Du? wie viele, schon, Kübel? Zweimal
zehn und fünf; so viel zähle ich.""
„Diese Anordnungen haben den Zweck, das Volk in dem gemeinsamen
Tanzhause zu sammeln zu einem fünf Nächte dauernden Tanze. Der Tanz
wird rings um die Feuer ausgeführt mit meistens übermenschlichen An-
strengungen, in der Absicht, eine profuse Perspiration hervorzurufen und
dadurch irgend einer Ansteckung durch Krankheit vorzubeugen. Der Be-
schwörer oder Schamane ist betraut mit der feierlichen Aufführung aller
Tänze, von denen die meisten einen religiösen Charakter haben. Diese Art
des Schwitzens heisst „Wäla," während das Schwitzen in einem Temaz-
calli oder Schwitzhause „Spückli" ist Der Kiuks ist eingeführt als alle
diese Worte sprechend. Die Partikel „Mat" bezeichnet die Worte, welche
von einem Anderen als dem Erzähler gegeben werden, i'lks ist der volle
Tisch, Korb oder Kübel, in welchem die Lebensmittel hereingebracht werden;
aber es bezeichnet auch die Nahrung selber und das Tanzfest, bei welchem
sie gegessen wird. Fünffach brennend, weil fiinf Feuer brennen. Die jungen
Männer entkleiden sich während der Feier bis zu den Hüften und beginnen
ihren Tanz, nachdem die Weiber einen beendet haben."
„Yayayä-as (eine Tamänuash-Medicin) bedeutet eine bestimmte
Tamänuash-Zauberkraft, welche den Beschwörer inspirirt; der Beschwörer
erzählt dem Volke, was die Yayayä-as ihm sagt."
„Der Kiuks erhält die Begeisterung durch die Yayayä-as nur nach
dem Schwitzen; dann kann er dem Volke erzählen, wann die E^rankheit
kommen will."
Bei den Dacota und ihren Nachbarn wird bei Krankheiten eine Schwitz-
procedur in Anwendung gezogen, welche von den benachbarten Weissen
als Grund-Schwitzen oder Bodenschwitzen (ground-sweat) be-
zeichnet wird.
„Das wird auf folgende Weise gemacht Ein kleiner Haufen Klötze
wird auf der fiir die Operation bestimmten Stelle verbrannt Wenn die Erde
noch heiss ist, wird eine Aushöhlung gemacht, um den Körper des Patienten
aufeunehmen, in welche er dann gelegt wird, mit der nothwendigen Kleidung,
um den Schweiss zu absorbiren, welche über den Körper gepackt und worüber
heisse Erde gebreitet wird, während nur der Kopf herausragt. Dieser Process
des reichlichen Schwitzens, bei mehr funktionellen Störungen der Gewebe,
68. Das Dampfbad. 137
giebt der capillaren Stnictur einen solchen Impuls, dass die Deposite schnell
entfernt werden."
Eine ganz ähnliche Maassnahme hatte Uughan bei den Austral-
negern von Victoria zu beobachten Gelegenheit „Es wurde ein Loch
in den Boden gegraben von ungefähr ein Fuss Tiefe, auf dessen Boden
dünne Baumrinde gelegt wurde, und auf das Feuer wurden feuchte Blätter
bis zum Rande des Loches gelegt; über dieses Loch stellte sich der völlig
nackte Kranke. Der leidende Körpertheil wird unmittelbar über die Blätter
gehalten und der Hitze des Feuers ausgesetzt, das einen Dampf aussendet,
der nicht entweichen kann, da Opossum-Decken auf das behandelte Indivi-
duum gehäuft werden, dem bald der Schweiss aus jeder Pore quillt".
68. Das Dampfbad.
Die verbreitetste Schwitzprocedur bei den Völkern Amerikas und zu-
gleich die bedeutungsvollste ist aber das Schwitzen im sogenannten Dampf-
bade, in besonders errichteten Schwitzhütten oder Schwitzhäusem. Diese
werden entweder jedesmal für den besonderen Zweck
neu aufgeföhrt, oder es sind ständige Einrichtungen.
Das Letztere ist namentlich im centralen Amerika
der Fall. Hier sind es auch meistens steinerne Ge-
bäude, bisweilen klein, dass nur ein bis zwei Personen
darin Platz finden, bisweilen aber auch gross und ge-
räumig und einer ganzen Anzahl von Menschen gleich-
zeitig Raum gewährend. In den nördlicheren Gegenden Y\g, 58. Schwitzbad der
werden die Schwitzhäuser meistens in Form ganz klei- nordamerikanischen In-
ner Hütten errichtet, mehrere Stangen werden in die Ji^g^ÄeS^MÄ
Erde gesteckt, ihre Spitzen bringt man kuppelförmig brett der Wabeno.
zusammen, befestigt sie in dieser Stellung und deckt Nach Sehoohmft.
den ganzen Bau mit dichtem Blattwerk oder mit
Büffelfellen zu, so dass nur ein lochartiger Eingang und manchmal eine
kleine Luftöflfhung freigelassen wird. Den Boden hat man vorher entweder
ausgehöhlt oder geglättet. Man wählt für die Errichtung solcher Schwitz-
hütten für gewöhnhch eine Stelle hart an einem Seeufer oder an einem
Pluss oder einem Bache aus, um einestheils das zur Erzeugung des
Dampfes erforderliche Wasser bequem bei der Hand zu haben und um
andererseits in der Lage zu sein, dem Dampfbade schnell ein kaltes Bad
folgen zu lassen.
Die Art der Construction dieser für den besonderen Zweck errichteten
Schwitzhütten richtet sich bisweilen auch nach bestimmten rituellen Vor-
schriften; wir kommen darauf noch zurück (Fig. 58).
Die massiv aufgerichteten Schwitzhäuser werden mit einem aztekischen
Worte Temescal oder mit dem spanischen Estufa bezeichnet. Stall
schildert sie uns von den Indianern Guatemalas, bei welchen hierfür
der Quiche-Name Tuh gebräuchlich ist: „In allen den zahlreichen
Dörfern, welche noch indianische Sitte aufrecht erhalten, findet man ge-
wöhnlich hinter dem Wohnhause backofenförmige, halbkugelige Bauten,
138 VII. Die Wafleercur.
deren Durchmesser ond Höhe mehrere Fusa beträgt Sie sind aus Stein
oder Lehmziegelu gebaut Bie EiogangBöSiiuDg ist so klein, dass ein
Mensch eben noch durchkriechen kann. Im Inneren, worin sich dem Kiu-
gang gegenüber ein Paar als Herd dienende Steine befinden, wird Feuer
angemacht, dessen Rauch durch ein in der Kuppel beändliches Loch ent-
weicht. Gleichzeitig werden drei Schüsseln voll Wasser in den Ofen ge-
stellt, und zwar zwei davon neben das Feuer, damit ihr Waaser sich erhitze,
die dritte aber entfernt davon, da ihr Wasser nicht heiss werden soll.
Wenn das Feuer abgebrannt ist, so kriechen eine oder mehrere Personen
nackend in den Temazcal hinein, löschen die Gluth durch üebergiessen
mit Wasser; der sich entwickelnde Wasserdampf, dessen Entweichen durch
Verscbliessen des Eingangs und des Kamins verhindert wird, erfüllt den
Ofen. Die Badenden haben dünne Zweige irgend welcher Pflanzen bei
sich, welche sie in die Schüsseln mit dem heissen Wasser tauchen und wo-
mit sie alsdann sich
selbst oder Einer den
Anderen schlagen, uni
den Ausbruch des
Schweisses zu be-
fördern. In diesem
Dampfbad verweilen
sie etwa zwanzig Mi-
nuten. Das geschil-
derte Verfahren ist
das unter den Po-
konchi - Indianern
von Tactic übliche,
doch glaube ich nicht,
dass erhebliche Ab-
weichungen von dem-
selben anderwärts vor-
kommen. Die haib-
1 Guatemala. kugelige Kuppelbaute
ist fiir den Tuh die ge-
wöhnliche, doch kom-
men auch vierkantige, mit fiachem Dach versehene Schwitzöfen vor" (Fig. 59|.
Die grössten Schwitzhäuser finden sich nach Baneroft bei den Pueblos
in Neu-Mexico. ,Jede8 Dorf hat ein bis sechs dieser eigenthümlichen
Gebäude. Ein grosser halbunterirdischer Raum ist gleichzeitig das Bade-
haus, Bathhaus, Berathungshaus, Clubhaus und Kirche. Es besteht aus
einer weiten Aushöhlung, deren Dach fast in gleicher Ebene mit dem Erd-
boden ist, manchmal ein wenig darüber, und getragen wird von dicken Balken
oder Pfeilern von Mauerwerk. Rund um die Wände laufen Bänke, und in
der Mitte des Estrichs ist ein viereckiger Steinherd fiir das Feuer. Der
Eintritt geschieht mit Hülfe einer Leiter durch ein Loch in der Decke, das
gerade über dem Feuerplatze angebracht ist, so dass es zugleich als Venti-
lator dient und dem Rauch ireien Austritt gestattet Gewöhnlich sind sie
von runder Form und von grossen und kleinen Dimensionen. Sie sind ent-
weder innerhalb des grossen Bauplatzes errichtet, oder in den Hof ausser-
68. Das Dampfbad. 139
halb desselben eingegraben. In einigen der Rainen werden sie gefunden,
erbaut anf der Mitte von dem, das einst ein pyramidaler Pfeiler war, und
vier Stockwerke hoch. In Jemez ist die Estnfa von einem Stockwerk, 25
FuBa breit und 30 Fusb hoch. Die Ruinen von Cbettro Kettle enthalten
6 Estufas, jede 2 oder 3 Stockwerke hoch. In Bonito sind Estufas
175 Fuss im umfange, erbaut ans abwechselnden Schichten von dicken und
dünnen Steinplatten."
In den kleinen Schwitzhütten der nördhcheren Stämme wird die Ent-
wickelung des Dampfes dadurch liervorgerufen, daas Steine glühend gemacht
tind dann mit Wasser übergössen werden. Bisweilen macht man die Steine
neben der Hiitte glühend und bringt sie dann erst in die Hütte hinein,
in anderen Fällen aber findet die Erhitzung der Steine gleich auf dem Boden
der Hütte Statt Letzteres scheint das häufigere zu sein. Die auf diese
Weise hervorgerufene Entwickelung des Dampfes wird als eine ganz ge-
waltige geschildert, als „wahrhaft erstickend", und er erzeugt in kurzer Zeit
eine sehr hochgradige Transpiration. Die Schwitzhiitte der Dacota-In-
dianer ist nur 3 — 4 Fuss breit und ebenso hoch; die glUhend gemachten
Steine haben jeder einzelne ein Gewicht von 3 — 4 Kilo. Bei den Nez-
Perc^z hat dagegen die Schwitzhütte bei 3 bis zu 8 Fuss Höhe oft einen
Durchmesser von 15 Fuss. In einer so kleinen Hütte muss der Patient
natürUcher Weise hockend verweilen, während ein Gehülfe ihm die glühenden
Steine mit Wasser begiesst.
Bei den Central-Mexicanern wird der Patient mit den Füssen
voran wie in einen Backofen hineingeschoben und er liegt dann, durch eine
untergebreitete Matte geschützt, auf den heissen Steinen mit dem Kopfe in der
140 VII. Die Waßsercur.
Nähe des Luftloches. In den grösseren Temescali liegen die Schwitzenden
mit den Füssen gegen das Feuer gekehrt Bei den Itouquouyennes-
Indianern in Süd-Amerika wird der Patient oberhalb der Steine in einer
Hängematte gelagert (Fig. 60). Diese Proceduren werden stets Yollständig
nackend vorgenommen. Unmittelbar aus dem Schwitzraume mit seiner oft
wahrhaft erstickenden Luft stürzen sich die Indianer in das kalte Wasser
des benachbarten Flusses.
Im Principe sehr ähnlich ist eine Schwitzvorrichtung, wie sie die Nar-
rinyeri in Süd-Australien bei rheumatischen Afifectionen anwenden«
„Sie zünden ein Feuer an und machen Steine heiss, wie zum Kochen. Dann
machen sie eine Art Gestell aus Stangen und der Kranke wird darauf ge-
setzt Unter das Gestell bringen sie einige der heissen Steine und giessen,
nachdem sie den Kranken mit Wolldecken bis zum Kopfe eingehüllt und
die mit heissen Steinen bedeckte Stelle ebenso abgeschlossen haben, Wasser
auf die Steine und der Dampf steigt dann unter den Decken auf und hüllt
den Körper der Patienten ein. Diese Behandlungsmethode ist oft sehr er-
folgreich."
In Nord-Californien wird das Feuer im Temescal im Anfange
des Winters entzündet und darf bis zum Frühjahr nicht erlöschen. Diese
Art der profusen Schweissentwickelung wird gegen allerlei Krankheit an-
gewendet, aber es ist auch eine hervorragend hygieinische Maassnahme, um
sich den Körper gesund zu erhalten. Doch das Schwitzhaus dient auch
rituellen Zwecken, und keine wichtige politische und religiöse Vornahme^
kein Medicin-Tanz , ja nicht einmal die Besichtigung seiner Medicamente
seitens des Medicin-Mannes kann vorgenommen werden, ohne dass zuvor
die spedell bei der Feier Betheiligten die reinigende und heiligende Ein-
wirkung eines Schwitzbades hätten auf sich einwirken lassen. Darum ist
bei manchen Stämmen das Schwitzhaus nur den Auserwählten zugänglich.
Weiber dürfen bei den Schastas und einigen anderen Stämmen nur hinein^
wenn sie dem ärztlichen Stande angehören. Bei den Pueblos schlafen die
Männer im Temescal und die Frauen dürfen ihnen nur das Essen dorthin
bringen. Gottesdienste und Rathsversammlungen werden darin abgehalten.
Bei den Dacota und den benachbarten Indianern wird die gewöhnliche
Schwitzhütte aus vier Pfosten, diejenige für feierliche Vornahmen aus acht
Pfosten construirt. In letzterem Falle werden auch acht glühend gemachte
Steine hineingebracht Wenn es sich aber um ein besonders grosses Medicin-
Fest handelt, dann sind für die Schwitzhütte neunzig Pfosten und neunzig
Heizsteine erforderlich.
Ueber die Schwitzhütten erhielt Gatschet von einer Klamath-
Indianerin in Oregon folgenden Bericht: „Das Seevolk hat zwei Arten
von Schwitz-Hütten. Zu weinen über einen Todten, sie bauen Schwitz-
Hütten, den Boden ausgrabend; sie werden gedeckt, diese Schwitz-Hütten,
mit Erde zugedeckt. Eine andere Schwitz-Hütte bauen sie von Weiden,
einem kleinen Cajüten-Fenster ähnlich. Blankets breiten sie über die
Schwitz-Hütte, wenn in ihr sie schwitzen. Wenn Kinder sterben, oder
wenn ein Ehemann Wittwer wird, oder die Frau verwittwet wird, sie weint
aus Ui*sache des Todes, gehen schwitzen viele Angehörige, die er zurück-
gelassen hat; ftinf Tage schwitzen sie dann. Sammelnd die Steine, sie
machen sie heiss, sie häufen sie auf (nach dem Gebrauch); diese Steine
68. Das Dampfbad. ' 141
halben niemals gedient zum Schwitzen. Die Schwitz-Hütte, vor ihr machen
sie sie heiss, heiss wenn sie sind, sie bringen zugleich sie hinein, giessen
SLuf sie Wasser, sie besprengen. Sie schwitzen dann mehrere Stunden und
^wenn sie hinreichend gewärmt sind, so verlassen sie und sie kühlen sich
selbst ab, ohne Anzug, nur baden gehen in einen Bach, Fluss oder See
dabei. Sie wollen schwitzen für lange Stunden, um sich stark zu machen,
so biegen sie nieder junge Fichtenzweige, sie binden zusammen kleine
Saiimzweige mit Stricken. Von Weidenrinde die Stricke sie machen. Nach
Hause gehend häufen sie Steinhügel auf, kleine Steine zur Erinnerung an
den Todten, Steine von gleicher Grösse aussuchend.^
VIII.
Massagecuren.
69. Die Intime Hassa^.
Einer Behaüdlnngsmethode haben wir noch zu gedenken, welche nament-
lich in Japan und in niederländisch Indien eine weite Verbreitung
gefnnden hat Die Japaner nennen sie Ambuk (Fig. 61), die Malayen
Pitjak. Es ist eine regelrecht ausgefiihrte Massage. Die höchst angenehme
und wohlthätige Wirkung derselben wird uns von den verschiedensten
Seiten bestätigt Das Gefühl der Ermüdung und Mattigkeit soll schnell
dadurch schwinden und allerlei Schmerzen werden eiligst durch sie beseitigt
Es möge genügen, wenn wir hier anfuhren, was Tlumsen aus persönlicher
Erfahrung über diese Maassnahme sagt Er lernte sie auf der Osterinsel
Fig. 61. UoMBge.
Im BesItE dea
kennen, wo sie mit dem Namen Lomilomi bezeichnet wird: „Bei mehr als
einer Gelegenheit habe ich mich selber von der Thatsache überzeugt, völlig
erschöpft durch Ueberanstrengung, und mich den geschickten Knetungen,
Frictionen und dem Streichen und Drücken der in dieser Behandlung Be-
wanderten überlassend. Der hartfäustige Eingeborene ist keineswegs zart
bei der Operation, sondern mit den Handflächen und Knöcheln traktirt er
gewaltig jeden Muskel und jede Sehne sowohl, wie auch jedes Gelenk und
jeden Wirbel, bis der erschöpfte Patient in einen Zustand von vergessender
Somnolenz sinkt"
Selbst auf die ungünstige Lage der Frucht im Mutterleibe vermögen
geschickte Masseure verbessernd einzuwirken, wie uns mancherlei Angaben
Über die malajischen Völker bestätigen. Dass auch in Persien und in
Birtela, HedldD der Nfttnrvalksr. 10
146 VIIL Massagecuren.
der Türkei das Kneten eine sich dem Bade gewöhnlich anschliessende
Maassnahme ist, das dürfte wohl allgemein bekannt sein.
Von den Samoanern berichtet Turner: „Massage und Einsalbungen
mit wohlriechendem Oel ist bei den eingeborenen Aerzten gewöhnlich und
hierzu werden häufig Zaubermittel gefugt, bestehend aus Waldblumen in
einheimisches Zeug gewickelt und auf einen sichtbaren Platz auf das Dach
über dem Bjranken gelegt."
70« Die Tersteekte Massage.
Viele Manipulationen der Medicin-Männer nun können wir nicht um-
hin, ebenfalls als eine Form der Massage anzusprechen. Wenn wir er-
fahren, dass der Medicin-Mann den Patienten mit den Händen knetet und
packt, ihn mit den Fäusten, den Knieen und den Füssen drückt, ihn schlägt,
ihn stösst und seinen Körper reibt, während er dabei seine monotonen Be-
schwörungsgesänge erschallen lässt, so ist das doch eine Massage, die er
ausfuhrt; und wenn wir auch sehr gern anerkennen wollen, dass bei der
Beseitigung der Beschwerden des Kranken die durch des Medicin-Mannes
wundersames Gebahren hervorgerufene Suggestion eine erhebliche Bx)lle
spielt, so werden wir die Heilwirkung dieser massirenden Handgriffe doch
auch nicht unterschätzen dürfen.
Wenn einem Siamesen von einem bösen Feinde, gewöhnlich von
einem Laoten, durch Zauberei Dämonen (Phi Phob) in den Körper getrieben
wurden, so lässt er einen Mo -Phi, einen Dämonenarzt rufen, deren be-
rühmteste Cambodjer sind. Dieser vertreibt ihm die bösen Geister „durch
Fächeln und Reiben mit Heilkräutern". Auch bei den Mincopies auf
den Andamanen ist solch ein Reiben im Gebrauch. Hier übernehmen
die Freunde eines am Fieber Erkrankten den Liebesdienst, ihren kranken
Genossen fortwährend mit grossen Gu' gm a -Blättern zu reiben. „Da nur
eine kleine Anzahl dieser Fälle tödtlich endet, so wird ein grosses Vertrauen
in diese Behandlung gesetzt, welche jedenfalls keinen Schaden anzurichten
im Stande ist"
Ttimer berichtet von der Südsee-Insel Fakaofo oder der Bow-
ditch-Insel. „Abgesehen von dem Gotte Tut ToJcelau war hier ein be-
sonderer, Ki-ankheiten verursachender Gott, dessen Priester vom Ki-anken
Opfer von feinen Matten empfing. Wenn die Freunde des Ki-anken ein
Geschenk zu dem Priester brachten, so versprach er, zu dem Gott für die
Wiederherstellung zu beten, und dann ging er zum Kranken und salbte
ihm den befallenen Theil mit Oel. Er benutzte kein besonderes Oel. Wenn
er sich niedergesetzt hatte, so rief er irgend Jemanden von der Familie,
ihm Oel zu reichen, und nachdem er die Hand in die Schale getaucht
hatte, strich er sanft zwei bis dreimal über den befallenen Theil. Medicin
wurde für den Kranken nicht benutzt Wenn der Körper heiss war, legten
sie ihn in kaltes Wasser; wenn er kalt war, zündeten sie ein Feuer an
und wärmten ihn,"
Die wohlthätige Wirkung eines circulären Druckes, um bestimmte
Schmerzen zu lindem, ist den Naturvölkern wohl bekannt Ein circulär
um den Kopf gelegtes Band oder Tuch wird fest zusammengeschnürt in
70. Die versteckte Massage. 147
Mittel-Sumatra, sowie bei den Australnegern vom Port Lincoln und
von Victoria.
Am Yukon-Fluss in Alaska sah Jacohsen die Behandlung eines
an einem epidemischen Schnupfen und Husten (also vielleicht an einer
Influenza) erkrankten Mädchens. „Während sie schwach und kraftlos dalag,
band der Medicin-Mann einen Lederriemen um ihren Kopf, steckte einen
Stock durch den Riemen und hob den Kopf mit jeder Minute hoch und
senkte ihn wieder hinab. Dabei führte er ein ernstes Gespräch mit dem
Teufel (TawraWi indem er denselben bald heftig bedrohte, bald ihn flehent-
lich bat, die Patientin zu verlassen, indem er ihm zugleich „Tobaky*^
versprach."
Bei den Australiern ist auch ein sehr festes Zuziehen des Gürtels
gebräuchlich, um sich von Schmerzen zu befreien. Ein bevorzugtes Mittel
bei den Skagit-In-
dianern in Bri-
tisch - Columbien
in der Lungen-
schwindsucht ist das
Herumbinden eines
Strickes fest um den
Brustkorb, um auf
diese Weise das
Zwerchfell zu zwin-
gen, dass es tiefe
Respirations - Beweg-
ungen macht, ohne
die Hülfe der Brust-
muskeln in Anspruch
zu nehmen.
Die Mincopies
auf den Andama-
i%r XI. J3 1. • j ^9* ^^* Tschon-ga-tah, zauberkräftiges Halsband aas Menschen-
Methoden, bei denen knochen. Mincopies (Andamanen),
die Circuläre Um- Mus. f. Völkerkunde, Berlin. — Nach Photographie.
Schliessung des lei-
denden Theiles zur Geltung kommt: „Gegen Husten kauen sie den dicken
Theil der langen Blätter einer ji-ni genannten Pflanze (Alpinia spec), und
wenn sie den bitteren Saft ausgekaut und heruntergeschluckt haben, binden
sie die ausgekauten Fasern rings um den Hals."
Bei allerlei schmerzhaften Krankheiten aber umgeben sie den kranken
Körpertheil mit einer besonderen Art ihrer Halsbänder, welche den Namen
Tschon-ga-tah fiihren (Fig. 62). Diese Halsbänder sind überwiegend aus
Menschenknochen, bisweilen auch aus denen der Schildkröte gefertigt und
ausserdem mit Dentalium octogonum oder Helix- Arten verziert. Die Knochen
sind mit rother Farbe dick überstrichen, so dass sie nur mit ihren Enden frei
aus dieser aufgetragenen farbigen Masse hervorsehen. Sie sind auf ebenfalls
rothgefärbte Bindfäden mit Hülfe von Durchbohrungen in ihrer Längsaxe
aufgereiht. Einzelne Knochen sind auch ausserdem noch in rothe Lappen ge-
wickelt. Es wird bei diesen Menschenknochen, wie Man berichtet, nicht für noth-
10*
148 VIII. Massagecuren.
wendig erachtet, dass sie einem Erwachsenen augehört haben; auch diejenigen
von Kindern werden als wirksam betrachtet und das in Fig. 62 abgebildete
Tschon-ga-tah enthält unter anderen ein Wadenbein und zwei Schlüsselbeine
von Kindern. Ausgefallene Zähne und Kieferstücke, sowie auch die Knochen
schon vor langer Zeit Verstorbener werden ebenfalls bisweilen zu solch
einem Halsschmucke verarbeitet Der Glaube ist, dass durch die Wirksam-
keit des entkörperten Geistes, dem einstmals diese Knochen angehörten,
dem Träger vor den Dämonen der Krankheit Schutz gewährt wird aus
Dankbarkeit für die Achtung und das Gedenken, was man dem Geiste
dadurch erweist, dass man seine Knochen als Halsschmuck trägt
Nicht selten borgen auch mehrere Freunde gleichzeitig dem Kranken
ihren Halsschmuck, damit er sein krankes Glied damit umschlingen könne.
Dass die Medicin-Männer bei ihren massirenden Handgriffen für ge-
wöhnlich nicht gerade sehr zart vorgehen, das haben wir schon von den
Oster-Insulanern erfahren. Es wird uns allerdings mehrmals nur von
einem Reiben berichtet, so aus Kroe und Mittel-Sumatra, von den
Tamamadi-Indianern und aus Victoria; aber hier wurde wenigstens
in einem Falle das Reiben mit heisser Asche so gewaltsam vorgenommen,
„als wenn der Schlächter Fleisch einsalzen wolle". Sonst wird vom Pressen.
Kneten und Drücken gesprochen, was mehrmals noch besonders als stark
bezeichnet wird. Nicht nur die Finger, sondern auch die Fäuste, ja selbst
die Kniee werden hierzu benutzt und bei den Narrinyeri in Süd-
Australien wird dieses fortgesetzt, bis der Ki-anke stöhnt Der Bauch und
die Herzgrube sind für diese Maassnahmen besonders beliebt Vielfach
wird auch vom Stossen und Schlagen des Körpers gesprochen, und wenn
man sich klar macht, wie der Medicin-Mann bei seinen Beschwörungs-
versuchen tanzt und umherspringt und immer wieder über den Patienten
herfällt, so kann man es sich ja auch deutlich vorstellen, wie selbst jene
Handgriffe, die er als zarte beabsichtigt, doch einen gewissen Grad von
Gewalt und Heftigkeit erhalten müssen. Es wird uns kaum befremden,
dass bei solch rohem Vorgehen der tödtliche Ausgang öfter beschleu-
nigt wird.
Bei den Australnegern und den Annamiten werden auch die Füsse
zum Massiren gebraucht Die Eingeborenen von Victoria treten den Bauch
und den Rücken des Kranken, der zu diesem Zwecke bisweilen von vier
Schwarzen gehalten wird. Manchmal geht es sehr roh hierbei zu: der
Medicin-Mann „setzt seinen Fuss an das Ohr des Patienten und presst
dasselbe, bis dem Kranken buchstäblich das Wasser aus den Augen strömt"
Dem Berichterstatter sind aber Fälle bekannt, wo durch diese Gewaltmaass-
regel die völlige Heilung herbeigeführt wurde. Auf einer Handzeichnung
von George GatUn sehen wir, wie der Medicin-Mann der Schwarzfuss-
In dianer dem Kranken seinen Fuss auf den Bauch gesetzt hat (Fig. 63).
Von den Australneger-Stämmen am Port Lincoln wird der Unter-
leib des Kranken getreten, es wird aber ganz besonders hervorgehoben, dass
dieses Treten ein sanftes ist. Sanft tritt auch die Hebamme bei den Anna-
miten den Leib der soeben entbundenen Frau, um so die Nachgeburt zu
entfernen. Sie hält sich dabei an einem Dachbalken des Hauses schwebend
fest und steigert dann allmählich den Druck, so dass die Procedur ftir die
Frau doch schliesslich eine ganz empfindliche wird.
70. Die v«rBteckte Massage. 149
Aber das KDeten, Il«ibeii imd Streichen kann auch ganz sanft aus-
geßUirt werden, namentlich wenn weibliche Hände die Massage TollfUhren:
Settnuel Ella eah oft in den Hütten der Südsee-Insulaner den Ehegatten
oder den Sohn mit dem Kopfe auf dem Schoosse des "Weibes liegen, das
langsam und bedächtig mit ihren Händen, oder besser noch mit ihren
Fingerspitzen die Stirn, die Schläfen and den Scheitel in ihrem Schoosse
knetete, und dabei leise ein Lied vor sich hin sang. Das wirkt« besser, wie
ein Narcoticum. Der ECranke schlief ein und wenn er erwachte war die
Neuralgie und der Kopfschmerz verschwunden.
Wenigstens im Anfange santl ist auch eine Art der Massage, welche
die Eingeborenen von Victoria bei Kheumatismus und ähnlichen Be-
schwerden anwenden. Der Arzt setzt sich dem Kranken gegeaüber, stimmt
einen eintönigen Gesang an und streicht in Zwischenräumen abwärts über
den befallenen Theil. Allerdings schliesst sich dann diesem Verfahren auch
das Heiben mit heisser Asche und das Schlagen gegen den Körper an.
Im westlichen Borneo haben die Medicin-Männer die Gewohnheit,
ihre Patienten stundenlang mit einer Art von Steinen zu bestreichen, welche
sie behaupten von den Geistern bekooimen zu haben. Es ist wohl hier
nicht zu bezweifeln, dass solch ein Bestreichen, welches mehrere Stunden
ohne Unterbrechung anhält, nicht ohne eine hypnotiscbe Einwirkung auf
den Kranken abgehen kann.
IX.
Verhaltungsvorschriften für den
Kranken.
/
71. Die DUt.
An manchen Anzeichen konnten wir bereits erkennen, dass den Natur-
YÖlkem ein gewisses Yerständniss für hygieinische und prophylactische Maass-
regeln nicht vollständig unbekannt ist Und so finden wir auch bei ihrer
Krankenbehandlung einiges, was wir der grossen Gruppe der diätetischen
Vorschriften einzureihen vermögen. Nicht Alles erscheint uns hier zweck-
mässig und nachahmungswerth, und vielfachen Aberglauben sehen wir hier-
mit verquickt Manches aber mag fiir gewisse körperliche Leiden ganz
rationell und zweckmässig sein, z. B. ihre Brechmittel und Purganzen.
Bei der Besprechung dieser im Allgemeinen als diätetisch zu bezeichnenden
Verordnungen beginnen wir zuerst mit der Diät Prophylactisch spielt
dieselbe eine grosse Rolle während der gesammten Schwangerschaft. Allerlei
Speisen sind sorgfältig zu meiden, weil sie dem im Mutterleibe keimenden
Leben Schaden und Ej-ankheit zu bringen vermögen. Ja selbst auf den
Vater werden diese Speiseverbote ausgedehnt, und eine Uebertretung der-
selben von seiner Seite vermag ebenfalls den Embryo schwer zu schädigen
und dessen Seele zu beunruhigen. Auch nach einem Traume darf man
nicht zu frühzeitig Nahrung zu sich nehmen, weil man sonst den Seinigen
Krankheiten zu bringen vermag. Wir ersehen das aus dem Beschwörungs-
gesange eines Medicin-Mannes der Klamath-Indianer, welcher lautet:
„Deshalb war dieser (der Patient) beschädigt, weil die Mutter nach dem
Träumen in der Prühe gegessen hatte. Nun kehrt er gegen das Öeisterland
sein Gesicht**
Den Ipurina-Indianern ist das Harpuniren der Flussrochen ver-
boten, weil der Genuss ihres Fettes Blindheit verursachen soll.
Aber nicht nur als vorbeugende Maassregel, sondern auch in den Fällen
von wirklicher Erkrankung treten uns diätetische Vorschriften mehrfach
entgegen. Bei einer antisyphilitischen Cur ist es den Marokkanern vor-
geschrieben, das Wasser nur in abgekochtem Zustande zu gemessen. Auch
dieDacota-Indianer halten bei Krankheiten das Wassertrinken für schäd-
lich, weil es Galle erzeuge. Ihre Patienten dürfen nur bestinunte medica-
mentöse Tränke, die schleimig, bitter oder adstringirend sind, zu sich nehmen,
um ihren Durst zu stillen. Die Chippeway verbieten das Wasser, wenn
eine Wolfsmilchart (Euphorbia coroUata) als Abführmittel verordnet ist
Eine Reihe von Todesfällen werden auf die Uebertretung dieses Verbotes
geschoben. Den Australnegern in Victoria verbieten ihre Medicin-
154 IX. Verhaltungsvorschriften für den Kranken.
Männer, wenn sie an Fieber leiden, animalische Kost. Die Indianer von
Honduras setzen ihre Kranken auf eine strenge Diät, welche hauptsäch-
lich aus Iguana-Brühe bestehen soll. Die Neu-Mexicaner unterziehen
sich bei Hautkrankheiten einer Hungercur. Die Dacota- In dianer stopfen
ihre Patienten mit Fleisch und starken Suppen.
„Nach der Ansicht der chinesischen Aerzte, schreibt Bastianj rühren
fast alle Krankheiten, mehr oder weniger direct, von Flatulenz her, weshalb
die Ja-Lom genannten Medicinen vielfach gebraucht werden, um als Carmi-
native die Winde (Lom) abzutreiben. Hühner und Orangen werden von
den Siamesen unter diejenigen Dinge gerechnet, die Salong sind, d. h.
dem Kranken schädlich und deshalb von ihm zu vermeiden. Andere Ess-
sachen müssen dagegen bis zum letzten Augenblick eingestopft werden, um
Leib und Seele zusammenzuhalten."
Die Eingeborenen der Inseln Leti, Moa und Lakor haben bei der
Kolik Fleisch, Fische, Zucker und spanischen Pfeffer zu meiden. Den
Watubela-Insulanem ist bei dem Aussatz den Octopus (Tintenfisch) zu
essen verboten. Die Pockenkranken in Mittel-Sumatra dürfen nichts
Saures und keinen Pfeffer gemessen, und bei den Annamiten dürfen sie
zur Zeit der Abschuppung keine schuppentragenden Fische essen. Dafür
isst man, um die zurückbleibenden rothen Flecke schnell zu vertreiben, Krebse
und Krabben. Auch Nudeln dürfen pockenkranke Annamiten nicht essen,
wegen der Aehnlichkeit derselben mit Würmern. Sie furchten, dass diese
in die durch die Krankheit einweichten inneren Organe in die Leber und
die Lungen eindringen und so den Tod verursachen könnten.
Ein wichtiger Gesprächsstoff bei gemeinsamen Mahlzeiten, sowie ein
Hauptgegenstand der Erörterung bei ärztlichen Consultationen bildet auch
in Persien die Diät. Namentlich sind es Reissuppen mit den verschieden-
artigsten Zusätzen, welche an dem Abfiihrtage oder in der Reconvalescenz
dem Patienten zu verordnen sind. „Auf die passende Wahl dieser Ingre-
dienzien, sagt Poldk, Granatäpfelkömer, Pflaumen, Ox3rmel, Orangen-, Li-
monen- und saurer Traubensaft, Essig, Dill, Linsen, Wicken, saure Milch,
Knoblauch, Tamarinden, Chamillen, Kürbis u. s. w. wird grosses Gewicht
gelegt, da man jedem einzelnen sowohl, als den verschiedenen Mischungen
eine specielle Wirkung zuschreibt."
73. Sonstiges Yerhalten«
Es sind aber auch noch fernere Vorschriften, welche, abgesehen von
der leiblichen Ernährung, den Kranken von ihren Medicin-Männem gemacht
werden. Eine solche treffen wir z. B. bei den Annamiten und wiederum
während der Pocken an. Der Reconvalescent darf nicht barfuss gehen, aus
Furcht, auf Hühnermist zu treten; denn das würde unfehlbar einen Rück-
fall zur Folge haben. Diese und die vorher erwähnte Vorsicht, d. h. die
Vermeidung des Nudelessens, müssen möglichst lange beobachtet werden,
mindestens aber während dreier Monate und zehn Tage.
Die Walla-Walla-Indianer in Nord-Amerika weisen ihre Recon-
valescenten an, täglich mehrere Stunden zu singen. Ob hier die Absicht
vorliegt, die Lunge und die Brustmuskeln zu üben, oder ob es sich allein
72. Sonstiges Verhalten. 155
um Beschi^örungsgesänge oder Dankeslieder handelt, darüber ist uns nichts
Näheres bekannt Wenn die Samoaner glauben, dass die Le Sa (das
heilige Wesen) genannte Gottheit in einem Krankheitsfälle versöhnt werden
müsse, so rodet der Kranke als Sühne ein Stück Waldland aus, was
sicherlich für mancherlei Yerdauungsbeschwerden eine unfehlbare HüKe
schaffen muss.
Das Schlafen des Kranken wird unter Umständen für schadenbringend
angesehen. So liess eine Indianer-Frau vom Leech Lake, um ihren
schwer erkrankten zehnjährigen Sohn wiederherstellen zu lassen, zehnMedicin-
Männer herbeirufen, damit sie den Medicin-Gesang sängen. Jeder musste
Tier G-esänge anstimmen, und während dieser ganzen Zeit durfte das arme,
kranke Kind nicht schlafen. Die Nieder-Californier wiederholen bei
ihren Schwerkranken zu Haus die Manipulationen, welche sie den Medicin-
Mann haben verrichten sehen. Versucht der Patient aber einzuschlimmiem,
so halten sie das für den herannahenden Tod, und sie wecken ihn dann
durch Stösse und Püffe, die sie gegen seinen Kopf und seinen Körper aus-
fuhren, in der Absicht, ihm das Leben nicht entfliehen zu lassen.
Ganz besonders vorsichtig muss sich nach einem in Marokko herr-
schenden Glauben derjenige halten, welchem die Syphilis vertrieben werden
soll. !Er muss allein in seinem Zimmer bleiben und darf durch Nichts be-
lästigt und von keinem Gläubiger behelligt und bedrängt werden. In
letzterer Beziehung schützen ihn die Gerichta Aber auch in geschlecht-
licher Beziehung muss er jegliche Aufregung meiden; nur eine alte Erau
oder ein männlicher Verwandter darf, um ihn zu bedienen, sein Zinmier
betreten. Ist dem Elranken dennoch eine Aufregung nicht erspart geblieben,
so muss man ihn mit Bosmarin durchräuchern, um den Schaden wieder
gut zu machen.
Einer besonderen Maassnahme haben wir noch zu gedenken, welcher
wir auf den Watubela-Inseln begegnen. Wenn hier ein Säugling von
Krankheit befallen wird, so ist die Mutter verpflichtet, die ihm verordneten
Medicamente einzunehmen, damit sie dem Kinde durch die Muttermilch
zugeführt werden.
X.
Die übernatürliche Diagnose.
73. Laien diagnosticiren die Krankheit.
Phantastisch, wie ihre Auffassung der Krankheit, sind bei den Natur-
völkern auch vielfach die ärztlichen Behandlungsmethoden. Ist die Gott-
heit erzürnt, oder ein Gebot übertreten, so ist es die Sache des Medicin-
Mannes, zu bestimmen, durch welche Opfer man ihren Zorn zu besänftigen
und die begangene Sünde zu sühnen vermag. Hat ein Dämon sich des
Kranken bemächtigt, so muss er verjagt und vertrieben, oder gütlichst über-
redet oder durch TJeberlistung veranlasst werden, die neubezogene Wohnung
wieder zu verlassen. Die entflohene Seele, den entfiihrten Schatten, das
geraubte Nierenfett u. s. w. muss man dem Räuber abjagen und in den
Körper des Kranken wiederum zurückbringen, eine böswillige Bezauberung
muss man durch kräftigen Gegenzauber brechen. Ist die Krankheit ein
Fremdkörper oder ein in den Leib des Patienten hineingezaubertes Thier,
so ist es die Aufgabe des Arztes, diese Dinge wieder herauszubefördern.
Hiermit wird bisweilen gleichzeitig auch der Versuch zu verbinden sein, die
Letzteren irgendwo festzubannen, sie zu vernichten und auf immer unschäd-
Uch zu machen.
In manchen Fällen ist bei diesen Maassnahmen der Medicin-Mann mit
dem Kranken allein; in der Begel aber sind die Verwandten und Freunde
zugegen, und zuweilen sogar wird die Krankenbehandlung zu einer grossen
öffentlichen Schaustellung, zu einer rituellen Ceremonie, zu einem „Medicin-
Tanze", wozu nicht nur die Gaugenossen sich einfinden, sondern von weit
und breit viel Volks zusammenströmt.
Wir können es der Vollständigkeit wegen nicht unterlassen, hier einige
Beispiele solcher übernatürlicher Heilversuche folgen zu lassen; denn hier
und da sind ihnen Manipulationen beigemischt, welche auch in dem Heil-
nüttelschatze der Cultun^ölker allmählich sich eine vollberechtigte Stellung
erworben haben. Dahin gehört die kräftige Massage, nebst der Hypnose
und der Suggestion.
Soll die ärztliche Behandlung von einem günstigen Erfolge gekrönt
sein, so kommt es natürlicher AVeise vor Allem darauf an, zuvor die richtige
Diagnose zu stellen, sich über die Aetiologie der Krankheit, über ihre Ent-
stehungsursache ein klares Bild zu machen, denn hiervon hängt ja doch
ganz wesentlich die Wahl der richtigen Methode der Behandlung ab. Um
diesen Zweck nun sicher zu erreichen, werden von den Naturvölkern ver-
schiedenartige Wege eingeschlagen.
160 X. Die übernatürliche Diagnose.
Fast müsste es als überflüssig erscheinen, wenn wir hier noch zuvor
auf die Erörterung der Frage eingehen, wer denn nun eigentlich diese
Diagnose stellt und ihr entsprechend die Behandlungsmethode auswählt.
Man sollte meinen, dass dieses stets das Amt und Vorrecht des Medicin-
Mannes sei. Für die Mehrzahl der Fälle triflft; das nun allerdings auch zu,
wir begegnen aber auch einigen interessanten Ausnahmen von dieser Kegel.
Wenn bei den Indianern in Central-Mexico Jemand erkrankt,
so kommen seine Freunde und Verwandten bei ihm zusammen, um über
die Natur seines Leidens und über die dagegen einzuschlagende Curmethode
eine Berathung abzuhalten. Auch bei den Navajo von Arizona finden
wir etwas ganz Aehnliches. Wenn hier ein Kranker es flir wünschens-
werth hält, dass zu seiner Wiederherstellung ein grosser Medicin-Tanz al>-
gehalten werde, so ist es auch nicht der Medicin-Mann, der die für diesen
Krankheitsfall geeignete Art des Medicin-Tanzes bestimmt, sondern die
Freunde und Verwandten des Erkrankten stellen fest, welcher von den ver-
schiedenen Medicin-Tänzen für diese Krankheit von dem Medicin-Manne
inscenirt werden soll. Das klingt nun sehr absonderlich, und dennoch müssen
wir uns fragen, kommt denn bei uns in Europa gar nichts Derartiges vor?
Sehen wir denn nicht bei unserem Landvolke im Grunde genommen ganz
das Gleiche? Ist es denn nicht auch hier der hohe Familienrath und zwar
vorzugsweise der weibliche Theil desselben, welcher sich um das Kranken-
bett versammelt und auf das Eingehendste deliberirt und erörtert, wo der
Patient die Krankheit her hat, „wovon es sich angesponnen hat" und wen
von dem grossen Heilpersonale man nun herbeiholen müsse, den Kräuter-
mann, den Besprecher, den Gliedersetzer oder die Streichfrau, oder vielleicht
gar den Pater Kapuziner, um „das böse Wesen" zu vertreiben?
Bei den Samoanern hatten wir schon gesehen, dass es der Priester
ist, welcher den Grund der Krankheit angiebt. Er bestimmt aber zugleich
auch die Opfergaben, welche dem Patienten die Heilung verschaffen werden.
Aber auch wenn bei den Naturvölkern sofort der Medicin-Mann herbei-
gerufen wird, bedarf er doch bisweilen noch einer besonderen Mittelsperson
behufs Entscheidung der Diagnose. Bei den von Serpa IHnto besuchten
Ganguella-Negern amZambesi wendet man sich zu diesem Zweck zu-
vor erst an den Wahrsager, und nach dessen Ausspruch richtet dann der
Medicin-Mann seinen Heilplan ein. In Buru muss der Arzt ein Weib erst
in einen hypnotischen Zustand versetzen, in welchem sie dann die wahre
Ursache der Erkrankung zu erkennen vermag. Auch der Medicin-Mann
der Annamiten bedarf fiir die Stellung der Diagnose einer besonderen
Mittelsperson. Es ist das der sogenannte Ngoi kinh, sein ständiger Ge-
hülfe. Auch diesem scheint ein hypnotischer Zustand die Fähigkeit des
Hellsehens zu verleihen. Man setzt ihn hinter einen Bambusschirm, welcher
dann dicht mit Decken umhüllt wird. Ein Opfer wird fiir den Ngof kinh
dargebracht und darauf zeigt man ihm ausserhalb der Umhüllung irgend
einen Gegenstand, welchen er nun erkennen muss, um dadurch zu prüfen,
ob er nun hellsehend geworden ist. Er spricht in seinem Käfig ein Gebet
und er sieht dann eine leuchtende Klarheit vor seinen Augen niedersteigen,
welche ihn den vorgehaltenen Gegenstand deutlich erkennen lässt Nun
schreitet der Thäy pliäp zur Ceremonie. Unter körperlichen Verrenkungen
lässt er seine Anrufungen erschallen, und nach einiger Zeit erblickt dann,
74. Der Medicin-Mann stellt die Diagnose. 161
wenn die Beschwörungen erfolgreich sind, das Medium einen Schatten,
welcher von dem Opfer isst. Dieses theilt er nun dem Medicin-Manne und
den anwesenden Zuschauem mit, denn dieser Schatten ist der Dämon,
welcher die Krankheit verursacht hat Nun ist der Thäy phäp orientirt
und seine Sache ist es jetzt, mit diesem Dämon fertig zu werden.
Bei den Loango-Negern lässt man nach Bcistian in Krankheitsfällen
einen im Prophezeien geschickten Ganga rufen, der sich bei Anbruch der
Dunkelheit vor einem Feuer in Extase versetzt und dann gegen Mittemacht
bewusstlos niederfällt Bei der Rückkehr zum Leben bestimmt er dann, ob
es ein !Endoxe (Zauberer) gewesen, der die Krankheit verursacht, ob ein
Bruch der Quixilles (der Speiseverbote) oder ob ein Fetisch der Urheber
sei. Im letzteren Falle müsste dann der Ganga, der fiir diesen Fall
Specialarzt ist und den die Krankheit heilenden Fetisch besitzt, aufgesucht
werden, ,,damit er durch entsprechende Ceremonien den beleidigten Dämon
wieder besänftigt". Dazu muss dieser letztere Ganga dann erst „von seinem
Fetische in Besessenheit ergriffen werden; und ist dann der Geist zur Be-
geisterung in sein Haupt eingetreten, so spricht dieser aus ihm und ver-
kündet die Heilmittel für den Kranken, die von den Umstehenden auf-
notirt und vor dem zum Bewusstsein zurückgekehrten Ganga, der. sich
nach dem Verlassen des Fetischs an Nichts von dem vorher Gesprochenen
erinnert, wiederholt werden".
In einem Theile von Samoa wendet sich, wie Ttdmer berichtet, der
Kranke selber direct an die Gottheit:
„Le 8a war an einem Platze eine Hausgottheit und war als ein Tausend-
fuss incamirt Wenn irgend Jemand von solchem Thiere gebissen wird
oder anderweitig krank ist, so wird ein Opfer, bestehend aus einer feinen
Matte und einem Fächer dargebracht und der Gott mit folgenden Worten
angeredet:
Herr! Wenn Du erzürnt bist,
Sag' uns den Grund
Und sende Heilung."
Leider wird uns keine Andeutung gegeben, in welcher Weise die Gott-
heit antwortet
74. Der Medicln-Mann stellt die Diagnose.
Wenn der Medicin-Mann die Diagnose der Erkrankung zu stellen hat,
so bedarf er zu diesem Zwecke bisweilen gewisser zauberkräftiger Maass-
iiahmen. Er muss eine Art von Orakel befragen, was in verschiedener
Weise ausgefiihrt wird. Bevor er die Diagnose stellt, unterwirft der Medicin-
Mann den Patienten bei manchen Stämmen einem Kjrankenexamen ; so
bei den Australnegern in Victoria, bei den alten Maya-Völkem und
bei den Indianern des nordwestlichen Canada. Bei diesen amerika-
nischen Völkern handelt es sich aber im Wesentlichen bloss um ein
Sündenbekenntniss, welches der Medicin-Mann aus dem armen Kranken
herausexaminirt
Bei den Maya warf darauf der Medicin-Mann Loose, um daraus zu
ersehen, welche Opfer für die Wiederherstellung des Erkrankten dargebracht
Bartels. Medicin der Natarvölker. 11
1G2
X. Die übernatürliche Diagnose.
werden müssten. Solch einen Looszauber, um die Ursache der Krankheit
ausfindig zu machen, wenden auch die Medicin-Männer im Seranglao- und
im Gorong-Archipel an. Sie benutzen dazu bestimmte Kömer, deren
gerade oder ungerade Anzahl nach dem Wurfe die betreflFende
Entscheidung fällt Auch sonst sind gerade die östlichen Insel-
gruppen des malayischen Archipels das bevorzugte Gebiet
für dieses Diagnosen-Orakel. Genauere Beschreibungen des-
selben liegen nicht vor. Wir erfahren niu*, dass man auf
Keisar, auf Romang, Dama, Teun, Nila und Serua für
diesen Zweck ein Ei benutzt; auf Eetar und Im Seranglao-
und im Gorong-Archipel wird eine entzwei gespaltene Ka-
lapa-Nuss um Kath gefragt. Auf Ambon und den Uliase-
Inseln herrscht eine gewisse Auswahl in diesen Orakeln.
Entweder wird die Diagnose mit Hülfe der Durchschneidung
einer Zwiebel oder einer Gemberwurzel gestellt, oder es wird
geraspelte Kalapa-Nuss in bestimmter Weise ausgestreut oder
eine Art von Wasserzauber in Anwendung gezogen. Auf der
Insel Flores nimmt man einen besonderen Bambuszweig mit
daran befindlichen Opfergaben (Fig. 64), den man in's Feuer
hält, um zu sehen, ob ein Geist die Krankheit verursacht hat.
Letzteres wird als erwiesen betrachtet, wenn der Bambus-
zweig im Feuer einen krachenden Ton hören lässt.
Die alten Mexicaner benutzten einen Kry stall oder
einen durchsichtigen Stein, um mit seiner Hülfe die Ursache
der Erkrankung zu erforschen.
Der Thäy ngäi der Annamiten, auch eine Art ihrer
Medicin-Männer, stellt die Diagnose nach den Bewegungen
eines weissen Holzstückes, das er unter Beschwörungen in ein
Gefäss mit Wasser geworfen hat, oder er betrachtet ein Licht
diu"ch die Zwischenräume seiner Finger. Er hat aber auch
noch eine andere Methode der Diagnosenstellung, welche darin
besteht, dass er dem Patienten mehrere Tage hinter einander
ein Brechmittel verordnet. Tritt nach diesem Erbrechen ein,
dann ist es eine gewöhnliche Krankheit, welche mit Medi-
camenten behandelt werden muss. Aber w^enn das Brechmittel seine
Wirkung verfehlt, so ist die Krankheit durch Zauberkraft bedingt und es
muss zu Beschwörungen geschritten werden.
Fig. 64. Bam-
buszweig mit
Opfergaben;
zur Diagnose
der Krankhei-
ten. Flores.
Mi]s.f.Völkerk.,
Berlin. Nach
Photogr»phie.
76. Die Diagnose wird Ton Oelstem gestellt.
Aber auch noch schwierigeren Aufgaben müssen die Medicin-Männer
sich unterziehen, um die Diagnose der Krankheit sicher zu stellen. Sie
bedürfen dazu der Hülfe der Geisterwelt, mit welcher sie sich zu diesem
Zweck in Verbindung setzen müssen. In Nias begiebt sich dann der
Medicin-Mann allein in den Wald. Hier sucht er mit lautem Geschrei
den B^la, den ihn beschützenden Geist, und lässt sich von ihm einen an-
deren Geist nennen, welcher in der betreffenden Krankheit als Helfer auf-
zutreten geeignet ist Wenn der B^la ihm nicht behülflich ist^ den richtigen
75. Die Diagnose wird von Geistern gestellt 163
Hiilfsgeist auszuspüren, dann kann seine ärztliche Behandlung auch nicht
von Erfolg begleitet sein. Auf den Luang- und Sertnata-Inseln sammelt
der Medicin-Mann die bösen Geister vor seinem Hause und fordert sie auf,
ihm bekannt zu macheu, was die Ursache der Krankheit ist. Hat einer
der Dämonen ihm dieses verkündet, so werden ihm Binder, Ziegen oder
Schweine geopfert. Die übrigen bösen Geister aber jagt der Medicin-Mann
durch das Aussprechen von Beschwörungsformeln von dannen. Solche Be-
ntthuDgen mit den Dämonen finden aber manchmal auch im Beisein der
Kranken oder ihrer für sie um Hülfe bittenden Angehörigen statt Der
Medicin-Mann der Minangkabauer in Sumatra tritt zu diesem Zwecke
bisweilen hinter einen Vorhang und gebietet dem Kranken und seiner Um-
gebung, das allerstrengste Stillschweigen zu beobachten. Nach einigen
. Fig. 65.. ConaaltatioD des Medicin-Hannea der Siouz-Indiaaer,
in d^HSD Hedicin-Hlitte die M&oidoB fliegen.
Nach Sdioolerafl.
Minuten erscheinen dem Ai-zte hinter dein Vorhänge ein oder mehrere ihm
befreundete Geister und man hört ihn nun, wie er diese über das Wesen
der Krankheit um Rath befragt und über die Heilmittel, welche er an-
wendefl soll. Bald darauf kommt er hervor, erzählt dem Kranken die Ur-
sache seiner Krki-ankuug und überreicht ihm die nöthigen Medicamente,
nachdem er dieselben bespieen und einen Zaubersegen über sie gesprochen hat.
Das Aufsuchen der KraDkheit durch die Vermittlung von Hülfsgeistem
liat aber wohl unstreitig seine bedeutungsvollste Ausbildung bei den In-
dianern Nord-Amerikas gefunden, bei den Sioux, den Creek, den
Ohippeway, den Winnebagos und den Klamath. Der Vorgang ist
psychologisch nicht vollkommen zu verstehen, aber wir dürfen bei den Natur-
völkern auch nicht bei allen ihren Begriffen eine gar zu scharfe Logik er-
11*
164 X. Die übernatürliche Diagnose.
warten. Der Patient ist krank, und doch ist ihm die Krankheit fem. Denn
die helfenden Geister, meistens in Thiergestalt, die sogenannten Manidos.
müssen sie suchen in aller Welt, im Feld, im Walde, in den Lüften, im
Wasser und selbst unter der Erde und über den Wolken. Und dennoch
wird die Krankheit direct aus dem Körper des Leidenden ausgetrieben,
verjagt, oder in anderer Weise entfernt und fortgenommen.
Uns liegt die Beschreibung solch einer Au&uchung der Krankheit von
den Sioux-Indianern am Leech Lake vor (Fig. 65).
Acht oben noch belaubte Pfosten, 12 — 20 Fuss hoch, wurden senkrecht
in die Erde gepflanzt und mit Häuten dicht umkleidet, so dass eine enge,
an einen Schanzkorb erinnernde Hütte entstand. An das Laub oben hing
man die Opfergaben. An Händen und Füssen gebunden wurde der Medicin>
Mann, der J^s'sakkid, hier hineingeschoben. Neben dem Bau nehmen
die Musikanten Platz, d. h. die Trommler und die Rassler. Ihnen und der
Hütte gegenüber sitzen die um Rath fragenden Angehörigen des Kranken
und die Zuschauer. Der Patient selber ist ruhig zu Hause geblieben, häufig
in einem ganz anderen Lager. Der Medicin-Mann fordert aus seiner Hütte
von seinem Gehülfen die Pfeife und ruft ihm zu:
„Lade ein!"
Dieser ruft dann gegen Norden:
„Eule, Du bist eingeladen, zu rauchen!"
Der Chorus des Volkes bestätigt dieses. So wird in gleicher Weise
von Osten der Menabazh (die Schildkröte?), von Westen der Donner,
von Süden der Schmetterling eingeladen. Nach diesen Einladungen
herrscht Schweigen im Volke. „Sie blicken in die Luft, lun zu sehen, ob
die Geister kommen. Der Medicin-Mann singt, die Musikanten stimmen
mit ein, die Hütte erzittert; ein Getöse entsteht Es sind die Geister,
welche aus den vier Richtungen des Horizontes kommen; ihrer sind acht,
eine heilige Zahl." Voran ist die Schildkröte, welche auch gleichsam
den Sprecher für die anderen Geister abgiebt Jedesmal wenn ein Manido
anlangt, wird ein schwerer Schlag gehört, als wenn ein schwerer Gegenstand
zur Erde fiele, und die Hütte wird dadurch heftig erschüttert (Fig. 66).
Hat der Medicin-Mann alle Manidos versammelt, über welche er zu ge-
bieten vermag, so kann er sie aussenden in die entferntesten Theile der
Erde und im Augenblick sind sie zurück und müssen ihm Rede und Ant-
wort stehen. Er tritt mit seinen Manidos in eine Berathung ein; man
hört in der Hütte sprechen. Es herrscht eine grosse Ordnung in der
Discüssion, die Geister sprechen nur Einer nach dem Anderen, aber ein
Jeder mit anderer Stimme. Der Indianer, welcher sich Raths erholen
wollte, wendet« sich mit seiner Frage an die Schildkröte direct Diese ant-
wortete aber nicht, und als der Medicin-Mann nach der Ursache hiervon
gefi'agt wurde, gab er an, dass die Opfergabe zu gering sei. Darauf erbot
sich der Fragesteller, noch einigen Tabak und Cattun zu geben. Aber noch
immer blieb die Schildkröte stumm. Auf erneutes Befi^agen, warum sie
nicht sprechen wolle, rief sie endlich:
„Gut denn, alter Knauser, Du musst noch etwas Zucker hinzufugen;
nur dann spreche ich!*'
75. Die Diagnose wird von Geistern gestellt.
165
Diese Vorschrift wird erßillt^ man hört die Geister unterhandeln und
endlich, nachdem die Geister hin und her geflogen ^ giebt die Schildkröte
Bescheid, was die Ursache der Krankheit sei, und wie man ihr begegnen
müsse.
Bei den Klamath-Indianern in Oregon werden für ähnUche Zwecke
eine grosse Anzahl von Beschwörungsgesängen gebraucht, welche der Medicin-
Manii mit tiefer Stimme vorträgt und manche derselben endlos wiederholt.
Bisweilen singen auch die Anwesenden den einen oder den anderen Be-
schwörongsgesang mit Der Text des Gesanges ist immer so abgefasst,
als wenn der Manido selber ihn sänge, und er drückt im Allgemeinen
aus, was der Manido verrichtet, um die Krankheit aufzusuchen. Das ist
nun fast immer dem Wesen und den
Lebensgewohnheiten desjenigen Thieres
angepasst, dessen übematürUches Ab-
bild durch den betreffenden Manido
dargestellt wird.
!Bs mögen aus Gdtchefs Zusammen-
stellung hier einige wenige Beispiele
folgen.
Die schwarze Maus singt:
„Ueber was gehe ich mit meinen
Pfoten?
Meine Pfoten schleichen über das
Haar von der Krankheit."
Der Fischfalke singt:
„Hoch oben in den Wolken fliege
ich und ziehe meine Kreise.
Durch die hellen Wolken trage ich
meine Beute ** ^^' ^* ^^® Manido«, in die Medidn-Htttte
fliegend, nach der Zeichnong aaf einem Mnaik-
Ol . 1 1 . brett derMide derChippeway-Indianer.
Der Gesang des Stinkthiers Nach Jib/;*iia».
lautet:
„Im Nordwinde tanze ich umher, den Schwanz ausgebreitet, festlich und
fröhlich."
Der Holzspecht lässt sich folgendermaassen hören:
„Der Holzspecht bin ich, haftend fest,
Aufwärts blickend hafte ich am Baumstumpf;
Der Holzspecht bin ich, haftend fest,
Abwärts blicke ich und halte mich selbst"
Der Otter, einer der wichtigsten Manidos, wird folgender Gesang in
den Mund gelegt:
„Der Otter Sprössling, ich tauche in's Wasser,
Wenn ich verschlungen werde von ihm, leuchtet der Grund auf,
Die Erde wird gerüttelt in ihren Grundfesten."
166 X. Die übernatürliche Diagnose.
Der Sinn des Gesanges ist nach GcUchet folgender:
,J)a8 Thier hat die Krankheit im Wasser aufgefunden und verfolgt sie
von dort aus bis auf das Ufer. Hier setzt sie das Ufer in Brand und der
Boden wankt unter ihren verheerenden Tritten."
Es ist ja eben die Krankheit, wie bereits oben gesagt, welche die
Manidos ausstöbem und verfolgen, und dass dieselbe fem vom Patienten
ihren Aufenthalt hat, das zeigt ausser dem zuletzt citirten auch der Se-
schwörungsgesang, welcher der Krankheit selber in den Mund gelegt
wird. Er lautet:
„Von Krankheit bin ich hingestreckt,
Ich bin oben in den lichten Wolken."
Jedoch singt die Lerche:
„Die von mir gebrachte, der Lerche, gebrachte Krankheit
Breitet sich überall aus."
Und die körperlichen Schmerzen singen:
„Ich, die Schmerzhaftigkeit, bin über sie gekommen."
So hat doch also wiederum die Krankheit sich zu dem Menschen
hinbegeben. Wie wir schon oben gesagt haben, die Logik ist nicht bis
in die Einzelheiten durchgeführt
In Ann am wird zuweilen dem Kranken unter Beschwörungen und
gewissen feierlichen Maassnahmen an jeden Finger der linken Hand ein
Papierstreifen angebunden, auf welchem je eine der fünf Dämonengruppen
aufgeschrieben ist Der Pinger, welcher während der Beschwörung zuerst
sich beugt, zeigt die Dämonengruppe an, welcher der krankmachende böse
Geist angehört.
Bisweilen muss der böse Geist sich selber aus dem Körper des Patienten
heraus zu erkennen geben, z. B. in Laos und bei den Annamiten. Um
ihn hierzu zu zwingen, umbindet der Zauberarzt mit sieben Baumwollen-
fäden die Daumen und die grossen Zehen des Patienten, spricht seine Be-
schwörungsformeln und tastet mit seinen Fingern drückend den Körper des
Kranken ab, um den Sitz des bösen Geistes ausfindig zu machen. Hat er
die richtige Stelle gefunden, dann bringt er den Dämon zum Schreien, der
nim durch des Patienten Mund auf des Medicin- Mannes Befi^agen den
Namen desjenigen Zauberers entdeckt, der die Krankheit veranlasst hat,
sowie die näheren Umstände der Bezauberung. Nach gegebener Auskunft
fliegt der Dämon von dannen. Auch in Annam wird der Dämon nicht
selten vom Thäy-phäp veranlasst, durch den Mund des Kranken Rede
zu stehen, und einer dieser Thäy-phäp in Cholon lässt, anstatt den
Körper des Patienten abzutasten, auf ihm zwei Holzkugeln rollen; wenn
die den Sitz des Dämons berühren, so muss der Letztere sich zu erkennen
geben.
76. Prognose und Semiotik. 1()7
76. Prognose und Semiotik.
AV'enn nun die Ursache und die Diagnose der Erkrankung glücklich
herausgefunden ist, und wenn der Medicin-Mann den geeigneten Curplan
festgestellt hat, so muss es natürlicher Weise auch noch ein ganz be-
rechtigtes Interesse darbieten, über den voraussichtlichen Verlauf der Krank-
heit und über den Erfolg der angeordneten Behandlung etwas Genaueres
zu erfahren. Dass hier niöht minder abergläubische M aassnahmen im Spiele
sind, als bei dem Stellen der Diagnose, das wird uns kaum überraschen
können. Aber bisweilen stossen wir auch auf eine prognostische Angabe
od^r auf ein Signum pathognomonicum, denen schon unzweifelhaft ganz
richtige klinische Beobachtungen zu Grunde liegen. Zu diesen Letzteren
haben wir wohl gewisse Angaben der Eingeborenen von der Insel Nias zu
rechnen, welche sich über die Prognose der sie plötzlich befallenden Fieber
die folgenden Ansichten gebildet haben. „Sie glauben, dass sie mehr den
Anfällen ausgesetzt sind, wenn sie allein in der Pflanzung arbeiten, oder
Avenn sie einen langen Weg zu machen haben, oder wenn es regnet und
zu gleicher Zeit die Sonne scheint, oder wenn der Regenbogen erscheint,
welchen sie für ein grosses Netz halten, das von den mächtigsten Geistern
ausgespannt wird, um sich der Menschen zu bemächtigen." Danach richtet
sich nun auch die Therapie: „Wenn die Anfälle, welche sie packen, leichte
sind, so kann es nützUch sein, den Kranken mit Speichel von denen, die
Sirih gekaut haben, einzureiben, während man gleichzeitig dem Ädü Täba-
gösa ein Opfer von Hühnern und Ferkeln darbringt. Wenn sich aber zu
dem Fieber Delirien gesellen, dann binden sie die vier Füsse eines Schweines
fest zusammen, hängen es an einen zwischen den Pfoten durchgeführten
Stock auf^ und nachdem sie es verschiedene Male geschaukelt haben, opfern
sie es dem Adü Fangola mhichu.^^
Wenn in Siam Jemand am Fieber erkrankt ist, so wird nach Bastian
der Chao, der oberste der Teufel, beschworen „und gefragt, welchen Verlauf
die Krankheit nehmen werde. Zuweilen wird geantwortet, die Krankheit
hat Heilung zu erwarten; zu anderen Zeiten heisst es, die Krankheit wird
zum Theil geheilt werden, aber nicht ganz vorbeigehen."
Auf Samoa wird an einer Stelle der Leatualoa verehrt, der lange
Gott oder der Tausendfuss. „Ein Baum bei dem Hause war die Residenz
dieses Geschöpfes. Wenn irgend Jemand von der Familie krank war, so
ging er mit einer feinen Matte zu dem Baume und breitete sie unter dem-
selben aus, und hier wartete er bis der Tausendfiiss hervorkam. Kommt
dieser hervor und kriecht unter die Matte, so ist das ein Zeichen, dass
der Kranke mit Matten bedeckt und begraben werden wird; wenn er aber
oben auf die Matte kriecht, so bedeutet das die Wiederherstellung des
Patienten."
Von den Papua der Geelvinkbai in Neu-Guinea erzählt uns
v. Hasselt, dass sie ihre Ahnenfiguren benutzen, um die Prognose der Krank-
heit zu stellen: „Jede Familie hat ihren besonderen Korwar (Ahnenfigur),
eine nach dem Muster des Mon (des Götterbildes) geschnitzte, aber wesent-
lich kleinere Figur, bei welcher gewöhnlich Schamlosigkeiten vermieden
werden. Ein solcher Kor war bildet das Medium, durch welches der Geist
168 X. Die übernatürliche Diagnose.
eines Abgeschiedenen mit seinen Hinterbliebenen in Verbindung steht Der
Papua nennt daher ein solches Bild auch „Vater'* oder „Mutter** und identifi-
cirt es mit dem betreffenden Todten. Die Figur wird mit bunten Lappen
geschmückt; man bietet ihr Tabak an und verrichtet vor ihr den Sembak,
eine Grussform, bei welcher der Papua sich zur Erde neigt und die fest-
geschlossenen Hände an die Stirn presst**
„Der Hausvater oder irgend ein Zauberer nimmt nach der eben er-
wähnten Ehrenbezeigung die Figur in die Hand, redet sie an und er-
kundigt sich, ob man bei dem, was man vor hat, z. B. bei einer Beise oder
einem Trepang- und Schildkrötenfang, Glück oder Unglück haben wird,
ob ein krankes Familienglied genesen wird u. s. w. Antwortet der Kor-
war nicht, dann ist Alles in Ordnung; spricht er dagegen, d. h. kommt es
dem Fragenden vor, als ob die Figui* sich bewege, -so sieht die Sache be-
denklich aus."
„Besonders in Krankheitsfällen wird derselbe fleissig zu Bathe gezogen.
Einst fand ich beim Besuche einer schwerkranken Frau am Kopfende ihres
Lagers vier oder fünf Korwars befestigt. Auf meine Fragen, ob diese
Alle ihr gehörten, lautete die Antwort: „„Nein, meine Verwandten und
Freunde sind so gut gewesen, mir einige zu borgen."" Ausgediente Kor-
wars aus früheren Zeiten haben ihre Kraft eingebüsst und können verkauft
werden."
Finsch sah bei den Gilbert-Insulanern eine Wahrsagerin bei einem
kranken Kinde thätig. Sie legte vier Steinchen in verschiedenen Figuren um
das Lager des Kindes, um danach den Ausgang der Krankheit vorauszusagen.
Auf den Babar-Inseln herrscht, um die Prognose der Krankheit
zu stellen, eine ganz regelrechte Opferschau, welche von dem Medicin-
Manne oder dem Familienvater vorgenommen wird. Eine ganze Eeihe
einzelner Opfergaben wird unter Gebeten auf dem Opferplatze niedergelegt
Ein Opferthier, gewöhnlich ein Huhn oder ein Ferkel, wird in ganz be-
sonderer Weise getödtet und auf eine bestimmte Art zerstückelt, und man
ersieht nun aus der Lage der Eingeweide, aus dem Verhalten gewisser
Blutgefässe am Herzen, wie der Verlauf der Krankheit sich gestalten wird.
Wenn z. B. ein Kind am Fieber erkrankt ist, so wird dasselbe gerettet
werden, wenn das Herz des geopferten Ferkels glatt erscheint; findet man
aber Ejaoten am Herzen, dann besteht für das Kind grosse Lebensgefahr.
Die Indianer in Michoacan in dem centralen Mexico haben den
Glauben, dass, wenn sie das Blatt einer bestinmiten Pflanze auf eine ge-
schwürige Stelle des Körpers bringen und dieses an derselben haften bleibt,
dann wird der Kranke sicher genesen; wenn aber das Blatt herunterfällt,
so ist es um sein Leben geschehen. Die alten Maya- Völker sollen mit
Hülfe des Krystalles die Prognose gestellt haben, der ihnen auch schon
für das Herausfinden der Diagnose dienstlich war. Wenn am Congo das
Feuer, an welchem der Medicin-Mann seine Heilceremonien vornimmt,
Funken sprüht, so wird das als ein günstiges Zeichen angesehen.
Die Eingeborenen von Mittel-Sumatra erfahren zur Zeit einer Pocken-
epidemie durch einen Traum, ob sie der Krankheit verfallen werden. Wenn
sie im Traume den bösen Geist Ninieq erblicken, der zu ihnen kommt und
ihnen Früchte bietet, so wird die Krankheit sie ergreifen, und an der Art
der Früchte erkennen sie, ob diese Krankheit eine schwere sein wird.
76. Prognose und Semiotik. 169
Eine seKr üble Prognose giebt es bei der Pockenerkrankung eines
Kindes in Ann am, wenn man ein unbekanntes Eand erblickt, das in das
Haus zu gelangen sucht. Man muss das zu verhindern suchen und nie
den Exanken unbeobachtet lassen, auch muss man ihn durch Amulete u. s. w.
vor dem Eindringen dieses Dämons schützen.
Bei allen Lungena£Pectionen ist den Australnegern von Victoria
die semiotische Wichtigkeit des Speichels wohlbekannt Sie beobachten
den Auswurf der Patienten auf das Genaueste und sie widmen dem
Lietzteren eine ganz besondere Aufinerksamkeit, wenn sich Blut in dem
Auswurfe zu zeigen beginnt.
Auch hierin haben wir wiederum einen Beweis, wie immer wieder aus
dem Wust phantastischer Begriffe vereinzelte gute Naturbeobachtungen
sich Sahn zu brechen vermögen.
XI.
Die übernatürliche Kranken-
behandlung.
77. Opfer und €^ebet.
'Wenn diese Vorbereitungen getroffen sind und die eigentliche ärztliche
Behandlung nun beginnen soll, so sehen wir, dass dieselbe in einer grossen
Anzahl von Fällen durch Opfer und Gebete eingeleitet werden muss.
Entweder betet der Medicin-Mann für die erkrankte Person, wie z. B.
in dem Seranglao- und Gorong-Archipel, oder diese betet selber, oder
sie spricht dem Medicin-Manne die von diesem vorgesprochene Gebets-
formel nach. Der Wortlaut eines solchen Gebetes liegt uns von den
Navajö-Indianern vor. Die Patienthi musste folgendes Gebet an den
Berggeist Dsüyf Neydni richten:
„Ragender in den Bergen!
Herr der Berge!
Junger Mann!
Oberhaupt!
Ich habe Dir ein Opfer gebracht!
Ich habe ein Hauchen für Dich bereitet!
Stelle mir meine Beine wieder her!
Stelle mir meinen Körper wieder her!
Stelle mir meinen Geist wieder her!
Stelle mir meine Stimme wieder her!
Stelle all meine Schönheit wieder her!
Mache alles schönheitsvoll vor mir!
Mache alles schönheitsvoll hinter mir!
Mache schönheitsvoll meine Worte!
Es ist vollendet in Schönheit!
Es ist vollendet in Schönheit!
Es ist vollendet in Schönheit!
Es ist vollendet in Schönheit!"
Auch gemeinsame Gebete der ganzen Bevöljcerung müssen unter Um-
ständen gesprochen werden, wenn der Zorn der Gottheit besänftigt werden
soll. Dieses hatte Jacobs einmal auf Bali zu beobachten Gelegenheit.
Es kommt aber auch vor, dass nicht nur in dem AugenbHcke der Ge-
fahr die Zuflucht zu den Gebeten genommen wird, sondern dass dieselben
auch vorbeugend im Gebrauche sind, um sich und die Seinen vor Krank-
heit zu bewahren. So haben die Samoaner die Gewohnheit, vor jeglicher
Mahlzeit ein Feuer zu entzünden. Der Aelteste der Familie ruft dann
174 XI, Die übernatürliche Krankenbehandlung.
Irgendeinen aui^ dasB er Hüb Feuer anblase, damit es aufflamme; dann bittet
er Alle, stillzuschweigen und spricht darauf laut das folgende Gebet:
„Dieses Licht ist för Euch, o König, und Ihr höheren and niederen
GStt«r! Wenn einer von Euch vergessen ist, bo möge er nicht zürnen; dieses
Licht ist för Euch Alle! Seid dieser Familie gnädig! Gebt Allen Leben
und möge Eure Gegenwart günstig sein. Lasst unsere Kinder gesegnet sein
und sich mehren. Haltet ferne von uns Geldbnssen und Krankheiten. Seht
auf unsere Armuth und sendet uns Nahrung zum Essen und Kleider, um uns
warm zu halten. Treibt fort von uns umherschifTende Götter, damit sie nicht
kommen und Krankheit und Tod verursachen. Schützt die Familie durch
Eure Gegenwart und möge Gesundheit und langes Leben uns Allen be-
flchieden sein!"
AensMre Anucbt Innere Ansicht
Fig. 67. u. 68. Sduunanentromniel der Burj&.ten.
Hiuenm (Br TSlksTkanilfl, Berlin. ~ Nuh Photognpbie.
Bisweilen ist d^' Opfer allein schon ausreichend, um die gliickUche
Wiederherstellung des .Kranken' zu bewirken. Denn durch das Opfer wird
die Sünde gesühnt Doch muss das Opfer ausreichend sein. Die Gottheit
Nafuana auf Samoa z. B. heilt nur diejenigen, welche feine Matten opfern.
Wer jedoch armselige Opfer bringt, die nnr aus geringen Matten bestehen,
dessen Krankheit verlängert sie.
In anderen Fällen aber dient das Opfer nur dazu, dem Krankheits-
dämon für den befallenen^enschen einen anderen Ersatz zu bieten, welchen
er freiwillig als Tauschartikel annimmt, oder der ihn immerhin doch einiger-
maassen zu entschädigen vermag, wenn ihn der Medicin-Mann aus diesem
vertreibt
Wenn wir die ans zugänglichen Berichte über diese Opfer näher be-
trachten, so finden wir, was uns wohl kaum verwunderlich erscheinen wird,
eine ganze Keihe compUcirter Förmlichkeiten. Die Opfergaben müssen aus
besonderen Stoffen zusammengestellt, bisweilen auch noch künstlich gefärbt,
77. , Opfer und Gebei 175
vor Allem abei zu bestiuiinter Zeit und nach bestimmten Vorschriften dar-
gebracht werden. Eb haben aber diese Ritualien im Ganzeu doch nur ein
sehr untergeordnetes Interesse fUr uns und wir können sie daher an dieser
Stelle übergehen. Für uns sind die übernatürlichen Manipulationen bei
"Weitem von grösserer Wichtigkeit, welche die Medicin-Männer auszuführen
pflegen, um ihre Patienten von der Krankheit zu befreien.
Ein Gebet, welches die Äkkader und die Assyrer an die Sonne
richteten, um Heilung zu erflehen, möge hier noch seine Stelle finden:
„Du leitest in Deinem Lauf das Uenschengeschlecht (wörtlich: die Scbwarz-
köpägen),
Lass über ihm lenchten einen heilsamen Strahl, der ihn be&eie von seinen
Leiden!
Der Menauh, Sohn seines Got-
tes, hat seine Sünde und
Uissethat vor Dir be-
kannt.
Seine Hände und Füsse leiden
grausamen Schmerz, er
wird von der Krank-
heit schrecklich verun-
reinigt.
Sonne! Lass meine erhobe-
nen Hände nicht un-
beachtet!
Geniesse seine Speisen, weise
sein Opfer nicht von
Dir, führe ihm seinen
Gott wieder zu, (auf
daas er eine Stütze ge-
währe) seiner Hand! pjg. 69. Trommel und Trommelitock eine« Medidn-
Mögen, auf Deinen Befehl, Manne« der Indisner von Portland in Oregon.
seine Sünde vergeben, Mumuih t VBIkorkunie, Berlin,
seine Missethat ver- Nkch ainem AqursiL
gessen sein!"
Ein Beispiel, dass der blosse Anblick der Gottheit die Kranken heilt,
wird uns von der zu den Neu-Hehriden gehörenden Insel Aneiteum
berichtet. Turner erzählt: „Mit anderen Dingen wurde mir 1859 ein alter,
glatter Stock von Sisenholz gebracht, etwas länger und dicker als ein ge-
wöhnlicher Spazierstock. Er hatte seit Alters her in der Familie Eines aus
der Krankheitsmacherzunft gedient, er wurde als die Repräsentation des
Gottes betrachtet und wurde jedesmal von dem Priester mitgenommen,
wenn er einen Krankheitsfall beBuchte. Die Augen des armen Patienten
glänzten bei dem Anblick des Stockes. Alles was der Priester that, war
meistens, dass er vor dem Kranken sass, sich auf diesen heiligen Stock
stutzend, ihm eine kurze Rede hielt und ihm sagte, er habe nichts mehr
zu furchten, und dass er die Wiederhersteliimg erwarten könne."
]
XL Die übernatürliche ErankenbeliBndlung.
78. Die Trommel als Handwertcszen; des Xedleln-Xaiuies.
Bevor wir aber diese HeilmaoipulatioQen einer geoauereu Musterung
unterziebeu, mUBBen wir zuvor uocb das hauptsächlichste Handwerkezeug
der Medicin-MäuDer kennen lernen, welches sie im Allgemeinen bei dieseu
Proceduren nicht entbehren könneo. Da steht die Trommel obenan, oder
besser gesagt, das Tambourin; denn fast alle die Mediciu-MannB-Trommeln,
welche wir in Sibirien, in Hinterindien und in Amerika finden, sind
Halbtrommeln, nur auf einer Seite mit dem gespannten Leder überaogen.
Ihre Grösse schwankt von der eines Dessert- Tellers bis zu derjenigen eines
kleinen Wagenrades. Wir fin-
den sie mit Federn geschmückt
bei den nordamerikani-
Bchen Indianern, na-
mentlich mit denjenigen des
Truthahnes {Fig. 70), welche
sich einer ganz besonderen Hei-
ligkeit erfreuen. Auch allerlei
Klapperwerk ist daran gebangt,
besonders bei den Völkern Si-
biriens, um den Schall und
das Getöse noch zu verstärken.
Der Steg, an dem sie gehalten
wird, nimmt in einzelnen Fäl-
len die rohe Gestalt eines Men-
schen an. Das ist dann natür-
licher Weise das Bild von
irgend einem mächtigen Geist.
Das Fell der Trommel wird
öfter bemalt Eine Burjaten-
Trommel (Fig. 67) trägt innen
und aussen Figuren , unter
^ -. ^ . ... , . , , denen man zweigartige Oma-
Indianer Ton MiiioarL Tordsransicht mente, sowie Pferde und ötein-
HMMun r. vsikakDnd«, BstHu. - NMh «iiiam Aqnunii. böcke erkennt, aber ausserdem
ist eine primitive Menschen-
gestalt über die ganze Trommelfellfläche gemalt. Dieselbe erscheint wie
ein schwaches Abbild der Dänionentigur, welche den Griff der Trommel
bildet (Fig. 08).
Aus Portland in Oregon stammt die Trommel eines Medicin-Mannes
(Fig. 69), deren Innenääche in dem fiir jene (hegenden gebräuchlichen
Kuoststiele einen Walfisch, einen Adler und den Donnenogel und darüber
den Bogen des Firmamentes zeigt. Eine Medicin- Manns -Trommel aus Mis-
souri ist tambourinartig flach, aber ausnahmsweise auf beiden Seiten mit
Haut überzogen, und mit Schellen und Truthahnfedem geschmückt. Die
eine Seite (Fig. 70) trägt, in rother Farbe aufgemalt, einen Kreis mit Strahlen
und um ihn herum zahlreiche Punkte. Wahrscheinlich soll es die Sonne
mit den Sternen sein. Auf der anderen Seite (Fig. 71) sind zwei kleine
78. Die Trommä als Handwerkseeug des Uedicin-Manne». 177
Fische und zwei Vögel, wahrscheinlicli Mauidos, d. Ii. dienstbare Tbter-
geister, zwischen drei roh gezeicfaneten Messdienköpfeii. Die Fische sind
gehörnt; aus dem Schnabel der Vögel geht eine WeHenlinic aus. Beides
soll voraussichtlich ihre übernatürliche Kraft bezeichnen. Von den Menschen-
köpfen ist der eine gehörnt, mit aufrecht stehenden, kurzen Strahlen zwischen
den Hörnern, wiüirend die beiden anderen Köpfe nur diese Strahlenglorie
tragen. Wir haben darin, wie wir aus den uns ihrer Bedeutung nach be-
kannten Bildern der Uusikbretter entnehmen kümen, drei Mediciu-Jlannfr
im Zustande der Inspiration zu erketmeo.
Diese Trommeln sind nicht Musikinstrumente in dem gewöhnhchen
Sinne des Wortes, Sie stellen vielmehr ein wichtiges Heilwerkzeug dar,
denn sie dienen den mächtigen
Geistern zum Sitz. Das kommt
bei dem Schamanen der sibi-
rischen Völker zum deut-
lichen Ausdruck. Mit jedem
Beschwörungsge Hange ladet er
einen seiner hülfreichen Geister
ein, in seine Trommel her-
niederzusteigen. Ein deutlicher
Huck derselben liefert den Be-
weis, dass der Geist diesem
Rufe willig gefolgt ist Auch
ruft der Geist bei deu Altai-
Tartaren durch des Scha-
manen Mund, bevor er in die
Trommel eintritt:
„He, Schamane, da bin ich!"
Mit jedem nea eintreten-
den Dämon wird die Trommel
schwerer und sinkt Eur Seite,
und eidlich vermag der He-
dicin-Mann sie nur noch mit ^. „. „, , „ .,
j o I I I ,,,, . > , rig. il. Flache Trommel eines Medictn-UBpnea der
dem Schenkel gestützt zu hal- " Indianer von Miisoiiri. Hinteransicht,
ten. Nun ist die Trommel der Knaaiiin r. Vaikerkoada, Beclln. - Macb einsm Aquarell
Gött«r voU, und bei seinem
Heilswerk hat der Medicin-Hann jetzt die Dämonen in der Trommel als
seine speciellen Gehülfen zur Seite. Und darum ist auch der Medicin-Mann
um so mächtiger, und um so sicherer ist der Erfolg seiner Behandlung, je
grösser die Zahl der Geister ist, welcher er zu gebieten vermag. Radioff
hat uns mehrere solche Beschwörungsgesänge zugänglich gemacht, durch
welche der Schamane der Altai-Tartaren die Geister in seine Trommel
ruft. Einer derselben lautet:
„Komme her, o junge Wölk«,
Drückend dies mein Schulterblatt!
Volk TxoA Leute, meine Schulter
Drückend, kouLiBet ter zu mir!
Tän§-Sary, Du Sohn dee Himmels,
Bartels, Hedicln der Hatnrrfilker. 12
XL Die äbematürliche Kranken behandlung.
Uelgöns Sohn, o KergidäH
Du, mein Auge mir zum Schauen,
Meine Hand zum Greifen mir,
Du, mein Fnss, mir zum Enteilen,
Du, mein Huf, sobald ich etolpre,
Meine B«cht« fuhrt den Orbu (Trommelatockl
Tönend, komm zu meiner Rechten !"
ludei'er (reist wird gemfen:
„Mit dem Stock aus gelbem Rohre,
Mit dem gelben Falben Du!
Mit dem gelben, aeid'nen Zügel,
Mit dem Pelz aus gelber Seide,
Kan Kartysch, des Uelgön Sohn!
Spielend komm zu meiner Rechten,
Die den Orbu schlagend schwingt."
Natürlicher Weise sind diese Gesänge fiir das Studium der Mythologie
und der Dämonologie der betreffenden Völker von einer ausserordentlich
hohen Bedeutung.
79. Die Kassel nnd andere nrnsllMltsche Instramente als Handwerks-
zeug des Hedlcln-Mannes.
Ein zweites wichtiges Handwerkszeug des Medicin-Mannes, dessen Be-
sprechung wir am geeignetsten hier gleirli folgen lassen, ist die RasseL Sie
tritt uns in den verschiedensten Formen entgegen. Gewöhnlich ist sie durch
79. Die Rassel und andere musikalische Instrumente des Medicin-Mannes. 179
irgend einen hohlen Gegenstand dargestellt, in welchen Steinchen, Könier
oder dergleichen hineingethau sind, um bei einem Schütteln des Apparates
den rasselnden Ton zu verursachen. Bei den Medicin-Männem der Huna
von Portland in Oregon jedoch ist die Rassel (Fig. 72) ein kurzer, mit
Federn geschmückter Stab, an welchem angehäugte Hirschhufe und See-
papageienschnäbel das Kasselgeniusch erzeugen.
"Wahrscheinhch bezieht sich hierauf ein Beschwöningsgesang der Kla-
inath-Indianer in Oregon:
„Die Füsse eines jungen Hirsches sind mein Me die in -Werkzeug."
Er wird als „Der Frau
Gesang" bezeichnet
Auch der Bacsa der Kir-
gisen hat einen Stab, an dessen
oberem Ende ein Brettchen mit
daran hängenden Glöckchen an-
gebracht ist Aehnliche stab-
artige Rasseln besitzen auch an-
dere sibirische Völker,
Bei den D a c o t a , den
Chippeway und den benach-
barten Indianern ist die Me-
ilicin-Manns-Rassel ein Kürbis.
Bei allen heiligen und ärztlichen
Handlungen (Fig. 73), sowie auch
beim Bereiten der iledicin spielt
sie eine wichtige Rolle. Gewöhn-
lich werden mit dem Klange der
Rassel alle Beschwörungsgesänge
begleitet. Sie ist daher ohne allen
Zweifel nach dem Glauben der
Indianer ebenfalls mit über-
natürlicher Kraft beseelt.
Einen Uebergang zu etwas
vollkonimeueren Formen bildet pj ,3 Medidn-BUnn der Dacota-Indianer.
aus Holamux in Oregon eme zur Heilung eioes Kranken rasaelod.
Kürbis-Rassel, welche an einem Hwh seiaoierafi.
langen Handgriffe befestigt und
mit einem roh eingeschnittenen Men sehen an thtz, das ein Strahlenkranz um-
giebt, verziert ist (Fig. 74). Die allerreicliste Entwickelung in der Form
hat aber unstreitig die Rassel bei den so bewunderungswürdig kunstgewandten
Nordwest- Stämmen Nord-Amerikas erlangt. Das Berliner Museum
für Völkerkunde besitzt eine sehr reichhaltige Sammlung derselben. Sie
sind sämmtlich kunstvoll in Holz geschnitzt, und stellen Menschen- oder
Vogelköpfe oder auch ganz complicirte und dann immer geschmackvoll be-
malte Gruppen dar. Jeghches rehgiöse Fest dieser Indianer erfordert
eine bestimmte Art der Rasseln, Diejenige für den Medicin-Mann der
Haidah-Indianer (Fig. 75) stellt einen grossschuäbligeu Vogel dar, den
mj-thischen Raben, den Bringer des Lichts, den Urheber des Lebens, der
180 XI. Die iibomfttUrliche Krankenbehandlung.
in dem Schnabel die Kohle hält. Ein grosses Antlits, das seine Brust ein*
nimmt, soll die Sonne bedeuten. Auf seinem Rücken liegt ein kleiner
Mann, sich auf seine Ellenbogen stützend und einen Frosch zwischen den
Zähnen haltend. Das soll der Wolf sein, der den Tod und das Feuer
symboUsirt Ein phantastischer Vogelkopf, entstanden aus dem Geeichte
der Eule und dem Schwänze des Kaben, der auf dem hinteren Theile des
Babenrückens sitzt, beisst in die Zunge des Frosches. Dieses Letztere soll
„Mediciu" bezeichnen, d. h. es soll erkennen lassen, dass die Hassel voll über-
natürlicher Kräfte ist. Die Medicin-Männer der Nutka in Britisch-
Columbien benutzen zum Curiren der Krankheiten sackförmige Rasseln
von Kupfer, welche mit Cedembast verziert sind (Fig. 76).
Von anderen musikalischen Instrumenten sind noch Pfeifen. Becken
und Stöcke su nennen, und gaikz vereinzelt kommt in Buru die Tuba, in
Loango die Gruitarre und bei den Kirgisen
eine mit Klapperblechen geschmückte violoncell-
artige G«ige vor. Alle diese Dinge finden wir
meiet in den Händen der Gehülfen des Medicin-
Mannes. Ihre Verbreitung scheint aber eine nur
beschränkte zu sein. Das Aneinanderschlageu
von Stöcken finden wir bei einigen Indianer-
Stämmen Nord-Amerikas und bei den Ka-
tschinzen; die Becken sind in Niaa, Buru und
an der Loango-KUste gebräuchlich, und die
Pfeifen finden nir bei den Winnebago-Indi-
anern, den Navajö in Arizona, bei den Ni-
asseru und bei den Loango-Negern. Die
vorher erwähnte Geige wird von dem MedicJn-
Manne selber gespielt
'n«r*'^D so. Iedlcln-S«ek and Xediclii-Steine.
HolfttDDZ.
^Jkeb
r. VSlklrkDiidB, Bei
Ein wichtiges Werkzeug des Mediciu-Maoiies,
das den Schwerpunkt seiner Verbreitung bei den
Indianer-Stämmen von Nord-Amerika hat,
ist der sogenannt« Medicin-Sack. Wir dürfen hiediiei nicht vergessen, dass
jeder Indianer seinen Medicin -Beutel besitzt, der ihn wie ein TaUsman
durch das ganze Leben begleitet. Wenn er als Jüngling aussieht, um seinen
Totem zu suchen, so wird das erste Exemplar seines TotemtJiieres, dessen
er habhaft wird, abgehäutet, der Medicin-Sack daraus gefertigt und dieser
mit Gras oder Moos geAillt. Niem^s wieder darf er geöfhet werden. Das
ist nun mit dem Medicin-Sacke der Medicin-Männer etwas Anderes. &e
verbei^u darin eine Menge von absonderlichen Diagen, denen sie eine
übernatürliche Kraft beilegen. Ihnen ist auch gestattet, den Bentel zu
öfineQ, wenn auch nur nach vorhergegangenem feierlichen SchwitEen. Bei
gewissen grösseren Medicin-Tänzen sind die Medicin-Männer sogar ver-
pflichtet, sich gegenseitig die Schätze ihres Medicin-Beutels zu zeigen (Fig. 77)
und deren Kräfte aus einander zu sebsen. Wie ein Gewehr wird er bei den
Einführungen von Novizen benutzt, und der aus ihm scheinbar gefeuerte
80. Medicin-Sack und Medicin-Steine.
181
magische Scbuss streckt den CandidateD bewusetlos zu Boden. Aber auch
ihre wirklichen Medicamente heben sie in dem Medicin-Beutel auf. Stete
sind die Haare des TeWes nach aussen gekehrt, oder die Fedeni, wenn es
t'in Vogelbalg ist Stinkthier und Otter (Fig. 51) sind erheblich bevorzugt
Medicin-Betitel , wenn auch
nur kleine, sind such bei den
Äerxten der £affern und Ba-
sntho (Fig. 20) im Gebrauch.
Sie sind aus gegerbtem Leder
gefertigt, werden gewöhnlich am
HaUe getragen und enthalten aller-
lei absonderliche Dinge, Krallen
vou Banbthiereu, Hufe von An-
tilopen, Fusswurzelknochen von Fig. 75. RumI eiDeBHedidD-ManaesderBftidah-
verBchiedenem'Wild U.9. w. Diese Indi^oer.
dienen ihnen als Würfel bei ihren iin»e""n (-vaikOTkiiDiia. B«iUn - Nach eüwm Aquarell.
geschätzten Wahrsagerkünsteu.
In ähnlicher Weise trägt der Mediciu-Mann bei den Australnegern in
Victoria seine Zanberkuocheu undSteine in einem besonderen Beutel mitherum.
Diesen darf er niemals aus den Augen lassen, wie wir oben l>ereits berichtet haben.
Wir haben die Mediciu-äteine schon
erwähnt, welche die Mediciu-Männer in
ihrem Mediciu- Beutel tragen. Diese sind
ebenfalls mit Ubematürlieher Kraft begabt,
und werden bei feierlichen Gelegenheiten
von den Mediciu-Männem scheinbar ver-
schluckt und bald darauf wiedei' ausge-
brochen. Auch thun die Medicin-Männer
häufig 80, alH wenn sie diese Steine aus
»lern Körper des Kranken heraussaugten.
Auch kleine Schneckenhäuser und fossile
Conchylien können zu dem gleichen Zwecke
benutzt werden.
Bei den Chippeways werden sie
Ml'gis (Fig. 78) genannt, und die \-ier ver-
schiedenen Grade der Mide-BrUderschaft
unterscheiden sich unter Anderem auch
durch die Fwm ihrer Ml'gis von einander.
Hier sind es Perleu und die Schalen von
Schnecken, welche sich in ihrem Laude nicht
vorfinden ; dienelbeu müssen also auf dem Wege
des Handels in ihren Besitz gekommen sein.
Bei den Ipurina-Iudianern in Bra-
silien giebt der Medicin-Mann dem Cuu-
didateu, der in seine Lehre tritt, einen oder
mehrere kleine Steiiicheu zu verschlucken, „die er unter heftigem, durch
Tabak erregtem Erbrechen zum Vorschein gebracht hat. Es sind Quarz-
kömer, offenbar von weit her importirt. dieselben, die bei der Kranken-
behandluug scheinbar ans dem Körper des Kranken ausgesaugt werden."
182 \I. Die übematürtiche Kranken b^handlusg.
Der ärztliche Canilidat der Chippeway hat bei der feierlichen Cere-
mouie »einer Aufnahme iu den Mide-Ordeii eine Perle henmterzuschluckeu.
Dann schreitet er rings um die Medicin-Hiitte, welche zu diesem Feste be-
sondere errichtet ist, wobei er dauernd einen bestimmten Ruf ausslösst, bis
er plötzlich hinmnkt, zu husten beginnt und iu Convulsionen verfällt Die
Perle, die er schluckte, ist die Krankheit; diese erstickt ihn. Mit letzter
Kraftanstrengung Bchlei>pt er sich bis zu der Gruppe der ihn einfiihrendeu
Mides. Hier bringt er unter mühevollen Würge bewegungen das Kügelchen
wieder aus dem Halse heraus. Die Mides haben ihn dabei unterstützt und
gemeinsam gerufen: yä aaa! yä aaa! yä aan! Nun nimmt er das Kügelchen
aus dem Mund und legt es als seinen Medicinstein in den olwren Theil
Fig. 77. Mide der Dorilamerikaniscben Indianer zeigen sich deu Inhalt ihrer Hadidn-Siclte.
NMb ScSotilcrttft.
seines Medieiii-Sackes hinein, um bei geeigneter Gelegenheit davon Gehrauch
machen zu können.
Bei einem Einluhrungsfeste, das die Mide der Winnebago-Indianei-
feierten, mussteu nach der Erledigung einiger anderer Ceremonien die Candi-
daten sich auf eine Decke knien. Acht Medicin-Manner marschirten dann
in einer Reihe nngs um die Mediein-Hütte mit ihren Medicin-Säcken iu
der Hiind. Als sie den Umgang vollendet hatten, machten sie Halt und
einer von ihnen hielt eine Rede. Das wird wiederholt, his alle gesprochen
haben. „Sie schliessen dann einen Kreis und legen die Medicinsäcke vor
sich auf den Teppich. Dann beginnen sie zu würgen und Brech an strengungen
zu machen, sich überbeugend, bis ihr Kopf beiuahe in Berührung mit ihrem
Medicinsack kommt, in welchen sie vomiren, oder aus ihrem Munde eine
kleine weisse Seemuscliel von der Grösse ungefähr einer Bohne niederlegen.
Diese nennen sie den lledicin-Steia, und sie behaupten, dass sie ihn in
81. Das Heraussaugen der Krankheit. 183
ihrem Magen tragen und dass er bei diesen Gelegenheiten ausgebrochen
wird. Diese Steine stecken sie in ihre Medicinsäcke und dann nehmen sie
Platz am Ende der Laube, entgegengesetzt und mit dem Gesicht nach den
Candidaten."
Bei den nordwestlichen Stämmen von Nord-Amerika ti'eflfen wir
aber auch ziemlich grosse Steine an, welche als Medicin- Manns -Steine
bezeichnet werden. Sie haben die Grösse einer Handfläche und darüber;
im Munde können sie also nicht beherbergt werden. Auch sind sie mit
rohen Skulpturen bedeckt Es sind grosse flach abgerollte Steine, deren
einer aus West-Vancouver den Kopf eines Fisches und vielleicht eines
Frosches eingeschnitten trägt (Fig. 81); ein Anderer (Fig. 79), ebendaher,
zeigt einen Schwertwal und ein nach abwärts gekehrtes Menschengesicht,
und ein Dritter (Fig. 80) mit zwei Gesichtern soll angeblich eine Seeotter
zur Darstellung bringen. Alle drei gehören zu der Sammlung des Capitäu
Jdcohsen im Museum für Völkerkunde in Berlin.
Stwas Aehnliches findet sich übrigens auch in dem malayischen
Archipel. In dem westlichen Borneo
besitzen die Medicin-Männer eine Art
von Steinen, welche sie, wie sie be-
haupten, von den Geistern erhalten W jB L^
haben. Durch eine besondere Kunst- r ^ ^9^
fertigkeit lassen sie diese Steine schein-
bar von dem Dache ihrer Wohnung
herunterfallen. Sie gebrauchen sie fiir
ihre Heilmanipulationen und bestrei-
chen damit stundenlang den Körper
ihrer Patienten.
Wir wollen im Anschlüsse hieran
noch eine Art der Hülfsinstrumente
erwähnen, welche fiir den Medicin- ^. „^ ,, , . „ ^. . «, . , ,,. ,
Ar j Vi-T 1 j i.1. u -"g- «o« Migis, Medicm-Steine der Mide
Mann derGiljaken zu den unentbehr- ® y^^ Leech Lake.
liehen Eequisiten gehört Es sind das Nach noffman.
aus Holzklötzen gefertigte Menschen-
figuren (Fig. 82), welche von unglaublich roher Ausführung sind. Sie stellen
den Schutzgeist des Schamanen vor und haben während seiner Zauber-
ceremonien ihren Platz am Feuer. Bisweilen haben sie auch noch eine
Anzahl von Untergeistem in ihrer Gewalt So sehen wir einen solchen
hölzernen Geist, auf dessen Kopfe sich sieben plumpe Zacken befinden.
Das sollen die sieben Hülfsgeister sein, über deren Kraft und Fähigkeiten
der Schamane nun ebenfalls verfiigen kann.
81. Das Heraassangen der Krankheit.
Die übernatürliche, ärztliche Behandlung der Medicin-Männer scheint
nach dem Principe des „Doppelt reisst nicht" eingerichtet zu sein; wenigstens
sehen wir, dass sie gar nicht selten mehrere Methoden der magischen
Therapie zu gleicher Zeit in Wirksamkeit treten lassen. Bei manchen
Stämmen schreiten sie erst dazu, wenn die medicamentöse Behandlung nicht
1S4 XI. Ih« äbctrnatniiicke Kranken behftadlnng.
zu d«u gevüDschten Besoltat« gefUhrt hat Ändere TÖlkeracliitfteii aber
fangen ^eich mit der magischen Behandlung an and ent, wann diese üo
Stiche gelassen hat, nelunen sie za den Medicamenten ihre Zuflucht. Unter
deu mechanischeD, inagischen Behaudlungsmetlioden ist das AaBsaugen der
Krankheit ganz besondere weit verbreitet. Der Medicin-Mann seixk den
Mund oder sein besonderes Instrument auf den leidenden Körpertheil und
sangt mit grosser Anstrengung und Ausdauer, nicht selten stundenlang und
bis es blutet Dann bringt er unter besonderen Förmlichkeiten dasjenige
aus dem Munde hervor, vas die Krankheit verursacht hatte, Holzstäckcben.
Dornen, Muschelschalen, Krallen, kleine Knochen, u. a. w. (Fig. 8). Selbst
Würmer, einen Frosch oder eine Schlange sangt er so ans dem Küper
heraus. Ein Beschwörnngsgesang des Medicin - Mannes der Klamath-
Jndianer lautet:
.,Was entferne ich aus meinem Hunde?
IHa Krankheit ziehe ich aus meinem
Munde.
Was ist das Ding, das ich herausnehme?
Es ist die Krankheit, die ich heraus-
nehme!"
Xachdeiii der Medicin-Mann der Cho-
rotegau-Indianer die leidenden Theile
des Kraukeu geknetet und gesogen hat,
bringt er unter absonderlichen Sprüngen
eine schwarze Substanz aus seinem Munde
hervor, die er als die Ursache der Krank-
heit ausgiebt Die Freunde des Patienten
nehmen diesen Stoff und zertrampeln ihn
unter betäubendem Lärm. Hierauf bezieht
sich zweifellos auch ein Medicin -Manns-
(lesaug der Klamath-Indianer:
Moseam f Taikerkande, Berlin. ..Was kommt aus meinem Munde?
Nicii Photognpbie. Eine echwarae Masse hängt von meinem
Munde hernieder.'"
Bei deu Dacota wirft sich der Medicin-Mann neben dem Patienten
auf die Knie nieder und saugt mit „einer Energie, welche übermenschlich
erscheint wobei er die Kürbisrassel heftig schüttelt. Auf diese Weise pumpt
der Gott, welcher in dem Ärzte wohnt, die Knmkheit aus dem Leidenden.
Xachdeni er so eine beträchtliche Zeit hindurch gesogen hat richtet er
sich auf seinen Füssen auf in sichtlicher Erschöpfung, derartig heulend,
dass man es, wenn das AVetter still ist, eine Meile weit hört, seine Seiten
schlagend, die Erde mit den Füssen stampfend und schlagend so, als wollte
er sie erzittern machen, und eine Schale mit Wasser an seinen Mund haltend,
bringt er unter einem singenden Blubbern dasjenige hervor und speit es in
die Schüssel, was er aus der kranken Person heransgesogen hat Diese
anstrengende und ekelhafte Operation wird in kurzen Zwischenräumen auf
Stunden wiederholt." In vielen Fällen ist es aber immer wieder der „Medidn-
Stein", welchen der Arzt aus dem erkrankten Körper saugt Es wurde
obeu schon erwähnt, dass wir diesen dann wahrscheinlich gleichsam als die
coagulirte Krankheit ansehen müssen.
81. Dtts Henaa8ang«D der KnnktMit. 185
Auch in Ulisichtbarem ZuBtabde wird, wie ebenfiüU obeo erwähnt,
<1>e Krankheit in mancben Fällen ausgesogen.
Hiertiber rerdanken wir Ekrenreieik eine Notiz, welche die Ipurina-
Tndianer in Brasilien bettiffl: „B^i der KrankeDbehaBdhing, der ich ani
Äcinam beiwohnte, saugte der HedieiB-Mann zimächst an der KtHrperstelle
dee I^tiesteo, die der Siti des Leidens zu sein schien, und awar mit solcher
InteositAt, dass ein weithin hörbarer klatschender Ton eneogt wurde und
groBse blaue Flecke, wie nach Application eines trockenen Schri^fkopfe^
sichtbar blieben. Dann brachte er unter lautem Külpsen ein Steinchen ans
dem Munde hervor, bepnstete und beleckte es mehrere Male, rieb es sich
selbst an verschiedenen Körpertheilen. Unterarmen, Untei-schenkel und
Achset, ein und Hess es dann sehr geschickt wieder
verschwinden."
„!Ehe er das Saugen wieder begann, schlug er
rechts und links mit Händen und Füssen aus. Xun-
mehr kamen andere Körperstell^i des Patienten
an die Reihe, wobei immer ein Stein, wahrschein-
lich immer derselbe, aus dem Munde hervorgeholt
nnd wegpracticirt wurde. Zum Schluss ging er in
einen "Winkel, um kräftig auszuspeieu, und wieder-
holte dasselbe unter einem Baum vor der Hütte,
trat daü Sputum mit dem Fusse aus, und machte,
sich plötzlich umdrehend, mit Händen und Füssen
abwehrende Bewegungen."
IWe Tsthmus - Indianer nehmen vor dem
Saugen bestimmte Medicamente in den Mund, die
Creek, Winnebago und Chippeway u. s. w.
kauen bisweilen eine gelbe Wurzel aus, deren Saft
sie ausspeien, um zu beweisen, dass sie dem Pa-
tienten die versetzte Galle ausgesogen haben. Auf
den Aaru-Inseln wird die zu saugende Stelle erst
mit kleingekautem Gember bedeckt Da in dem
nialayischen Archipel der Gember, vrie wir sahen,
auch zum Bespeien des Kranken benutat wird, um j^g go, Medidn-MaonB-Stein,
den Krankheitsdämon aus seinem Körper heraus- Tsaeouver.
zutreiben, so mössen wir hier wahrscheinlich auch
wohl einen ähnlichen Gedankengang vermutheu.
In unsichtbarer Form wird die Krankheit bei den Isthmus-Indianern
ausgesogen. Der Medicin-Mann stUrzt dann plötzlich mit aufgeblaseneu
Backen davon und thut, als wenn er etwas ausspuckte. Dann stösst er
Flüche und Verwünschungen aus gegen die Krankheit, die er soeben ent-
temt hat. Bei den Klallams kommt der Medicin-Mann so in Erregung,
dass er den kranken Theil auch mit den Zähnen packt. Um ein Mädchen
von einer Erkrankung der Seite zu heilen, zog er dieselbe nackend aas,
wai'f darauf selber sein Blanket ab und begann zu singen und heftig au
gesticuliren. Die Assistenten schlugen den Takt mit kleinen Stöcken an
hölzernen Gerässen und Trommeln, wobei sie fortwährend sangen. ,,Naeh-
dem sich der Medicin-Mann in dieser Weise ungerähr eine halbe Stunde
hindurch angestrengt hatte, bis der Schweiss von seinem Körper rann, warf
186 XI. Die übernatürliche Krankenbeliandlung.
er sich plötzlich auf das junge "Weib, hielt ihre Seite mit den Zähneo ge-
packt und schüttelte sie für einige Minuten, während die Patientin au
grosser Erschöpfung zu leiden schien. Er verliess dann seinen Platz und
schrie, dass er es bekommen habe, zur selben Zeit seine Hände vor seinen
Mund haltend; danach tauchte er in's Wasser und behauptete, mit grosser
Schwierigkeit die Krankheit, welche er herausgezogen habe, nieder zu halten."
Die Saugekraft der Medicin-Männer gilt, wie man begreifen wird, als
eine übematUrliche. Es sind die Geister, die sie beseelen, welche durch
ihren Mund diese "Wirkung ausüben. Die Dacota glauben, dass es Thier-
geister sind, die Manidos, welche für die Medicin-Männer das Aussaugen
besorgen, und darauf bezieht sich auch bei den Klamath-Indianern ein
Beschwörungsgesang :
„Ich, der Käfer, ich beisse und sauge."
83. Das Anfsaehen des Locus affectas.
Für die Saugecur bleibt es sich nun nicht gleich, auf welcher Stelle
der Mund aufgesetzt wird. "Wenn eine örtliche Schinerzhaftigkeit nicht den
Locus affectus zu erkennen giebt, so muss
i derselbe sorgfältig aufgesucht werden. Die
Aerzte derSchastas in Nord-Califoruieu
werden hieriu von einer Collegin unterstützt,
welche bei dem Kranken wie ein Hund so-
lange bellt, bis sich der Geist liierdurch
bewegen lässt, ihr die richtige Stelle an-
zuzeigen. Bei den Dieyerie in Süd-
Australieu betastet der Medicin-Mann
_ sorgfältig den Körper des Kranken, bis er
vorgiebt, etwas zu fühlen. Dann saugt er
einige Minuten an dieser Stelle und entfernt
sich danach eine kleine Strecke von dem
Lager. Dabei bricht er ein kleiues Stück
Holz ab, das er verbirgt, imd kehrt zum Lagerplatze zurück, macht sich
mit einer rothglUhenden Kohle die Hände heiss und knetet dann an dem
Körper des Kranken herum, bis er dann plötzlich zu Aller Erstaunen das
kleine Holzstückehen zum Vorschein bringt
Die in Figur 83 wiedergegebene Zeichnung auf einem Musikbrett der
Chippeway-Indianer zeigt uus einen Medicin-Mann, der einen vor ihm
auf der Erde liegenden Kranken behandelt In der linken Hand hält er
ein Instrument, entweder die Kassel oder die Trommel. Von seinem Auge
verläuft eine Linie gerade zur Herzgrube des Patienten. Diese bedeutet
dass er nun den Locus affectus aufgefunden hat Hier hat der Krankheits-
Dämon seinen Sitz aufgeschlagen und von hier muss er auch vertrieben
oder vielmehr herausgesogen werden.
Bei einer allgemeinen Erkrankung wählen die Medicin-Männer der
Eingeborenen von Süd-Australien und Victoria die Magengrube zum
Heraussangen der Krankheit aus, und bei den Indianern vonVancouver
konnte Jacobsen das Gleiche beobachten.
83. Das HerauBnehmen der Krankheit. 187
Der Locus afifectus wird aber auch bei anderen G«legeiiheiten anf-
gesucht. Die Laoten z. B. wiinBchen zu wissen, an welcher Körperstelle
sich der Krankheitsdämon verborgen hat, da er nur Ton dieser Stelle aus
zu bewegen ist, durch den Mund des Kranken Auskunft zu geben. Zu
diesem Behufe bindet der Mediciu-Mann sieben Baumwollenfäden um die
Daumen uud um die grossen Zehen des Krauken, spricht seine Beschwö-
rungsformeln und drückt mit seinen Fingern ganz allmählich alle Theile
des Körpers, einen nach dem anderen, bis er die richtige Stelle gefunden
hat. Die Ostjaken suchen für das Ansetzen ihrer Birkenschwamm-Moxen
dadurch die geeignetste Slelle herauszufinden, dass sie an dem erkrankten
Theile eine glühende Kohle auf verschiedene Hautstellen bringen. Dort,
wo der Schmerz nicht gleich empfunden
wird, ist für die Moxe der geeignete
Punkt
83. Das Heniasnehmen der Enuikheit.
Das Kneten, Pressen, Drücken und
Streichen, wie wir es in der Massage
kennen gelernt haben , hatte zweifellos
ursprünglich auch nur den Zweck, die
Krankheit oder deu Krankheitsdämon aus
dem Patienten herauszunehmen. Hierhin
haben wir es zu rechnen, wenn uns von
den Eingeborenen der Inseln Leti, Moa
und Lakor berichtet wird, dass dem
Patienten zuerst der Körper mit Kalapa-
Oel eingerieben und dann ein aus sieben
Sirih- und sieben Pinang-Stücken zu-
sammengekauter Brei auf die kranke Tig. 83. HOlfageiat des Srbacianea der
Stelle gelegt wird. Darüber deckt man Giljaken mit bibNid dioastbaren Gei-
<lann ein bezaubertes Tuch und nach Mor**f"fi*k8rkn^, BeHin.
einer Viertelstunde findet man nun in **"'' Photographie.
dem gekauten Brei den Fremdkörper,
welcher die Krankheit verursacht hat. Auf der Insel Eetar und auf den
KSi-Inseln schmiert man deu kranken Körpertheil ebenfalls, bevor man den
magischen Fremdkörper aus ihm entfernt, mit kleingekauten Jledicamenten
ein; auf der erstgenannten Insel wird die Stelle vorher gekniffen.
Die Indianer Britisch Columbiens verbinden mit dem mechanischen
Fortnehmen der Krankheit gleichzeitig auch das Aussaugen und die gewalt-
same Massage. So heisst es bei Bancroft: „Der Hexenmeister, häufig grotesk
bemalt, tritt in den Kreis, singt einen Gesang, und geht daran den bösen
Ueiat von dem kranken Manne zu zwingen, indem er beide geballten Fäuste
mit aller Macht in seine Magengrube presst, und ebenso andere Theile des
Körpers knetet und schlägt, ihn gelegentlich mit seinen eigenen Fingern
stossend, und indem er Blut aus demjenigen Theile heraussaugt, der als
der befallene betrachtet wird. Die Zuschauer schlageu mit ihren Stöcken,
und alle mit Finschluss des Arztes, und oft auch der Patient gegen seinen
188
XI. Die übernatürliche Krankenbebandlung.
Willen, unterhalten einen unanfhörlichen Gesang oder Grfkeul. Hier ist
übrigens eine gewisse Methode in der Tollheit, und wenn die Routine toII-
endet ist, wird sie von Neuem begonnen, und dies ¥rird mehrere Stunden
hindurch alle Tage wiederholt, bis der Fall entschieden ist Bei «nigen
Stämmen extrahirt der Arzt schliesslich den Geist, in dM* Form eines
kleinen Knochens oder eines anderen Gregenstandes, aus dem Körper, oder
dem Munde des Patienten durch irgend ein Taschenspielerkunststüc^.^
Eine besondere Methode, das die Krankheit erzeugende Thier, den so-
genannten Fresser (Wurm, Schlange, Eidechse u. s. w.), aus dem Körper
des Kranken herauszuholen, haben die Medicin-Männer, die Amagqira
wokupata der Xosa-Kaf fern. Es wird zuvor ein Opferthier geschlachtet,,
oft in besonders grausamer Weise. Im Jahre 1888 wurde in Mtata ein
Ochse bei solcher Gelegenheit lebendig geschunden und ihm ein Verderben
mit dem Schulterblatt abgelöst, „sodass er auf drei Beinen umhertaumelte'*.
Darauf formt der Medicin-Mann aus Lehm und frischem Kuhdünger einige
Kugeln , an Grösse
einer gewöbiüichen Ke*
gelkugel gleich. Diese
legt er auf die schmerz-
haflke Stelle und drückt
sie unter Aechzen und
Stöhnen, damit sie die
giftigen Fresser aus
dem Körper saugen
sollen. Dann nimmt
er die Kugel vor den
Mund , bläst daran
herum, als wenn er
jene Dinge heraus-
ziehen wollte , und
verdreht dabei ganz
schrecklich die Augen.
Im Munde verborgen
hat er sich schon mit
solchen Dingen versehen, die er auffinden will. Merken die Umstehenden^
die sich ja in grosser Fm-cht und Aufregung befinden, nicht genau darauf,,
so practicirt er jene Dinge in die Kugeln; sein Aechzen und Stöhnen lässt
nach und er behauptet, dass nun der Kranke genesen sei.
Die Süd-Australier nehmen in unsichtbarer Form die Krankheit von
dem Patienten fort und werfen sie scheinbar in das Wasser oder sie ver-
brennen sie. Die Nieder-Californier versuchen in verzweifelten Fällen^
die Krankheit mit den Fingern aus dem Munde des Patienten heraus-
zuziehen. In gleicher Absicht stecken die Yakis dem Kranken einen Stock
in den Mund, um so die Krankheit aus seinem Magen zu ziehen. Bei
Ehrenreich lesen wir über die Yamamadi:
„Eine Krankenbehandlung, der ich beiwohnte, unterschied sich dadurch
von der gewöhnlichen indianischen Curmethode, dass sie vollkommen laut-
los, ohne Saugen oder Anblasen des Patienten vor sich ging. Die Umgebung
der leidenden Stelle — es handelte sich um eine linksseitige Supraorbital-
Fi|^. 88. MedidD-Manoi der Chippeway-Indianer, den Lotus
affectas eines Kranken findena. Von einem Musikbrett
Nach Hoffman.
84. Der Exarcismus durch dea M^ciii^Manti. 189
neuralgie — wiirde mit der linken Hand gekniffen und gezupft, wälurand
die rechte den Kranken fest im Genick packte. Nach einigen solchen
<jhEiffen blies der Zauberer in die hohle Faust und that, als ob er einen
Gegenstand zwischen den Fingern aufinerksam betrachte. Diesen imaginären
Krankheitsstoff rieb er sich sodann in die Brustgegend oder die Achsel-
höhle ein. Nachdem sich dieses Spiel sechs bis acht Mal wiederholt hatte,
wandte sich der Arzt um, strich sich die Hände an einem Balken ab und
verliess die. Hütte. Draussen grub er ein Loch, in welches er Wasser, das
er aus seinem Munde über die Hände spülte, abfliessen liess, rieb nochmals
sorgfältig seine Hand ab und schütl^ete das Loch wieder zu.'^
Durch Beschwörungen und Verfluchungen wiid der Fremdkörper, be-
ziehungsweise die Krankheit, auf der Insel Serang und bei den Topan-
tunuasu auf Selebes aus dem Kranken heraus-
geholt.
Auch die Klamath-Indianer haben für diesen
Zweck ihre Beschwörung, den sogenannten S p innen -
Gesang. Derselbe ist nicht gerade sehr geistreich;
er lautet:
„Ich, die Spinne, gehe hinauf.
Aufwärts wandere ich."
Dabei wird ein ovales Stückchen Hirschleder dem ci^ipp^tray^lndiaütt,
Patienten auf die kranke Stelle gelegt, ein Blanket en» Frau heikod.
wird darüber gebreitet und hier hinein zieht sich nun ^«^ einemMnmkbrott der
die Krankheit K«A /fo^fbwu.
84. Der Exorcismus durch den Medleln-ltatin.
Von den ältesten Zeiten bis zum heutigen Tage und über die ganze
Erde hin hat eine Art der Krankenbehandlung ihre Ausbreitung gefunden,
das ist der Exorcismus, das Bannen und Beschwören und die Austreibung
der Krankheitsdämonen. Wir haben ja bereits die musikalischen Instrumente
kennen gelernt, welcher der Medicin-Mann hiereu bedarf; es wurden auch
schon manche der Beschwörungsgesänge an geeigneter Stelle angeführt.
Wir finden aber in der Technik sowohl als auch in der Auffassung dieser
Exorcismen noch mancherlei kleine Verschiedenheiten. Wir geben hier zwei
Darstellungen von dem Exorcismus des Medicin-Mannes bei den Indianern.
Die Figuren 83 und 84 sind den Zeichnungen auf einem Musikbrette ent^
uommen, das sich in dem Besitze eines Mide der Chippeway-Indianer
befand. Figur 84 zeigt die Behandlung einer Frau und Figur 83 di^enige
eines Mannes. Beide Medicin-Männner schwingen die Bassel.
Figur 85 giebt eine Krankenbehandlung bei den Mandan-Indianern
nach einer Handzeichnung von Gearge Catlin,
Der Medicin-Mann umtanzt den Patienten, welcher schwach und elend
am Boden liegt Ganz ebenso, wie auf Figur 63, welche von der Feder
desselben Malers eine Krankenbehandlung bei den Schwarzfuss-Indi-
anern zur Darstellung bringt, halten Männer, Frauen und fast alle Kinder
die rechte Hand vor ihren Mund. Wollen sie sich vielleicht dadurch
190 XI. Die übernatürliche Krankenbehandlung.
schützen, dass der Dämon, der die Krankheit verursachte, wenn er nun
aus dem Kranken verjagt wird, nicht in ihren Körper hineinfahre?
Oft reicht die Macht des Medicin-Mannes aus, den Dämon, welcher die
Elrankheit macht, und damit diese selber aus dem Körper des Patienten
herauszutreiben. In manchen Fällen muss aber ein hülfreicher Geist für
ihn diese mühevolle Arbeit übernehmen. Nicht selten wird durch mechanische
Eingriffe das Entweichen des Dämons unterstützt und erleichtert Meistens
geschieht es mit Lärm und Geschrei, um den Dämon zu erschrecken und ihm
Furcht einzujagen. Auch mit Beleidigungen wird es versucht, die manchmal
den bösen Geist bewegen, sein Opfer fahren zu lassen. Von grosser Wirkung
hält man bei einigen Völkern das Ausräuchern des bösen Geistes, und
manchmal gelingt auch die Befreiung des Kranken auf dem Wege der
Ueberlistung, oder der gütlichen Ueberredung. Wenn es nun nicht nur ge-
lingt, den bösen Geist zu vertreiben, sondern auch noch ihn festzubannen
oder gar zu vernichten, so ist die Aufgabe des Medicin-Mannes in der aller-
vollkommensten Weise gelöst.
Wenn bei den Koniagas eine Person krank wird, so wird angenommen^
dass irgend ein böser Geist von ihr Besitz genommen hat, und es ist das
(ileschäft des Schamanen, den Geist zu beschwören, zu bekämpfen und aus
dem Manne auszutreiben. Zu diesem Zwecke setzt er sich mit dem magischen
Tambourin bewaffnet zu dem Patienten und murmelt seine Incantationen.
Ein weiblicher Assistent begleitet ihn mit Aechzen und Brummen. Sollte
dies erfolglos sein, so nähert sich der Schamane dem Bette und wirft sich
auf den Körper des Leidenden; dann den Dämon fassend, ringt er mit ihm,
überwindet ihn und wirft ihn hinaus, während die Assistenten schreien:
„Er ist gegangen! Er ist gegangen!"
Auf den Luang- und Sermata-Inseln und bei den Topantunuasu
in Selebes schlägt man bei gewissen Krankheiten auf den armen Patienten
ein, um auf diese Weise den bösen Geist aus ihm herauszuprügeln.
Auf Samoa giebt es bestimmte eingeborene Aerzte, welche in dem
Hufe stehen, dass sie die Schwindsucht, Mumu genannt, oder besser
gesagt, den Dämon, der sie verursacht, mit dem Speere durchbohren
können. Wenn solch ein Ai'zt gerufen wird, so setzt er sich vor den Kranken
nieder und singt:
„0 Mumu! Mumu!
Ich bin im Begriff, Dich zu spiessen!"
„Dann springt er auf und schwingt den Speer über dem Haupte des
Kranken und verlässt darauf das Haus. Niemand darf während dieser
Ceremonie sprechen oder lächeln.'*
Auch auf den Nicobaren erscheinen die Medicin-Männer häufig mit
dem Speere in der Hand bei dem Patienten, um den bösen Geist, den Iwi,
zu durchbohren, der die Krankheit verursacht hat
Dieses Herausschrecken und Verjagen der Krankheitsdämonen findet
in grossem Stile bei Epidemien Statt Wir wollen diese Maassnahmen hier
übergehen, weil wir sie später noch im Zusammenhange ganz ausfuhrlich
zu besprechen haben.
Dass der von dem Medicin-Manne und seinen Gehülfen hervorgebrachte
betäubende Lärm zum Zweck hat, den Krankheitsdämon zu erschrecken,
8Ö. Das Ausräuchern der KranJüieitsdämonen. 191
das liegt wohl deutlich auf der Hand. In einigen Schildeningen wird diese
Absicht aber auch noch besonderB hervorgehoben.
Den Wunsch, den bösen Geist, der die Krankheit gebracht hat, zu
heschimpfen und zu beleidigen, finden wir bei den Australnegern von
Victoria, und bei den Eingeborenen des Seranglao- und Gorong-
Archipeles,
85. Das AusiUnchem der EranUieltsdBmoDeD.
Das Ausräuchern, namentlich bei bestimmten Erkrankungen, hat eben-
falls eine niumlich sehr weite Yerbreitung. Meist sind es wohl stark
schwälende Pflanzen, die gleichzeitig einen intensiven Geruch verbreiten,
welche man zu diesen Ausräucherungeo in Anwendung zieht. Auch Hörn
und Haare sind hierfür beliebt
Fig. 85. Hedicin-MaDD der Mandan-IadiaDer, emen EraDkeD heilend,
Hub elDer HandzeiolmiiiiB von CaUin- Im BeaitE dn Uns, 1. Välkerkande, Berlin.
Die Mide der Chippeway-Indiauer benutzen zum Ausräuchern der
Dämonen eine Cypressenart, weil sie glauben, dasa die Nadeln der Zweige
die bösen Geister stechen und dass die Wirksamkeit der Ausräucherung
hierdurch bedeutend erhöht werden würde. Auch bei den Central-
Amerikanern sind Ausräucherungen der Dämonen im Gebrauch, sowie
auch bei den Harrari in Afrika, bei sibirischen Völkern, in Laos und
auf verschiedenen Inselgruppen des malayischen Archipels. Die Samo-
jeden und Ostjaken verbrennen zu diesem Zwecke Rennthierhaare, wonach
der Besessene in einen stundenlangen Schlaf verfällt. Auf den Kei-
Inseln werden BüfTelhaare und abgeschnittene Haare der Papua-Sklaven
in Anwendung gezogen, und mit BüfFelhaaren räuchert man auch auf dem
Seranglao- und Gacong-Arcbipel den Schatten des Dämon aus dem
Kranken heraus. Bei den Indianern des centralen Mexico spielt fiir
diese Käucherungen der Salpeter eine hervorragende Bolle. Aus seinen
BUckständen in der Asche sucht dann der Hedicin-Mann irgend eine grosse
Ameise oder einen Wurm hervor, um sie als die ausgetriebenen Krankheits-
192 XL Die übenuttorlidie Krankenbehandlang.
Dümotten dem Patienten und seinen Angehörigen zu deren grosser G«niig-
thunng vorzustellen. Auf Keisar werden die iram Räuchern bestimmten
Holzarten imter der Lagerstätte des Kranken yerhrannt
Bei den Mos quito- Indianern entEÜndet man das Feuer neben dem
Kopfe des Patient^i und der Medidn-Maan bläst ihm dann den Bauch
über sein Gesicht
Am complicirtesten scheinen diese Maassnahmen bei den Laoten sich
zu gestalten. Aymamier berichtet darüber: ^Wenn in Sour^n ein Mensch
Yon bösen Geistern besessen ist, so bringt man ihn an einen Kreuzweg und
umgiebt ihn mit einer Art Ton Pallisade, welche durch Pfbetoi gebildet
wild, die man in die Erde stedct Darüber gelegte Stäbe bilden das Dach,
so dass der Patient nun wie in einem Käfig sitzt, und zwar auf einem
kleinen G^steU, unter waches eine Schaale mit Ta^bak und ^»iiiBchem
Pfeffer gestellt wird. Neben dem Käfig errichtet man eine kleine Pyramide
aus Holzscheiten in dreissig Schichten. Wenn alles dieses vorbereitet ist
werden glühende Kohlen in die Schaale geworfen, um den Patienten tüchtig
durchzuräuchern und ihm die Geister auszutreiben. Fast erstickend ruft
der Kranke: „Aber ich bin ja nur ein Mensch!^* Die Medicin-Männer
lassen ihn schreien und wimmern bis Alles in der Schaale verbrannt ist,
denn sie meinen, dass dieser Ausruf nur ein Kniff der bösen Geister tst^^
Eine hervorragende Rolle spielen die Räucherungen der Patientinnen in
der Wochenbettpflege der uncivilisirten Völker (Fig. 60). Auch hier liegt zweifel-
los ursprünglich der Gedanke zu Grunde,' dass ein böser Geist, der Geist
der Ejrankheit, der Unreini^eit auf diese Weise verjagt werden muss. Ich
habe über diese Verhältnisse an anderer Stelle ausfuhrlich gehandelt
86. Der Exoreimus durek UiemattrUd« Q^hiUlSeiL
Dem Medicin-Mann wird sein Werk der Teufelsaustreibung um so besser
gelingen, wenn ihm übernatürliche Hülfskräfte zur Verfiigung stehen. Darauf
zielt ja auch das Gebet und das Opfer ab in vielen Fällen, wodurch man
die Gottheit veranlassen will, die Vertreibung der Krankheitsdämonen zu
übernehmen. Und darum müssen auch, wie auf Sumatra, in Annam und
auf Keisar nach gLöcklich erfolgter Heilung Dankopfer dargebracht werden.
Bei den Topantunuasu ^d es die Schutzgeister des Stammes^ denen
geopfert wird-, um die bösen Geister zu v^ireiben, welche die Krankheit
verursacht haben.
Dem Medicin-Manne der Annamiten hilft sein grosses Kriegsheer von
GMstem, dem Medioin-Manne der Indianer stehen seine Manidos zu
Gebote, der Schamane der sibirischen Volksstämme ruft seine Hül&geisiter
in die Trommel herab.
Der australische Medicin-Mann in Victoria beschwört den ihn
schützenden Gleist eines verstorbenen M^icin-Mannes, in den Körper des
Kranken hineinzufahren und die Krankheit herauszuholen. Auf!Nia.B sucht
der Medicin-Mann einen Hülfsgenius, der ihm dann^ behülflich ist, einen
Adü, einen Oetst, au&ufinden, der die RoUe eines Vermittlers übernimmt.
Dieser letztere überredet nun den Dämon, welcher als Krankheit in den
Patienten gefahren ist, diesen wiederum freizulassen und dafür die Schweine
zu nehmen., die ihm geopfert worden sind. Aber a«ch noch eine Andere
86. Der Exorcismus durch übernatürliche Gehülfen. 193
Methode giebt es auf Nias, welche Modigliani bei der Behandlung einer
alten, an Erbrechen und Hustenanfällen leidenden Frau mit ansah. Die
vorher geschilderte Heilungsart hatte keinen Erfolg gehabt, weil ein dem
Medicin-Manne feindlicher böser Geist ihn den richtigen Adü nicht hatte
finden lassen. Er rief sich nun einen CoUegen zu Hülfe und mit vereinten
Kräften hatten sie bald den geeigneten Ädi$ gefunden, „der dieses Mal durch
eine rohe Holzfigur mit nur einem ausgearbeiteten Arme dargestellt war.
Sie hatten ihn zuerst unter das Haus gebracht, dann hinein und schliess-
lich auf das Dach in verschiedenen Pausen, vielleicht damit er gut sehen
könne, welche und wie viele böse Geister hineingingen, und zuletzt wurde
er auf das Bett gelegt und mit einer aus Ringen von Cocosblättem ge-
fertigten Kette von 6 Meter Länge daselbst angebunden, welche auf die
Erde herabhing. Im Inneren der Hütte waren andere gleiche Hinge an
dem Bilde des Adü Nübo und an der Matte, auf welcher die Kranke lag,
befestigt."
„Um einen anderen, mächtigeren Sumdnge zu erhalten, wurde noch ein
Huhn geopfert, in der Sorge, dass der böse Geist nicht befriedigt sei (Hab-
gier begleitet die Niasser in allen Lebenslagen); aber da die Absicht nicht
sofort erreicht wurde, so rief der Er^ seinen Bela, seinen Beschützer, in-
dem er magische Worte wiederholte und grosse Schläge auf seine heilige
Trommel führte. Er tödtete darauf ein altes und sehr mageres Schwein,
indem er ihm ein langes Messer in die linke Schulter stiess und mit grosser
Geschicklichkeit bis in das Herz drang, und ihm einige Borsten ausreissend,
tauchte er dieselben in das Blut und bestrich dem Adü das Gesicht. Dann
sengte er die anderen ab und zertheilte das Thier, ohne es abgehäutet zu
haben. Das Opferthier wurde darauf vertheilt, und was von dem Schweine
übrig blieb, wurde vor der Hütte gelassen unter der Kette, die vom Dache
herunterhing."
„Jetzt kam der letzte Theil der Ceremonie: alle Ausgänge des Hauses
wurden geschlossen, mit Ausnahme eines im Dache angebrachten Klapp-
fensters, durch welches ein Theil der Kette ging, um sich mit derjenigen
zu vereinigen, welche an dem Adü vor dem Hause hing; und alle Familien-
glieder fingen an zu heulen und zu toben, während der mit Lanze und
Messer bewafEaete Medicin-Mann einen Geist zu verwunden und in die
Flucht zu schlagen suchte, der in den Körper der Kranken gefahren war
und von ihm allein gesehen wurde."
Man nimmt nun an, dass „der in Schrecken gesetzte böse Geist durch
alle diese Zwangsmaassregeln immer durch den Adü, der von der Höhe
des Hauses her den Kranken beschützt, getrieben, auf irgend eine Weise
zu fliehen sucht, und keine andere Oeffnung als die Dachluke findet, an
der Kette in die Höhe klimmt und dann von dem Hause herabläuft, die
TJeberreste des kurz vorher geopferten Schweines entdeckt und sich auf
Letztere fallen lässt. Wenn er das Haus verlassen und das Schwein als
Gegenstand seines bösen Einflusses erwählt hat, so wird der Adü ihn daran
verhindern, zurückzukehren."
Eine ganz ähnliche Heilmethode wird von von Bosenberg ebenfalls aus
Nias beschrieben. Wir können sie hier mit Stillschweigen übergehen.
Bartels, Uedidn der Naturvölker. ^^
194 XI. Die übernatürliche Krankenbehandlung.
87. Das Fangen, Festbannen und Yemiehten der Krankheltsdimonen.
In Victoria wohnte Thomas einer Krankenbehandlung bei, welche
drei junge Männer betraf. Sie hatten im Freien übernachtet und be-
haupteten nun, von der Krankheit Tur-run befallen zu sein, welche dann
besteht, dass Zauberer ihnen dünne Baumzweige in die Augen gestossen
hätten. „Sie waren in Verzweiflung, und Muthlosigkeit breitete sich im
Volke aus und es herrschte grosse Verwirrung im Lager. Aber sogleich
erschienen neun weibliche Aerzte. Sie legten die jungen Männer an ein
ganz von Baumrinde entzündetes grosses Feuer, das sie speciell für sie be-
reitet hatten, und an einem angemessenen Platze abseits vom Hauptlager.
Jede der neun Frauen hielt in der einen Hand ein Stück brennender Kinde
und in der anderen ein Bündel Zweige, die vom Pallee gepflückt waren.
Jede Frau berührte die Kranken mit den Zweigen am Kopfe. Die weib-
lichen Aerzte gingen dann rings um das Feuer, wobei sie die Blätter der
Zweige an der Ilamme gut erwärmten, und die heissen Blätter wurden
dann gegen die Brust der Kranken gerieben, und gegen die Stelle, wo der
Marm-bu-la (das Nierenfett) sitzt, und gegen den Nabel. Und sie be-
schleunigten ihre Schritte und erhitzten die Blätter mehr und mehr, und sie
rieben die Blätter gewaltsam, gegen die Augenbrauen, den Kopf und die
Hände der Kranken, wobei sie die ganze Zeit fremdartige Gesänge und
schreckliche Anzeichen von Betrübniss und Trotz wiederholten. Als das
gemacht war, warf jede der Frauen ihren Zweig in das Feuer. Sie nahmen
nächstdem Kun-nun-der (Kohlenpulver) und jeder weibliche Arzt machte
jedem Patienten einen schwarzen Strich vom Nabel bis zu der Brust, und
dann einen schwarzen Strich von jedem Mundwinkel bis zum Ohre. Als
das alles geschehen war, wurden die sichtlich sehr erschöpften Kranken
nach ihrer Hütte (Miam) zurückgebracht Aber so gross war das Zutrauen
der Kranken zu dieser Behandlungsmethode, dass sie geheilt waren und
kurz darauf ihren gewohnten Beschäftigungen nachgingen. Während des
Experimentes, als die weiblichen Aerzte besonders beschäftigt waren, wurde
der Stärkste der drei Schwarzen ohnmächtig und wurde von der einen der
weiblichen Aerzte unterstützt und gehalten."
Der Sinn dieser Ceremonie ist vermuthlich der, dass die Krankheit in
die Zweige und Blätter gebannt wird, und wenn man sie nun in diesen
gefangen hält, dann wird sie mit den Zweigen in das Feuer geworfen und
sie muss dann natürlicher Weise verbrennen.
Hieran erinnert eine Procedur, welche von den Steinen mit einem
kranken Weibe der Yuruma-Indianer vornehmen sah. „Die Frau lag
in der Hängematte; mit einem grünen Zweige rieb ihr der College Gesicht,
Hals, Brust und Bauch, mit beiden Fäusten aus Leibeskräftien zudrückend,
und pustete, als wollte er sich bei der Anstrengung die Seele auspressen.
Dann nahm er den Zweig in die hohlen Hände, vorsichtig, als ob er von
einer Flüssigkeit zu verschütten furchte, und trabte hinaus, ihn fortzuwerfen,
immer aus dem tiefsten Inneren ächzend. Wiederkehrend unterwarf er den
Rücken der Frau derselben Procedur; er wedelte den Zweig, auf dem sie
gelegen, zuerst wie abstäubend und begann zu kneten; mit derselben wichtigen
Aengstlichkeit brachte er die gefangene Materie in's Freie."
87. Das Fangen, Festbannen und Vernichten der Kraukfaeitsdämones. 195
Äehnlich ist mich die Methode der Papua von der Geelvinkbai in
Xeu-Guinea. v. Hasselt schreibt: „Manchmal kneipt der KoQorr (d. h.
der Zauberer) Daumen und Zeigefinger der rechten Hand so zusammen,
als ob er ein StUck von dem Leibe des Kranken festhielte, bringt die
geschlossenen Finger sn seinen Mund, pfeift und öf&iet die Finger wieder,
um den Termeiutlichen Swangie oder Manoin (Dämonen) fortfliegen zu
lassen."
Auf den Aaru-Inseln und im Babar-Archipel schlägt man Epilep-
tische niit gewissen Blättern, damit der böse Geist in dieselben fahre. Jst
das glücklich gelungen, dann werden sie fortgeworfen.
Von der Behaudlung eines Kindes in Koetei in Borneo mit einer
Wunde am Beine berichtet Tromp. Der Uedicin-Mano holt« ein Blatt
hervor „und legte es, Beschwörungen murmelnd, mit allerlei fremdartigen
Geberden auf die eiternde Stelle. Ais dann ein Fleck auf das Blatt kam.
so war dieses der böse Geist, der die Qual ver-
ursacht hatte; der Medicin-Mann guckte es einige
Zeit an, und entfernte sich dann mit eiu Paar
Riesensprüngen plötzlich aus der Gesellschaft.
Das musste bedeuten, dass der böse Geist plötz-
lich in ihn gefahren war, uud als er entfliehen
wollte, ihn raitgefiihrt hatte. Der Medicin-Mann
wurde dann von einigen anderen nicht Dienst
thuenden Medicin -Männern wieder zurückgeholt
und kam hinkend mit einem traurigen Gesichts-
ausdruck wieder, sehr passend, um anzuzeigen,
dasa der böse Geist noch in ihm sei. Aengstlich
blicken die Umstehenden umher, aus Furcht, dass
der böse Geist, der den B^abei sicherlich zu
verlassen sucht, in sie fahre, bis endlich das
(lesicht des Letzteren sich aufklart und er wie-
der begann gut zu laufeu zum Zeichen, dass der Fig. 86. Mengchliche Pimir au§
gefährliche Geist gewichen sei. Wie diese Ent- «nem Koliblatt in weldie der
weichung stattgefunden hatte, wodurch sie ver- «"»th«»««!^" P^'ockt wird,
ursacht war, wohin der Böse gegangen war, ohne Nach RitM.
•Temanden aus der zahlreichen Gesellschaft zu
verletzen, das konnte ich nicht in Erfahrung bringen; vermuthlicb wusste
man es selber nicht."
Auf Amben uud den Üliase-Inseln nimmt der Medicin-Mann ein
Pfefferkorn und drückt mit diesem den Patienten an verschiedenen Stellen,
bis es schmerzt So zwingt er unter Beschwörungen den Krankheitsdämou
in das Pfefferkorn und dieses wird dann in einen Korb gelegt nnd au
einem bestimmten Orte fortgeworfen.
Bei den Aunamiten bannt der Medicin-Mann den Krankheitsdämou
iu einen seiner Gehülfen oder auch in besondere kleine Puppen. Auf den
Inseln Romang, Dama, Teun, Nila und Serua fertigen die Medicin-
Männer ein Figürciieu aus einem Palmblatte (Fig. 80) und stellen es über
den Kopf des Kranken. Davor legt man „als Opfer oder als Lockmittel
Sirih-Pinang und etwas Beis mit einer halben leeren Eierschale, wovon ein
Bischen von dem Inhalt auf die Stirn des Kranken gelegt wird. Der böse
13*
196 XI. Die übernatürliche Krankenbehandlung.
Geist verlässt, durch das Stückchen auf der Stirn angereizt^ den Körper des
Kranken, isst dasjenige, was auf der Stirn des Kranken liegt, und begiebt
sich darauf in das £ild, um den dargebotenen Sirih-Pinang und Reis un-
gestört zu gemessen. Indessen betet und pfeift der Medicin-Mann imd ruft
den Dämon. Dann presst er in einem bestimmten Augenblicke wüthend
das Bild und schlägt ihm den Kopf ab, damit der böse Geist, der in dem
Bilde ist, nicht mehr im Stande sei, zurückzukehren.^'
Während hier der Krankheitsdämon in die Figur eines Menschen ge-
bannt wird, so findet es sich auch bisweilen, dass eine Thierfigur fiir diesen
Zweck hergestellt wird. Das ist besonders dann der Fall, wenn man auch
den bösen Geist, der die Krankheit verursacht, sich in der Gestalt eines
Thieres vorstellt Auf Tanembar und den Timorlao-Inseln suchen alte
Weiber die Epilepsie, welche man sich auf jenen Inselgruppen bisweilen
durch einen in dem Patienten sitzenden Vogel entstanden denkt, dadurch
zu heilen, dass sie eine Vogelfigur anfertigen. Dieser opfern sie dann am
Abend Reis und ein Huhn und schiessen nach ihr mit Pfeil und Bogen.
Auch bei den Dacota-Indianern wird, wie wir sahen, sehr häufig
die Krankheit dadurch zu erklären gesucht, dass sie annehmen, der Geist
eines Thieres oder besser ein Geist in Thiergestalt, sei in den Körper des
Patienten gedrungen. Dann fertigt der Medicin-Mann aus Baumrinde das
Bild dieses Thieres imd stellt es vor der Hütte des Kranken in eine
Schüssel, in welcher sich rothe Erde mit Wasser gemischt befindet Mit
wilden Bewegungen und mit Hasseln macht er sich um den Kranken zu
thun. Indessen stellt sich eine Frau mit gespreizten Beinen über die
Schüssel und hebt ihre Kleider bis zu den Knien in die Höhe, während
zwei bis drei Indianer mit geladenen Gewehren bereitstehen. Es ist je-
doch nur Pulver und ein Baumwollenpfi*opf, aber keine Kugel in dem Ge-
wehr. Die Thür der Hütte ist geöffiiet, damit die Indianer den Medicin-
Mann sehen können. Sowie dieser ihnen das Zeichen giebt, feuern sie auf
das Bindenthier, um es in Stücke zu zertrümmern. Dann tritt die Frau
bei Seite und der Medicin-Mann macht einen „Satz zu der Schüssel auf
seinen Händen und Knien und beginnt in dem Wasser zu blubbern, zu
singen und allerlei Lärm zu machen. Während dessen macht die Frau
einen Sprung auf den Bücken des Arztes und steht hier einen Augenblick.
Dann steigt sie herunter, und sowie er seine Beschwörungsgesänge beendet
hat, packt ihn die Frau bei seinen Kopfhaaren und zerrt ihn in die Hütte
zurück, aus der er hervorgesprungen war. Werden noch irgendwelche
Trümmer des Thieres gefunden, auf das geschossen wurde, so werden sie
sorgfältig verbrannt, und dann ist für diesmal die Ceremonie zu Ende.
Wenn dieses den Kranken nicht heilt, so wird eine ähnliche Ceremonie
vorgenommen, aber es wird eine andere Thierart geschnitzt und nach der-
selben geschossen."
88. Das Bemalen und das Ummalen des Kranken.
Als weiter oben von der Behandlung der Australneger die Bede
war, durch welche die Tur-run-Krankheit vertrieben, wurde, da haben
wir es bereits erwähnt, dass die weiblichen Aerzte zum Schlüsse ihrer Heil-
88. Das Bemalen und das Ummalen des Kranken. 197
oeremonie den drei Patienten mit Kohlenpulver einen schwarzen Strich vom
Nabel aufwärts bis zur Brust und einen von jedem Mundwinkel bis zum
Ohre malten. Dass dieses Bemalen in den Augen jener Leute eine be-
sondere Bedeutung besitzen muss, das liegt wohl auf der Hand; aber es ist
nicht leicht, sich eine klare Vorstellung davon zu machen, was sie nun
eigentlich damit bezwecken. Um so wichtiger ist es daher, dass wir uns
auf dem Erdkreise umblicken, ob diese Vornahme ganz vereinzelt dasteht
ohne Analogie, oder ob wir auch sonst noch irgendwo ähnliche Erschei-
nungen anzutreffen vermögen.
Da ist zuerst wieder ein Beschwörungsgesang der Klamath-Indianer
zu erwähnen, der als ,,der Frau Gesang" bezeichnet ist Er hat den
Wortlaut:
„Bemalt bin ich am Körper,
Ich, eine Frau, bin schwarz bemalt."
Wir können allerdings nicht ersehen, ob sie eine kranke Frau vor-
stellen soll.
Den Australnegern von Gippsland wird von den Medicin-Männem
häufig vorgeschrieben, dass, wenn sie krank sind, sie ihr Gesicht weiss be-
malen sollen. Die Mincopies auf den Andamanen fertigen eine ockerrothe
Farbe, Koi'ob genannt, aus Eisenoxyd, das sie mit dem Fett vom Schwein,
von der Schildkröte, bisweilen auch von einem Iguana oder von einem
Dugong mischen. Diese Farbe hat nicht nur kosmetische Bedeutung, sondern
sie wird auch zu Heilzwecken benutzt Denn sie bemalen damit den Fieber-
kranken die Oberlippe und, wenn dieselben verheirathet sind, auch den Hals.
An der Lo an go -Küste sah Soyaux eine Patientin, welche an Schlaf-
losigkeit und an heftigen Schmerzen im rechten Arm und Beine litt „Der
Zustand währte schon beinahe eine Woche, und verschiedene aus rothen
und schwarzen und gelben Tupfen gebildete Figuren auf der Haut der
leidenden Körpertheile verrathen, dass ein N'ganga seine Zauberkünste
f^egen die Krankheit versucht hat" Von der Insel Saleijer heisst es, dass
für die Behandlung von Fieberanfällen den Kranken das Gesicht mit allerlei
Schminken bestrichen wird.
Haben wir nun in diesen Bemalungen eine Art der Weihung und
Heiligung zu erkennen, oder sollen sie den Dämon der Krankheit er-
schrecken, oder sind sie dazu bestimmt, ihm die Wege vorzuzeichnen, auf
welchen er den Kranken verlassen soll? — ich weiss es nicht zu sagen.
Verständlicher werden ims aber diese Bemalungen schon, wenn sie mit
Opferblut ausgeführt werden. Dieses stammt in Nieder - Californien
von einer der nächsten weiblichen Verwandten; dieselbe muss sich in den
kleinen Finger schneiden und das Blut auf den kranken Theil des Patienten
träufeln lassen.
Bei den Betschuanen lässt der Medicin-Mann das Blut des Opfer-
thieres auf den Erkrankten fliessen. Die Mosquito-In dianer liegen auf
Anordnung ihrer Medicin-Männer Tage lang mit Blut beschmiert, allen
Wettern ausgesetzt, am Ufer, um ihre Wiederherstellung zu erwarten. Die
Ostjaken nehmen zwar nicht das Blut, aber das Fett des Opferthieres, um
damit des Patienten Stirn und seine kranken Glieder zu bestreichen.
Einer höchst interessanten Oeremonie hat Matthews in Arizona bei-
gewohnt Man könnte diese Art der Heilungsmethode als das Sitzen auf
198 XL Die übernatürliche Krankenbebandlnng.
dem Gemälde bezeichnen. Eb war ein grosser, schon einige Male erwähnter,
Medicin-Tanz der Navajö, deren diese Indianer siebzehn besitzen sollen.
Er fuhrt den Namen ..der Gesang gegen die Berge" und schildert die
Wanderungen eines ihrer Propheten durch die iiberirdi sehen Gefilde der
Welt. Neun Tolle Tage nimmt dieser Medicin-Tanz in Anspruch; die vier
ersten hatte man schon vor Monaten gefeiert; fiinf Feiertage standen
noch aus.
Eine Medicin-Hütte (Fig. 87) wurde errichtet, von weit und breit
strömten die Stammes genossen zusammen und ein reiches Eituale kam zur
Entwickeln ng. Einzelnes daraus wurde früher schon erwähnt; es ausführ-
lich zu schildern fehlt hier der Raum. Uns interessiren an dieser Stelle
die an vier Tagen ausgeführten Trockengemälde (dry paintings). Sie
werden durchaus nicht ohne Kunst und mit grosser Sorgfalt gefertigt.
Feierlich werden die Farben bereitet; rother, gelber und weisser Sand-
stein und Kohle werden zu feinem Pulver zerrieben. Sie bilden die Grund-
farben und sie sind gleichzeitig auch von einer heiligen Bedeutung. Schwarz
ist der Norden, weiss der Osten, gelb der Westen und der Süden blau.
Letzteres, sowie auch die anderen Mischfarben werden durch Vermengung
der Pulver erzeugi Die Schüler des Medicin-Mannes haben die Bilder zu
fertigen, je eines an einem Tag, vier an der Zahl. Da zu jedem der
siebzehn Medicin-Tänze vier Bilder gehören, müssen sie 68 verschiedene
Zeichnungen auswendig kennen.
In den geebneten Boden wird die Zeichnung iurchenartig eingekratzt
und in diese l^]rchen dann das färbende Pulver hineingestreut Sorgfältig
überwacht der Medicin-Mann die Arbeit; ohne jedoch selber mit Hajid an-
zulegen; aber hier und da, wo es ihm nöthig erscheint, ordnet er die Ver-
88. Das Bemalen und das Ummalen des Kranken. 190
besserung von Zeichenfehlern an. Denn die Zeichnung niuss nach streng
ritueller Vorschrift gefertigt werden und jede willkürliche Abweichung da-
von würde ein Sacrilegium sein. Menschliche Figuren werden zuerst nackt
ausgeführt und danach erst die ihnen bestimmte Kleidung darüber gemalt.
Zwölf Männer hatten an einem der Bilder (Fig. 88) volle sieben Stunden
arbeiten müssen.
Auf einer bestimmten Stelle dieser Bilder muss der Patient sich nieder-
setzen (in diesem Falle war es eine Frau), und zu dem Rituale gehörte es
unter anderem, dass der Medicin-Mann seine Hände mit Speichel befeuchtete.
sie gegen geeignete Punkte der Zeichnung andrückte und dann die Patientin
damit bestrich. Das ist also auch eine Art der Bemalung des Kranken.
Zuerst nahm der Medit;iu-Manu auf die geschilderte Weise Staub von den
Füssen der gemalten Gottheiten und brachte ihn auf die Fiisse der Patientin.
Dann nahm er nach der Eeihe Staub von den Knien, vom Leibe, von der
Brust, von den Schultern und dem Kopfe der Figuren und applicirte sie
den betreffenden Theilen der Kranken, womit er jedesmal eine kräftige
200 XL Die übernatürliche Krankenbehandlung.
Massage verband. Hier liegt das Heiligende der £emalung deutlich zu
Tage, denn die Körpertheile der Gottheiten werden hier allmählich in den
menschlichen Körper gebracht und das muss natürlicher Weise dann die
Krankheit zur schleunigsten Flucht veranlassen.
Von dieser Heilwirkung waren auch die Anderen überzeugt, denn als
die Patientin fortgegangen war, nahten sich mehrere Zuschauer dem Ge-
mälde und nahmen etwas von dem Farbenstaub der Figuren, um damit die
schmerzhaften Stellen ihres Körpers zu betupfen. Wer ein Leiden an seinen
Beinen hatte, der nahm Staub von den Beinen des Götterbildes, und wer
an dem Kopfe litt, nahm Staub vom Kopfe u. s. w. Unter Bassein und
Gesang wurden am Schlüsse der Ceremonie jedesmal die Bilder von dem
Medicin-Manne verwischt, wobei er eine ganz besondere Beihenfolge einhielt.
An einem der Tage vorher hatte schon der Medicin-Mann eine Um-
malung der Patientin vorgenommen. Er hatte mit der Bassel die Zeich-
nung des Tages ausgelöscht; die kranke Frau wurde von zwei sie unter-
stützenden Weibern aufgerichtet und „da, wo die Zeichnung gewesen war,
auf die Seite gelegt mit dem Gesicht nach Osten. Wührend sie hier lag,
ging der Medicin-Mann singend um sie herum, schrieb bei ihren Füssen
mit dem Finger eine gerade Linie in den Sand und kratzte sie mit dem
Fusse aus, schrieb bei ihrem Kopfe ein Kreuz und wischte es in gleicher
Weise aus, zog strahlenförmige Linien in allen Richtungen von ihrem Körper
aus und verwischte sie, gab ihr eine leichte Massage, pfiff über sie vom
Kopfe bis zu den Füssen und rund um sie her und pfiff gegen das Rauch-
loch, als wenn er etwas fortpfiffe. Die letzte Operation war eine kräftige
Massage, bei welcher er ihr jeden Theil ihres Körpers gewaltsam knetete und
ihre Gelenke heftig zog, wobei sie stöhnte und Zeichen von Schmerz äusserte.
Als dieses beendet war, stand sie auf. Ein Blanket wurde nördlich vom Feuer
auf die Erde gebreitet, in dessen Nähe der Mann in Jmmergrün (einer der
Tänzer) verborgen war. Beim letzten Erscheinen desselben fiel die Frau um,
sichtlich paralysirt und an Athembesch werden leidend; was alles vielleicht
erheuchelt war, aber als ein Zeichen betrachtet wurde, dass die richtige
Ceremonie oder das Heilmittel für ihre Leiden gefunden war und dass kein
anderes versucht zu werden brauche. Der Medicin-Mann rief sie zum Be-
wusstsein zurück, indem er Zickzacklinien von ihrem Körper nach Osten
und Westen und gerade Linien nach Norden und Süden zog, gleich ihren
Symbolen, den Ketten und Blitzstrahlen, wobei er in verschiedenen Rich-
tungen über sie hinwegschritt und rasselte."
Als sie nun gänzlich aufgewacht war, drückte er mit Truthahnfedem
geschmückte Zauberstäbe gegen verschiedene Stellen ihres Körpers, und
danach trat eine Pause ein, welche die versammelten Zuschauer und Assi-
stenten mit Singen, Rasseln, Spielen und Rauchen ausfüllten.
89. Das Znrflckholen der Seele oder des Schattens.
Die Methoden der ärztlichen Behandlung, welche wir bisher betrachteten,
haben uns sämmtlich den Beweis geliefert, dass sie auf das Engste zu den
Anschauungen in Beziehung stehen, welche die uncivilisirten Nationen sich
von der Natur und dem Wesen der Krankheiten gebildet haben. Wir
89. Das Zurückholen der Seele oder des Schattens. 201
hatten niin früher bereits gesehen, dass die ILrankheit auch dadurch ent-
stehen kann, dass ein Dämon dem Menschen die Seele entfuhi*t oder ihm
seinen Schatten raubt, und wenn der Exanke genesen soll, so muss der
Medicin-Mann ihm das Entführte wieder verschaffen. Diese Aufgabe ist
natürlich nicht leicht, denn erst muss gesucht werden, wer die Seele raubte,
oder wie sie sonst verloren ging; dann muss der Medicin-Mann den Platz
entdecken, wo der Dämon sie gefangen hält, oder wo sie sich verbirgt, und
endlich muss er den bösen Geist zwingen oder auf gütliche Weise ver-
anlassen, dass er ihm die Seele zum Zurückbringen überlässt
Sine solche Entführung der Seele ist auf Sumatra und auf Nias, auf
Ambon und den Uliase-Inseln bekannt, aber auch die Indianer Nord-
Amerikas glauben an dieselbe. Auf Ambon kann auch der Schatten ent-
führt werden. Bei den Twana-, Chemakum- und Klallam-Indianern
kann die Seele auf einem Lagerplatz zurückgelassen werden. Sehr ver-
breitet ist aber der Glaube bei den Indianern, dass die Seele in das
Geisierland auswandern könne. Dann verfällt der Kranke sichtlich in seinen
Kräften und sein Tod ist ganz unvermeidlich, wenn die Seele ihm nicht
zurückgebracht wird.
Bei den Topantunuasu auf Selebes vermag auch ein Schreck die
Seele aus dem Körper des Menschen zu verscheuchen. Sie sind der Meinung,
dass dieses bei den Epileptikern der Fall ist Die Kranken werden dann
mit Ruthen geschlagen, um das Mitleid der entflohenen Seele zu erregen.
Um ihrem Körper die Misshandlungen zu ersparen, kehrt sie dann willig
in denselben zurück.
Auf Ambon und den Uliase-Inseln bringen die bösen Geister die
von ihnen entführten Schatten und Seelen der Menschen in die Wälder
und an einsame Plätze. Hier sucht sie Nachts der Medicin-Mann auf, be-
waffnet mit „einem Feuerbrand, um dem Bösen Furcht einzujagen, nimmt
an der Stelle einen Zweig, gleichgültig von welchem Baume, schlägt damit
links und rechts, als ob er ihn fangen wollte, während er den Namen des
Kjanken ruft, und kehrt damit nach Hause zurück. Wenn er dann zu
dem Kranken kommt, so schlägt er diesen mit dem Zweig, in welchen, wie
man sich vorstellt, der Schatten gefahren ist, auf den Kopf und den Körper
und bringt auf diese Weise den Schatten wieder in den Körper des Kranken
zurück."
Wenn auf Nias der Medicin-Mann von dem Adü entsprechend unter-
stützt wird, dann sieht er, aber er nur allein, eine leuchtende Fliege. Diese
sucht er mit einem Tuche zu fangen, denn es ist der Schatten, welcher zurück-
kehrt Hat er ihn erwischt, dann reibt er ihn in die Stirn und die Brust
des Patienten hinein und auf diese Weise wird jener gerettet.
Eine grosse Ceremonie bildet das Zurückholen der Seele bei den
Minangkabauer auf Sumatra. Der weibliche Arzt, welchem dieses ob-
liegt, lässt acht nach besonderer Vorschrift bereitete Opferingredienzien auf
eine erhöhte Stelle legen, und unter dem Verbrennen von Benzoe-Harz in
einer Kohlenpfanne ladet sie dann ihre Hülfsgeister ein, sie in dieser Arbeit
zu unterstützen. Sie legt sich nieder und wird dicht mit Decken zugedeckt
Ungefähr eine Viertelstunde später spürt man am Zittern ihrer Beine, dass
ihre Seele ihren Körper verlässt und sich auf der Heise nach dem Dorfe
der Djihins, der Geister befindet. Dort angelangt, erzählt sie ihren Freunden
202 XI. Die übematürliche Krankenbehandlung.
und JEVeundinnen, was der Zweck ihres Besuches ist (dieses hört man aber
nicht); worauf die Aelteste der weiblichen Djihins, Monde Boebiah, mit
einigem Gefolge, worunter auch männliche, um dem Räuber der Seele
Respect einzuflössen, die Gefangene suchen geht
Manchmal, d. h. bei einem ernstlichen Krankheitsfall, verlangt der böse
Geist für die Herausgabe ein Opfer, und, als Unterpfand für die ErfiilluBg
eines diesbezüglich abgelegten Gelübdes, ein Armband, einen Kris oder eine
andere Kostbarkeit Diese Gegenstände werden dann auch öfters zu diesem
Zwecke an die Doekoen (die Medicin-Frau) abgegeben. Glückt es der
Mcmdi Boebiäh nicht, die Seele zurückzubekommen, dann ist kein Zweifel,
dass der Patient sterben wird. Wird sie ihr jedoch überlassen, dann bringt
sie sie unter dem Geleite von einem grossen Gefolge, das sie gegen die
Angriffe von neuen Räubern sicherstellen muss, zurück, und die Herstellung
des Patienten kann danach erwartet werden.
Die Ankimft der Djihins, welche den Lebensgeist zurückfuhren, wird
angekündigt durch neues Zittern in den Beinen der Aerztin, die selber
jedoch, d. h. ihre Seele, noch in der Geisteransiedelung zurückgeblieben
ist Von dem Stimmengetöse, das sich unter der Decke hören lässt, wird
angenommen, dass es von den in die Aerztin gefahrenen Geistern herrühre.
Die Geister werden dann zu dem Speiseopfer eingeladen und der älteste
weibliche Geist befiehlt darauf seinen Genossinnen, die mitgefuhrte Seele
nun wieder in den Körper des Kranken zu bringen. Sie thun das unter
folgendem Gesang: .
„Die Lakoep (eine wilde Mangga) trägt Früchte;
Sie trägt deren sieben und zwanzig.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in dem Körper.
Die Lakoep trägt Trüchte;
Sie trägt deren ein Körbchen volL
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in dem Ringfinger.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein Körbchen volL
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz im Daumen.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein Körbchen volL
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in der grossen Zehe.
Die Lakoep trägt Früchte;
Sie trägt deren ein und zwanzig.
Den Lebensgeist haben wir geholt,
Er hat seinen Sitz in der Pupille des Auges."
Dann wird an die Führerin der Geister noch die Präge gerichtet, was
nun noch für den Kranken gethan werden soll. Sie bestimmt dann ein
Bad, ein Opfer oder dergleichen; in Bezug auf die Medicamente schreibt
sie aber vor, dass hierüber die Aerztin befragt werden müsse.
Das Zurückholen der Seele oder des Schattens.
Wir hatten geseheu, daas bei den Indianern die Seele in das Geister-
land entführt wird oder entflieht, und die Medicin-Männer der Haidah-
ladianer besitzen, wie schon früher gesagt wurde, besondere knöcherne
Instrumente, um die fliehende Seele des Patienten festzuhalten (Fig. 89).
In einem Beschwönmgsgesange der Modoc-Indianer singt der Kranke;
„Als ich ankam in dem Geisterland,
Klagte die Erde und ßchrie."
Bei den Canadiern versetzt der Mediciu-Mann den Patienten in
magischen Schlaf. Dann bringt sein Hüllsgeist die Seele zurück, und nun
erweckt er den Kranken mit einem Schrei, dessen Heilung dann glücklich
vollendet ist Die Twana-Indianer im Washington-Territorium fuhren
die Ceremonie, um die
verlorene Seele zuriick-
zuholen , des Nachts
aus, weil diese der
Tageszeit in dem Gei-
sterlande entspricht
Um die Rückkehr aus
dem Geisterlande mög-
lichst zu erleichtern,
muss die Erde ver-
schiedentlich aufge-
graben werden. Pan-
tomimisch führt der
Sfedicin-Mann seine
Reise auf, das TJeber-
setzen über Flüsse
u. s. w., bis er die
Wohnung der Geister
eiTeicht Er überrum-
pelt sie und entreisst
die Gefangene, was die
Zuschauer mit einem
allgemeinen Lärme be-
gleiten. So drückt auch
der Schamane der si-
birischen Völker pantomimisch aus, wie er in die höheren Himmel
eindringt, und deutlich hören die Zuschauer das Geräusch, wenn er die
Scheidewände zwischen je zwei Himmeln durchbricht
Eine Wiederherstellung des Patienten kann hier, wie schon gRsagt,
nur dann eintreten, wenn es die Seele zurückzubringen gelingt Ist dieses
nicht ausfuhrbar, dann stirbt der Kranke. Auf Ämbon und den Uliase-
Inseln weiss der Medicin-Maun aber hier auch noch Rath.
Zu diesem Zwecke geht er des Nachts aus, und wenn er vor die Woh-
nung eines Dorf-Genossen kommt, so fragt er, wer ist da? Ist man un-
vorsichtig genug, darauf zu antworten, so nimmt er einen Kloss Erde vor
der Thür dieser Wohnung auf. Hierin hat er dann die Seele des Autwort-
gebers gefangen und nun legt er den Kloss unter das Kissen des Kranken
1. (. VBllurkundfc Bai
204 XI. Die übernatürliche Krankenbehandlung.
und bringt die Seele in seinen Körper. Daxauf giebt er zwei Schüsse ab,
um der Seele Furcht einzujagen, damit sie nicht wieder zu ihrem vorigen
Besitzer zurückzukehren wagt.
90. Das Znrflekbrlngen geraubter KOrperthelle.
Eine Ursache der Erkrankung hatten wir endlich auch in dem Um-
stände zu erkennen, dass ein normaler Körperbestandtheil des Menschen
seinen ihm zukommenden Platz verlässt, oder dem rechtmässigen Besitzer
böswillig geraubt und entwendet wird. Von der in eine andere B«gion des
Körpers gewanderten Galle bei den Chippeway-Indianern ist schon oben
die Rede gewesen. Dieselbe soll aber nicht an ihre normale Stelle zurück-
kehren, sondern sie wird, wie wir gesehen haben, von dem Medicin-Manne
aus den Körpertheilen, in die sie gewandert ist, herausgesogen. Bei den
Indianern glaubt man aber auch an die Möglichkeit, dass das Herz aus
dem Körper herauswandere. Das können wir aus einem Beschwörungs-
gesange der Modo es entnehmen, in welchem der Kranke singen muss:
„Jetzt ist mein Herz zurückgekehrt."
Etwas Aehnliches kennt unsere Yolksmedicin. Man glaubt besonders
in unseren Alpenländern, dass die Gebärmutter in der Gestalt einer Kröte
der schlafenden Frau zum Munde herauskriechen könne. Auf demselben
Wege kriecht sie zurück. Aber auch in wachem Zustande des weiblichen
Wesens kann sie innerhalb des Körpers nach aufwärts wandern, sich heben,
wie der Volksausdruck lautet. Das macht dann die erheblichsten Beschwerden,
die bis zu Krämpfen ausarten können. Eine kräftige Beschwörung bannt
dann wieder die „Hebmutter" an ihren ursprünglichen Platz.
Eine hervorragende Bolle aber spielt das Verlorengehen eines Körper-
theiles in der Pathologie der Eingeborenen von Australien. Es ist der
Verlust des Marm-bu-la, des Nierenfettes, der in Victoria schwere
Krankheiten erzeugt Wenn ein Schwarzer allein, und fem von dem Lager-
platze ist, dann kommt es sehr häufig vor, dass der Geist eines wilden
Schwarzen ihm das Nierenfett raubt Seine Kraft ist dann gebrochen, sein
Tod ist gewiss, wenn das Nierenfett ihm nicht zurückgebracht wird. Mühsam
nur ist er noch im Stande, zu dem Lager zurückzukriechen. Thomas sah
einen solchen Kranken, ein Freund und sein Bruder stützten ihn in ihren
Armen und hielten ihm den Kopf aufrecht, da eine plötzliche Schwäche
ihn übermannte. Rings um sie her nahmen die Männer Platz in drei Kreisen,
deren innersten die ältesten, deren äussersten die jungen Leute einnahmen.
Die Weiber hielten die Hunde in Ruhe; Todtenstille herrschte im Lager.
Ein kleines Feuer von qualmender Rinde, an dem aber keine Flamme her-
vorbrechen durfte, war zur Rechten und ungefähr 3 Yards von dem kranken,
sterbenden Mann bereitet; und in einer Entfernung von ungefähr 200 Yards
in der Richtung der Stelle, wo ihm das Fett genommen wurde, wai*en in
kui'zen Abständen besondere schwälende Rindenstücke hingelegt, welche
auf dem Boden wie ungeheure Feuerfliegen aussahen. Ein Mann wartete
die Rindenstücke ab und unterhielt ihr Glimmen, liess aber keine Flamme
aufkommen. Ein besonders geschickter Medicin-Mann, Malcolm mit Namen,
91. Die sympathetische Krankenbehandlung. 205
war gerufen und begann seine Arbeit. „Er verschwand in der Dunkelheit;
Zweige knackten, als er seinen vermeintlichen Flug durch die Bäume gen
Himmel begann. Malcolms Stimme wurde gehört „Goo-goo-goo" war der
Ton, den man durch die stille Nacht hörte, und der Mann, der den Körper
hielt, antwortete „Goo-goo-goo". Malcolm konnte nicht sogleich den wilden
Schwarzen finden, der das Nierenfett geraubt hatte, und er war daher, wie
die Schwarzen glaubten, gezwungen, einen langen Mug zu machen. Er
war ungefähr dreiviertel Stunde abwesend. Als durch das Rascheln der
Zweige Malcolms Eückkehr angezeigt wurde, schrie der alte Mann, der
neben dem Kranken sass:
„Komm, bringe zurück das Nierenfett, mach' hurtig!"
Jede Silbe wurde betont und langsam und feierlich ausgerufen.
.^Malcolm erschien, und ohne ein Wort zu sprechen packte er den sterben-
den Mann und rieb ihn heftig, sein Augenmerk hauptsächlich auf die Seiten
des armen Menschen richtend, welche er unbarmherzig stiess und schlug.^^
Dann erklärte er die Heilung für glücklich vollendet und hell aufjauchzte
das ganze Volk. Der Kranke erhob sich, zündete seine Pfeife an und
rauchte vergnügt in der Mitte seiner Freunde.
Kein einziger Schwarzer zweifelt daran, dass ihr Arzt wirklich durch
die Luft geflogen ist; ja Viele wollen sogar gesehen haben, dass, wenn er
von solchem Fluge zurückkehrt, sein Körper dicht mit Federn bedeckt ist
91. Die sympatbetlsche Krankenbehandlung.
Wir haben zum Schluss nun noch einen Blick auf die sympathetischen
Heilmethoden zu werfen. Im Ganzen ist ihre Zahl sehr gering, verschwindend
gegen die übrigen Behandlungsarten. Als eine sympathetische Heilmethode
müssen ydr es aber betrachten, wenn die alten Central-Amerikaner, um
sich von eigener Krankheit zu befreien, ihre Sklaven und selbst ihre Kinder
für sich in den Tod gehen Hessen. Eine sympathetische Heilmethode ist
es auch und im Grunde genommen nichts Anderes, als ein symbolisches
Menschenopfer, wenn bei den Indianern Nieder-Californiens ein Kind
oder eine Schwester des Kranken sich in den kleinen Finger schneiden
muss, um das daraus hervorrinnende Blut auf den Patienten tropfen zu
lassen.
Hierher gehört auch die oben besprochene Sitte der Australneger,
wo die Frau des Kranken ihr Zahnfleisch reiben muss, bis es blutet, und
wo der Patient dann dieses Blut als Medicin heruntertrinkt
Auch das Unschädlichmachen einer Bezauberung durch die Anwendung
eines Gegenzaubers, der die Krankheit dem böswilligen Anstifter in den
eigenen Körper zwingt, ist unzweifelhaft auch eine sympathetische Behand-
lungsmethode. Sicherlich gehört aber eine Art der Heilung hierher, wie
sie die Dieyerie in Süd-Australien üben.
„Stösst hier einem Kinde irgend ein Unfall zu, so erhalten alle Ver-
wandten sofort Schläge mit Stöcken oder Bumerangs gegen den Kopf, bis
das Blut über die Gesichter fliesst Von dieser chirurgischen Operation
nehmen sie an, dass sie die Schmerzen des Kindes lindere."
206 XI. Die übernatürliche Krankenbehandlung.
TapUn erzählt von denNarrinyeri, welche ebenfalls in Süd-Australien
wohnen, dass er wiederholentlich graubäxtige Leute fast nackend vor ihrem
erkrankten Sohn einen langen, feierlichen Tanz habe auffuhren sehen und
dass sie hinterher fest davon durchdrungen waren, dass sie für die Wieder-
herstellung des Patienten etwas Erkleckliches geleistet hätten.
Dieser Tanz lässt nun allerdings wohl auch noch eine andere Deutung
zu. Vielleicht hatten die alten Leute die Absicht, auf diese Weise einen
Krankheitsdämon zu vertreiben.
Sympathetische Krankenbehandlung ist ohne allen Zweifel auch bei
den Akkadern und Assyrern im Schwange gewesen. Dies lehren uns
gewisse Stellen ihrer Beschwörungs-Gesänge. Denn sicherlich sind die in
denselben geschilderten Vorgänge neben dem Hersagen der Beschwöiung
in Wirklichkeit auch zur Ausfuhrung gekommen. So wird in einer Zauber-
formel, deren lateinische Uebersetzung wir Jensen verdanken, eine Dattel,
eine Blüthenhülle, eine Wollflocke von dem Schaf und eine von der Ziege
nebst Knoblauchschalen in das Feuer geworfen. Jeder Act ist von einer
Beschwörung begleitet Die für den Kjioblauch bestimmte lautet:
„Wie dieser Knoblauch abgeschält und in das Feuer geworfen wird,
Die verbrennende Flamme hat ihn verbrannt,
In den Gemüsegarten wird er nicht gepflanzt werden.
An dem See oder Graben wird er nicht gesetzt w^erden,
Seine Wurzel wird den Boden nicht fassen,
Sein Stengel wird nicht hervorsprossen und die Sonne wird ihn nicht sehen,
Zur Speise der Gottheit oder des Königs wird er nicht genommen werden, —
So möge er diese Beschreiung herausreissen,
Und verjagen das Joch
Der Krankheit, der Pein, des Verbrechens, des Fehls, des Unrechts, des Frevels.
Die Krankheit, die in meinem Körper, in meinem Fleisch, in meinem Lager ist,
dass wie dieser Knoblauch sie abgeschält werde!
Die zu dieser Zeit verbrennende Flamme, o dass sie doch sie verbrenne!
Die Beschreiung, o dass sie herausgehe und ich, o dass ich das Licht sehen
möge!"
Aehnlich, nur um mehrere Verse kürzer, sind die Formeln, welche sich
auf die anderen Gegenstände beziehen. Jedesmals ist dann der Wortlaut
für den Gegenstand passend abgeändert:
„Wie diese Schafswollflocke genommen und in das Feuer geworfen wird,
Die verbrennende Flamme hat sie verbrannt,
Auf ihr Schaf wird sie nicht wieder zurückkehren,
Für die Kleider der Gottheit oder des Königs wird sie nicht genommen
werden, u. s. w."
Unwillkürlich wird man hierbei an die sympathetischen Vornahmen
der europäischen Volksmedicin erinnert. Auf dieselben näher einzugehen,
muss ich mir hier aber versagen.
XIL
Binzelne Capitel der speciellen
Pathologie und Therapie.
92. Die Augenkrankheiten.
Es ist in den vorhergehenden Seiten wiederholentlich von allerlei Krank-
heiten die Rede gewesen, mit denen die Aerzte der uncivilisirten Völker
sich mehr oder weniger häufig beschäftigen müssen. Vielleicht ist es uns
aber nicht uninteressant, wenn wir hier noch ein Paar Krankheitsgruppen
herausgreifen, um sie ein Wenig eingehender zu besprechen. Mit den Augen-
krankheiten und den Ohrenleiden wollen wir den Anfang machen.
Der vielfache Aufenthalt am offenen Feuer und in rauchigen Hütten muss
bei vielen uncivilisirten Völkern eine häufige Gelegenheitsursache für allerlei
entzündliche Processe an den Augen abgeben.
Auch die Fliegen verursachen in Australien und in Indien vielfach
Augenentzündungen und es wird besonders darauf aufinerksam gemacht,
wie ungemein lässig die Eingeborenen im Verjagen dieser Thiere sind.
Unter den 55 Medicinalpflanzen der Chippeway-Indianer finden wir
nicht weniger als 4, welche zu Waschungen erkrankter Augen gebraucht
werden; unter den G5 Medicinaldroguen von Harrär sind 5, welche fiir
Augenleiden berechnet sind. Paulitschke fuhrt aber besonders an, dass die
Harrari neunerlei Methoden besitzen, um gegen die bei ihnen sehr häufigen
Augenleiden anzukämpfen. Die gebräuchlichste derselben ist, dass man
Gold- und Silbertheilchen, sowie Kampfer, Moschus und Perlen pulverisirt
und das Gemenge in das kranke Auge einstäubt Entschieden billiger war
das Vorgehen eines Medicin-Mannes am unteren Murray in Victoria.
Demselben hatte sich ein Colonist anvertraut, bei welchem eine hartnäckige»
Augenentzündung den europäischen Mitteln nicht weichen wollte. Der
Schwarze riss einige Haare von seinem Kopfe, steckte sie in den Mund
und kaute sie nach und nach ganz klein. Dann stellte er den Kranken an
die Wand der Hütte, öffnete mit dem Zeigefinger und Daumen jeder Hand
dessen Augen und spie ihm die Haare aus seinem Munde hinein. Der
Kranke wälzte sich vor Schmerzen, aber seine Augen wurden schnell geheilt.
Die Klamath-Indianer in Oregon haben ebenfalls die Sitte, Augen-
pulver in Anwendung zu ziehen. Einer dei-selben erzählte Qatschet von der
Thätigkeit ihrer Medicin-Männer. In dieser Erzählung sagte er auch:
„Die Augen aber, wenn sie geschwürig sind, in Blut Kohle mischend,
er schüttet es in die Augen, eine Laus noch dazu führt er ein in das Auge,
das Weisse von dem Auge henorkehrend, um auszuessen."
Die Twana-, die Chemakum- und die KJallam-Indianer, sowie
die Mittel-Sumatraner bedienen sich bei Augenentzündungen bestimmter
Bartels, Medicin der Naturvölker. H
210 XII. Einzelne Capitel der speciellen Pathologie und Therapie.
Pflanzenaufgüsse zum Waschen der Augen. Das Gleiche gilt, wie schon
gesagt, von den Chippeway, und auch bei den Aschanti und den Harrari
werden einige Pflanzen wahrscheinlich in ähnlicher Weise angewendet Die
Aschanti träufeln auch den Saft; bestimmter Blätter in die Augen ein;
ebenso ist es auf dem Seranglao- und dem Gorong-Archipele gebräuch-
lich. Hier wird die betreffende Pflanze aber erst mit Milch gekocht und
durch ein feines Tuch geseiht, bevor man den Saft in 's Auge träufelt
Die Eingeborenen von Mittel- Sumatra haben besondere Namen für
die Augenentzündung, fiir die Kurzsichtigkeit und für die Blindheit Die
Letztere macht wohl überall einen grossen Eindruck, und bei den Kla-
math -In dianern wird sie auch in den Beschwörungsgesängen der Medicin-
Männer erwähnt Hier tritt „das blinde Medicin-Mädchen" auf und singt:
„Ich suche am Boden mit meinen Händen, finde hier die Federn des
Goldammers und verschlinge sie."
Und femer:
„Schnell, macht Augen für mich!**
Zum Schutze der Augen
treffen wir auch, wenn auch
nur vereinzelte Maassnahmen an.
Hier ist in allererster Linie der
Schneebrille (Fig. 90) Erwäh-
nung zu thun, wie sie bei den
Polarvölkem gebräuchlich ist
Zwei durch einen Nasensteg ver-
bundene, convex ausgearbeitete
Holzdecken werden zum Schutze
gegen das blendende Reflexlicht
der endlosen Schneeflächen vor
die Augen gebunden. In jeder
Holzdecke befindet sich ein sehr
schmaler, quergestellter Schlitz,
welcher gerade soviel Licht eindringen lässt, wie zum deutlichen Sehen er-
forderlich ist Bisweilen wird die Schneebrille ersetzt durch einen anderen
Augenschutz, der gewöhnlich als Jagdhut (Fig. 91) bezeichnet wird. Er ist
ebenfalls von Holz gefertigt; ein Hut ist das Ding aber nicht wohl zu
nennen, obgleich es auf dem Kopfe getragen wird. Es gleicht einer Mütze
mit grossem Schirm, der aber der ganze Deckel fehlt Ein hölzerner Reif
umgiebt den Kopf und an ihm hängt eine weit über die Augen vortretende
mützenschirmähnhche Holzplatte, welche für gewöhnlich mit geschnitzten
Knochenstücken vom Walross geziert ist Pallas fand eine dritte Schutz-
vorrichtung bei den Kalmücken. Dieselben banden sich, wenn sie am
Feuer sassen, einen schmalen Florstreifen über die Augen.
An eine besondere Art von Augenerkrankung glauben die Austral-
neger von Victoria. Sie entsteht dui-ch Fremdkörper, welche durch
Zauberkrafli dem armen Opfer hinter die Augen gebracht sind. Die Krank-
heit fiihrt einen besonderen Namen und befällt bisweilen mehrere zugleich.
Ein Mann war wegen einer Ophthalmie mehrere Wochen im Hospital^
Fig. 90. Schneebrillen. Alaska.
Mos. f. Völkerkande, Berlin. — Nach Photographie.
92. Die Augenkrankheiten. 211
und als er entlassen wurde, konnte er nichts sehen. Ein berühmter Wer-
raap (Medicin-Mann) des Goulbum-Stammes zog ihm aus dem Xopfe
hinter den Augen mehrere verfaulte Strohhalme hervor, und am zweiten
Morgen danach könnt« er die Schiffe in der Bucht und am dritten die Berg-
spitzen sehen. Drei junge Männer hatten im Freien geschlafen, und als sie
erwachten, erklärten sie plötzlich, dass sie von dieser Tur-run genannten
Kj-ankheit befallen seien. Gewisse Zauberer hätten dünne Zweige einer
weihlichen Eiche ihnen in die Augen gestossen. Tiefe Verzweiflung hatte
sie befallen und grosse Verwirrung entstand im Lager. Neun weibliche
Aerzte wurden herbeigerufen und diesen gelang es, die Kranken zu heilen.
Die Einzelheiten dieser Behandlung wurden weiter oben schon erwähnt.
- Nach Pfaotogrk|ihie.
In Marokko sind allerlei Augenkrankheiten ein weitverbreitetes Vor-
kommniss und Erblindete trifft nuin gar nicht selten. Man tröstet sich bei
einer Erkrankung der Augen, dass man sich in trottes Hand befindet; bis-
weilen aber wird etwas in Wasser verriebener Alaun in die Augen ein-
geträufelt. Im Atlas-Gebirge und im Besonderen in der Gegend von
DädCss giebt es besondere Staaroperateure, deren Kunst in den Familien
erblich ist. Sie fuhren diese Operation entweder „mit einem Spatel oder
mit einer Nadel" aus. Dobbert {Quedenfeldt's Gewährsmann) hatte Gelegen-
heit, einen derartig Operirten zu sehen. Die Linse war seitwärts, umgelegt
und der Patient war völlig erblindet Augenkr.anke und Erblindete trifft
man auch häufig in Persien an, obgleich die dortigen Kehäls oder Augen-
14«
212 XII. Einzelne Capitel der speciellen Pathologie und Therapie.
ärzte sich eines besonderen Rufes erfreuen und bis nach Arabien, der
Türkei und Indien und sogar bis nach Aegypten und China ihre Praxis
ausgebreitet haben. Auch sie lassen sich, wie PolaJc berichtet, auf allerlei
Operationen an den Augen ein.
93. Die Ohrenkrankheiten.
Um nun zu den Ohrenkrankheiten überzugehen, so möge zuerst ein
eigenthümlicher Glaube der Annamiten hier seine Stelle finden. Ein
kleines Thier, Con räy genannt, hat das Ohr zu beschützen und wohnt in
demselben; das Ohrenschmalz sind seine Excremente. Wenn es mit anderen
Thieren oder mit Fremdkörpern kämpft, um ihnen das Eindringen in das
Ohr zu verwehren, so entsteht dadurch das Ohrenklingen. Der Verlust
des Con räy ist eine der Ursachen für die Taubheit.
Die Annamiten glauben auch, dass beide Ohren mit einander in einer
directen Verbindung stehen. Wenn eine Ameise in ein Ohr eindringt, so
verschliesst man schnell das andere, -weil man annimmt, dass sie nun keine
Luft zum Athmen habe und in Folge dessen eiligst wieder herauskriechen
müsse. Gegen Erkrankungen der Ohren nehmen sie Räucherungen mit der
Haut einer nicht giftigen Schlange vor. Die Harrari besitzen eine Pflanze,
die sie gegen Ohrenschmerzen und Taubheit auf das kranke Ohr legen.
Die Aschanti pressen einen Saft aus und träufeln ihn gegen Ohren-
schmerzen in das Ohr. Auch die Mittel-Sumatraner bedienen sich der
Einträufelungen in die Ohren und zwar bei dem Ohrenlaufen ihrer Kinder.
Sie benutzten dazu den mit Klapperöl gekochten Milchsaft einer Cactus-
pflanze, welche, wie wir schon erwähnten, zu diesem Zwecke besonders
angepflanzt wird. Es spricht dieses wohl unzweifelhaft dafür, dass die zum
Ohrenfluss führenden Mittelohrentzündungen der Kinder bei ihnen eine seJir
gewöhnliche Erscheinung sind. Gegen die Taubheit, welche sie mit einem
eigenen Namen bezeichnen, ist ihnen aber kein Mittel bekannt
Bei den Marokkanern wird der Ohrenfluss in der Weise behandelt,
„dass der Ajzt oder ein Bekannter des Kranken sich den Mund mit Oel
füllt und Letzteres dem Patienten geschickt in das kranke Olir hinein-
spritzt."
94. Geisteskrankheiten und die Epilepsie.
Wenn wir aus der grossen Zahl der Erkrankungen, denen die Natur-
völker unterworfen sein können, hier auch nur wenige herausgreifen wollen,
so können wir doch unmöglich die Geisteskrankheiten übergehen. Ihnen
gebuhlt unstreitig eine besondere Betrachtung. Denn der Geistesgestörte
vor Allem muss für seine Umgebung den Eindruck erwecken, als ob ein
Anderer aus ihm spräche, als ob ein Anderer die unsinnigen und unzweck-
mässigen Handlungen mit seinen Gliedmaassen verrichtete, und dieser Andere
kann doch nur ein böser Geist, ein Dämon sein. Er hat die Seele des
Kranken verjagt oder sie in die Gefangenschaft abgeführt, er hat sich an
94. Geisteskrankheiten und die Epilepsie. 213
ihre Stelle gesetzt und er zwingt nun den armen Patienten, nach seinem
AVillen zu handeln und zu reden. Das entspricht ja nun so ganz und gar
dem Bilde, das das Naturkind sich von einer grossen Zahl von Krank-
heiten zu machen pflegt. Die vorigen Seiten haben dafür die mannigfachsten
Beweise geliefert. Es ist aber wohl nur zu wahrscheinlich, dass gerade
die Geisteskrankheiten es waren, die den Menschen ganz plötzlich und
scheinbar unvermittelt, als einen ganz Anderen wie bisher, und als für die
nächsten Freunde und Angehörigen nicht selten schädlich und gefährlich
erscheinen lassen, dass, wie gesagt, die Geisteskrankheiten es gerade ge-
wesen sind, welche fiir sich selber sowohl, als für eine ganze Reihe von
anderen Erkrankungen zu der Annahme einer Besessenheit die Ursache
wurden.
Mit den Geisteskrankheiten gemeinsam müssen wir auch die Epilepsie
betrachten. Denn wenn der unglückliche Epileptiker, soeben noch gesund
und frisch, plötzlich besinnungslos zu Boden stürzt, scheinbar „entseelt",
dann ist der Glaube wohl begreiflich, dass seine Seele ihm entfloh oder
aus seinem Körper vertrieben wurde. Und wenn nun die krampfhaften
Zuckimgen folgen, wenn der Schaum dem Patienten auf die Lippen tritt,
dann ist es der Dämon, welcher ihn schüttelt und seinen Mund zum Schäumen
veranlasst
Die Auffassung der Geisteskrankheiten und der Epilepsie als eine Be-
sessenheit ist nun, wie gesagt, die am meisten verbreitete. Wir finden sie
in allen Erdtheilen, und selbst bei uns ist bekanntermaassen diese An-
schauung noch nicht gänzlich ausgestorben. Je nach der Dämonologie der
betreffenden Völker ist die Ali und Eigenschaft des bösen Geistes, der von
dem Kranken Besitz ergreift, natürlicher Weise eine verschiedene. Bei
Nationen, welche dem Monotheismus huldigen, muss selbstverständlich der
Teufel diese Function übernehmen. Bei anderen Völkern sind es die Geister,
welche den Luftraum unsicher machen. Die bösen Seegeister sind es auf
demSeranglao- undGorong-Archipele, welche die Epilepsie verursachen.
Auch dämonische Thiere werden genannt, so der (Teist eines Bockes auf den
Luang- und Sermata-Inseln, einer Ziege auf den Inseln Leti, Moa und
Lakor, beidemal bei Epilepsie. Auf Tan em bar und den Timorlao-
Inseln macht die Besessenheit durch Geister, die sonst in Vögeln wohnen,
sowohl epileptisch, als auch geisteskrank. Auf der Insel Eetar sendet der
böse Geist den Vogel Perliku in den Kopf des Kranken, um ihn epilep-
tisch zu machen. Wünner im Kopfe veranlassten in Harrfir eine Art der
Geistesgestörtheit.
Die alleinige Ursache dieser Erkrankungen ist die Besessenheit aber
nicht. Bei den Topantunuasu auf Selebes ist es das Fliehen^der Seele
allein, welches die Epilepsie bedingt Ein Erschrecken der Seele ist die
Ursache hierfür.
Noch einer anderen Anschauung haben wir zu gedenken, welche bei
mohammedanischen Völkern namentlich vielfach verbreitet ist. Nicht ein
Dämon steckt in dem Kranken, sondern seine Seele weilt bei der Gottheit
Still verloren in ihren Anblick, grübelnd über den AVahrheiten göttlicher
Off'enbarung und Lehre, abgekehrt von den irdischen Dingen, erscheint er
dem profanen, kurzsichtigen Volk wie ein Mensch mit umnachtetem Geiste.
Aber wie ein Heiliger wird er geachtet. Jegliches ist ihm zu thun erlaul)t
214 XII. Einzelne Capitel der speciellen Pathologie und Therapie.
und schon die blosse Berührung durch ihn bringt dem Beglückten Heil
und Segen.
Wirksamer Zauber von böswilliger Hand oder einem Verbotszeichen
einverleibt, kann den Irrsinn gleichfalls erzeugen. Letzteres glaubt man
auf Ambon und den Uliase-Inseln, ersteres ebenfalls und ausserdem
noch aufSerang. Der Name des auserkorenen Opfers aufgeschrieben oder
eine Figur, die es vorstellen soll, in einen hohen Baum geschleudert oder
mit einem Kleiderfetzen des Betreffenden begraben, ist für diesen Zauber
ausreichend. Der Genuss von verbotenen Speisen venirsacht auf der Insel
Eetar die Geisteskrankheiten.
Manchen Naturvölkern ist es aber auch nicht entgangen, dass die Erb-
lichkeit bei diesen Krankheiten eine nicht unwichtige Rolle spielt Neben
der Besessenheit machen sie daher für eine Reihe dieser Krankheitsfälle
auch die Vererbung verantwortlich. Dieses gilt für die Epilepsie auf Leti,
Moa imd Lakor, auf Tanembar und den Timorlao-Inseln, während
man auf den letzteren, sowie auf Buru und den Kei-Inseln an die Erb-
lichkeit der Geisteskrankheiten glaubt.
Dass man die Geisteskranken unter Umständen verehrt, haben wu* soeben
bereits berichtet. Auf Buru, auf den Kei-Inseln und dem Seranglao-
und Gorong-Archipel wird ihnen aber keine Verehrung gezollt, und
auf den Watubela-Inseln werden sie sogar mit Misstrauen behandelt.
Weit entfernt sind auch viele Naturvölker, das No-restraint-System
zu befolgen. Auf Buru, auf Eetar und auf Selebes bindet man die
Geisteski'anken an, wenn sie Schaden thun; auch auf Samoa werden sie,
wenn sie toben, an Händen und Füssen gebunden. Auf Sumatra wurde
eine tobsüchtige Frau von vier anderen Weibern festgehalten, bei den Anna-
miten werden sie sogar unter solchen Umständen an Ketten gelegt. Ver-
schiedene Arten der Geistesstörungen sind es, deren unsere Berichterstatter
Erwähnung thun. Ein Heilmittel gegen Trübsinn und Abgeschlagenheit
der Glieder wird bei den Harrari ei'wähnt. Melancholischen Zuständen
unterliegen auch die Australneger von Victoria. „Sie träumen, sitzen
stumpfsinnig am Feuer, und mit der Zeit werden die Lungen oder andere
innere Theile befallen und sie sterben." Tödtliche Melancholie ist es ja
auch, wenn wir diese armen Naturkinder aus Furcht vor einer heimtückischen
Bezauberung oder vor dem bösen Blick, der sie traf, elendiglich zu Grunde
gehen sehen.
Von den Unruhigen sprachen wur schon, aber auch walu^e An-
fälle von Tobsucht werden erwähnt. Thomas sah einen alten Austral-
neger in Victoria, der aus behaglichem Schlafe heraus plötzlich gegen
Mitternacht in einen Tobsuchtsanfall verfiel. Grosse En*egimg heiTSchte
im Lager, Fackeln wurden angezündet, alle Männer strömten zusammen.
„Der Alte tanzte, hatte Schaum vor dem Munde und bot jegliches Symptom
gefährlichen Wahnsinns." Tfiomas wollte ihn beruhigen, die Leute aber
litten es nicht und behaupteten, der böse Geist Krum-ku-dart-Buneit wäre
in ihn gefahren. Dreiviertel Stunden währte dieses wilde Umherspringen
des annen Besessenen ; dann fiel er matt und erschöpft zur Erde und w^urde
darauf von seinen Freunden in seine Wohnung gebracht Xun trat Ruhe
im Lager ein; bald lag alles im tiefen Schlafe; auch der Kranke war ein-
geschlummert und man hat von dem Dämon nichts mehr gehört.
94. Geisteskranklieiten und die Epilepsie. 215
In Mittel-Sumatra kennt man eine Bjrankheit, welche von den Ein-
geborenen als Säki si-djoendai bezeichnet wird. Sie ist eine ausschliess-
liche Erkrankung des weiblichen Geschlechts. Die Weiber reissen sich
dann die Kleider vom Leibe, raufen sich die Haare aus und sie glauben
in den Flaggen eine Person zu sehen, gewöhnlich einen Mann, der ihnen
die KJrankheit zugefugt habe. Diesem wollen sie dann zu Leibe und sie
laufen dabei kreischend und scheltend und in den meisten Fällen gänzlich
nackend umher. Bemerkenswerth ist es, dass diese Psychose epidemisch
vorkommen soll. Ganz ähnliche Erscheinungen macht aber auch die 'als
Säki si-mabou-boengö bezeichnete Krankheit, jedoch ist ihr Auftreten
nicht epidemisch. Der Name Säki giloe bezeichnet daselbst ebenfalls eine
Geisteskrankheit, nähere Symptome werden aber nicht erwähnt.
An die Säki-si-djoendai erinnert eine Psychose bei den Kat-
schinzen, welche von Pallas beschrieben wurde. Auch sie befällt nur das
weibliche Geschlecht und ist unter den jungen Mädchen „sehr gemeiA ge-
worden. Sie beginnt hauptsächlich um die Zeit, wenn die Menstruation
sich einstellen will, und soll oft einige Jahre dauern. Sie laufen, wenn sie
ihre Anfälle bekommen, oft aus den Jurten weg, schreyen und stellen sich
ungebärdig, raufen sich die Haare aus und wollen sich erhänken oder sonst
das Leben nehmen. Die Anfälle dauern nur einige Stunden und stellen
sich ohne gewisse Ordnung bald wöchentlich ein, bald bleiben sie einen
ganzen Monath aus. Ich habe dergleichen Mädchen gesehen, die in den
Zwischenzeiten ganz vernünftig und ordentlich waren."
Eine krankhafte Schreckhaftigkeit, welche bis zu Wuthanfällen sich
steigert, kommt bei vielen sibirischen Völkern vor, so bei den Samo-
jeden, den Ostjaken und Tungusen, bei den Kamtschadalen, den
Jakuten und Buräten, und bei den Jenesseischen Tataren. „Jede un-
vermuthete Berührung z. Ex. in den Seiten oder an anderen reizbaren
Stellen, unversehenes Zurufen und Pfeifen, oder andere fiirchterliche und
schleunige Erscheinungen bringen diese Leute ausser sich und fast in eine
Art von Wuth." Bei den Samojeden und Jakuten „geht diese Wuth so
weit, dass sie, ohne zu wissen was sie thun, das erste Beil, Messer oder
andere schädliche Werkzeuge erhaschen und die Person, welche der Grund
ihres Entsetzens ist, oder jeden andern, der ihnen alsdann in den Wurf
kömmt, zu verwunden oder gar zu tödten suchen, wenn sie nicht mit Ge-
walt abgehalten und alle schädlichen Werkzeuge vor ihnen weggenommen
werden. Wenn sie alsdann ihre Wuth auf keine Art auslassen können, so
schlagen sie um sich, schreyen, wälzen sich und sind vollkommen wie
Rasende."
Ein ähnlicher Lrsinn ist in Indonesien unter dem Namen des Amok-
Laufens bekannt.
Exorcismus in irgend einer Form ist natürlicher Weise das Haupt-
mittel gegen diese Geisteskrankheiten. Unter den 65 Medicinaldroguen von
Harrär finden wir nicht weniger als sieben gegen Geisteskrankheiten und
eine unter diesen auch gegen Epilepsie. Sind dieses auch nur Medicamente,
so ersieht man doch aus der Art ihrer Anwendung, dass sie die Dämonen
austreiben sollen. Eins nur wird in Wahnsinnszuständen als eine Abkochung
getrunken. Die anderen werden in die Nase eingesogen, gepulvert und als
Riechmittel gebraucht, oder zum Ausräuchern genommen.
216 XII. Einzelne Capitel der speciellen Pathologie und Therapie.
Um den Exorcismus bequem und wiederholt ausüben zu können und
den geeigneten Augenblick nicht zu verpassen, bringt man bei den Anna-
miten die Geisteskranken gleich bei dem Medicin-Manne unter. Hier bei
dem Thäy phäp trifft man sie dann sehr häufig mit einer Kette am Fuss,
damit man sie rasch auschliessen kann, wenn ihre Wuthanfälle zum Aus-
bruch kommen. Ihre Familie aber sorgt dabei für ihren Unterhalt und für
ihre Emähmng.
Bei der oben beschriebenen Tobsucht der Frauen in Sumatra giebt
der Arzt der Kranken „einen Trank" von Wasser, gemischt mit der Asche
von verbranntem Papier, worauf Koransprüche geschrieben waren. Ausser-
dem werden ihre Nägel mit dem Namen Allah beschrieben, wozu als Feder
eine zerbrochene Nadel und als Tinte der Saft von einem Dasoen gebraucht
wird.
Van Hasselt sah eine an dieser Krankheit leidende Frau, die so rasend
war,, dass sie von vier Anderen gehalten werden musste. Während dessen
machte der Arzt seine medicamentösen Bespeiungen und sprach mit un-
störbarer Ruhe seine Beschwörungsformeln her. Neben ihm stand ein
Räucherbecken, und anhaltend drehte er ein schnurrendes Instrument, dessen
eintöniges Gebrumme von dem Klreischen der Kranken übertönt wurde.
Die übrigen Geisteskrankheiten behandeln die Sumatraner in folgender
Weise. Dreimal täglich werden die Kranken vom Medicin-Manne mit dem
Ausgekauten von bestimmten Medicamenten bespieen.
„Danach werden sie in den Fluss unter Wasser getaucht, solange sie es
nur eben, ohne zu sticken, aushalten können, und darauf beräuchert dadurch,
dass man sie über brennende Federn oder anderen thierischen Abfall hält,
so dass sie heftig zu husten beginnen, wonach dicht an ihrem Ohre ein Ge-
wehr abgeschossen wird."
Die Räucherungen als Heilmittel gegen die Psychosen haben wir schon
von den Harrari erwähnt. Auch auf den Kei-Inseln räuchert man die
Kranken, oder besser gesagt, die in ihnen hausenden Dämonen mit Büffel-
horn und Papuahaaren. Bei den oben geschilderten Wuthanfällen der Sa-
mojeden und der Ostjaken haben dieselben nach Pallas ein unfehlbares
Mittel :
„Sie zünden nur ein Stück Rennthierfell oder einen Büschel Rennthier-
haare an und lassen dem Behafteten den Rauch davon in die Nase gehn;
davon verfallt derselbe sogleich in eine Mattigkeit und Schlummer, der oft
vier und zwanzig Stunden dauert und den Kranken bey völligen Sinnen
verlässt."
Als einö' Art des Exorcismus müssen wir auch die folgende Methode
betrachten, welche auf dem Seranglao- und Gorong-Archipele bei der
Epilepsie gebräuchlich ist Um den Kranken zu heilen, „kämmt m^n das
Haar oder man drückt bis es blutet mit einem Cent, am liebsten aber mit
einer chinesischen Münze unter den Ohren, dem Kinn und den Achseln,
um den bösen Geist zu vertreiben."
Von der Art der Behandlung Epileptischer auf Tanembar und den
Timorlao-Inseln haben wir früher bereits berichtet. Entsprechend der
Auffassung, dass ein Geist in Vogelgestalt in dem Kranken sitzt, wird eine
Vogelfigur gemacht und mit Pfeilen nach derselben geschossen.
94. Geisteskranklieiten und die Epilepsie. 217
Dass man in Selebes den Epileptiker schlägt^ damit seine Seele, von
Mitleid ergriffen, in seinen Körper wieder zurückkehren soll, das haben wir
oben bereits gesagt Das Schlagen der Epileptiker und der Geisteskranken
spielt überhaupt in Indonesien eine hervorragende Rolle. Abgesehen von
Selebes finden wir es auf den Babar- und Aaru-Inseln, aufTanembar
und den Timoriao- und auf den Luang- und Sermata-Inseln. Zum
Schlagen werden Baumzweige benutzt, und auf den Luang- und Sermata-
und den Aaru-Inseln müssen sie von bestimmten Baumarten sein. Die
Vorstellung, den bösen Geist im wahren Sinne des Wortes aus dem armen
Kranken herauszuprügeln, finden wir nur auf Selebes vor und auf den
Luang- und Sermata-Inseln. Auf Tanembar und den Timorlao-
Inseln, sowie auf den Babar- und Aaru-Inseln stellt man sich vor, dass
durch dieses Schlagen der böse Dämon veranlasst würde, in die Zweige
hineinzufahren. Hat man ihn hierin glücklich gefangen, dann werden die
Zweige behutsam und vorsichtig bei Seite gebracht und in geeigneter Weise
vernichtet
Die Mincopies auf den Andamanen behandeln ihre Epileptischen
mit ßesprengungen von kaltem Wasser, und darauf scarificiren sie ihnen
die Stirn.
Einer besonderen Nervenkrankheit müssen wir hier noch Erwähnung
thun, welche in Java unter dem Namen Lata, in Malacca als Lattah
bezeichnet wird. Es ist, wie Yirchow sich ausdrückt: „eine Neurose, welche
dem Hypnotismus mit Neigung zur Suggestion nahe verwandt ist."
Vaughan Stevens macht von dieser Ejrankheit, wie er sie bei den Orang
utan in Malacca beobachtet hat, folgende Beschreibung:
„Wenn ich ein Lattah -Weib ansehe und plötzlich eine sprungweise
Bewegung, einen Schrei, oder eine Handlung vornehme, so wird sie das
wiederholen und nur eine wirkliche Buhepause wird ihr wieder die Herr-
schaft über ihre Nerven zurückgeben. Als ich eines Tages mit einem Weibe
über diesen Gegenstand sprach, fi-agte ich sie, wenn ich sie aufforderte, ihre
Hand in das Feuer zu stecken, würde sie es thun? Sie war bis dahin ganz
ruhig, aber nun begann sie zu schreien, und der alte Penglima^ der bei mir
sass, ergriff sofort eine Cocosnussschale mit Wasser und schüttete es in
das Feuer. Das Weib ergriff unmittelbar darauf mein Gefäss mit Curry
und Reis, welches in meiner Mittagsmahlzeit bereit stand, und schüttete es
über das Feuer, in Nachahmung der gesehenen Handlung. Jetzt sprang
die Frau des Penglima auf imd lief in das Jungle, indem sie die Arme
über den Kopf schwenkte. Das Weib ahmte ihr nach und rannte hinter
ihr her. Der Penglima erklärte mir nun den Vorgang. Das Weib hätte
sicherlich ihre Hand in das Feuer gesteckt, wenn er dasselbe nicht aus-
gelöscht hätte, und seine Frau habe das Weib in das Jungle gelockt, wo
sie wieder ruhig werden würde."
„Der Mann zeigte mir an seinem Ellbogen drei lange Narben, welche
von einer Verletzung in seiner Kindheit herrührten. Damals kam ein Mann
zu seiner Mutter, setzte sich ilir gegenüber, plauderte mit ihr und nahm
fast gedankenlos ein Stück Zuckerrohr, das er mit seinem Parang spaltete,
um davon zu essen. Im nächsten Augenblick ergriff die Mutter gleichfalls
einen Parang und verwundete damit das Kind, das sie hielt, einigemal,
bevor der Mann es befi*eien konnte.'*
218 Xn, Einzelne Capitel der speciellen Pathologie und Therapie.
„Wegen der Lattah yerbergen sich die Weiber, die ein Kind an der
Brust haben, in der Hütte, sobald ein Fremder, namentlich ein Malaie,
die Niederlassung betritt oder seinen Weg durch dieselbe nimmt Oft genug
sieht man auch eine Gesellschaft von Blendas von einem Ort z\i einem
anderen ziehen, wobei einzelne Männer Kinder tragen. Das geschieht, wenn
die Frau Lattah ist und in Besorgniss geräth, dass irgend ein ungewöhn-
licher Gegenstand dem Kinde Schaden zuftigen würde. Fremden wird die
Existenz einer Lattah verheimlicht"
XIIL
Die Gesundheitspflege und die
Epidemien.
Aeuseere Anaicfat.
95. Die prlrate Gesundheitspflege.
Tief iu das sociale Leben der Naturvölker einschneidend sind, wie man
Bich wohl denken kann, die ansteckeDden KrankheiteD, die Epidemien, und
bei dem Ausbruche derselben
seheu wir sie nicht selten voll-
kommen den Kopf verlieren,
wie daa ja in ähnlicher Weise
auch bei civilisirten Nationen
vorkommt Aber auch man-
chem mehr oder weniger ge-
schickten Versuche, mit der
Epidemie den Kampf aufzu-
nehmen, begegnen wir bereits,
und wir haben hierin mit
gut«m Kechte die Anfänge
eiuer öffentlichen Ge-
sundheitspflege zu er-
kennen. Wollen wir daher
einen Einblick gewinnen, was
die Naturvölker sich über die
epidemischen Erkrankungen
fÜi- Vorstellungen machen, und
in welcher Weise sie dieselben
zu behandeln und zu heilen
und ihre Weiterverbreitung zu
verhindern bestrebt sind, so
können wir dabei die Be-
sprechung ihrer Hygieine nicht
gut umgehen. Es lässt sich
das Eine nicht ohne das An-
dere abhandeln.
In dem Verlaufe der vor-
liegenden Untersuchungen sind
wb' auf hygieinische Maass-
regeln hier und da wohl schon Fig-92u.93. Eespiratorder Kwiipagmutin AUska.
^, . ,, 3- 1 .. , »«■• f- VBlketkunde. Berlin. - NmIi PhoMgi»pliiB.
gestossen. Allerdmgs gehorten
dieselben meist der privaten Gesundheitspflege an. Absichtlich hervor-
gerufenes Erbrechen, um den Überladenen Magen zu entlasten, Purganzen,
lauere Ansicht-
222 Xin. Die Ge&nndheitspäege und die Epidemien.
um die Yerdauung zu regeln, die Massage zur Bekämphing der Ueber-
müdung, der Gebrauch von See- und Flussbädem und das Transpiriren in
der Schwitzhütte haben wir in dieses Gebiet zu rechnen. Femer sind hierher
zu zählen die Schutzvorrichtungen arktischer Völker, um ihre Äugen vor
zu greller Beleuchtung zu beschützen, d. h. ihre oben bereits erwähnten
Augenschirme (Jagdhüte) und Schneebrillen. Auch den bei den Kalmücken
gebräuchlichen Augenflor, um den Rauch des Herdfeuers von den Augen ab-
zuhalten, dürfen wir nicht mit Stillschweigen übergehen.
In dieses Gebiet gehört aber auch eine Vorrichtung derKwixpagmut,
eines Indianer- oder Eskimo-Stammes, über welche uns Jacobsen berichtet
,J)ie8elbe besteht aus einer Art von Respirator (Fig. 92 u. 93), welchen diese
Leute bei ihren Schwitzbädern in den Mund nehmen, damit der Rauch
des Feuers nicht in ihre Lungen eindringen könne. Dieser Respirator vrird
aus einem Geflecht von feinem Grase hergestellt, welches durch einen kleinen
hölzernen Pflock, der in den Mund gesteckt wird, festen Halt gewinnt"
fig. 95. Japanerin, deren Rücken mit Moien-
Narben beileckt ist.
Null einem JipHüsahci] Holnotanitt.
Auch die Kauterisation und das Scarificiren werden bei einzelnen Völker-
schaften aus hygieinischen Rücksichten ausgefiihrt Beides benutzen wieder-
holentUch die Fullah in Oat-Afrika bei ihren Kindern, imi sie vor
Krankheiten zu bewahren, wenn sie dereinst erwachsen sein werden.
Die Indianer im nördUchen Mexico pflegen, wenn durch anstrengende
Märsche ihre Beine iind Füsse ermüdet sind, durch Scariflcationen mit
scharfen Feuerstein -Sphttem ihre Extremitäten wieder leistungsfähig zu
machen. „In den äussersten Fällen reiben sie dieselben auch noch mit dem
beissenden Blatte der Maguey ein, welches auf ihren abgehärteten Körper
wie ein EmoUiens wirkt und ihre Leiden prompt erleichtert"
Die Eingeborenen der Oster-Insel bedienen sich gewisser Blätter als
Prophylaxe gegen bestimmte Krankheiten.
Eines besonderen vorbeugenden Heilmittels der japanischen Volks-
medicin haben wir noch zu gedenken. Das sind die Moxen, deren An-
wendung, wie Wemicb sagt, wahrscheinlich japauesisches Eigenthum ist
und nicht von den Chinesen überkommen wurde. „Auch die Chinesen
95. Die privat« Gesundheitspflege. 228
kenneQ zwar das Brennen am Körper zu verschiedenen Zwecken: einmal
gehört bei den Bonzen dasselbe zu den Merkzeichen der abgelegten Ge-
lUbde; es wird zu diesem Zweck gewöhnlich auf dem Schädel vorgenommen;
dann wenden sie es jetzt in ziemlich energischer Weise als Heilmittel gegen
Krankheiten an — vielleicht auch erst nachdem sie das geeignete Mittel
aus Japan Überkommen haben. Denn es steht fest, dass die Artemisia
vulgaris s. Moxa, welche auf dem Ibuki-Berge in der japanischen
Landschaft Omi wächst, in Massen nach China exportirt wird."
Die Moxa spielt nach Wemtch in Japan nicht die Bolle eines Heil-
mittels, sondern überwiegend die eines Präservativs, und er fährt fort:
,^inen Japaner zu sehen, der nicht an den Waden und an der Wirbel-
säule Jiarben von Moxen hatte, gehörte mir in der PoUklinik zu den
seltensten Erfahrungen. An der ersteren Stelle bilden sie angeblich den
besten Schutz gegen Kak-ke, auf dem Bücken angebracht, gewöhnlich zu
beiden Seiten der Processus spinosi in Zahl von einigen dreissig hinlaufend,
verhindern sie, dass Lepra und Gehirnkrankheiten das Individuum
befallen."
Unsere Figur 95 zeigt nach einem japanischen Holzschnitt eiu#
Japanerin bei den Geheimnissen ihrer Toilette. Ihr Oberkörper ist völlig
entblösst, und längs ihrer Wirbelsäule erkennt man deutlich eine Anzahl
von Moxen-Narben.
„Noch andere Schutzpunkte sind: die Fusssohle gegen Krämpfe, der
Ellbogen bei Schulterrheuniatismus, Brustbein und Schlüsselbeine gegen
Ausbruch von Brustkraukheiteu u. s. w. Mau muss dabei, vielleicht
angeregt durch die Empfindlichkeit einiger dieser Stellen, nicht an die
Schmerzhaftigkeit unserer Moxen denken. Die Blätter der Artemisia,
224 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
welche sich im Mai mit einem sammetartigen Foment bedecken, werden
getrocknet, zn einer wolligen zuuderälmlichen Masse zerstampft und aus
dieser dann kleine cyhndrische Stäbchen gerollt, diese mit Speichel auf die
Haut geklebt und angezündet. Bis auf die Haut abgebrannt üben sie eine
sehr schwache Cauterisirende Wirkung aus. Diese aber wird auch nur ver-
langt, denn nicht Ableitung, noch weniger eine EatzUndung au der ge-
hrannten Stelle ist der Zweck des Heilverfahrens, sondern gb mnss die
Stelle für vielfache Wiederholungen, die am segensreichsten wirken, frei
gehalten werden, und der unmittelbare Effect soll nicht sein, schädhche
Potenzen abzulenken, sondern die cauterisirte Stelle aus der Moxe frische
Lebenskraft einsaugen zu lassen, damit der Körper dadurch zu grösserem
Widerstände gegen die Krankheit gestärkt werde."
Fig. 97 n
Ein solches Ansetzen der Moxen bei einem Manne und einem Weibe,
welche ihrer ganzen Erscheinung nach sicherlich dem niederen Volke an-
gehören, sehen wir auf der nach einem japanischen Holzschnitte ge-
fertigten Figur 96. Das Geschäft des Moxen-Setzens ist nicht eine Obliegeu-
Jieit der Aerzte, „sondern von Alters her niedriger Leute, bestimmter armer
Weiber oder der Familienmütter; die Aerzte werden nur um Bezeichnung
der günstigen Punkte angegangen, für die meisten prophylactischen Zwecke
stehen jedoch auch diese durch Tradition fest"
Führen wir nun noch die oben bereits ausführlich geschilderten Im-
pfungen an, sowie die Vorschriften der Diät und die unter bestimmten Ver-
hältnissen den Natun-ölkei-n auferlegten Speiseverhote, so würde wohl so
ziemlich Alles besprochen sein, was der privaten Gresundheitspilege zuzu-
zählen wäre.
!»(i. Die Amulete.
9<i. Dte Amulete.
Einer id Bezug auf ihre weite Verbreitung henorrageuden Maassnalime
der privaten Gesundheitspflege müssen wir aber allerdings noch gedenken.
Das ist das Tragen von Ämuleten und Talismanen. Bekanntermaaasen ist
dieses keinesweges allein auf die uncivilisirten Nationen beschränkt; auch
bei den Kulturtölkern treffen wir es vielfach in einer oder der anderen
Weise an. Die Begriffe des Talismans und des Amulets haben sich all-
mählich derartig verschoben, dass sie jetzt gemeinhin beide für dieselbe
Sache augewendet werden, und dass eine strenge Trennung ihrer Ursprung*
lieben Bedeutung nur noch ein historisches Interesse beanspruchen könnte.
Beide Bezeichnungen werden aus dem Arabischen abgeleitet und zwar
Amulet von dem Worte Hamalet, Anhängsel, und Talisman von dem
"Worte Tilsam, im Pluralis Taläsim, Zauberbild. Für gewöhnlich werden
Fig. 100. Igel aaa Holz. Amulet der Giljaken
Tig. 99." Amulet eine« Merticin-Manne« „ f*^" ^?'''^i* , .
I«. T..hi^,,:... I- ,);,.., av MpB. f. Völkerkondo. Berlin.
der TBchimeisn-Indianer. «»ch Photomnhi«
.. f. VSIkerknnde. Bei.
Kftch Photogntphl«.
Nach Photognphie.
die Amulete an dem blossen Körper des Menschen angebracht In manchen
Fällen sind sie aber auch an seinem Anzüge befestigt, oder an seinen
Waffen, an seiner Lagerstätte oder inwendig oder aussen am Hause.
Der Sinn und die Bedeutung, welche diesen Anmieten zu Grunde
liegen, sind nicht in allen Fällen die Gleichen. Oft genügt der Name der
Gottheit allein, der in passlicher Form am Körper angebracht wird; bald
auch ist es ein angehängter Spruch, oder auch ein besonderes Gehet Für
gewölmlich aber ist das Amulet ein symbolisches Zeichen, dem an und fiir
sich übern atlirli che Kraft innewohnt (wie z. B. dem Symbolum der Gottheit),
oder dem durch besondere Weihe die erwünschte Wirksamkeit erst verliehen
werden muss.
A'on unserem Standpunkte aus haben wir zwei Hauptgruppen der
Amulete zu unterscheiden, nämlich solche, welche vor dem Ausbruche der
Krankheit schützen, und solche, die nach ausgebrochener Krankheit noch
einen wirksamen Schutz zu gewähren vermögen. Auch sie schieben sich
aber vielfach durch einander, so dass die absolute Trennung nicht immer
mit Genauigkeit durchgeführt werden kann.
Bartels. Hedkin der NMuTvälkOT. 15
226 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
Wollen wir uns nun den Sinn der Amulet« zu vergegenwärtigen suchen,
BO müsseo wir die Form derselben in etwas nähere Betrachtung ziehen.
Wir finden bei den Tschimsian im nordwestlichen Amerika kleine,
gewöhnlich menschliche Figürchen in Knochen oder Stein, welche als
Amulet der Medicin-Männer bezeichnet werden {Fig. 99). Bas Museum
für Völkerkunde in Berlin besitzt zwei solche knöcherne Menschen-
figiircheu (Fig. 97 u. 98), von denen die eine einen grossen Schopf aus wirklichen
Haaren trägt. Ein in derselben Sammlung befindliches steinernes Amulet
besteht aus einem Vogelkopf und zwei Meoschengesichtem (Fig. 94). Wie
haben wir diese Amulete zu deuten? Wahrscheinlich ist es die Gottheit
selbst, die sich in diesen Figuren verkörpert hat; und somit wäre dieses
Amulet gleichsam als ein Fetisch zu betrachten.
Als von den Medicin-Steinen die Hede war, erwähnten wir auch einige
grössere, mit figürlichen Barstellimgen versehene und zum Verschlucken
viel zu umfangreiche Steine der Medicin-Männer von Vancouver. Auch
diese werden wir, wie ich glaube, in die gleiche Kategorie einzuordnen
haben.
In manchen Fällen ist das Amulet nur ein Zeichen für die Grott-
beit oder für dereu Boteu, dass der Träger oder Besitzer zu den Aus-
erwählten gehört; daher darf ihm die Krankheit nicht gebracht werden.
Fig. 101. Tiger an« Strob, in »eichen die Krankheit gebannt wird. Golden
Hu. f. VälkerhsDde, Berlin. - Nach Photognpble.
Es ist das Amulet oder Abzeichen also eine Art von Freibrief, welchen er
führt So muss der Süd-Slave, der die Pestfrau in das Dorf getragen
oder gefahren hat, dieser zuerst seine Wohnung bekannt geben, damit sie
dieselbe verschonen kann. So mussten die Juden in Aegypten ihre
Häuser mit dem Blute des Passah-Lammes bezeichnen, als das Sterben der
Erstgeburt droht«. Es heisst IL Moaia 12:
„Und sollt seines Blutes nehmen und beide Pfosten an der Thür und
die oberat« Schwelle damit bestreichen an den Häusern, da sie es innen essen.
Denn ich will in derselben !N^acht durch Aegyptenland gehen und alle
Erstgeburt schlagen n. s. w.
Und das Blut soll Euer Zeichen sein an den Häusern, darin Ihr seid,
dass wenn ich das Blut sehe, für Euch aber gehe, und Euch nicht die
Plage widerfahre, die Euch verderbe, wenn ich Aegyptenland schlage."
Ist nun dieser Freibrief im Allgemeinen nur für ganz besondere Ver;
hältnisse nothwendig, da die Gottheit nicht immer zürnt und nicht immer
zu strafen beabsichtigt, so schwärmen dagegen die bösen Geister dauernd
umher, auf Unheil bedacht Ihnen gefeit gegenüber zu stehen, ist nun in
dem Leben aller Naturkinder ein unumgängliches Erfordemiss. Aber auch
hier gewährt ihnen den Schutz das Zeichen, das ein Stärkerer über sie
wacht, dass sie die Kinder Gottes sind. Das Symbol der Gottheit ist ge-
00. Die Ainulete. 227
nügeiid, um die Dämonen in Schranken zu halten. Denn in diesem Sym-
boluni steckt ein Theil von der Kraft und der Stärke der Gottheit selber,
Tor der die Krankheits-Dämoneu fliehen müssen.
Diese Kraft, die Teufel zu verscheuchen, wohnt bekanntlich dem Kreuzes-
zeiclien inne. Das Gleiche erreichen die muhammedanischen Völker dadurch,
dass sie einen wirksamen Spruch des Koran in einer Kapsel oder in einem
kleinen Täschchen an sich tragen. Bei den Assyrern und Babyloniern
waren es kleine Cyliuder von Thon oder Stein mit Götterfiguren und heiligen
Inschriften. Auch der Fleck, den der fromme Brahmine sich täglich auf
die Stirn malen lässt, hat eine ganz analoge Bedeutung.
Durch besondere Zaubermanipulationen oder durch die kraftvolle Weihe
des Dieners der Gottheit kann aber auch jeglicliem anderen Dinge, sei es
Fig. 103. HenacheDkopf aus Hotz;
Amulet der Gtlj»fcen gegen alle
Kriokheiten. Fig. 103. Menschen figürcbeo zwischen zwei
Hdb. f. Vülkerkunde. Bedln. Holzstiicken eingeklemmt; Amulet der Gol-
Nach Pnotographie. den gegen Brust- und AthselBchmerzen.
SammlauEDfnlanif.IIambDrB. Nach Photographie.
ein Kunstproduct oder etwas Natürliches, solche Zauberkraft einverleibt
werden. Das ist dann nun recht eigentlicli das Amulet. und dieser Gruppe
sind auch die meisten der Ämulete hinzuzurechnen, welcher sich die Natur-
völker bedienen. Vielfach sind sie höchst unansehnlich, ein Stein, eine
Wurzel, ein Stück Holz, ein Knochen, eine Kralle u. s. w. Oft aber zeichnen
sie sich auch durch ihre phantastische Form, oder wenn es Naturproducte
sind, durch die Seltenheit ihres Vorkommens aus. Ihre Herstellung ist ein
lucratives Geschäft der Medicin-Männer, Priester und Zauberer. Wie diese
Dinge wirken und angewendet werden, lehrt uns sehr gut die Vorschrift
einer akkadischen Beschwöningsformel :
„Von weissem Zeuge zwei doppelte lange Streifen
An das Bett und den Tritt
22b XIII. Die Ge»undheitspftege und die Epidemien.
Als Talisman zur rechteu Hand er heftet;
Von schwarzem Zeuge zwei doppelte lange Streifen
Zur linken Hand er hefl«t.
Der böae Dämon, der böse Alal, der böse Gigim,
Der böae Tilnl, der böse Gott, der böse Maskim,
Der Schreckgeist, das Gespenst, der Vampyr,
Die böse Zauberei, der Zaiibertrank, das flüssige Gift,
Was Schmerzen verursacht, was heftig erregt, waa bösartig einwirkt,
Ihr Haupt,
Auf sein Haupt,
Ihre Hand auf seine Hand,
Ihren Fuss auf seinen Fusb
Werden sie nimmer legen;
Sie werden nimmer zurückkehren!
Geist des Himmels, beschwöre sie!
Geist der Erde, beschwöre sie!"
Nun wird uns noch vou eigentliümlichen Anmieten einiger sibirischer
Völker berichtet, welche wir eingehender besprechen müssen. Wir finden sie
besonders zahlreich und von sehr grosser Formverschiedeuheit bei denGoldeu
in Sibirien. Aber auch bei den Giljaken kommen sie in mannigfachen
Fig. 104. Amiilet der Golden gegen Fig. 105. Hölzerner Bär; Ämulet dar
BüdcenecbmerzeD. Giljaken gegen Krankheiten.
Uiu. r. Völkerkunde, Berlin. Nach Photograpbie. Uns. f. Tölkerknpde, Berlin. Nach PbatognphiE.
Variatioueu vor. Eine reiche Sanimluug dieser Dinge hat Capitän Jacohsen
für das Berliner Museum für Völkerkunde erworben. Eine zweite
Sammlung, welche vielfache Ergänzungen zu der ersten bietet, wurde von
dem Hamburger Naturalienhändler Herrn JJmlauffiia Jahre 1S92 in Berlin
ausgestellt. Diese Anmiete gehören der Mehrzahl nach zu denjenigen,
welche einem besonderen Vorkommniss angepasst sind. Ein Theil derselben
wird als Amulet gegen Krankheit im Allgemeinen bezeichnet. Bei den
Giljaken ist es z. B. ein rohgeschnitzter Igel (Mepit) aus Holz (Fig. 100),
in einen Lappen eingewickelt, der .,gegeu Krankheiten in der Jurte be-
wahrt wird"; oder eine rohe hölzerne Menschenfigur (Fig. 102) mit einer
Kapuze aus Zeug, „als Amulet gegen alle Krankheiten dienend", und ein
kleiner, hölzerner Bär (Fig. lOij), „vom Schamanen gefertigt, wenn ein Krank-
heitsfall eintritt und im ÄValde verateckt, bis die Krankheit vorüber ist".
Bei den Golden ist es ein Tiger aus Stroh (Fig. 101), oder etwas besser
ausgeführte Meuschenfiguren aus Holz (Fig. lOfi), „in welche die Krankheit
gebannt wird".
Hierin haben wir nun wohl den Schlüssel zur Erklärung dieser Art
der „Amulete" gefunden. Die Krankheit soll in sie hineinfahren, oder sie
soll mit anderen Worten den Patienten verlassen und statt seiner diese
Thier- oder Menschenbilder in Besitz nehmen, als Ersatz für den nun frei-
9G. Die Amulete. 229
gelassenen Menschen. Wir treffen somit also liier auf die weitverbreitete
Anschauung, dass mau sich von einer Kraukheit zu befreien vermöge da-
durch, dass man einen Ersatzraann stellt, lu dein deutschen Epos hat
dieser Glaube iu der Geschichte des armen Heinrich seine Verherrlichung
gefunden und auch bei den alten Central-Amerikaneru haben ähnliche
Ansichten geherrscht.
Nun verstehen wir auch eine Gruppe höchst primitiver Menschen-
figürcben von der Insel Nias (Fig. 107), welchen bei Krankheiten geopfert
wird und die dabei mit Palmblättem geschmückt werden. Wahrecheinlicli
sind dieses ebenfalls nur Ersatzmänner für die erkrankten Personen, Bei
dem Kampfe gegen die Epidemien treffen wir auf ganz Aehuliches.
Fig. 106. UMzeme Menecben-
fipir dar Golden, in welche ^. ,.,■.„, „ . ■„,.■.
£e Krankheit gebannt wird. f'g- 10'. Hokfiguien, denen in Krankheiten geopfert
Hm. f. VBIkBrknDdB. Barlln. *'™- Ni«8.
Kaeh PbotOKTophia. Uns. f. Tölkerkonde, BerllD. — Nuh Pbotognpbie.
Ein Theil dieser Amulete der Golden und der Giljaken lässt durch
ihre äussere Erscheinung schon erkennen, in welchen Körpertheilon die Er-
krankung sitzt, gegen die sie Hülfe bringen sollen. Bei den Golden hilft
ein kurzes Stück Holz mit grossem nasenähnUchen Vorsprung (Fig. 108)
gegen Nasenübel, eine kleine raännitcbe Gestalt mit dicken Genitalien gegen
Geschlechtskrankheiten, ein hölzernes Herz (Fig. 109) gegen Herzleiden
und Brustschmei'zen. Auch die Giljaken fertigen solch ein hölzernes
Herz (Fig, 110), das aber unten gespalten ist, und tragen es gegen Brust-
schmerzen am Halse, Ein Bär, dem ein anderer auf dem Rücken sitzt
(Fig. 125), ein Mensch, auf dessen Rücken ein fliegender Vogel geschnitzt
ist (Fig. 130), heilen Rücken- und Kreuzschmerzen; eine Menschenfigur mit
einer Kröte auf der Bi-ust (Fig. H3) hilft gegen Kraukheiten der Brust
23U XIII. Die Oeäundheitspflege und die Epidemien.
und des Leibes. Ein Bär {Fig. 111), der sich iu seine Brust beisst, soll
Brustschmerzen vertreiben; eine rohe Menschenfigur (Fig. 119) ohne Arme
uud Beine, deren Leib von oben nach unten durchbohrt ist (die also einen
immer „offenen" Leib hat), beseitigt den Durchfall. Gegen Brust- und
Achselschmerzen haben die Golden auch eine kleine Menschenfigtir
(Fig. 103) so an einem Riemen aufgehängt, dass sich jederseits ein daneben
hängender kleiner Balken fest an ihre Seiten presst
Schmerzen im Kreuz und in den Gelenken scheinen eine weitverbreitete
Beschwerde zu sein. Wenigstens finden wir gegen diese Leiden bei den
Golden und Giljaken mehrere Amulete im Gebrauch. Von den ersteren
war ja schon die Rede: die Letzteren haben das Uebereinstimmende, dass
sie, als wenn sie ganze Menschen wären, oben in ein Menschengesicht aus-
laufen, wie die hölzerne Hand (Fig. 132), welche Reissen im Handgelenk
heilt. Auch die Figur mit durchbohrtem Bauche ist ja eigentlich nur ein
Flg. 108. Amulet der Golden F)«. 109. HöherneB Hen; Fig.llO. HBlieroesgeBnalt.
gegen Naaenübel. Amulet der Golden gegen Herz; Amulet der Gilja-
Simmliuig Umiauff. Hambnrg. Hetzleiden u.BrustscbmerEBD. kengeKeaBrustachmenen.
Macb Photographie. Hug. r. Välkerkande, Berlin. Uns. f. VSIkerkand«, Bsrlin.
Nach Photographie. Nach Photographie.
Bauch mit meuschlicliem Antlitz. Meistens ist in diesen Anmieten aber
auch noch eine Gelenkverbindung in der Weise ausgeschnitzt, dass die
Theile, wie zwei vereinigte Kettenglieder in einander greifen (Fig. 112,
133, 134). Es soll dieses wohl den Grad der Gelenkigkeit ausdrücken,
welchen das erkrankte Glied wieder zurückerhalten soll.
Für diese Anschauung sprechen auch die hölzernen Arme (Fig. 127),
welche als Amulete gegen Steifigkeit im Bereiche der oberen Extremitäten
benutzt werden. Auch sie haben oben Menschengesichter, und mit ihnen
sind wir nun schon ganz nahe au der Opfeiung des erkrankten Theiles
in etBgie, wie sie seit Jahrhunderten in Europa gebräuchlich ist. Es sei
hier an die Votivgaben erinnert, welche wir, meist aus AVachs gefertigt, an
den Altären unserer Alpenländer u. b. w, finden.
-Die kranken Leute bringen
Ihr dar als Opfers pend"
96. Die Amulete. 231
AuB Wachs gebildete Glieder,
Viel wächserne Füss' und Hand'.
Und wer eine Wachshand opfert,
Dem heilt an der Hand die Wund",
Und wer einen WachsfuBS opfert,
Dem wird der Fuss gesund."
Bei den Römeru waren diese Exvoto-Körpertheile meist aus ge-
branntem ThoD hergestellt Sie sind in grosser Menge gefunden, und nament-
lich haben die Reguliruiigsarbeiten am Tiber in Rom an der Stelle, wo
die Cella des einstigen Tempels des Aescttlap in den Strom hinuntergestürzt
war, bei der Baggerung eine reiche Ausbeute ergeben.
Die Ideen association ist bei einigen dei' uns beschäftigenden Amulete
nicht sehr deutlich ausgeprägt Warum eiu eidechsenartiges Wesen mit
Fig' tu. HSlzernei Bfir, sich Fijg. 112. HSlzerne Heoacheiifigui Fig. 113. Eohe MenBchenfigur
in dieBlnstbeiuendi Amulet mit Gelenken in den Eitremitäten; mit einer Kröte auf der Brust;
der Giijakea gegea Bruat- Amolet der Golden gegen Rheu- Amulet der Giljaken gegen
achmenen. matisinuB. Krankh. der Bruat n. deiLeilÜM.
Hnseam für Vülkerkiuide, Berlin. — Nuh Photosnphi«.
tief eingeschnittenen Querfurchen gegen Geschlechtskrankheiten (Fig. 128).
ein Tiger gegen Brustschmerzen kleiner Kinder, ein Panther (Fig. 129)
gegen Schmerzen im TJnterleibe, ein im Stalle aufgehängter Bogen mit zwei
kleinen Menschenfigürchen darunter (Fig. 131) gegen Augenkrankheiten
helfen soll, das ist nicht recht zu verstehen. Allenfalls kann man noch
folgen bei einem Menschenkopf mit umwickeltem Untergesiclit (Fig. 120),
als Mittel gegen Zahnschmerzen, bei einem Thierkopf, der auf einen Fiach-
wirbel beisst {Fig. 104), (oder zwei solcher Köpfe), als Mittel gegen Rückeu-
sclunerzen.
Eine reiche Sammlung interessanter Amulete ist von Vaughan Stevens
unter den Orang Semang in Malacca für das Museum für Völker-
kunde in Berlin erworben worden. In ihrer allgemeinen äusseren Er-
scheinung sind sie säinmtlich ganz übereinstimmend. Sie bestehen Alle
932 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
aus einem annälierud Zweiniarkstück-dicken Bambuscylinder, ungefälir von
einem Fuss Länge. Dieselben sind ganz überdeckt mit eingeBchnittenen,
geometrischen Ornamenten. Keines stimmt mit dem Anderen überein niid
jedes schützt vor einer bestimmten Erkrankung. Sie werden ausschliessUch
von Männern benutzt und dienen als Ansatzstücke für die Pustrobre dieser
Leute. Je nacli Bedürfiiiss werden sie gewechselt
Fig. 114 u. 115. Hölzerne, abgezehrte MeDEcbenfigur; Amulet der Golden gegen die
AuHzehiung.
Hd9. f. vaikerliiuide, Berlin. — Nach Phatognpliie.
Durch die gleichen Ornament« werden aber auch die Weiber vor den
betreffendeil Krankheiten bewahrt Aber für diese ist das Ornament in die
liereckige Platte eines grossen Bambuskammes eingeschnitten, der dann
mit seinen laugen Zähnen in die Haare der Frau hineingesteckt wird. Die
Deutung und Erklärung dieser Ornamente ist ohne Schlüssel gar nicht
möglich. Denn dieselben sind in der Weise gebildet, dass man aus der
Hgur, die man eigentlich meint, immer einzelne Strichgruppen besonders
96. Die Amulete. 233
zeichnet und diese Gruppen in regelmässigen Reihen unter einander setzt.
So kann natürlich kein Mensch ergründen, wie die Gruppen ursprünglich in
einander gehören. Figur 124 stellt einen solchen Frauenkamm dar. Es
Avird über diese höchst merkwürdigen Dinge aus der Feder des Professor
Albert Chrüntoedel in allernächster Zeit eine ausfuhrliche Abhandlung er-
scheinen.
Ein Amulet der Golden verdient noch unser ganz besonderes Interesse,
da der Schamane sich sichtlich bemüht hat, in ihm die äussere Erscheinung
des Kranken zum deutlichen Ausdruck zu bringen. Es ist eine ganze mensch-
liche Figur (Fig. 114), wie fast alle diese Amulete in Holz geschnitten; eine
Anzahl querer Einkerbungen am Rücken soll zweifellos das starke Hervor-
treten der Domfortsätze der Wirbel bezeichnen. Auch die Rippen (Fig. 115)
treten stark hervor, und da ein solches Amulet hergestellt wird, wenn Jemand
an der Schwindsucht erkrankt ist, so müssen wir in der ganzen Figur das
Jammerbild eines Schwindsüchtigen erkennen. Wir haben daher in dieser
Holzschnitzerei das höchst merkwürdige Beispiel einer pathologisch-anato-
mischen Darstellung vor uns. Aehnlich ist ein Amulet der Giljaken gegen
das Blutspeien. Es stellt eine rohe Menschenfigur
dar, bei welcher obei-flächlich eingeschnittene Linien
am Bmstkorbe die in Folge der Abmagerung hervor-
tretenden Rippen andeuten sollen. Man sieht, dass
auch diesem Stück der gleiche Gedanke zu Grunde
liegt Diese Figuren verdienen um so mehr unsere
Beachtung, als sie fast völlig vereinzelt dastehen. Denn
trotz der so sehr grossen Zahl der Bilder, Figuren,
Amulete u. s. w., welche wir als auf das Kranksein S^lP^'.^*? ^^^'f'j:
,..,.,,..' j 1 1 X • i.- u T-k A. ^^ Blut brechend, nach der
bezüglich besitzen, sind charakteristische Darstellungen Zeichnung auf einem Mu-
von Kranken doch die allergrössten Seltenheiten. eikbrett der Wabeuo
Ausser unserem Tuberkulösen wüsste ich nur noch ^^' ''''iSri^'r^'*'"'
von einem Musikbrett der Indianer (Fig. 32) das Bild Nach sdiooia-aft.
eines Mannes (Fig. 116) anzufiihren, welcher Blut-
erbrechen hat, und drei Masken der Singhalesen. Zu dem Indianer-
Bilde gehört der Gesang:
„Ich ringe um das Leben! — Wabeno! tödte es."
Von den Singhalesen-Masken stellen zwei die DAmonen Korasannijä
(Fig. 117) und Ämmukktisannijä, die Teufel der einseitigen Lähmung vor
und zeigen das charakteristische schiefe Gesicht einer Facialisparalyse.
Eine .dritte Maske, ebenfalls von den Singh^ilesen, zeigt einen Verwun-
deten mit abgehauener Nase und gespaltener Lippe, den Helden Lascorin
(Fig. 118), welcher singt:
„Ich bin der Mann, der auszog zur Schlacht mit den Mala baren. Ich
focht brav; ich war gefangen. Obwohl ich meine Nase verlor und die Lippen
zerhauen sind, bin ich Dein Gatte, Dein Sclave."
Hier schliesst sich noch eine Vase an, welche einem altperuanischen
Gräberfelde entstammt. Sie zeigt einen Mann (Fig. 121), dessen Körper
über und über mit dicken Beulen überdeckt ist Sie müssen ihn erheblich
quälen; denn er ist eifrig bemüht, sich durch Kratzen Linderung zu ver-
234 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
EchafFen. Damit ist aber nun auch der Vorrath derartiger Gegenstände zu
Ende und es hat beinahe den Anschein, als ob die Naturvölker es absicht-
lich Termieden, bildliche Darstellungeu von den Kranken herzustellen.
Noch eine andere Merkwürdigkeit auf medicinischem G-ebiete habeu
wir bei den Golden zu verzeichnen. Es ist das der umstand, dass sich
ihre Medicin-Männer für ihre Verordnungen besonderer Recepte bedienen.
Was die Grösse der Letzteren anbetrifft, so gebührt ihnen vor den euro-
päischen der Vorrang, denn sie messen ungefähr einen halben Meter
im Geviert Sie bestehen aus grobem chinesischen Papier, und auf dieses
zeichnet der Schamaue mit Farbe diejenigen Gegenstände auf, welche fiir
die Herstellung des Kranken als Amulete geschnitzt werden müssen.
FiK'117- HolzmasliedereiDKbaleai-
scnen TeufelBtAozei, den Teufel der Fig. 118. SinghaletUche Maske, einen Vei-
einBaitigen Lähmung darstellend, wuodetea darstellend.
Uns. f. Völkechnbile, Berlin. Uni. f. Veikaiknnds. Berlin.
Nach Photogiapbie. Nach Photographie.
Ein solciies Golden-Recept (Fig. 122), das das Museum für Völker-
kunde in Berlin besitzt, zeigt unten zwei Tiger neben einer Pflanze und
oben eine rohe Menschenfigur, welche neben sich auf der einen Seite vier,
auf der anderen Seite fiinf langgestreckte Gegenstände hat, die an schmale
Lanzenspitzen erinneru, aber oben eiue kleine Kaute tragen. Vielleiclit
sollen das auch Menschen sein. Dieses Kecept hilft gegen Kinderkrank-
heiten und das Museum besitzt auch die Stücke, welche nach demselben
geschnitzt worden sind. Sie sind in Figur 123 dargestellt; es sind dabei
noch zwei kleine Holzmenschen mehr. Einen Tiger, wie das Recept ihn
fordert, haben wir schon in Figur 101 kennen gelernt
In der Ausstellung des Herrn Umlauf {in Berlin (1892) batte Herr
Capitän Jacobsen die Güte, mich auf ein Bild aufmerksam zu machen, das
aus einem Tempel in Korea stammt Es zeigt fast die gleichen Figuren,
wie unser Kecept der Golden, so dass man sich nur schwer des Gedsjikens
97. Die öffentliche Gesundheitspflege. 235
erwehren kann, äass hier nicht gemeinsame Beeinflussungen zu Crrunde
liegen sollten. Eb ist das eine Sache, die noch ihrer genaueren Auf-
klärung harrt
97. Die Öffentlich« C^esimdheitspflege.
Wir müssen es als einen Uebergaug betrachten von der privaten zu
der öffentlichen Gesundheitspflege, wenn wir, um dem Ausbruch von Epi-
demien vorzubeugen, der Aufführung allgemeiner Tänze begegnen. Es ist
das von den Klamath-Iudianern in Oregon weiter oben bereits be-
Fig. 119. BOlzerne Uenschen- Fig. 120. Hfiherner MenKheo- Fig. 121. AltpernaDisches
SguT mit darch^ahrtem Leib; köpf mit umblillteT Waof^; ThonffeKss, einen mit Beulen
Amolet der Giliaken g^en Amulet der tiiljaken gegen überdeckteDManndantellend,
Durcbrall. Zabnicbmenen. der BJch juckt
Uuienm für Vaikcrkande, Berlin. — Nush Photographie.
richtet worden. Auch eine Ceremonie der Nez-Perc^z-Indianer gehört
hierher, denn auch sie steht nicht in dem Belieben des Einzelnen, sondern
sie muss zu bestimmter Zeit von sämmtlichen Männern des Stammes aus-
geführt werden, welche sich zwischen dem 18. und dem 40. Leben^ahre
befinden. Diese Feierlichkeit findet Statt, um den Mawisdi, den Geist der
Ermüdung zu überwinden. Jedes Jahr wird sie wiederholt und ihre Dauer
beträgt 3 bis 7 Tage. „Sie besteht darin, dass WeidenstÖcke durch den
Schlund in den Magen gestosseu werden, gefolgt von heissen und kalten
Bädern und der Enthaltung von Nahrung." Die Indianer sind fest davon
überzeugt, dass sie hierdurch ganz erhebliche Körperkräfte und eine un-
gewöhnliche Ausdauer in Strapazen erwerben.
236 XIII. Die GesundheitspSege uod die Epidemien.
Wenu wir uns nun mit der öifeDtlicheu Gesuadheitspflege der uncivili-
sirteu Völker beschäftigen wollen, so sind es wohl namentlich folgend©
Punkte, denen wir unsere besondere Aufmerksamkeit widmen müssen. Zu-
vörderst haben wir darauf zu achten, wie man sich vor der Berührung mit
dem Inficirten schützt Darauf wären ihre Maassregelu zu besprechen, die
von der ansteckenden Krankheit Ergriffenen in geeigneter Weise unterzu-
bringen, um eine Weitervei-schleppung der Seuche soviel wie möglich zu
verhindern. Es muss aber wohl als practisch erscheinen, dass wir an dieser
Stelle zugleich diejenigen Nachrichten zusammenstellen, welche uns über
ihre Unterbringung der Kranken im Allgemeinen Auskunft geben. Auch
Fig. 122. Recept eines SchamaDea der Golden.
Hna. (. veikarkiiDde, Berlin. - Nkch Photognphic.
wie man fiir den Kranken sorgt, in leiblicher wie in therapeutischer Weise,
müsste im Anschluss hieran besprochen werden.
Femer müssen wir ihre Versuche berücksichtigen, vor der Epidemie
zu entfliehen. Auch die Maassregeln sind zu beachten, welche sie ergreifen,
um der Seuche den Eintritt in die Ortschaft zu verweliren, oder wenn sie
bereits eingedrungen ist, sie aus der Ansiedelung wieder zu vertreiben.
Endlich müssen wir darauf achten, wie man mit der Beseitigung solcher
Leichen verfährt, welche an ansteckenden Krankheiten oder sonst unter
unnatürlichen Verhältnissen gestorben waren. Den Beschluss würde die
Untersuchung bilden, wie es die Naturvölker unternehmen, nach dem Er-
98. Der Schutz vor der Berührung mit den Inficirten. 237
löschen der Epidemie oder aach der Evacuirung des Kranken ihre Ort-
schaften sowohl, als aucli die einzelnen Wohnstätten wiederum zu assaniren
uod von Neuem bewohnbar zu machen.
Dass uns bei allen diesen Manipulationen ebenfalls vielerlei Aberglaube
und manches Uebematliriiche entgegentritt, das kann uns nach dem bisher
Gesehenen nicht überraschen. Aber der Grund ist doch immerhin gelegt
fiir die Anfänge einer öffentlichen Gesundheitspflege.
Fig. 123. HBlzerne GegeDstände. ^reiche nach dem Fig. 124 Weiberknmin derOraDg
Schamaneii-Becepte geschnitzt sind. Semaag; Amulet geg. Krankheit.
Uns. t. VälkrakDiidfl, BerliD. Uni. f. Völkerkunde. Berlin.
NKh tbotognpbie. Nach Pbotogrephie.
98. Der Schutz tot der Berührung mit den Inficirten.
Eine der wichtigsten Gesundheitsregeln bei austeckendeu Kranklieiten
bleibt es natürlich, dass man die Berührung und den näheren Verkehr mit
solchen Personen sorgfältig venneidet, welche die Seuche bereits ergriffen
hai Solch eine Vorsichtsmaassregel setzt aber doch immer schon eiu Ver-
ständnisB fiir die Thatsache voraus, dass es gewisse Erkrankungen giebt,
welchen die Eigenschaft innewohnt, dass, wenn sie einen Menschen befallen
liaben, sie auch auf andere Personeu übergehen, wenn diese in irgend einer
Weise mit dem Erkrankten in Berührung kommen. Diese Uebertrag-
barkeit der Krankheit von dem einen Menschen auf Andere bildet ja eben
23S XIII. Die Geauodbeitspflege und die Epidemien.
das Wesen der Infection. Und wenn nun diese Kissiclit gewonnen ist, so
liegt der zweite Schritt in dem Denken nicht fern, dass mau, um sich vor der
Ansteckung zu schützen, die Gemeinschaft mit dem Kranken vermeiden
müsse. Entweder geht man dann nicht zu ihm; mau entfernt sich von ihm
und überiässt ihn seiuem Schicksal, oder maji bringt ihn aus dem Hause
und man untersagt ihm den Zutritt zur eigenen Wohnung,
Ehrenreich berichtet von den Karayä in Brasilien, dass bei ihnen
die Lungentuberkulose iu steter Zunahme begriffen sei, und dass die £in-
geborenen von der Infectiosität derselben vollkommen durchdrungen sind-
Naht sich ein fremder Besucher ihrer Hütte, so richten sie zuvor die Frage
an ihn: „Giebt es auch keinen Catarrh?" Und erst wenn dieses verneint
worden ist, wird ihm das Betreten der Hütte gestattet
Etwas energischer ist die Abwehr, welche die Kirgisen ihren Infi-
cirten entgegensetzen. Wenn zu der Zeit einer Pockcnepidemie ein Kranker
sich ihren Wohnungen naht, so machen sie, wie Pallas schreibt, sich kein
Gewissen daraus, mit ihren Pfeilen auf ihn zu schiessen.
Harmand, welcher eine Expeditiou
nach dem Me-Khöng in Hinter-
indien unternommen hatte, fand iu
den Territorien der Khäs, wohin die
Laoten nur selten vordringen, vor
allen Dörfern , welche die Cholera
einmal heimgesucht hatte, ein Holz-
Rg. 125. Ein Bilr «nf dem Rflcben eines stück aufgehängt (Fig. 126), das rechts
Anderen 8iUend,boIigeBchBitzti Amnlet der nnd Jjntg mit Einkerbungen von ver-
"'".•.';•; ,r.«^?B:^~ »■■'»■l«»" ««»se ve„el>e„ w.r. D„
N»ch PhoWBTOphiB. ist eine Art der Zeichenschrift, welche
Folgendes zu bedeuten hat: ,,Wer
in den nächsten zwölf Tagen sich untersteht, in unsere Pallisade einzu-
dringen, wird gefangen genommen und muss an uns vier Büffel und zwölf
Tical an Lösegeld bezahlen."
Die andere Seite der Einkerbungen soll die Anzahl der Männer, Frauen
und Kinder im Dorfe bezeichnen.
Vielfach begegnen wir der Gewohnheit, dass man den ansteckenden
Kranken entflieht, oder dass man sie aus der Ortschaft entfernt; beide
Maassregeln haben wir später noch zu besprechen.
Einen grossen Schritt vorwärts in der Rücksicht auf die Gesundheit
des Nebenmenschen wurde von Harmand ebenfalls auf seiner Keise am
Me-Khöng gesehen, und zwar an Dörfern von Attapeu, welche denen
der Laoten benachbart waren. Hier waren bisweilen über den Fusswegen
und an dem Thore des Dorfes Bambusstücke iu Stemform mit Blätter-
bUscheln daran aufgehängt, um die Aufinerksamkeit der Wanderer auf sich
zu lenken. Die Bedeutung dieser sonderbaren Zeichen ist die, dass in dem
Dorfe irgend eine Seuche entweder unter dem Vieh oder unter den Menschen
grassirt
99. Die Unterbringung der ansteckenden Kranken.
99. Die Unterbringung der ansteckenden Kranken.
Das Fortschaffen iiificirter Patienten ist nicht bei allen Naturrölkern
in G-ebrauch, wie wir oben bereits angedeutet haben. Aber auch die-
jenigen Yolksstämme, bei welchen solche Evacuationen stattzufinden pflegen,
nehmen dieselben, wie es den Anschein bat, nicht gleich bei dem ersten
Erkrankungsfalle vor. Erst wenn die Anzahl der von der Seuche Er-
griffenen in raschem Ansteigen begriffen ist, nehmen sie zu dieser Maass-
regel ihre Zuflucht Das bestätigt nns ModigUam von der Insel Nias,
daes bei vereinzelten Krankheitsfällen die Patienten ruhig in ihren Häusern
Rg. 126. BambuBBtück. vor
den Dörfern der Kh&s in
Hinterindien anfge-
h&ngt, um du Betreten ta
verbieten.
Nach JTonnaniJ.
Fig. 127. Hölzerne Arme Fig. 128. Holzthiei (Ei-
mit Gelenken; Amulete der dechse? T^ei?) mit ein*
Golden gegen Steifigkeit eekerbtem Bdckao; Amnlet
im Bereiche der oberen Ei- der Golden gegen Ge-
tremitaten. sdilecbtekraDEheitan-
Hns. f. TolkerkuDde, Berlin. Sammlaiui Umlauff, RamboTK.
Nach Fhotograpbie. Kach Ptaotoüraphie.
verbleiben; nimmt aber die Zahl der Erkrankungen zu, so bringt man sie
aus der Ortschaft heraus.
Es ist bereits manchen der Naturvölker zum Bewusstsein gekommen,
dass der Aussatz zu den ansteckenden Krankheiten gehört und dass man
also aus diesem Grunde den Verkehr mit den Aussätzigen zu meiden habe.
Auf der Insel Keisar begnügt man sich damit, den Aussätzigen das Hei-
rathen zu verbieten. Denn wunderbarer Weise ist man hier der Ansicht,
dass der Aussatz zwar auf dem Wege der Vererbung übertragen werden
könne, dass er aber nicht ansteckend seL Umgekehrt ist es auf den Watu-
bela-Inseln. Hier glaubt man, dass eine Vererbung nur in den aller-
seltensten Fällen vorkomme, dass aber die Ansteckung möglich sei; und
aus diesem Grunde schickt man die Erkrankten nach Gorong, damit sie
dort medicamentös behandelt würden.
240 XIIL Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
In Mittel-Sumatra werden die Aussätzigen aus dem Dorfe verbannt
und ziehen in den Wald. Hier hofifen sie, dass die Geister der Goenoeeng-
padang ihnen gnädig sind und ihnen die Gesundheit wiedergeben. Bevor
man sie dazu verurtheilt, sich in die Wildniss zu begeben, hält man eine
Berathung mit den Häuptern des Dorfes, sowie mit den Familiengliedem
der Kranken ab. Wird dann von diesen die Verbannung beschlossen, so
müssen sich die Patienten dem Urtheilsspruch fugen. Diese Art der Ver-
bannung fuhrt den Namen Pai taraq, das heisst soviel, als „von den
Wald- und Berggeistern Heilung erbitten."
In der Landschaft Kroe in Sumatra werden Aussätzige mit nur
leichten Aflfectionen ruhig in der Ortschaft geduldet Nimmt ihr Leiden
aber grössere Dimensionen an, dann zwingt man sie, das Dorf zu verlassen
und ihren Aufenthalt im Walde zu nehmen. Für diesen Zweck errichtet
man ihnen aber eine besondere kleine Hütte. Auch auf Bali herrscht der
Gebrauch, die am Aussatz Erkrankten aus dem Dorfe zu verweisen und
zwar ohne Ansehung der Kaste, welcher sie angehören. Für gewöhnlich
werden sie nach dem Seestrande geschickt Jacobs, welcher dieses berichtet,
ist der Ansicht, dass es sich hier nicht eigentlich um eine hygieinische
Maassregel handelt; denn manchmal sendet man die Kranken auch einfach
Fig. 129. Hölzerner Panther; Amalet der Golden gegen Schmerzen im ünterleibe.
Mos. f. Völkerkunde, Berlin. — Nach Photographie.
nach einem anderen Dorfe. Hier liegt wahrscheinlich der Gedanke zu
Grunde, den Leidenden, dessen Krankheit eine langdauemde ist und den
man natürlicher Weise für bezaubert hält, dem Einfluss der bösen Zauberer
zu entrücken.
Eine besondere Art der Unterbringung von Pockenkranken finden wir
nur auf der Insel Nias. Es wurde schon erwähnt, dass hier das Fort-
schaffen der Patienten erst dann vorgenommen wird, wenn es sich nicht
mehr um vereinzelte Erkrankungen handelt, sondern wenn die Seuche be-
reits erheblich an Ausdehnung gewonnen hat. Dann werden die Kranken
aus dem Dorfe vertrieben und sie müssen auf dem freien Felde bleiben.
Es wird dann aber hier für sie ein besonderes Schutzdach errichtet. Wir
müssen hierin, wie man sieht, die primitiven Anfänge einer Unterbringung
der ansteckenden Kranken in einer für diesen Zweck besonders errichteten
und von den bewohnten Plätzen abgelegenen Seuchenbaracke erkennen.
Diese wohlgemeinte Schutzmaassregel verliert aber dadurch sehr an Werth,
dass keine Spur einer Vorsicht herrscht in dem Gebrauche der inficirten
Kleider. Auch wohnen die Leute ohne Scheu in den Häusern, in denen
die Kranken bis zu ihrer Fortschaffung gelegen hatten. Und so wird es
wohl verständlich, dass trotz der Evacuation der Inficirten dennoch die
Pocken auf der Insel eine recht erhebliche Zahl von Opfern fordern.
lOÜ. Die Vereoi^ung der ansteckeudeu Kranken.
100. Die Yersoi^oDg der ansteckenden Kranken.
Die Versorgung dieser amieii Ausgestossenen wird auf sehr Terachiedene
"Weise gehandhabt Wenn die Niasser ihre Pockenkranken unter das im
Felde fiir sie errichtete Schutzdach transportiren , so lassen sie ihnen zur
Ueberwachung und Pflege einen Stainmesgenossen zurück, welcher früher
bereits die Pocken glücklich überstanden hatte. Derselbe sorgt daftir, dass
die Kranken täglich mehrmals in frischem Wasser baden, und er holt ihnen
auch die Speisen herbei, welche die Leute im Dorfe übng gelassen haben.
Fii;. 130. HQlzeme MenBcbeufi)^
mit fliegendem Vt^l auf dem
Bücken; Amulet der Goldeo
gegen Erenuchmerzen.
Hu. t. Vaikerkimds. Berlin. Mna. r. Völkerkonde, Beilin.
Nkch Photographie. Steh Photosrophle.
Auch auf dem Serauglao- und G-orong-Archipele lässt man die
an den Pocken Erkrankten fleissig baden und die EfRorescenzen mit Kaiapa-
Milch befeuchten. Ausserdem verordnet man Abführmittel, unter denen das
Kalapa-W asser und die Wui-zel der Curcuma longa ganz besonderes Ver-
trauen gemessen.
Die Traos in Cochinchina verlassen ihre Pockenkranken, aber sie
setzen ihnen Wasser und gekochten Reis an das Lager. Ganz ähülich ver-
halten sich die Tungusen und die Buräten, indem sie ebenfalls den
Patienten, bevor sie dieselben verlassen, die nothwendigsten Nahrungsmittel
Bartels, lledicin der Nütaivalber. 16
242 XIII. Die Oesondheitspäege und die Epidemien.
zurechtstellen. Auch die Indianer im nördliclien Mexico verlassen die
DirigeD, wenn diese von ansteckenden Krankheiten befallen werden. Aber
sie stellen den Patienten Wasser und wilde Früchte hin, so dass sie die-
selben bequem erreichen können.
Die Ännamiten pflegen die Betten ihrer an den Pocken erkrankten
Kinder mit Netzen zu umstellen und die Patienten niemals allein zu lassen,
weil sonst die grosse Gefahr besteht, dass ein Dämon in der Gestalt eines
fremden Kindes sich zu ihnen schleicht und sich ihrer bemächtigt Unter
dem Bette der Pockenkranken muss man einen grünen Fisch ohne Schuppen,
mit Namen Ca tr^, hegen haben, weil derselbe die Eigenschaft besitzen
soll, das Gift der Krankheit an sich zu ziehen.
Den an dem Aussatze Leidenden auf Bali, welche,
wie bereits erwähnt , zum Meeresstrande verbannt
werden, sendet man dorthin regelmässig ihre Nahrung.
Wenn man in Mittel-Sumatra einen Aussätzigen
in die Wildniss treibt, so giebt man ihm zehn Maass
gestossenen Heis, Sirih, Tabak u. s. w., ausserdem aber
ein Beil und ein Kappmesser mit. Wenn seine Nah-
ning aufgezehrt ist, so ist es ihm gestattet, wieder zu
kommen und sich neue Vorräthe zu holen; aber er
darf sich dann nicht länger, als durchaus nöthig ist,
im Dorfe aufhalten. In der Landschaft Lebang in
Sumatra müssen die Aussätzigen auch im Walde
ihren Aufenthalt nehmen. Sie werden daselbst mit
Lebensmitteln versehen, und ein einheimischer Arzt
besucht sie von Zeit zu Zeit und unterzieht sie seiner
Behandlung. Diese soll bisweilen die. Heilung herbei-
führen. 1
Fig. 132. Uülzerne Hand
AÄfZ^G^^Sl'n I<>'* Die Unterbrlngniig der nicht anstecltenden
gegen Eeissen im Hsodr Kranken,
Hus.f.vfiiberknDde.BeTiiD. An die Erörterungen in den beiden letzten Ab-
Nicb Photosraphia. schnitten werden wir am geeignetsten gleich die Be-
sprechung anschliessen können, wie die Naturvölker
ihre Patienten, die nicht an ansteckenden Krankheiten leiden, unterbringen
imd wie sie für dieselben sorgen. Da finden wir als eine ganz besonders
häufige Maassregel erwähnt, dass man den Kranken, besonders dann, wenn
er im Fieberfrost sich befindet, möglichst nalie bei dem Herdfeuer lagert, oder
in manchen Fällen sogar direct unter seiner Lagerstatte ein Feuer ent-
zündet. Wir sprachen weiter oben bereits hiervon.
Die Weddah auf Ceylon suchen für ihren Kranken einen schattigen
Ort aus und sie legen ein Paar grosse Blätter über den Patienten. Die
Mincopies auf den Andamanen richten ein Lager her aus den Blättern
des Gn'gma (Trigonostemon longifolius).
Auf Mansiuam in Neu-Guinea lebt nach van Bosselt „ein Papua-
Doctor, welcher um sein Haus herum eine Anzahl Hütten fiir die zu ihm
gebrachten Patienten aufgerichtet hat Während sein Haus sehr solid ist,
lassen diese Hütten, was Dauerhaftigkeit anlangt, sehr zu wünschen übrig."
10]. Die Unterbringung der nicht anateckenden Kranken. 243
Trotz dieser Mangelhaftigkeit der Constructiou verdient diese Anlage dennoch
in höchstem Maasse unsere Beachtung. Denn wir haben hier ganz zweifellos
die primitiven Anfänge einer Krankenhausanlage vor uns, eine That-
sache, welche, soweit meine Kenntnisse reichen, bisher ganz vereinzelt bei
den Naturvölkern dasteht.
Die nordamerikanischen Indianer werden, wenigstens iur den
wichtigsten Theil der ärztlichen Behandlung, wie wir gesehen haben, ge-
wöhnlich in ein besonderes Bauwerk gebracht, in die Medicin -Hütte, welche
entweder ständig in der Ansiedelung sich befindet, oder welche eigens für
den besonderen Krankheitsfall errichtet wird. Bisweilen, wenn das Letztere
stattfindet, dürfen danu bestimmte Bäume nicht die Pfosten liefern, weil
ihi- Holz dem Patienten Schaden bringen würde. Vermag der Kranke
FifC- 134. Hölzernes Mensuhen-
flgOrchen mit Gelenk im Mittel-
liCrper; Amulet dei Golde»
telkörper oder in den tli t rem i täten; Amulet g^en Pusakranltheiten,
der Giljaken gegen Fuas- und BeinBchmenen. jj^ f vsikerkande. Berlin.
Hui. f. vaikerkuade, Berlin. — Kacb Photognpbie. Naob Pbotognphie.
nicht allein, oder von den Seinigeu gestützt, zu der Medicin-Hütte zu kommen,
so trägt mau ihn mit seinem Bett oder auf einer besonderen Tragbahre
hinein. Er wird, wenn er zu gehen vermochte, auf einer Matte oder aiif
einem Mantel, einem sogenannten Blanket, gelagert,
GotecAei erzählt von den Klamath-Indianern in Oregon, dass solche
Krankenbehandlung im Winterhause vorgenommen wird. Die OefFnung an
der Spitze der Hütte wird dabei geschlossen, und die ganze Versammlung,
sowie der Medicin-Mann und der Patient, sitzen dann in tiefster Finstemiss.
Auf den Patienten, welcher in der Medicin-Hütte auf dem Blanket
gelagert ist, bezieht sich ein Beschwöruugsgesang des Medicin-Mannes bei
den Dacota-Indianern, welchen sich das Volk als von einem ihrer Götter
gesungen zu denken hat:
16*
244 XIIL Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
„Fliegend, gottgleich umkreise ich die Himmel;
Ich erleuchte die Erde bis zu ihrem Mittelpunkt.
Der kleine Ochse liegt, sich windend, auf der Erde:
Ich lege meinen Pfeil auf die Sehne."
Der kleine Ochse ist der Patient: der Pfeil soll wahrscheinlich den
Krankheitsdämon vernichten. Bei länger dauernder Erkrankung werden die
Indianer in ihrer Wohnung behandelt, und in einigen Fällen werden dabei
ganz besondere Maassnahmen getroffen.
So wird uns von den Mosquito-Indianern berichtet, dass sie ihn»
Patienten, wenn die gewöhnlichen Heilmethoden nicht sogleich die gewünschte
Besserung bringen, mit bemalten Stöcken einzuzäunen pflegen. Dabei wird
ein strenges Gebot ertheilt, dass Niemand dem Kranken sich nahen darfc
Der Medicin-Mann bringt ihm selber die Nahrung, wobei er „mit kläg-
licher Anstrengung flüstert und über den Patienten Beschwörungsformeln
murmelt, um den bösen Geist zu vertreiben." Selbst auch nur in die Nähe
der Hütte darf weder eine Schwangere kommen, noch auch ein Mann, der
kürzlich erst einen Freund oder Verwandten begraben hat Auch muss
man es sorgfältig vermeiden, an der Windseite der Hütte vorüber zu gehen,
weil das dem Patienten den Athem benimmt. „Ein etwaiges Brechen
dieser Verbote lässt dem Medicin-Manne einen glücklichen Ausschlupf, ini
Falle seine Heilmittel keinen Erfolg gehabt haben."
Von den Winnebago-Indianern wird eine ähnliche Sitte berichtet.
Dieselben umstellen bisweilen das Krankenlager mit Stöcken, auf denen
Schildkröten, Schlangen, Kröten und Eidechsen aufgesteckt sind, um den
bösen Geist zu vertreiben.
Eine Absperrung der Patienten findet auch bei den Laoten Statt. Die-
selben sind dann kelam, d. h. „im Zustande der Zurückgezogenheit."
Das Haus wird dabei mit einem dreifachen Strick, der aus Gras geflochten
ist, umgeben. An jeder Ecke des Gebäudes wird ein Pfosten aufgestellt
mit einem scheibenähnlichen, runden Geflecht von Bambusspähnen. Fremden
ist es streng verboten, in diese Umzäunung einzutreten. Sollten sie sich
an dieses Verbot nicht kehren, so müssen sie eine Strafe bezahlen, weil
sonst der Tod des Patienten in Folge der Störung seiner Zurückgezogenheit
unvermeidlich sein würde.
Hieran erinnert das Umstellen mit Netzen des Bettes von den pocken-
kranken Kindern, wie wir es bei den Annamiten kennen gelernt haben.
Auch von Nias wird berichtet, dass ein Kj-anker, dessen Zahnschmerz den
Bananen-Umschlägen nicht weichen will, einem bestimmten Geiste opfern
rauss. Dabei lässt man ihn mehrere Tage eingeschlossen in seiner Hütte,
ohne dass es ihm gestattet ist, einen Besuch zu empfangen.
Bei den Laoten fanden wir in Suren den Gebrauch, die Besessenen
auf einem Kreuzwege auszuräuchern, nachdem man einen Bambuskäfig um
sie gebaut hat. Auch die Annamiten schliessen den Kranken bisweilen
in solchem Käfig ein, wenn der böse Geist sich geäussert hat, welches Opfer
er verlangt. Innerhalb dieses Käfigs wird darauf ein kleiner Altar errichtet,
der zur Darbringung des geforderten Opfers benutzt wird.
Eine merkwürdige Art, den Patienten unterzubringen, hat Ehrenreich
bei den Yamamadi-Indianern in Brasilien beobachtet. Es handelte
sich nicht um eine ansteckende Krankheit, sondern der betreffende Manu
101. Die Unterbringung der nicht ansteckenden Kranken.
245
war vier Tage zuvor von einer giftigen Schlange gebissen worden und be-
fand sich schon auf dem Wege der Besserung. Von seiner Hütte hatte
man einen langen Zaun aus horizontalen Stangen weit in den Wald hin-
aiisgebaut. „Nach Angabe des uns begleitenden Ipurins sollte diese
Einrichtung dem Kranken ermöglichen, behufs Defäcation vor das Dorf zu
jrelangen. Ob diese Erklärung richtig ist, steht dahin. Jedenfalls liegt eine
abergläubische Vorstellung vor. Entweder darf ein derartiger Kranker von
Niemand zur Hülfeleistung berührt werden, oder wir haben einen analogen
Gebrauch wie bei gewissen Stämmen am Orinoco, die nach alten Berichten
vom Hause eines Schwerkranken oder Moribunden aus eine Schnur in den
Wald hinausziehen, um der Seele den Weg
zu weisen."
Bei den Siamesen herrscht der Glaube,
(lass die verschiedenen Constellationen auf das
Wohl und Wehe des Patienten einen wesent-
lichen Einfluss ausüben. Darum muss an kri-
tischen Tagen der Krankheit das Bett des
Patienten von einem Striche des Compass zu
einem anderen umgestellt werden, je nach dem
Thiere der Constellation (Katze, Wiesel, Maus,
Elefant, Löwe u. s. w.), welches über den be-
treffenden Tag die Herrschaft besitzt.
Auf vielen Inselgruppen des malayi^chen
Archipels begegnen wir einer merkwürdigen
Sitte. Wenn hier eine Krankheit sich lange
hinschleppt oder einen bedrohlichen Charakter
annimmt, so muss der Patient seine Wohnung
verlassen und in das Haus anderer Leute
ziehen. Bisweilen thut er das aus eigenem
Antrieb oder von seinen Verwandten veran-
lasst; an anderen Orten aber wird dieser Um-
zug vom Medicin- Manne angeordnet. Die
Leute sind fest davon überzeugt, dass diese
Maassregel die bisher vergeblich angestrebte
Heilung herbeizuführen vermöge. Als der Be-
weggrund ftir dieses Verhalten wird nicht immer
das Gleiche angegeben. Auf den Inseln Leti,
Moa und Lakor geschieht es, weil bei der
Erbauung desjenigen Hauses, in welchem der
Kranke bisher seine AVohnung hatte, die durch den Ritus vorgeschriebenen
Vorsichtsmaassregeln nicht genommen worden sind. Auf den AVatubela-
Inseln wird das Haus des Kranken als „zu warm" erklärt und er muss
es deshalb verlassen. Wir begegnen dieser Bezeichnung später noch wieder.
Die Annamiten bringen die sterbenden Pockenkranken, deren Bruder
gleichzeitig an der Krankheit damiederliegt, heimlich in eine andere Be-
hausung, damit, wenn bei Ersterem das Ende eintritt, er nicht seinen
Bruder mit sich nehme.
Der gewöhnlichste Grund dieses Wohnungswechsels und, wie mir scheinen
will, der ursprüngliche, liegt aber in einem anderen Gedanken. Der Kranke
Fig. 135. Korb mit daranhäagen-
den Bambascjlindem, zum Speise-
und Trankopfer für den Sjrank-
heits-D&mon. Bonerate
Mos. f. Völkerkunde, BerÜD.
Nach Photographie.
246 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
ist in der Dämonen Gewalt und danim kann er nicht wieder genesen. Ge-
lingt es nun, ihn den Dämonen zu stehlen, ihn heimlich aus ihrem Bereich
zu entfuhren und ihn vor ihnen verborgen zu halten, so muss der Schadeu.
den sie ihm brachten, nicht ferner mehr auf ihn einwirken können. So
muss dann die Krankheit von ihm weichen und die Gesundheit kehrt ihm
zurück.
Die weite Verbreitung dieser Auffassung in den genannten Insel-
gebieten spricht allein wohl schon dafiir, dass wir hier den ursprünglichen
Gedanken vor uns haben. Denn die Eingeborenen von Buru, von Seran?^
und von Seranglao, von den Kei- und den Luang- und Sermata-
Inseln, von Eetar, von den Babar- und Aaru-Inseln und theilweise
auch von den AVatubela-Inseln geben als Grund fiir diese Maassregel
übereinstimmend an, dass sie die bösen Geister irrefiihren wollen. Auf den
Aaru-Inseln wird der Kranke dann auf Schleichwegen in die neue AVoh-
nung gebracht und auf den Babar- In sein nimmt man diesen Umzug erst
vor, nachdem man zuvor gewisse Zauberceremonien ausgeführt hat.
Bei den Mincopies auf den Andamanen und bei den Samoanern
suchen die Freunde und Verwandten den armen Kranken möglichst ihr**
Leiden erträghcher zu machen. „Jegliche Berücksichtigung wird den Be-
dürfiiissen und Wünschen des Kranken zu Theil und die Freunde thuu
alles, um die Heilung herbeizufuhren," berichtet Man von den Mincopies.
und IWwer schreibt von den Samoanern: „Die Behandlung des Kranken
war unwandelbar menschlich. Es fehlte ihm an keiner Nahrung, die er zu
haben wünschte, bei Tage oder bei Nacht, wenn es nur in der Macht seiner
Freunde stand, sie zu besorgen. Nahm die Ea-ankheit eine gefährliche
Wendung, so wurden Boten zu den entfernten Freunden geschickt, dass
sie kommen möchten, um ihrem scheidenden Verwandten Lebewohl zu sagen.
(Je vornehmer, lun so mehr Freunde.) Jeder brachte eine feine Matte oder
sonst ein werthvoUes Geschenk als Abschiedsgabe für den Freund mit, als
Beisteuer für die Bezahlung der einheimischen Aerzte und Beschwörer und
zum Unterhalt für die versammelten Freunde."
103. Das Schicksal der Schiverkrankcii, Siechen und Krflppel.
In diesem Verlegen der Patienten, sowie in ihrer Lagerung am Feuer-
platz u. s. w% haben wir schon eine ganz unzweifelhafte Fürsorge für die
Kranken zu erkennen, und wiederholentlich wird uns auch bestätigt, dass
die Patienten von Seiten ihrer Angehörigen die nöthige Versorgung und
Verpflegung erhalten. Das berichtet Veih und van Hasselt von Mittel-
Sumatra, Riedel von den Watubela-, den Kei- und den Babar-Insehi,
sowie von Eetar und Selebes. Auch die Dacota-Indianer verpflegen ihre
Schwerkranken gut, besonders allerdings die Männer und die Knaben. Auf
den Aaru-Inseln überwachen die Frauen den Kranken im Hause, während
die Männer draussen verweilen und durch Schüsse den bösen Geist, der
die Krankheit bedingt, zu vertreiben suchen. Die Australneger vom Port
Lincoln bezeigen ein grosses Mitleid mit kranken Personen, namentlich
die Frauen, welche ihr Mitgefiihl durch reichliche Thränen zu erl^ennen
geben. Auch bei den Loango-Negern gehört es zum guten Tone, dass
102. Das Schicksal der Schwerkranken, Siechen und Exitppel. 247
eine grosse Zahl befi-eundeter "Weiber den Patienten umlagert und ein
lautes Klagegeheul erschallen lässt.
Wir müssen uns aber die Frage vorlegen, ob wir denn nun bei allen
NatuTTÖlkem diese aufmerksame Fürsorge für die Kranken antreffen. Leider
können wir es ja nicht leugnen, dass auch bei den civilisirten Nationen ein
schwer Erkrankter, dessen Leiden sich lange hinziehen, vielfach als eine
recht beschwerliche Last empfunden wird. Wenn das nun schon bei den
Trägem der Civilisation vorkommt, was soll man dann von den niederen
Volksstänimen erwarten, zumal wenn sie nicht feste Wohnplätze besitzen,
sondern wenn sie als Nomaden- oder Jägervolk mit kurzen Unterbrechungen,
ja selbst von Tag zu Tage, neue Lagerplätze aufzusuchen gezwungen sind.
Man muss es sich nur vorstellen, wie ein solcher Auszug des ganzen
Stammes mit nicht unerheblichen Mühseligkeiten und häufig auch mit
grossen Entbehrungen und
Gefahren verbunden ist. Man
male es sich ans, was es
heisst, unter solchen Ver-
hältnissen einen Schwer-
kranken, einen Siechen oder
einen unbehülflichen Krüp-
pel mit sich fiihren zu
müssen, und es wird dann
manche barbarische Maass-
regel der Naturvölker, wenn
auch vom Standpunkte der
Menschlichkeit aus nicht
natürlich und entschuldbar,
so doch wenigstens begreif-
lich erscheinen.
So heisst es von den
Eingeborenen Süd-Austra-
liens: „Wenn irgend Je-
mand seinem Stamm zur ^_ ^^ Häuschm mit Opfargaben gefüllt, .nr B^
Last fallt durch Krank- sanftigung der Krank beits-DKmonen. Süla B^si.
heit oder chronisches Siech- Mm. f. VOIkerknude, Berlin. — Hub Photographi«.
thum, so wird er von sei-
nen Genossen verlassen und dem Tode preisgegeben." Auch von den
Queniult-Indianern in Nordwest-Amerika heisst es, dass sie die Alten,
die Kranken und die Krüppel im Stiche lassen, damit sie den Tod finden.
Noch grausamer gehen die Nieder-Californier Tor: Sie vernachlässigen
ihre alten Invaliden und verweigern ihnen die Abwartung, wenn ihre letzte
Krankheit lange dauert und die Heilung unwahi'scheinlich erscheint In
manchen Fällen wird aber auch der Patient durch Ersticken aus dem Leben
befördert
Ehrenreidi erzählt von den Ipurina-Indianeru:
„Die hei Naturvölkern vielfach geübte Tödtung hoffnungsloser Kranker,
bei denen sich alle Künste der Zauberer unwirksam erweisen, scheint auch
bei den Ipurina im Schwange zu sein. Es sprechen hierfür folgende Er-
mittelungen, in denen der Einfluss der Suggestion seitens verschmitzter
248 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
Schamanen auf das Gemüth des Naturmenschen sich in besonders charakteri-
stischer Weise bekundet Man vertraut solche Patienten der Obhut der
Inhisiy „der grossen Wasserschlange" an, die in der Ipurina-Mythologie
überhaupt eine wichtige Rolle spielt Ihr Lieblingsaufenthalt soll bei den
grossen Steinmassen im Flusse unterhalb Hyutanaham sein, wo sie ge-
legentlich Kanus in den Grund zieht"
„Sind Kranke da, die in ihrem verzweifelten Zustande nur noch von
der Schlange Hülfe erwarten, so geht einer der Schamanen an den Fluss,
um den „Wassergeist" zu rufen. Nachdem sich alle Begleiter entfernt,
erscheint derselbe und fragt zunächst nach den mitgebrachten Geschenken.
Ist er damit zufrieden, so erklärt er sich zur Aufriahme des ICranken bereit.
Dieser wird nun mit Tabak betäubt und in den Fluss geworfen, auf dessen
Grund er „mit dumpfem Knall" niederfällt und erwacht Der Wassergeist
nimmt ihn in sein Haus auf und stellt ihn wieder her. Die Art der Cur
wurde leider so unklar geschildert, dass sich die Erzählung nicht wieder-
geben lässt, die Genesenen bleiben dann für immer im Keiche der Wasser-
schlange und leben dort herrlich und in Freuden, ohne das Verlangen^
wieder an die Oberwelt zu kommen. Auch die zufällig Ertrunkenen finden
daselbst Aufriahme, wogegen bereits auf der Erde Gestorbene zurückgewiesen
werden. Moribunde Leute sollen nicht selten von den Zauberern durch
Keulenschläge ins Jenseits befördert werden."
103. Die Flacht Tor der Senche.
Wenn die Naturvölker in der vorher geschilderten Weise mit ihren
Patienten verfahren nui* aus dem Grunde, weil sie ihnen hinderlich und
lästig sind, so kann es kaum verwunderlich erscheinen, dass sie sich nicht
besonders theilnehmend um die Patienten kümmern, wenn zu dieser Un-
bequemlichkeit sich auch noch für ihr eigenes Leben die directe Gefahr
hinzugesellt, oder mit anderen Worten, wenn der Kranke von einer an-
steckenden Krankheit befallen wurde. Wenn sie es sehen, wie die Krank-
heit, oder ihren Anschauungen entsprechend, der Ejrankheitsdämon rasch
hinter einander gleich eine grössere Zahl ihrer Stammesgenossen damieder-
wirft und dahinrafft, so leben sie in der gerechten Furcht, dass er es auch
auf ihr Leben abgesehen hat und dass er nur einen günstigen Augenblick
abwartet, um sie selber auch in seine Gewalt zu bekommen. Nur in einer
schleunigen Flucht erblicken sie dann die wirksame Hülfe. Denn wenn es
ihnen glücklich gelingt, aus dem Machtbereiche des bösen Geistes zu ent-
rinnen, dann glauben sie natürlich fest, dass nun ihr Leben gerettet sei.
Dass in einer grossen Reihe von Fällen sie den Krankheitskeim bereits
mit sich nehmen, davon haben sie ebenso wenig einen Begriff, wie die un-
glücklichen Choleraflüchtlinge civilisirter Staaten, von denen wir erst in
allerjüngster Zeit so viele traurige Beispiele zu sehen vermochten.
Die Flucht der Buräten und Tungusen vor den Pockenkranken haben
wir oben bereits erwähnt, und ebenso auch diejenige der Kirgisen, sowie
die der Traos in Cochinchina. Hier flieht die gesammte Einwohner-
schaft; „eine Mutter lässt ihr Kind im Stich, eine Frau ihren Gatten; die
Furcht entschuldigt Alles."
103. Die Flucht vor der Seuche. 249
Aehulich klingt van Hasselt's Sericht aus Mittel-Sumatra, an den
Grenzen des holländischen Gebietes. ,^eder flüchtet, um sein eigenes
Leben zu retten; Kinder lassen ihre Eltern, Eltern ihre Kinder der Seuche
zur Beute. Die Dörfer sind allein von den Kranken bewohnt; Jeder der
noch zu gehen vermag, sucht ein Versteck in der Wildniss. Aber auch
dort findet ihn der unerbittliche Ninieq."
Auch auf Ämbon, den Uliase- und Watnbela-Inseln, sowie auf
SeraQg und Selebes ist bei dem Ausbruch einer Pockenepidemie diese
Flucht in die Wälder gebräuchlich. Die Eingeborenen von Serang
schwärmen dann Monate lang in den unzugänglichsten Walddistricten um-
her, um nicht mit dem Pockengeiste in Berähning zu kommen. Wenn die
Fig. 137. Idol, dM die Pocken vom Fig. 138, Hülteme HeDMhenkßpfei lar Abwehr *ot)
Dorfe abbUt Nifts. Epidemien dienend. 8üla-6&si.
Kuh Modigliani. Uns. f, VitlkukoDde, Berlin. — Nkch Pbatap>plile.
Watubela-Insulaner auf diese Weise in die Wälder geflohen sind, so wird
die grösstmögliche Stille beobachtet, um den „Herrn Seuche" in den
Glauben zu bringen, dass alle Menschen gestorben sind.
In der Gegend von Atopeu am Me-khong in Hinterindien hat
Harmand wiederholentlich solche verlassene Dörfer angetrofien. In einem
derselben fand er zwei Greise, eine elende Frau und einen armen Blinden,
welche, von ihren nächsten Angehörigen verlassen und umringt von Cholera-
leichen, dem sicheren Hungertode preisgegeben waren. „Nichts vermag eine
Vorstellung zu geben von der Ergebenheit dieser Unglücklichen, welche das
Ende ihrer Leiden erwarteten und welche ihr Schicksal hinnahmen als eine
Sache, die sich von selbst versteht"
250 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
104. Die Grenzsperre für die Senche.
Unter den wilden Stämmen am Me-khong haben wir bereits eine
Maassregel kennen gelernt, um zu der Zeit epidemischer Krankheit Premden
den Zutritt zu der Ortschaft streng zu verwehren. Wenn es nun aucli den
Anschein hat, als wenn es hier, analog wie bei uns, der Mensch wäre, den
man als vielleicht schon Inficirten furchtet, so ist, wie ich wohl glauben
möchte, die Auffassung dieser Naturvölker wahrscheinlich doch eine andere.
Der herannahende Fremdling bringt ihnen Gefahr, weil er den Krankheits-
Dämon mitbringen könnte. Derselbe kann ja bereits in den Wanderer
hineingefahren sein, oder, auf ihm hockend, von ihm mitgebracht werden.
Er könnte auf der Jagd nach dem Fremden, diesem unmittelbar auf dem
Fusse folgend, gemeinsam mit ihm die Umzäunung des Dorfes passiren.
So fassen die Süd-Slaven die Seuche auf. Es sind die Pestfrauen,
welche heranziehen, Dämonenweiber, die aber nicht zu Fuss die auserwählte
Oitschaft zu betreten pflegen. Sie lassen sich von einem Einwohner tragen,
um vor den Hunden sicher zu sein, oder sie steigen auf seinen Wagen.
Vor sein Haus geht es dann zuerst, damit sie dasselbe kennen lernen, und
dieses verschonen sie aus Dankbarkeit für den geleisteten Liebesdienst.
Dass der hereindringende Dämon es ist, den man furchtet, das zeigte
schon das eben besprochene Fliehen zum Walde. Aber auch andere Maass-
nahmen noch liefern uns für diese Anschauung den Beweis. Auf Nias
werden vorsorglich die Fusswege schlecht gemacht und Gräben im Dorfe
aufgeworfen. Auf den Aaru-Inseln gräbt man Zaubermittel in die Erde
und bringt den Schutzgeistern Opfer dar. Das ist die Aufgabe der Dorf-
ältesten. Sühnopfer für begangenes Unrecht sind auch auf Nias, auf
Eetar und den AVatubela-Inseln gebräuchlich; es betheiligt sich bei
denselben die gesammte Einwohnerschaft.
Auf den Luang- und Sermata-Inseln bringt man den Geistern
Opfer dar, um sie zur Hülfeleistung zu zwingen. Bei den Topantunuasu
auf Sei ehe s schlachtet man in Epidemien einen weissen Büffel, dessen
Kopf zuerst als Opfer für die Gottheit in den benachbarten Bach geworfen
wird. Darauf wird das Thier geviertheilt und jeder Theil wird an einer
Stange, entsprechend den vier Himmelsrichtungen, aufgehängt
Aber man sucht sich auch wohl mit dem Opfer an die Krankheits-
dämonen selber zu wenden. Die Lamponger in Kroe auf Sumatra be-
zeigen dem bösen Geiste Boeban, dem Bringer der Epidemien besondere
Ehrfurcht Auf Bonerate versorgen sie ihn mit Speise und Trank. Sie
hängen dazu einen Korb (Fig, 135) vor dem Hause auf imd legen in diesen
die Opfer hinein. An demselben hängen mehrere Cylinder von Bambus,
welche mit Wasser angefüllt werden. Dieses trinkt der Dämon dann aus.
Die Tungusen und die Buräten setzen beim Ausbruch von Pocken-
epidemien Milch und Thee und auch Fleischspeisen vor ihre Jurten und
bitten die Krankheit flehentlich und mit andächtigen Verbeugungen, an ihrer
Wohnung vorüber zu gehen. Die Winnebago-Indianer hängen für die
Krankheitsdämonen eine Menge werthvoUer Opfergaben an Bäumen und
Stangen in der Kähe ihrer Dörfer auf. Hier sind Hunde ein bevorzugtes
Opferthier. Auf Süla-Besi stellt man ein Häuschen (Fig. 136), das man
Ui4. Die Grenzsperre für die Seuche. '2'tl
mit Opfergaben fiillt, vor das Dorf, um die Krankheits-Däinonen zu be-
sänftigen.
TTm gewaltsam den Dorfeingang zu sperren, stellen die Niasser an
demselben ein Standbild des Adii Fangüru auf (Fig. 137). Dieses Idol, das
Modigliani noch an eineiii Dorfeingang stehen sah, war roh aus einem
Cocosstamm geschnitten, es zeigte schlecht ausgeführte menschliche Formen,
und in die Augenhöhlen waren, um es monströser erscheinen zu lassen oder
vielleicht, um das Weisse im Auge bei einem, der in krampfhaften Zu-
dk
Fig. 1S9. Menachenfigürchen aas Palmblättern. an
«Dem Bince Hcbwebend, znm Schutze gegen £pi- Fig. 140. „TnlismsD" zur Abwehr von
demieQ gebraucht. Saleijer. Epidemien. Tschittagong.
Hu. t. VOlkerbimde, Berlin. - Nach Photographie. Hau. r.Tfilkerk., Berlin. Nach Fbotoctaphie.
sammenziehungen stirbt, darzustellen, zwei sehr weisse Steinchen eingesetzt.
Zum Schutz vor Krankheiten stellen, wie Herold in der Berliner Gesell-
schaft für Erdkunde berichtete, die dem Ewe-Stamme angehörenden
Buschneger im Togo-Lande kleine rohe Thonfiguren vor ihren Dörfern
auf, welchen sie als WaSe gegen die Dämonen Stöcke in die Hände geben.
Wahrscheinlich haben auf Süla-Besi in Niederländisch Indien die
Fa-nap genannten hölzernen Menschenköpfe (Fig. 138) eine ganz ähnUche
Bedeutung. Sie werden bei grassirenden Krankheiten von der gesammten
252 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
Einwohnerschaft in ein kleines Häuschen ausserhalb des Dorfes gebracht,
um die Seuche abzuwehren.
Wenn auf den Andamanen eine Epidemie ausbricht, so schwingt der
Medicin-Mann der Mincopies „ein brennendes Holzscheit und bittet den
bösen Geist, dass er sich in der Entfernung halte; bisweilen pflanzt er als
eine fernere Vorsieh tsmaassregel wenige Fuss hohe Pfähle vor jeder Hütte
auf, welche in Streifen mit schwarzem Bienenwachs (tö.bul-pid) bemalt
sind. Der Geruch des Letzteren ist dem Dämon (Namens E'rem-chau.
gala) besonders unangenehm und veranlasst schleunigst seine Entfernung
aus ihrer Mitte.
Auf der Insel Klein Kei fand Jacobsen als Schutz gegen epidemische
Krankheiten einen eigenthümlich geschnitzten Pfahl mit angesetzten Seiten-
sparren, an denen eine reichliche Anzahl grösserer Schneckenhäuser an-
gebracht war. Eine kleine holzgeschnitzte Ahnenfigur, der Schutzgeist des
Dorfes, ist ebenfalls sitzend daran angebracht Diese Pfosten werden auf
der das Dorf umschliessenden Steinmauer, und zwar beim Eingangsthore,
aufgestellt, und bei dem Ausbruch von Epidemien werden dem Schutzgeiste
hier Opfer dargebracht
Ebenfalls zur Abwehr von Epidemien dienen die Tau-Tau-likoballa
auf der Insel Saleijer, die „tanzenden Puppen" (Fig. 139). Es sind das
fiinf kleine Menschenfigürchen aus Palmblättem, welche an einem horizon-
talen Bambusringe an feinen Fäden aufgehängt sind und schon bei dem
allerleisesten Luftzuge sich tanzend bewegen. Ob sie nach Art der Vogel-
scheuchen wirken sollen, oder ob sie mit übernatürlicher, abwehrender Macht
begabt sind, oder ob sie den dummen Teufeln als Ersatzmänner unter-
geschoben werden, das ist zur Zeit noch nicht zu entscheiden.
Es möge hier ein allerdings etwas verstümmelter Zauberspruch der
Akkader seine Stelle finden, welcher uns die Bestätigung liefert, dass
schon in uralter Zeit ganz analoge Anschauungen gangbar waren:
„Zur Erhebung Euerer Hände habe ich mich in einen dunkelblauen Schleier
gehüllt;
Ich habe ein vielfarbiges Kleid angelegt;
Ich habe die Zauberbinde vervollkommnet, ich habe sie gereinigt, ich habe
mich mit Glanz umhüllt!
Stelle zwei an einander gebundene Bilder, untadelhafte Bilder, welche die
bösen Dämonen verjagen,
Neben den Kopf des Kranken, zur Hechten und Linken.
Stelle das Bild des Gottes Ungal-nirra (Nergal), der nicht seines Gleichen
hat, an die Umzäunung des Hauses.
Stelle das Bild des Gottes, der im Glänze der Tapferkeit strahlt, der nicht
seines Gleichen hat. —
Und das Bild des Gottes Narudi des Gebieters der mächtigen Götter,
Auf den Boden unter das Bett.
Zur Abhaltung alles nahenden Ungemachs stelle den Gott und
den Gott Latarak an die Thür.
Zur Abweisung alles Uebels stelle als Scheuche an die Thür —
Unter den Thorweg stelle den streitbaren Helden, der von Kriegsruhm strahlt.
Auf die Schwelle der Thür stelle den streitbaren Helden, der seine Hand
dem Feinde entgegenstreckt.
104. Die Grenzsperre för die Seuche. 253
Stelle ihn zur Rechten und Linken.
Stelle die wachsamen Bilder des Ea und SUik-mula-khts unter den Thorweg;
Stelle sie zur Kecbt«n und Linken!
— — — Die Zauberkraft Silih-mulu-khi's, die dem Bilde innewohnt.
0, die Ihr dem Ocean entsprossen, ihr Glänzenden, Kinder des A'o,
Esset, was mundet, trinket, was bühs schmeckt.
Dank Euerem Schutz, kein Ungemach eindringe!"
Bei den Hügelstämmen von Tschittagong hat Riebeck Folgendes
gefunden. Sie stellen, um sich vor Krankheiten zu schützen, eigenthiimliche
Gegenstände in ihrem Dorfs auf. Das Eine (Fig. 140) ist ein schräg auf-
gestellter Stab, an welchem, in besonderer Weise aufgehängt, fünf diitenartig
zusammengerollte Blätter bangen,
aus denen je ein Bausch von roher
Baumwolle heraussieht. Der andere
Gegenstand (Fig. 141) ist scheinbar
eine nach unten zugespitzte Palmen-
blattrippe, an der man noch die
Spuren von den Ansätzen der Seiten-
blätter bemerkt. Ein peitschenartig '
auslaufender Stab kreuzt diesen in
schräger Richtung, und an dem
Ende der Peitschenschnur hängt
ein aus weissen und rothen Baum-
wollenläden über zwei sich kreu-
zende Stäbe geflochtenes Quadrat,
Was haben wir uns unter die-
sen Dingen vorzustellen? Ist das
eiue Art von Talisman? Ich glaube
nicht, dass man es so deuten darf.
Mir will es scheinen, als hätten
wir an eine andere Erklärung zu Fig. 141. „Taliaman" ,t,r Abwehr von EpidemieD.
denken, fcs schweben mu- dabei TschittagODg.
die Verbotszeichen vor, mit denen Mm./. Vi)ik«knnde, Berlin. - Kioh Photogmphie.
die Insulaner des malayi scheu
Archijiels ihre Anpflanzungen zu schützen pflegen. Sollten diese zur Zeit
einer Seuche errichteten Apparate nicht vielleicht auch derartige Verbots-
zeichen sein? Das Verbot gilt natürlich den Krankheits-Dämonen, und
durch die krilftigeu Beschwörungsformeln ist, wie die Eingeborenen wahr-
scheinlich glauben, dert ungehorsamen Uebertretem des Verbots, auch
wenn sie Geister sind, die dem Verbotszeichen anhaftende Schädigung un-
ausbleiblich.
Einen ganz ähnlichen Sinn haben wahrscheinlich auch die kleinen
weissen Flaggen, welche Jacobs auf Bali an Bambusstangen befestigt, an
dem Eingänge von fast allen Grundstücken sah, wenn Epidemien herrschen.
Angeblich sollen sie ein Zeichen fiir den Vorübergehenden sein, dass hier eine
böse Krankheit heiTscht Aber unsere obige Erklärung halte ich für viel
wahrscheinlicher.
XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidei
105. Bas Vertreiben der Epidemien.
Ist es den Krankheitsdämonen nun dennoch gelungen, in eine Ort-
schaft den Eintritt ,za erzwingen, so eDtspricht es vollkommen den herr-
schenden Anschauungen, dass man sie wieder vertreiben muss. Dieses ge-
schieht zum Thcil mit Gewalt, theils aber auch durch freundliche TJeber-
redung und durch das Darbieten einer Entschädigung. Niemals ist das
ein privates Unternehmen, sondern es wird in allen Fällen als eine An-
gelegenheit der ganzen Gemeinde betrachtet. Bevor man zu diesen Maass-
nahmen schreitet, wird von den Aeltesten Rath gehalten. Auf Baru ver-
fertigt man dann ein Boot, eine sogenannte Prauw, sechs Meter lang und
einen halben Meter breit, und rüstet sie mit den nöthigen Rudern, mit
Segeln und Ankern u. s. w. aus. Am Vorder- und am Hintersteven wird
eine Flagge anfgehisst Das ist gewöhnlich die holländische, und hieiin
liegt eine Anspielung, dass die Dämonen der Epidemie als von den Hol-
ländern ausgeschickt betrachtet werden. Der Bord der Prauw wird mit
um YertreibeD von Epidemien.
- tiacb FboLographle.
jungen Kalapablättem verziert und eine Matte und ein Stück weisser Kattun
wird auf ihrem Boden ausgebreitet. Nun kommen allerlei Lebensmittel
hinein, von bestimmter Art und in grosser Menge. „Wenn dieses alles am
Strande bereit ist, so wird eine Nacht und einen Tag auf entsetzliche Weise
auf der Tuba, Trommel, Gong und Buku musicirt, während die Bewohner
der befallenen Dorfschaft allerlei Sprünge machen, welche unter den Namen
Epkiki und Tjeval bekannt sind, um dem bösen Geiste Furcht einzujagen
und ihn in das Boot zu treiben. Am folgenden Morgen werden zehn
kräftige junge Männer ausgesucht, welche mit Eotan-, Kaiapa- und Areng-
Zweigen, die in ein irdenes Gefäss voll Wasser getaucht werden, auf die
Anwesenden schlagen. Darauf begeben sie sich springend an den Strand
und legen die Zweige mit in die am vorigen Tage bereitgestellte Prauw."
Sie haben nun also die Krankheits-Dämonen glücklich in den Zweigen ge-
fangen. Jetzt binden sie noch einen lebendigen Hahn in dem Schiffe fest
und sie bringen dann in aller Eile eine andere Prauw in das Wasser und
bugsiren die mit Lebensmitteln beladeue Prauw in das Meer hinaus. Wenn
sie auf das Meer gekommen sind, so wird das Fahrzeug losgelassen. Einer
105. Das Vertreiben der EpidemieD. 255
der zehn Ruderer spricht dabei ein lautes Gebet Der lebende Hahn niuss
Sorge tragen, das3 die nun im Boote sitzenden Dämonen den Ruderern
keinen Schaden zufügen. Sind sie zum Strande zurückgekehrt, so nehmen
sie Alle, und mit ihnen auch die gesammte Bevölkerung, Männer, Frauen
und Kinder gemeinsam, ein Bad in der See, damit sie die Krankheit nicht
wieder befalle.
Die ausführliche Schilderung dieses einen Beispiels genügt im All-
gemeinen auch für die Uebrigen. lu- der Auswahl der Opfergaben kommen
allerlei Verschiedenheiten vor; auch in den Grössenverhältnissen der Prauw
finden sich mancherlei Unterschiede. Es sind dieselben aber doch fiir uns
von untergeordneter Bedeutung. Wechselnd ist auch die Form des Schiffs-
modells, das der See tiberantwortet wird. Unsere J^guren 142 und .143
zeigen sie von Süla-Besi und Timoriao.
Auf den Luang- und Sermata-Inseln wird das Boot mit zwanzig
bis dreissig in Holz geschnitzten menschlichen Figuren b^annt, „welche
die Kranken darstellen sollen". Auch auf den Tanembar- und Timor-
lao-lnseln kommen dergleichen hölzerne Menschen in die Prauw, welche
von denjenigen Familienhäuptem geschnitzt werden müssen, deren An-
gehörige erkrankt sind. Das sind natürlicher Weise Ersatzmänner, welche
die Dämonen in ihrer Dummheit t^r wirkliche Menschen ansehen sollen.
Die den Figuren umgehängten Körbchen dienen dazu, die Opfer auf-
zunehmen.
Solche Schiffchen werden auch in Sumatra und in Siam den Flüssen
übergeben. Von den Siamesen wird dann ebenfalls eine Menscbenfigur
in das Schiffchen gesetzt van Hasselt schreibt von Mittel-Sumatra:
„Auf den Nebenöüssen sieht man des Abends häufig kleine aus einem Blatt
gemachte Prauwen (Boote), oder auch Häuschen, worin ein Licht brennt,
auf einem Floss treiben. Auch das ist eins der vielen bei Krankheiten
angewendeten Mittel, um die bösen Geister zu verjagen.-' Diese Dinge
256 XIII. Die Gresundheitspflege und die Epidemien.
bleiben einen Tag und eine Nacht in der Wohnung des Erkrankten stehen
und sind in dieser Zeit mit Heihnittehi gefüllt, die vor der Aussetzung
herausgenommen und von dem Kranken dann nach Vorschrift angewendet
werden. Dieses Stehen im Hause des Kranken hat, wie ich mir denke,
den tieferen Sinn, dass die Kxankheitsdämonen von ihm weichen und in
die Häuschen oder die Schiflfchen übersiedeln. Vielleicht hat es einen ähn-
lichen Zweck, wenn auf Eetar in das Boot ein Kaiapatopf gesetzt wird,
in welchen alle Erkrankten im Dorf hineingespieen haben müssen.
Die Gebete, welche der Dorfälteste spricht, oder der Priester oder einer
der Ruderer, wenn das Zauberfahrzeug in die See bugsirt wird, haben im
Prinzipe viel Aehnlichkeit unter einander. Man geht mit der Krankheit
im. Ganzen sehr höflich um; „Herr Seuche", sagt man auf den "Watu-
bela-Inseln, „Herr Grossvater Krankheit" auf der Insel Buru u. s. w.
Man macht ihr auf Tanembar- und den Timorlao-Inseln freundliche
Vorstellungen:
„Oh (Krankheit)! ziehe von hier fort! kehre zurück! Was thust Du
hier in diesem armen Lande!"
Man redet ihr auf den Watubela-Inseln zu, sich bessere Weide-
plätze zu suchen:
„Herr Seuche! am Strande habt Ihr jetzt keine Wohnung mehr! Die
Wohnung ist in Staub zerfallen! Zieht fort von hier nach einem günstigeren
und besseren Orte!"
Auf der Insel Buru giebt man der Krankheit zu verstehen, dass die
Mittel der Bevölkerung erschöpft sind:
„Herr Grossvater Pocken! Geht weg! geht gutwillig weg! geht und
besucht ein anderes Land! Wir haben Euch Speisen für die Reise zurecht
gelegt! Wir haben jetzt nichts mehr zu geben!"
Aber man kann hier auch recht deutlich sehen, wie eine künstlich auf-
gepfropfte Cultur althergebrachte Gebräuche zwar nicht ohne Weiteres
vernichten, aber wohl das Verständniss für die betreflfende Maassnahnie
auszulöschen im Stande ist Das Gerippe bleibt, doch der Geist geht ver-
loren. Die zuiÄ Islam bekehrte Bevölkerung vom Seranglao- und Gorong-
Archipel aibt nach wie vor den alten Gebrauch bei dem Verjagen der
Epidemien aus. Das Schiffchen wird gefertigt, die Opfer werden dar-
gebracht und auch das Gebet muss gesprochen werden bei dem Ablassen
des kleinen Fahrzeuges in die See. Aber wie anders klingt dieses Gebet:
y^ Allah ist gross! Allah ist gross! Ich bezeuge, dass 'kein Gott ist, als
Allah! Ich bezeuge, dass Muhhamad der Gesandte Gottes ist! Kommt zu
dem Gebet! Kommt zu dem Heil! Allah ist gross! Allah ist gross! Es
giebt keinen Gott als Allah! ^
Wo ist nun da das Verständniss geblieben? Was hat Allah mit dem
Schiffchen zu thun, welchem die Seuche aufgepackt worden ist? Soll es
ein Opfer für ihn darstellen? Das wird man doch wohl nicht annehmen
wollen! Die ganze Sache ist eben Nichts, als ein Ueberlebsel aus heid-
nischer Zeit. Man erinnert sich noch sehr wohl des gesammten Rituale.
IOC. Die Todten. 257
und da ein Gebet noch dazu gehört, so kann es nur an Alla/i gerichtet
sein. Das ist Nichts, was uns verwandern dar£ Haben sich doch auch
mancherlei Feste der christlichen Kirche in einer ganz analogen Weise als
eigentlich ßir heidnische Qx>ttheiten bestimmt erkennen lassen.
Noch ein zweites üeberlebsel, das sich auf unseren Gegenstand bezieht, hat
Jaeobsen auf West-AUor gelimden (Fig. 144). Maa|i fertigt auch hier eine
kleine jPrauw und stattet sie mit hölzernen Menschen aus. Diese sind aber
nicht mehr die Ersatzmänner fiir die Krankheit, sondern sie sind mit Schild
und Schwert bewaffnet und dienen dazu, Krankheit und Unglück abzuwehren.
Das Boot wird auch nicht mehr ins Meer geschickt, sondern es hat im
Hause seinen Platz, Nur ein Schatten der ursprünglichen Idee tritt uns
also hier entgegen, und im Grunde genommen ist nichts mehr geblieben,
als die allgemeine äussere Form.
Hieran können wir nun noch anschliessen, wie man auf den Kei-
Inseln verfährt. Um eine Epidemie zu vertreibeu, begiebt sich die Be-
Fig. 144. Sehifbmodell zar Abwehr von Epidemien. West- Aller.
Hai, f. VOUsrkandc, BSTlin. — Nub Photognphie.
Tölkening an den Strand. Hier wird ein besonderes Gestell errichtet und
Speisen und Getränke darauf niedergelegt Dann spricht der Priester die
Beschwörung ans, und sofort flüchtet Alles dann im schnellen Lauf in das
Dorf und in die Wohnungen zurück.
Jagt man in Nias die Seuche aus dem Dorf, so bewachen die Krieger
ihre Häuser, damit die Dämonen nicht in diese hinein schlüpfen. Auch in
den benachbarten Ortschaften sind die Medicin-Männer dann an der Arbeit,
dass sie den flüchtenden Dämonen den Zugang zu ihren Dörfern sicher
versperren.
106. Die Todten.
Bei den vielfachen Vorsichtsmaassregeln dem lebenden Iniicirten gegen-
über muss es interessant erscheinen, zu sehen, wie man sich gegen die
Todten verhält. Ein Todter ist ein unheimlicher Kumpan und schon, wenn
er eines gewöhnlichen Todes stirbt, müssen allerlei Ceremonien beobachtet
Bartels. Uedicin der Natuträlker. 17
258 XIIL Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
werden, damit seine Seele kein Unheil anstiftet Um so vorsichtiger muss
man mit ihm verfahren, wenn er unter absonderlichen Verhältnissen stirbt
Die gewöhnliche Art der Beisetzung ist für ihn dann nicht angebracht
Allerlei wichtige Vorsichtsmaassregeln müssen sein Wiederkommen ver-
hindern. Sie alle hier näher aufzuführen, müssen wir uns jedoch versagen.
Aber von einigen Todten soll doch an dieser Stelle die Bede sein, nämlich
von solchen, welche das Opfer einer Epidemie geworden sind.
In Boeleleng und Djembrana auf Bali darf man die Leiche eines
an den Pocken Verstorbenen nicht verbrennen. Man legt sie in ein offenes
Grab und lässt sie in dieser Weise liegen. Es dürfen daselbst übrigens
auch am Aussatz Gestorbene nicht verbrannt werden, wenigstens nicht sofort
Man begräbt sie zuerst und nach einiger Zeit werden sie wieder ausgegraben
und dann verbrannt
Ua/rmand fand in den früher schon erwähnten Dörfern amMe-khong,
welche die Einwohner wegen einer Seuche verlassen hatten, die Todten noch
in ihren Häusern liegen. Die Thüren aber hatten die Leute vor ihrer Flucht
noch verbarrikadirt und die Mauern und die Dächer mit einer Unzahl von
Bambusspiessen besteckt, so dass sie an grosse Nadelkissen erinnerten. ^^Der
Zweck dieses Gebrauches, sagt Harmand, ist ohne Zweifel, die Leichen vor
den Angriffen der Baubthiere zu schützen.^' Wohl möglich ist es, dass er
hierin Recht hat; ich halte es aber nicht für wahrscheinlich. Die Absicht
ist, wie ich vermuthen möchte, eine vollkommen andere. Nicht der Ge-
storbene soll vor den Baubthieren geschützt werden, sondern die lebenden
Flüchtiinge vor den Todten. Den Seelen der Todten und den in ihren
Körpern noch sitzenden £[rankheitsdämonen soll die Verfolgung ihrer Dorf-
genossen unmöglich gemacht werden. Darum sind sie gefangen in ihrem
Hause, und darum verrammelt man Thüren und Fenster. Und sollte es
ihnen dennoch gelingen, die so ausgeföhrte Blockade zu brechen, so sollen
die Stacheln auf dem Dach und den Mauern das weitere Entkommen un-
möglich machen.
Einer höchst ekelhaften Sitte gedenkt Engehard von der Insel Saleijer.
Wenn hier Jemand an den Pocken gestorben ist, dann nehmen die Leute
unter dem Sterbehause ein Sturzbad mit dem Wasser, womit man die Leiche
gewaschen hat Das betrachten sie als ein untrügliches Mittel, um sich vor
der Krankheit zu sichern.
Es muss uns in hohem Grade überraschen, sogar die primitiven An-
fangsgründe einer pathologischen Anatomie zu entdecken. Turner be-
richtet von Samoa:
„Wenn eine Person an einem Leiden starb, das auf einige andere
Familienglieder überging, so öflfneten sie die Leiche, „um die Krankheit zu
suchen". Traf es sich, dass sie irgend eine entzündete Substanz fanden, so
nahmen sie sie heraus und verbrannten sie, in dem Glauben, dass dieses
dem Uebergreifen der Krankheit auf andere Familienglieder vorbeugen
vnirde. Dies geschah, wenn der Leichnam im Grabe lag."
107. Die Assanining der Wohnplätze. 259
107. Die Assauirung der Wohnplätze.
Es bleibt uns nun noch zu betrachten übrig, was für Anstalten die
Naturvölker treffen, wenn epidemische Erkrankungen in ihren Häusern ge-
wüthet haben. Das ist ihnen ja sehr wohl bekannt, dass in dem Hause
etwas stecken muss, was immer wieder die neuen Erkrankungen hervor-
gerufen hat. Dieses schadenbringende Agens muss man nun zu vernichten
suchen. Wir haben weiter oben schon erwähnt, dass dann auf den Watu-
bejia-lnseln das Haus als ein „warmes" bezeichnet wird. Diesen Be-
griff des „warmen", oder des „zu warmen Hauses" finden wir auch auf
mehreren anderen Inselgruppen des malayischen Archipels. Eigentlich
heisst das natürlich nichts Anderes, als dass in dem Gebäude irgend etwas
steckt, das den Einwohnern Krankheiten bringt Ist es in Annam ein
magischer Nagel, den böswillige Menschen in den Hauspfosten schlugen,
sind es auf Serang Zaubergeräthe, die der feindliche Nachbar unter
die Hausschwelle grub, so wird für gewöhnlich das Haus doch „warm"
sein, weil die Krankheitsdämonen Quartier darin nahmen. Und auch wenn
man uns berichtet, das Haus ist „warm", weil bei seiner Erbauung die
feststehenden Vorschriften vernachlässigt worden sind, so heisst das doch
eigentlich nichts Anderes, als dass eine Schutzmaassregel unterblieben ist,
welche, wenn man sie ausgeführt hätte, den bösen Geistern den Eintritt in
das Haus verwehrt haben würde.
Dass ein warmes Haus zum Bewohnen nicht mehr als geeignet er-
scheint, das hegt unter diesen Umständen natürlicher Weise auf der Hand.
Es muss von den Einwohnern verlassen werden und in ei'ster Linie von
den Patienten. Es war davon ja schon die Rede. Auf Ambon und den
Uliase-Inseln wird dann das Haus mit geweihtem Wasser besprengt;
auf der Insel Serang besprengt man in gleicher Weise innen das Haus;
aussen aber schlägt man die Wände mit Kalapablättem, um so die
Krankheitsdämonen zu fangen und sie aus dem Dorfe zu entfernen. Auf
den Kei-Inseln hält man es für ausreichend, vier verschiedene Wurzel-
arten, welche allein die Altbetagten kennen, an dem Mittelpfosten des
Hauses zu befestigen, und auf Keisar schlachtet der Priester, ohne dass
Jemand dabei sein darf, ein Schaf auf eine ganz besondere Weise. Das
muss hinter dem Hause geschehen und zwar an der West- und Südseite
desselben.
Svoboda berichtet von den Nicobaren, dass die fiir gewölmlich im
Walde hausenden imd den das Jimgle Durchwandernden Krankheiten brin-
genden Seelengeister, die Iwis, bisweilen auch in die Wolmungen gelangen.
Man sucht sich ihrer dann daselbst „durch einen sehr complicirten Apparat
zu entledigen. Sohmge sie Niemanden angreifen, ist man recht tolerant mit
ihnen. Wenn aber Erkrankungen vorkommen, oder man sonst Ursache hat,
über den unheilvollen Einfluss der bösen Geister zu klagen, so muss die Hütte
davon befi'eit werden."
„Man trifft also Vorbereitungen wie zu einem Feste, imd ladet die Freunde
dazu ein (zum Teufelsfeste). Während gegessen, getrunken und geraucht
wird, beginnen die Weiber ein Klagegeheul, opfern ihre Geräthe, Lebens-
mittel, indem sie alles zerstören und vor die Hütte in den Fluthbereich werfen.
17*
260 XIII. Die Gesundheitspflege und die Epidemien.
Beim Gastnialile werden die besten Stücke von einem Schweine aufgeti'agen.
Albnählich gerathen die ManlöenÖ (die Zauberärzte) durch den genossenen
Palmweiii in Aufregmig und beginnen die Beschwörung. Ihr Gesicht i>t
roth mit SchwTineblut angestrichen, ihr Körper mit Oel eingerieben, !^[it
tiefen Tönen stimmen sie ein Klagelied an, laufen wild hin mid her, deun
sie wollen den Iwi ümgen, um ihn auf eüi bereitstehendes Boot zu bringen.
Erst schmeichehi sie ihm, dann aber schelten mid beschimpfen sie ihn ganz
ordentlich, mid während die Weiber immer mehr heulen, entwickelt sich ein
fingirter Kampf Man ringt mit ihm, bis er ei'^ischt ist, sodami bringt man
ihn in den Geisterkorb und darin in das Geisterschiff."
„Einige junge Leute bemannen ein Canoe, nehmen das Geisterschiff iii>
Schlepptau und rudern im Triumph recht weit hinaus; dann, sobald sie an-
nehmen, dass Wind und Strömung es nicht mehr zurückbringen, überlassen
sie es mit dem Iwi seinem Schicksale, auf dass er baldigst umkomme."
Es kommt also schliesslich auf etwas Aehnliches heraus, wie bei dem
oben gescliildeiien Vei^treiben der ansteckenden Krankheiten aus den Ort-
schaften.
Wenn nun aber alle diese Maassregeln den erhofften Erfolg nicht bieten
wollen, dann geht man auch noch energischer vor. Auf S er an g wird unter
solchen Umständen das Haus einfach verlassen und eine neue Wohnung
muss errichtet werden. Ja sie gehen hier auch noch einen Schritt weiter;
sie verlassen das warme Haus und reissen es vollständig nieder. Wenn die
Mosquito-Indianer von einer Epidemie heimgesucht werden, dann brennen
sie bisweilen eine ganze Ortschaft ab. Jedenfalls ist das Mittel probat imd
eine wirksamere Desinfektion vermag wohl kaum gedacht zu werden.
Das Verbrennen der gesammten Habe des Todten wird auch bisweilen
angeordnet, und dem Verstorbenen seinen Besitz an Gerathen, Schmuck
und Kleidung u. s. w. mit auf den Scheiterhaufen oder in das Grab zu
geben, ist ein nicht ungewöhnliches Verhalten. Bei den Sporkanes-
Indianern in Nord-Amerika soll aus diesem Grunde die Verpflegung
der Schwerkranken sekr vernachlässigt werden.
Dass Schmutz und XJnsauberkeit der Wohnstätten und Ortschaften iu
einer bestimmten Beziehung steht zu der Ausbreitung epidemischer Er-
krankungen, und dass man durch die Beseitigung dieser Uebelstände eine
Abnahme der Seuche zu erzielen vermag, das sind Gesichtspunkte, welche
erst seit Kurzem in den Kulturstaaten sich Anerkennung verschafften. Vm
so interessanter muss es ei'scheinen, dass wir auch bei den Naturvölkern
vereinzelte Maassregeln vorfinden, welche auf ähnliche Anschauungen
schliessen lassen.
Um ein Haus von den schädlichen Agentien, welche die Erkrankungen
hervorriefen, zu befreien und es wieder bewohnbar zu machen, muss man
auf Eetar unter dem Hause allen Kehricht zusammenfegen. Er wird dann
in einem Korbe gesammelt und folgende Opfergaben legt man darauf: ein
Ei, etwas Reis, Sirih-Pinang und Tabak. So versorgt, wird nun der Müll-
korb aus dem Dorfe hinausgetragen und am Fusse eines Berges imter Ge-
beten niedergesetzt und daselbst zmiickgelassen.
Eine Strassenreinigung lernen wir in dem Seranglao- Archipele
kennen. Wenn hier die männliche Einwohnerschaft das Boot, dem die Seuche
aufgepackt wurde, hinunter zu dem Strande schafft, um es dem Meere zu
107. Die Assanirung der Wohnplätze. 261
übergeben, dann müssen die Weiber zu derselben Zeit die Strassen des
Dorfes reinigen und allen Kehricht seewärts fegen.
Beiläufig wollen wir hier noch bemerken, dass auf Tanembar und
den Timorlao-Inseln eine hochgradige und wohlberechtigte Scheu be-
steht, solch ein Epidemieboot an ihrem Strande antreiben zu lassen. Sorg-
fältig -wird die Landung verhindert, und sollte es dennoch einer Welle ge-
lingen, dasselbe unversehens auf das Ufer zu werfen, dann ist man eiligst
bei der Hand, das Boot und Alles, was sich darauf befindet, sofort am
Strande zu verbrennen.
Die Ewe-Neger im Togo-Lande benutzen, wie Herold jüngst be-
i-ichtet, einen bestimmten Platz vor dem Dorfe gemeinsam für die Defäkation.
Der einzige gut gehaltene Weg, den die Dorfbewohner anzulegen sich herab-
lassen, fuhrt zu dieser wichtigen Stelle.
Auch von den Buschnegern in Surinam hebt Joest diese Einrich-
tungen rühmend heiTor. Er sagt:
„Die Buschneger besassen, wemi auch etwas lU'sprüngliche, so doch
durchaus zweckentsprechende und reinliche Verschlage, hinter welche der
Sterbliche sich zurückziehen konnte, wenn er allein zu sein wünschte : im Ur-
wald dicht beim Dorf eine Wand von Palmblättem, daliinter eine kleine
llrube, eine einfache Sitzvorrichtung, ein Haufen Sand und mehrere Kale-
bassen mit Wasser, Sapienti sat"
Dei-selbe Reisende erzählt von den Karaiben und Arowaken in Su-
rinam: „Zur Befriedigmig seiner Bedürfiiisse entfenit sich der Indianer von
dem Dorf, scharrt eine kleine Grube in den Boden und wiift dieselbe später
^vieder sorgfältig zu, nachdem er sich mit Sand gereinigt; die am Wasser
Liebenden begeben sich zu diesem Zweck in den Fluss."
Ueber die Karayä-Indianer sagt Ehrenreich:
„Von kultiu-historischem Interesse und bezeichnend für das Anstands-
gefühl dieser Wilden ist die Art ihrer Defäkation. Dieselbe geschieht mög-
lichst weit abseits vom Dorfe. Es wird ein Loch in den Sand gemacht Das
Individuum setzt sich mit ausgestreckten Beinen darauf, den Oberköii)er
liinter einer Matte verbergend. Die Excremente werden stets sorgfältig ver-
gi'aben."
Wir konnten diese wichtigen Punkte der öffentlichen Gesundlieitspflege
nicht mit Stillschweigen übergehen und wir werden nicht anstehen können,
diesen Wilden misere volle Anerkennung zu zollen. Ilu'e Maassnahmen stehen
ungleich höher, als Vieles, das wir auf demselben Gebiete in unseren Dörfern
und kleinen Städten antreffen, und das in nicht geringem Maasse zur Ver-
breitung mancher Epidemien beizutragen geeignet ist.
XIV.
Die kleine Chirurgie.
108. Das Blntsangen.
Das medicinische Wissen und Können der Naturvölker, wie es uns
in den vorhergehenden Abschnitten entgegengetreten ist, musste uns mit
Recht in vielen Fällen sehr bedenklich und fragwürdig erscheinen. Einem
grossen Irrthum verfielen wir aber, wenn wir ihre chirurgischen Fähigkeiten
nach dem gleichen Maassstabe beurtheilen wollten. Mancher zweck-
entsprechenden Maassnahme, zielbewusst und wohlüberlegt, begegnen wir
hier, und selbst von manchem kühnen Eingriffe erfahren wir, der ein grosses
Können, eine scharfe lieberlegung und ein nicht alltägUches Handgeschick
erfordert Dass aber auch ihr chirurgisches Handeln in vielen Beziehungen
geleitet wird von ihren allgemeinen Anschauungen über die Natur und das
Wesen der Krankheiten, das muss uns wohl natürlich erscheinen, und dieser
Einfluss tritt besonders häufig bei der kleinen Chirurgie zu Tage.
Immerhin ist es wohl zu begreifen, dass der stete Kampf mit der um-
gebenden Natur, mit den Raub- und Jagdthieren und mit den feindlichen
Nachbarn den Naturvölkern manche Verletzung bringen muss, deren un-
mittelbare Ursache ihnen klar und deutlich vor Augen liegt. Hier bedarf
es nicht der Anschauung, dass eine Bezauberung oder Verfluchung, dass
eine Besessenheit das Kranksein bedinge; nun ist es nicht ein unbekannter
Feind, mächtig, gewaltsam und übernatürlich, mit dem der schwache Mensch
den Kampf aufnehmen soll; wohlbekannt ist die Aetiologie und muthvoU
wird die Behandlung begonnen. Und mit der Häufigkeit der Verletzungen
wuchs auch unstreitig das chinirgische Geschick; mit dem bei Naturvölkern
meist sehr günstigen Verlauf vermehrte sich aber auch der chirurgische
Muth, xmd so werden wir Operationen begegnen, die man in den grossen
Kliniken Europas noch vor wenigen Jahrzehnten nur mit Zagen unternahm.
Wir wollen uns in unseren Betrachtungen zuerst der kleinen Chirurgie
zuwenden, von der wir übrigens in den vorhergehenden Abschnitten bereits
die eine oder andere Maassnahme angetroffen haben.
Ungemein weit verbreitet finden wir die Gewohnheit, dem erkrankten
Körper Blut zu entziehen. Man thut wohl nicht unrecht, wenn man die
Blutentziehungen als ein Gemeingut des gesammten Menschengeschlechts
betrachtet. In der Art der Ausführung derselben bestehen jedoch mancherlei
Unterschiede und besondere Vorschriften. Bald geschieht dieses ohne vor-
herige Verletzung der Haut, bald werden irgendwo am Körper Einschnitte
oder Einkratzungen gemacht, also eine Art von Scarificationen, bald sind
es regelrechte Venaesectionen, bald unserem Schröpfen verwandte Processe.
26Ü XIV. Die kleine Chirurgie.
Die schmerzberuhigende WirkuDg des Speichels und der Zunge ist den
Naturkindem wohlbekannt Der arme LoßoruSj dem die Hunde die Schiwären
lecken, Sigurd der Drachentödter, der den in ^afnirs Blut verbrannten Finger
in jähem Schmerze zum Munde flihrt, finden überall in der Welt ihre viel-
fachen Analogien. Von Einreibungen mit Speichel ist weiter oben schon
die Rede gewesen. Auch das Saugen an dem schmerzhaften Theile haben
wir bereits kennen gelernt Dass seine Wirkung eine energische ist, das
wurde ebenfalls schon gesagt. Liegt dieser Procedur nun auch der Gedanke
zu Gininde, den bösen Geist, das dämonische Thier oder den in den Körper
hineingezauberten Fremdkörper aus dem Patienten zu entfernen, so darf
man doch nicht unberücksichtigt lassen, dass solch ein energischer Sauge-
process mindestens wie ein trockener Schröpfkopf wirkt Musste mau
dieses auch schon a priori annehmen, nach den Schilderungen, die wir
von diesem Saugen besitzen, das nicht selten stundenlang fortgesetzt -wird,
so liegen uns doch ausserdem auch noch ganz bestimmte Bestätigungen
hierfür vor.
Gibbs hat bei den Nord-Californiern solch eine Saugecur beschrieben.
Bei derselben hatten erst vier junge und, als diese ermattet waren, vier
alte Weiber an dem Patienten herumgesogen, bis sie über seinem ganzen
Körper Beulen hatten aufschiessen lassen. Das klassische Gebiet dieses
schröpfenden Saugens ist Australien und Amerika. Von Afrika ist
mir bisher keine derartige Angabe bekannt geworden, und aus Asien wird
solches Aussaugen nur von einigen Inseln Indonesiens, z. B. von den
Andamanen berichtet
Aber nicht als blinder Schröpfkopf allein, sondern auch als blutiger
wirkt dieses Saugen. Denn gar nicht selten heisst es in den Berichten, dass
dem Patienten Blut ausgesogen wird. Ausnahmsweise nur wird dabei an-
gegeben, dass der Medicin-Mann ihn zuvor scarificirte; und da es anderer-
seits dann heisst, dass Letzterer das ausgesogene Blut ausgespien habe, so
kann ein Zweifel nicht bestehen, dass es sich nicht nur um ein Zufuhren
des Blutes in die Haut, sondern um eine Blutentziehung im wahren Sinne
des Wortes handelt Von den Onkanagan-Indianern in Britisch-
Columbien wird uns dieses noch extra bestätigt Der Berichterstatter
sagt, er habe sie oft ganze Mund voll Blut aussaugen sehen, ohne dass an
der Haut eine Spur zu erkennen war. Auch in Californien saugen sie,
bis das Blut fliesst, und das Gleiche gilt von den Klamath und Karoks.
sowie von den Eingeborenen Australiens. Aus dem malayischen
Archipel wird mm dieses Blutaussaugen von dem Seranglao- und
Gorong- Archipel und von den Kei- und Aaru- Inseln berichtet;
auf den Letzteren wird diese Methode direct als eine Art des Aderiasses
bezeichnet
Als einen Uebergang zu der vorausgeschickten Scarification haben wir
es wahrscheinlich zu betrachten, wenn uns von den Keisar-Insulanern
berichtet wird, dass sie auf die zu saugende Stelle vorher Kawi-Blätter
auflegen. Die Menge des ausgesogenen Blutes beträgt dann manchmal
zwei volle Kaiapa-Schaleu.
Das Aussaugen der blutenden Wunden ist nach Bissen und Stichen
giftiger Thiere, z. B. von Schlangen und Scorpionen u. s. w. bei sehr vielen
Volksstämmeu im Gebrauch. Die Opoates im nördlichen Mexico üben
- —-— —
109. Das Rcarificiren. 2G7
dieses Aussiiuf;eii «utli nach Pfeilscimssverletzaiigen iius, und die Austral-
ueger von Victoria haben die Gewohnheit, überhaupt aus jeder frischen
Wunde das Bhit auszusaugen.
109. Das Scariflclrcn.
Weit verbreitet ist der Gebrauch, deu Körper bei allerlei Bescliwerdeu
zu scarificiren. Die Scarificationen werdeu je nach dem Bildungsgrade
des betreffenden Volkes entweder mit ihren gewöhnlichen Messern oder mit
scharfen Splittern von Muscheln, von Feuerstein oder von Obsidian, mit
Glasscherben, Domen und Fischgräten ausgefiihrt. Der scharfe Stein-
sphtter als Scarifications Instrument wird uns von den Indianern Nieder-
Californieiis und des nördlichen Mexico, sowie von den Flatheads und
den Mincopies bestätigt. Die Dacota, die Creek- und die Winne-
Viago-Indianer, sowie die Eingeborenen von Alaska und die Karayä-
Indianer in Brasilien be-
dienen sich ihrer Steinmesser
hierzu. Die A u b t r a 1 -
uegerinnen aus Vic-
toria und die Mincopies
bringen sich mit Glas-
scherben Schnitte bei. Bei
den Mincopies pflegt die-
ses Scarificiren von Weil»eni
ausgeführt zu werden. Ent-
weder thut es die Frau des pig. 145. ScsrificatioBsiöstrumente bos Fi«chi»bi»ii.
Erkrankten, oder eine an- Karaja-Indi»ner.
dere weibhche Verwandt*-. Mm. f. Völkerkunde, BotHd. - NwhPhoiogi.phi».
Die Süd-Mexicaner und
die Mosqnitos scarificiren mit Fischgräten, und die alten Mexiciiner
wendeten für diesen Zweck Domen an.
Die Karayä-Indianer in Brasilien fertigen sich aber zum Scaiifi-
ciren auch noch ganz besondere Instrumente, welche sie i-äaura nennen.
Solch Apparat besteht nach Ehrenreich „aus einem drei- oder viereckigen
Stückchen Cuyen-Schale (Fig. 145), dessen eine Fläche mit einer centimeter-
dicken Wachs- oder Harzschiclit beschwert ist, während der andere eine
Reihe scharfer Fischzähnchen trägt. Solche Schröpfer werden paarweise
aufbewahrt, indem die convexe Kratzfläche des Einen auf der concaven d<'s
Anderen hegt. Die Zäh neben schützt man durch dazwischen gelegti'
Baumwolle."
„Während der Patient sich krampfhaft an einen Pfahl festklammert,
drückt man ihm die Spitzchen tief in die Haut des leidenden Körpertheils
ein und ritzt dieselbe mit raschen Zügen nach verschiedenen Richtungen
hin auf. Das Blut wird mit Palmhlattstreifeu abgekratzt, die Wunden im
Bade mit Sand abgerieben. Nicht selten soll zur Erhöhung der ableitenden
Wirkung gestossener Pfeffer aufgelegt werden."
Die Aschanti schlagen die Stelle, welche sie scarificiren wollen, mit
dem stachlichen Blatte einer bestimmten Pflanze
2ß8 XIV. Die kleine Chirurgie.
Bei den Eingeboreueii der Watubela-Inseln im malayischeu Ar-
cliipel wird vor dem scarificireudeD EiuscliDitt an der ausgewählten Stelle
mit einer besonderen Bambuszauge eine Hautfalte in die Höhe genonunen.
Bisweilen müssen die Einschnitt« eine bestimmte geomethsclie Figur
bilden, so z. B. b^i den Lappen diejenige eines kleinen gleicharmigen
Kreuzes. Hiervou konnte ich mich selbst überzeugen, als ich einmal einem
I^appeu eine Luxatio subcoracoidea zu reponiren hatte. Er gehörte einer
fio^enfceci'schen Truppe an.
Bei den Dacota-Indianern und denjenigen von Canada macht der
Medicin-Mann dem Patienten bisweilen Einschnitte in die Haut, damit er
ihm an diesen Stellen um so bequemer
das Blut aussaugen könne.
110. Der AderlasB.
Wir begegnen aber auch bei den
Nitturvölkeru der kunstgerechten Venae-
section. Die Aderlass-Lancette fertigen
sich die nordamerikanischen Indi-
aner aus einer Messerspitze oder aus
einem Feuerstein Splitter, womit sie eioen
Holzgriif armiren, und die sie nur soweit
aus diesem hervorragen lassen, als er
in die Vene eindringen soll. Entweder
stechen sie dann freihändig in die Vene
ein, oder sie setzen das Instrument
auf dieselbe auf und fuhren mit einem
Stück Holz einen Schlag auf den Hand-
griff desselben aus, so dass die Spitze
in die Ader eindringt
In ganz analoger Weise wurde der
Aderlass auch hei den alten Peru-
anern ausgeliihrt. von Tschudi sagt:
„Das Instrument dazu bestand in
einem zugespitzten, scharfen Steinsplitter, der in ein gespaltenes Hölzchen
eingeklemmt und festgebunden wurde. Beim Aderlasse wurde ein leichter
Schlag auf den am gehörigen Orte aufgesetzten Splitter gegeben, Ühnlicb
wie es die Thierärzte beim Aderlassen vou Pferden, Rindvieh u. s. w. machen."
Einen Muschelscherben oder ein Stück Bergkrystall wenden die Ein-
geborenen von Australien an.
Die Kwixpagmut an der Mündung des Yukou in Alaska benutzen
eiserner Messerchen zum Aderlass (Fig. 14ß).
Einer originellen Art, die Vene zu öffnen, bedienen sich angeblich die
Isthmus-Indianer, „Der Operateur schiesst einen kleinen Pfeil mit einem
Bogen in verschiedene Theile des Körpers von dem Patienten, bis zufällig
eine Vene eröffnet wird. Der Pfeil wird in kurzem Abstände von dem
Punkte gehalten, um einem zu tiefen Eindringen vorzubeugen." Jedenfalls
steht diese Methode vollständig vereinzelt da; nirgends in der Welt findet
Fig. 146. Aderhas-Messer der Kniipagm
in Alaska.
Uns. f. VlUkeTkQDde, Berlin,
Naoh Fhotognptale.
lU. Das Schröpfen. 2(19
sich, wie ich glaube, hierfür irgend eine Analogie, und das Verfahren zeugt
ohne Zweifel von sehr geringen anatomischen Anschauungen.
Der Aderlass au den Armvenen scheint aucli von den Naturvölkern
bevorzugt zu werden. Er wird uns von verschiedenen Theilen Australiens,
sowie von mehreren Indianer •Stämmen berichtet. JLIm Kopfschmerzen
zu bekämpfen, machen die Karayii in Brasilien den Aderlass an dfer
Stimvene. Die Indianer in Honduras machen die Venaesection am
Ober- oder Unterschenkel oder an der Schulter, und die Eingeborenen von
Ceotral-Californien venaesecireu am rechten Arme, wenn die Erkrankung
im Humpfe sitzt, und am linken Arme, wenn die Extremitäten befallen sind.
Die alten Peruaner machten den Aderlass an den Venen der Nasenwurzel.
In Victoria und Siid-Australien ist der Aderlass ein Vorrecht der ver-
heiratheten Männer. Die Junggesellen und das weihliche Greschlecht dürfen
auch nicht einmal Augenzeugen dieser feierlichen Handlung sein.
Fig. 147. Medidn-Ufton der Chippewaj-lDdiaDeT, die Krtwkheit auauugend.
N>eb Hoffman.
Von den persischen Chirurgen oder Badem wird der Aderlass häufig
ausgeübt; der Arzt hält ihn unter seiner Würde. „Die Ader wird mittelst
einer sehr feinen pfriemen artigen Lancette (nischter) geöffnet, nachdem
vorher der Oberarm mit einem dünnen Lederbändcheii festgeschnürt und
dem zu Operirenden, damit er die Finger bewege, eine Kugel in die Hand
gegeben worden. Mau hat besondere Anzeichen für die basilik (vena
basihca), die keif&l (v. zephalica), die ssfen, die salvatella und ramimi.
An Tagen, an welchen es nach der Berechnung der Astrologen besonders
gut ist, zur Ader zu lassen, fliesst in der Kinne vor den Barbierstuben das
Blut buchstäblich in Strömen."
11t. Das SchrOpfcii.
Eine ganz ausserordentlich weite Verbreitung hat bei den Natun'öikem
auch das Schröpfen gefunden; die Art der Ausführung ist aber für gewöhn-
lich in hohem Grade verschieden von der bei uns gebräuchlichen. Als
Schrtipfkopf fungirt direct oder indirect gewöhnlich der Mund des Medicin-
270 XIV. Die kleine Chirurgie.
]VraDnes. Wir hubeii ihre Methodeu des directen Saugeus au den be-
troffenen Stellen ja oben bereits ausfllhrlich besprochen und brauchen darauf
nicht wieder zurückzukommen. Hier interessiren uns nur solche Eingritfe,
wo ein besonderes Hülfeinstrument in Anwendung kommt, wenn auch im
Uebrigen des Medicin-Mannes Mund den Haupttheil der Arbeit zu leisten bat
Bei den Navajö-Indianern in Arizona und einigen ihnen benach-
barten Stämmen bedient sich der dem Mide-Orden angehörande Medicin-
Mann zum Aussaugen der Krankheit eines l>esonderen knöchernen Rohres
das er ähnlich einem Stethoacop auf die erkrankte Stelle setzL Die gleiche
Methode ist bei den Mide der Chippeway-lndianer (Fig. 147) ge-
bräuchlich. In Alaska nimmt man hierzu die Tibia oder den Flilgel-
kaocben eines Adlers. Wir müssen hierin bereits den Uebergang zu einem
wirklichen Schröpf-Instrumeute erkennen.
Diejenigen Völker nun, welche sich zum Schröpfen eines besonderen
Werkzeuges bedienen, benutzen dazu gewöhnlich ein Ochsen- oder Büffel-
hom, beziehungsweise das obere Ende eines solchen. Die Spitze ist mit
einem kleinen Loche durchbohrt; an ihr wird gesogen, um einen luftleeren
Raum herzustellen, und wenn dieses ge-
schehen ist, so wird die kleine Oeffiiung
schnell mit einem Stückchen Wachs
verschlossen. Diese Methode üben z. B.
die Haussa in Nord-Afrika (Fig.
148) und die Kaffern und Basutho
in Sud -Afrika, die Eingeborenen
der Luang- und Sermata-Inselu
und der Inseln Leti, Moa uud
FiR. 148. Schiöpfkopf der HansB». i^i^^oT im malayischen Archipel,
Hnnwmf. TBik«rkund«. BerüD. und auch die Winnehagos, die
Niusb PhotoBnphi^ Creek- und die Dacota-Indianer
in Nord-Amerika,
Von den Marutse in Süd-Afrika schreibt Solub: „Oertliche Biut-
oiitziehungen mit Metall-, Hom- und Knochenmessem bewirkt, und das
Blut mit Homsaugröhren ausgesogen, fand ich wie unter den Betschuanas
gemein und gewöhnlich an den Schläfen, Wangen, Oberarmen, der Brust
und an den Schultern applicirt. Es soll Schmerzen an diesen Körpertheilen
mildem; wie ich bemerken konnte, meinte man hiermit Neuralgien sowolii
als Entzündungsschmerzen der betreffenden oder der Nachbarorgane."
Aus Marokko hat Max Quedenfeldt einen Schröpfkopf (Fig. 149) mit-
gebracht, welcher das gleiche Princip in vervollkommneter Weise darstelll.
Der Schröpfkopf ist aus Messing und hat die Form eines hoben, aber nur
sehr schmalen Bechers; seine Höhe beträgt ungefähr 12 cm. hei emem
Durchmesser von höchstens 4 cm. Aus seinem unteren Drittheil geht seit-
lich in horizontaler Richtung ein schmales, leicht gebogenes Rohr hervor,
länger als die Höhe des Schröpfkopfs. Wenn der Schröpfkopf aufgesetzt
ist, so muss der Schröpfende an dem Ende dieses Messingrohrea saugen,
um so die Luft im Schröpfkopf zu verdünnen. Der Name dieses Instru-
mentes ist el-korära. In Marokko sind aber auch gläserne Schröpfköpfe
im Gebrauch, die ganz nach Art der uosrigen mit Hülfe brennender Papier-
streifen luftleer gemacht werden.
112. Die Ritual-Operationen. 271
Der unblutige Schröpfkopf bei den Persern wird mit dem Namen
K«ze, d. h. Krug, bezeichnet: ,^an drückt einen Teig glatt auf die be-
treffende Körperstelle, le^ ein angezündetes Kerzchen oder ein Stück Baum-
wolle darauf und lässt dieses unter einem darüber gestürzten Krug von
:t^4 Zoll MUndungBweite verbreimen."
Auf den InselD Leti, Moa und Lakor wird die ausgewählte Stelle
zuerst blind geschröpft, dann scarificirt und darauf das Schröpfhom noch
einmal aufgesetzt, um nun das Blut zn entziehen.
Ausser der vorher erwähnten Methode des blinden haben die Perser
iiuch noch das blutige Schröpfen, für welches sie als Schröpfkopf (hed-
sch&meh) sich ebenfalls eines Homea bedienen. Auch hierliber erstattet
ims Folak Bericht: .,Zwischen den Schulterblättern ist der Körper fast
jeden Persers ganz mit Striemen durchfurcht. Anfangs glaubte ich, die-
selben rührten von Buthenstreichen her, bis ich sah, dass Streiche aus*
schliesslich nur auf die Fusssohlen ertbeilt wurden, und nun Scliröpf-
narben in den Striemen erkannte. Das Verfahren ist im ganzen Orient
noch dasselbe, wie zu den älte-
sten Zeiten der Aegypter,
Man macht die Schnitte mit
einem Rasirmesser und stülpt
ein Hom darüber, wodurch das
Blut herausgezogen wird. Mit
Bezug auf dieses Verfahren
lautet daher die Ordination
des Arztes „ein bis drei Hom
Blut".
113. Die Ritual-Operationen.
Wir dürfen au dieser Stelle
auch die rituellen Operationen
nicht unerwähnt lassen, denn sie gehören zum grösseren Theile in das Gebiet
der kleinen Chirurgie, und meistens ist es auch nicht der eigentliche Mediciu-
Mann, sondern nur ein niederes Heilpersonal, welches sich mit ihnen be-
schäftigt. Die Operateure für das weibliche Geschlecht sind, wo wir diese
Operationen antreffen, wohl durchgehends bestimmte Weiber. Bei dieser sn-
genanuten Beschneidung der Mädchen handelt es sich auf einigen Inseln
des malayischen Archipels nur um das Abschneiden eines Stückchens
von dem Praeputium clitoridis. Bei den ostafrikauischen Völkern aber
werden Theile des Mons Veneris sowie der grossen Labien excidirt, ge-
meinhin mit schmutzigen Basirmessem. Durch passende Tjagenmg mit ge-
schlossenen Beinen, oder selbst bisweilen durch eine Nath wird eine Ver-
schmelzung der beiden Wundflächen und dadurch auch ein Verschluss der
Vulva erzielt Ein eingelegtes Röhrchen sorgt daltir, dass die Verwachsung
keine vollkommene wird, so dass eine Oeffnung für die Entleerung des Urins
zurückbleibt. Das bezeichnet man als die Infibulation. Für die Ver-
heirathung wird die Verwachsung zum Theil und später ftir die Entbindung
vollständig auf lilutigem Wege wiederaufgetrennt Nach glücklich über-
272
XIV. Die kleine Cbinirffie.
Btandeuem Wochenbett wiixi häufig die Infibulation wiederholt Ausführ-
liches über diesen (regenstand habe icb in meiner Bearbeitung des f jow'sclien
Werkes: Das Weib in derKatur- und Völkerkunde zusammengestellt.
Ueber die allbekannte Beschneidung der Knaben braucht hier nur v'enig
gesagt zu werden. Im nördlichen und centralen Afrika uud bei den raohaui-
medanischen Yolksstämmeu Asiens wird sie ebenfalls meist mit Kasir-
messem ausgeführt Die alttestamentarischen Juden schei-
nen Peuersteinmesser dazu benutzt zu haben. In dem
malayischen Archipel pflegt ein scharfer Bambusspahn
als Operationsinstrument zu dienen.
In dem letztgenannten Inselgebiet hat man aber zwei
Methoden der Beschneidung. Die eine be8t«ht in der all-
bekannten Art, in der circulären Abtragung des Präputium.
Bei der anderen, z. B. auf der Insel Serang gebräuchlichen
Art zieht ein alter Mann dem Jünglinge, der beschnitten
werden soll, das Präputium so weit wie möglich vor uu*i
schiebt ein Stück Holz in die Oeffnung hinein. Darauf
setzt er ein Messer in der Längsrichtung auf die Vorhaut
uud schlägt auf dieses mit einem anderen Stück Holz. Auf
diese Weise wird dann nur eine Längsspaltung der Vor-
haut, aber «cht eine circuläre Abtragung derselben aus-
geßihrt Die Blutstillung nach den Beschneidungen wird
meistens mit sehr einfachen Mitteln, entweder durch eine
Art der Tamponade, oder durch Bestreuen mit styptischen
Pulvern in zufriedenstellender Weise herbeigeführt
113. Kosmetische Operationen.
Wir haben hier noch einer Anzalil anderweitiger opera-
tiver Eingriffe zu gedenken, welche in den allermeisten
f^ällen sich auch in den Händen besonderer, nicht eigent-
lich medicinisch geschulter Specialisten befinden. Es sind
das die kosmetischen Operationen. Dieselben dienen be-
kanntlich dazu, den Körper je nach den herrschenden
Schönheitsbegriifen in seiner äusseren Erscheinung zu ver-
vollkommnen. Die Ausführung der Operation ist gewöhnlich
mit einem Feste verbunden und entweder wird das kindliche
Alter oder das Alter der Pubertät als der Zeitpunkt für das
Operiren gewählt. Das ist besonderen Gesetzen unterworfen.
Die Art und Weise des Operirens soll hier nicht näher geschildert
werden; sie ist ja auch hinreichend bekannt und vielfach schon erörtert
worden. Auch liegt, wie das ja bereits betont worden ist, keiner einzigen
von diesen Operationen ein eigentlicher Heilzweck zu Grunde, sondern alle
sind sie ausschliesslich nur dazu bestimmt, die küiperliche Schönheit zu er-
höhen. Es sind nur die Eücksichten der Vollständigkeit, welche für ihre
Aufzählung an dieser Stelle die Veranlassung abgeben.
Zuerst sind zu nennen die schmückenden Einschnitte, mit denen au
bestimmten KÖri>erstellen in regelmässiger Weise die Haut duichtrennt wird.
Fig. 150 iQstru-
meatderHauisa,
inm ADuiehen von
Dornea.
Mni. r. VfillEerknnde,
BsTliu.
Nich FhotograpMe.
113. Kosmetisclie Operationeo. 273
Die nach dieeer Operation znrUckbleibendeo Narben bilden dann ein heUes,
oft geometrigches Muster auf den gewöhnlich dunkel&rbigen Körpern der
so Yerechönerten. In vielen Fällen ist es erwünscht, dieee Narben erhaben
erscheinen zu lassen. Die Bofortige Verheiliing der Machen Einschnitte wird
dann auf das Sorgfältigste verhindert und in die Wunde streut man noch
besondere Imtantia ein, um eine möglichst massige Narbe entstehen zu
lassen. Das giebt dann die leistenfÖrmig oder knopfiÖnnig hervorspringenden
Narbenwtilste, nach langer Bchmerzbafter Leidenszeit ein grosser St^unuck
tüT den viel beneideten Besitzer.
Zahlreiche kleine Verletzungen mit stechenden Instrumenten, welche
zuvor in einen Farbstoff getaucht wurden, bilden bekanntlich das Wesen
der Tättowirung. Diese Art der Verschönerung hat ja auch unter den
sogenannten civilisirten Nationen eine nicht geringe Zalil von Verehrern.
Fig. 151. EkinM Opention»- Fig. 162. Scheeran vom Heu- I^. 168. InstmcieDt der Da<
meBsei der Hausaa (West- BchreckenkrebBi.EiSSheaT.G«- yäken (BoTneo), mm ErÖff-
Afrika). ■chwOrBn,&nfY«p(C»ri)liiieD). nen von Absoeeaeii.
Hiu. t. YDlkarkmide, Berlin. Hu. f. YeikerkniidB. BerllB. E.k.N»tiirtiist.Botma»«am,Wleti.
Hk^ PbotOBTkphls. Muh Pbotognphla. Muh Fhatognphls.
Mit nadelartigen Instrumenten, von denen entweder ein einzelnes oder
mehrere mit einander vereinigte z'ur Anwendung kommen, werden die Ein-
stiche freihändig gemacht In der Südsee befolgt man aber eine etwas
andere Methode. Hier haben sie ganz kleine, einem Miniaturkamm ähn-
liche Instrumente, welche rechtwinklig an einem Handgriffe befestigt sind.
Ihre Zinken werden in den Farbstoff getaucht und dann auf die auserwählte
Körperstelle aufgesetzt; ein Schlag mit einem hölzernen Schlägel treibt nun
das Instrument in die Haut hinein.
Zu erwähnen ist nun auch noch die Herstellung von jenen Durch-
bohrungen, in welche Schmucksachen hineingesteckt oder eingehängt werden
sollen. Primitive Messer, spitze Knochen und Domen dienen als Opera-
tionsinstrumente. Solche Durchbohrungen bringen sie an in der Nasen-
scheidewand und im Na^enöügel. Ersteres ist in Neu-Caledonien und
in Australien und Letzteres in Indien eine weitverbreitete Sitte. Die
Bartelt, Htdidn der NMoiTSlker. 18
r
274 XIV. Die kleine Chirurgie.
Ohrmuschel muss auf verschiedene Weise herhalten, und sie wird bisweflen
über den ganzen Helix hin mit einem System von Durchbohrungen verziert.
Auch die Ober- und Unterlippe entgeht nicht diesem Triebe der Ver-
schönerung. Manchmal ist es ihr mittlerer Theil, bisweilen aber auch die
beiden Seiten, in deren künstlich gemachte Löcher dann Schmuckknöpfe
oder Schmuckzapfen hineingesteckt werden. Aus den kleinen Stichöfihungen
verstehen die Wilden, durch die Federkraft zusammengerollter Blätter u. s. w.,
von denen immer grössere hineingesteckt werden, allmählich Löcher von
enormem Durchmesser zu erzeugen. Auch hierüber findet der Leser Ge-
naueres in meiner mehrfach citirten Bearbeitung des Werkes von Heinrich
Ploss über das Weib.
Durchbohrungen der Glans penis werden von einigen Naturvölkern
ebenfalls vorgenommen. Man schiebt in dieselben zu erotischem Zwecke
dann besondere kleine Keizapparate ein. In ähnlicher Absicht machen
Andere einen Einschnitt in die Rückenhaut des Penis und schieben kleine
Steine und andere Fremdkörper unter dieselbe, um sie daselbst einheilen
zu lassen. Die Heimath dieser bestialischen Gebräuche ist der malayische
Archipel.
V. MikluchO'Maclaff berichtet,
dass bei den Eingeborenen der
Nordwestküste Australiens von
der Hamröhrenmündung aus eine
Fig. 154. Zahnzange der Haussa (West- Afrika), mediane Spaltung der ßlans penis
Mob. f. Völkerkunde, Berlin. - Nach PhotograpUe. an ihrer Unterseite vorgenommen
wird. Auch diese Operation wird
ausgeführt, um das Wollustgefuhl beim Coitus zu erhöhen. Dieselbe ist
aber nicht zu verwechseln mit der Mika-Operation, auf die wir noch zu-
rückkommen müssen.
114« Die Entfernung fremder ESrper und die Behandlung der
Abseesse.
Kaum als chirurgische Operation zu bezeichnen ist die Entfernung klei-
ner Fremdkörper aus der Haut, wie Domen, Stacheln, Splittern, s.w.,
oder kleiner Insekten, z. B. der so unbequemen und nicht selten sogar ge-
fährlichen Sandflöhe. Auch der Medina-Wurm ist hier anzuschliessen.
Hiervon befreit wohl fast Jeder sich selbst und nur in seltenen Ausnahme-
fällen wird dafür fachmännische Hülfe beansprucht Als Instrument dient
irgend ein Dom oder sonst ein scharfspitziger Gegenstand. Bei den Ka-
rayä-Indianern in Brasilien sind dafür scharfe Fischzähne im Gebrauch.
Der Absonderlichkeit wegen mag eine Sitte aus Cambodja hier an-
geßihrt werden. Man hält daselbst für das einzige Mittel, um eine in
der Kehle steckengebliebene Fischgräte zu entfernen, das Trinken desjenigen
Wassers, in welchem sich Jemand die Füsse gewaschen hat, der mit den
Füssen voran geboren wurde.
Die Haussa im nordwestlichen Afrika haben zum Doraausziehen eine
eiserne Pincette (Fig. 150) mit kurzen Armen und mit einem sehr langen
Stiele, welcher dicht mit einem Lederstreifen umwunden ist
114. Die Entfernung ä-emder Körper und die Behandlung der Äbscesse. 375
Die Bebandlimg von Absceseen fällt aber meistens sachverständigeD
Händen zu. Ganz ähnlich, wie bei uns, pflegt das erste Mittel, zu dem
gegrifTen wird, ein Kataplasmiren der befallenen Stelle zu sein. Wir finden
dieses in Australien, auf der Oeterinsel, aufEngano, bei den Äschanti
und bei mehreren Indianer-Stämmen in Nord-Amerika. Heisse oder
zerquetschte Blätter, oder andere schmierige und breiige Substanzen liefern
das Material dazu. In Süd-Californien und in Victoria werden auch
Waschungen der erkrankten Stelle, bei den Bacota-Indianern Einsal-
bungen und in SUd-Australien und bei den Äschanti Pflaster an-
gewendet In Australien und auf Engano legt man auch heisse Asche
auf, und bei den Bilqula und anderen
Indianer-Stämmen wird die Stelle auch
wohl cautensirt
In nieder- Californien pflegt der
Medicin-Mann das Geschwür durch Saugen
zu zersprengen. An dem Frazer River in
Nordwest-Amerika wird das Geschwür
mit plumpem Messer scariflcirt Auch die
Bilqula schneiden dasselbe mit einer Reihe
paralleler Incisionen ein, und dieAustral-
neger von Victoria ödhen hartnäckige
Äbscesse mit ihrem Knochenmesser.
Die Südsee-Insulaner von Tahiti,
Samoa, Tonga und den Loyalitäts-
Inseln eröflnen ihre Geschwüre und Fu-
runkel und sogar tiefsitzende Äbscesse mit
denselben rohen Werkzeugen, wie sie sie
auch zur Blutentziehung benutzen, d. h.
mit scharfen Steiusplittem , mit Glas- und
Muschelscherben, mit grossen Domen und
mit Haifischzähnen. Eamüton saix auf den
Nicobaren, wie die Unterkinnlade eines
Fisches mit scharfen Zähnen auf eine Ge-
schwulst aufgesetzt und dann mit einem
Stocke darauf geschlagen wurde. Es er-
folgte eine heftige Blutung, danach aber
baldige Heilung. Auf der Earolinen-
Inael Yap ist zum Eröfinen von Ge-
achwUren die gezahnte Scheere eines Heuschreckenkrebses, einer Squilla
im Gebrauch (Fig. 152).
Von den Haussa wird fiir diese Zwecke der kleinen chirurgischen
Operationen ein kleines Messer (Fig. 151) benutzt. Es hat die Form einer
kleinen Lancette, deren Spitze abgeschliifen ist Mit seinem Talon steckt
es fest in einem Holzgriff, welcher ungefähr die ßinffache Lange von der
kleinen eisernen Klinge besitzt Dieser Griff ist aber noch vollständig mit
einem groben Stoff umwickelt, so dass von ihm gar nichts zu sehen ist
Die Dayaken in Borneo bedienen sich zum Eröflnen von Furunkeln
und Abscessen einer holzigen Wurzel (Fig. 1.53), welche sie Pinjampo nennen
und der sie durch Zuschneiden und Glätten eine Form gegeben haben, dip
18*
Fig 155. ZahnänUiobee Becteck der
Hans«».
Um. f. Velkerkiuide, Berllii.
Nuh Photographie.
276 XIV. Die kleine Chirurgie.
uD einen grossen Angelhaken erinnert Das Inetnunent bietet eine ganz
gute Handhabe und der kleine widerhakenartige Fortsatz dient vermuthlich
dem Daumen zur Stütze, wenn die Faust den Griff umklammert, lun die
Spitze in den Abscess einzusenken. Auch zur Behandlung schmerzhafter
Körperstellen bedienen sie sich desselben loBtrumentes; diese werden kräftig
damit betupft, weil die Dayaken glauben, dass sie auf diese Weise den
Schmerz aus dem Körper herausziehen könnten.
Yon den Kirgisen berichtet Pallas, dass sich bei ihnen harte Gre-
schwülste entwickeln. £s kann nach der Brachreibung keinem Zweifel unter-
liegen, dass dies^ Milzbrandcarbunkel sind. Die Behandlung schildert er
folgendermaassen : „Die unter dem gemeinen Yolke übliche Cur, da nämlich
die harte und fast knorphgte Ge-
schwulst mit einer langen Nadel
verBchiedentlich durchstochen und
mit einer Vermischung von Ta-
bak mit Salmiak eingerieben, dem
Kranken aber alles kalte Getränk
und gewisse Speisen au& Bchär&te
verboten werden,"
Von den Australnegern
in Victoria werden bisweilen
die Geschwüre einfach umbunden.
Bei denFullahvom AioNuiiez
fegt man bei Geschwüren an den
Extremitäten feste ümbindungen
oberhalb derselben an. Sie glau-
ben auf diese Weise zu verhin-
dern, dass das schlechte Blut zum
Herzen gelangen könne. Gorre
fand dort eine Ulceration durch
Compression mit einer Kupfer-
platte in Behandlung.
Fig. 156. Mann der Bftwendft, dem beim Aus-
mäMeln eine« ZbIuibh der Kief«r durch die Wange U6. Die ZahnhellktUlde.
getrieben wurde.
Kuh Photogr.phto. gollea ^ir die kleine Chirurgie
ToUständig behandeln, so müssen
wir im Anschlnss an die Abscesse auch noch von der Zahnheilkunde ein Paar
Worte sagen. In den Berichten Über die Naturvölker ist sehr häufig auch
von den Zähnen die Rede, da es nicht selten bei ihnen gebräuchlich ist.
an ihren Zahnreiben durch Ausfeilungen, Ausmeisselungen oder durcb
Ausschlagen sogenannte Verschönerungen vorzunehmen. Von diesen zu
sprechen ist hier nicht der Ort, da sie nicht zu Heilzwecken ausgeführt
werden. Es muss uns aber Überraschend sein, dass wir, gerade da so viel-
fach die Emailschicht der Zähne verletzt und zerstört wird, so wenig über
Zahnoperationen und Krankheiten der Zähne hören.
Die Behandlung der Zahnschmerzen bei den Australnegern Victo-
rias haben wir oben bereits besprochen. Sie bestand in Bananen-Umschlägen
115. Die Zalmheilkunde. 277
oder in tagelanger Einspemmg des Kranken. Ein Amulett, das Zahn-
schmerz vertreibt, hatten wir yon den Giljaken kennen gelernt Es ist in
Fig. 120 abgebildet Wir sehen da einen kleinen Menschenkopf in roher
Ausführung in Holz geschnitzt, dessen ganze untere Gesichtshälfte durch
einen herumgelegten Lappen eingehüllt wird.
Aus Sokotö von den Haussa hat Bobert Flegel Instrumente zur
Zahnoperation mitgebracht Das Eine derselben, mit Namen Massassaki,
wird zum Lockern des Zahnfleisches benutzt Die anderen Instrumente
sind Zangen, Awarteki genannt (Fig. 154), mit welchen die Zähne aus-
gezogen werden. Für dieses Armamentarium besitzen sie ein besonderes
kleines Lederfutteral (Fig. 155).
Sehr roh ist die Behandlung kranker Zähne bei den Bawenda im
nördlichen Transvaal. Sie suchen sie mit ihren Assegaien-Spitzen oder mit
Meisselschlägen au^ dem Kiefer zu entfernen. Mit welcher Gewalt sie dabei
zu ^Werke gehen, das zeigt die Photographie eines armen Patienten (Fig. 156),
dem bei einer solchen Gelegenheit ein grosses Stück des horizontalen Unter-
kiefer-Astes durch die Weichtheile der Wange hindurchgetrieben wurde.
XV.
Die grosse Chirurgie
116. Allgemeines.
Ein Capitel, das von der grossen Chirurgie der oncivilisirten Volks-
stämme handelt, kann, wie sich das wohl von selbst versteht, nur eine sehr
geringe Ausdehnung besitzen. Denn es muss uns ja nur mit Verwunderung
erfüllen, dass sich über diesen Gegenstand überhaupt etwas berichten lässt
Wir stehen hier einem Probleme gegenüber, dessen Lösung wohl kaum
je gelingen wird. Ueberrascht uns bei den Naturvölkern gewöhnlich die
Indolenz, selbst schweren Erkrankungen gegenüber, wofür nur eine ihnen
innewohniBnde hochgradige ünkenntniss der normalen und pathologischen
Lebensvorgänge die einzige Erklärung zu bieten scheint, so liegen wiederum
andererseits wohlbeglaubigte Fälle von Operationen vor, welche überhaupt *
nur erdacht werden können, wenn die Vorstellungen von dem anatomischen
Bau des Körpers und von den physiologischen Eigenschaften seiner einzelnen
Organe doch schon ziemlich hochentwickelte sind, immerhin, wie wir es nur
gestehen wollen, höhere, als wir sie unter den civilisirten Nationen selbst
bei gebildeten Laien voraussetzen dürfen. Ausserdem gehört zu diesen
Operationen ein nicht unbedeutender chirurgischer Muth und ein Vertrauen
auf das eigene . Können, das durch die unvermeidlichen Schwierigkeiten,
welche bei jedem grösseren operativen Eingriff unvorhergesehen hervortreten
können, sich auch nicht in dem geringsten Maasse aus der Ruhe und
Fassung bringen lässt
Wie dieses Käthsel zu lösen ist, vermögen wir, wie gesagt, bisher noch
nicht anzugeben. Wir stellen hier nur diese merkwürdige Thatsache fest
und wir wollen sofort dazu schreiten, an der Hand der uns vorliegenden
Berichte die chirurgischen Maassnahmen der Naturvölker einer genaueren
Betrachtung zu unterziehen.
Das, was für den Chirurgen natürlicher Weise in allererster Linie in
Frage kommen muss, das ist die Behandlung seiner Stammesgenossen, wenn
sie eine Verwundung erlitten haben. Darum wollen wir die Besprechung,
wie diese Leute die Wunden behandeln, auch den übrigen Dingen voraus-
gehen lassen.
282 XV. Die grosse Chirurgie.
117. Die Wundbehandlung.
TJeber die Wundbehandlung der Naturvölker sind die uns zur Ver-
fugung stehenden Nachrichten nicht sehr ausgiebig. Es hat den Anschein.
als wenn sie im Ganzen sehr wenig Umstände damit machen. Sie verlassen
sich dabei wahrscheinlich auf ihre glückliche Heilfähigkeit, die diese Natur-
kinder fast ausnahmslos vor den civilisirten Nationen auszeichnet Und so
bekümmern sie sich entweder gar nicht um ihre Wunden, wie die Flathead-
Indianer, die Süd- Australier und die Eingeborenen von Neu-Guinea.
oder sie bedecken sie mit einer Art von Kataplasmen, die aus allerlei Blättern
oder aus dem saftigen Baumbast gefertigt werden. Dieses letztere Verfiahren
wird von den Karok- und von den Dacota-Indianern, von den Süd-
Californiern, den Eingeborenen von Tanembar und den Timorlao-
Inseln imd dem Seranglao- und Gorong-Archipel, sowie von den
Asch an ti angewendet.
Die Leute von Selebes legen frische Blätter auf und das Gleiche wird
uns von den Samoanern, von den Mincopies auf den Andamanen,
sowie von den Singhalesen, den Tamilen und den Weddah auf Ceylon
berichtet Dass die Letzteren es von den Singhalesen gelernt hätten,
haben wir, wie früher schon betont worden ist, durchaus nicht nöthig, an-
zunehmen, da, wie wir eben gesehen haben, auch andere Völker dasselbe
Verfahren selbstständig erfanden.
Die Karayä in Brasilien bestreuen die Wunde mit Kohlenpulver,
und die Engano-Insulaner bedecken sie mit warmer Asche und mit er-
hitzten Baumblättem. In Wunden der Kopfhaut blasen die Samoaner
den Rauch von verbranntem Wallnussholz. In Süd-Californien sind auch
Salben gebräuchlich, in Alaska Pflaster aus Cedemharz, und in Süd-
Australien wird die Wunde bisweilen mit einem Thonklumpen zugeklebt
Auch die Harrari wenden bei Brandwunden medicamentöse Pflaster an.
Die Australneger in Victoria sollen, wie gesagt, die Wunden aus-
saugen, und sie setzen das so lange fort, bis kein Blut mehr entleert werden
kann. Kommt auf diese Weise nur wenig Blut aus der Wunde heraus,
dann glauben sie, dass nicht Alles richtig sei. Dann bringen sie den
Patienten in eine solche Lage, die ihrer Meinung nach den Abfluss des
Blutes befördern muss, und durch Compression der gegenüber liegenden
Theile suchen sie denselben auch noch zu unterstützen. Führt das aber
Alles noch nicht ziun Ziel, dann sondiren sie die Wunde mit einem scharfen
Instrument, das sie aus einem Knochen gefertigt haben. Wenn die Wunde
sich völlig gereinigt hat, so legen sie einen Harzklumpen daraul Sie haben
aber ein gutes Verständniss für die schädliche Wirkung verhaltener Wund-
sekrete, und wenn in dieser Beziehung nicht Alles in Ordnung ist^ so
machen sie die Wunde wieder auf.
Die Central-Amerikaner pflegen die Wunden zu cauterisiren, um
Entzündungen vorzubeugen.
DieDacota und die benachbarten Indianer-Stämme sorgen nicht selten
durch eingelegte Wieken von weichem Baumbast für den Abfluss des Eiters,
und sie benutzen sogar ein besonderes Verfahren, um die Wunden auszu-
117. Die Wundbehandlung. 283
spritzen. Hierzu bedienen sie sich dann einer Blase oder Federspuhle,
welche die Funktion der Spritze übernehmen müssen.
Die Opoates-Indianer sind dafür berühmt, ausgezeichnete Wund-
balsame anzufertigen. Bosmarin ist in denselben ein sehr gebräuchlicher
Bestandtheil. Wasser verbieten sie ihren Verwundeten streng, aber sie
haben für dieselben mehrere vegetabilische Tränke.
Ausserordentlich selten begegnet man dem Versuch, die Wunden sofort
zum Verschluss zu bringen. Allerdings wird von südaustralischen Stämmen
berichtet, dass sie zuweilen eine Art Compressiv-Verfahren anwenden, um
die Wundränder einander zu nähern. Um so bemerkenswerther ist daher
die Angabe Schoolcraß's, dass die Indianer der Vereinigten Staaten
bisweilen Schnittwunden mit Fäden aus Lindenbast oder aus den langen
Schenkelsehnen von Thieren zunähen und die Suturen nicht vor dem sechsten
Tage entfernen. Auch Feihin sah eine Wundnaht in Central-Afrika, durch
welche der Leib nach einem glücklich ausgeführten Kaiserschnitte geschlossen
wurde. Es war eine Sutura circumvoluta (Fig. 157). Auch bei der In-
fibulation der Mädchen im nordöstlichen Afrika wird
bisweilen eine Naht angewendet.
Die Winnebago- Indianer lassen eine böse
Wunde fast niemals prima intentione heilen, sondern
sie halten sie sorgfältig offen, dass sie von unten
herauf heilen kann.
Unter dem uns vorliegenden chirurgischen Materiale
der Indianer haben wir auch Höhlen wunden an-
getroffen. Ein Indianer-Häuptling hatte einen Stich
vom zwischen der vierten und fünften Bippe erhalten,
der ihm die Brusthöhle öffiiete. Eine reichliche Blutung
war eingetreten. ir v u i.
„Schliesslich in einem heftigen Hustenanfall blieb ^nde einer Frau in "
ein Lappen der Lunge in der Wunde stecken. Dieses Uganda, bei welcher der
Ereigniss stillte die Blutung, setzte aber die Facultät Kaiserschnitt^ ausgefahrt
des Dorfes in Verlegenheit Eine Consultation wurde Nach-Fww».
abgehalten, in welcher entschieden wurde, dass die Lunge
nicht reponirt werden dürfe, um fernerem Blutverluste vorzubeugen, und dass
das herausgetretene Stück der Lunge abgeschnitten, gekocht und von dem
Häuptling gegessen werden müsse. Das wurde in verabredeter Weise aus-
geführt Granulationen bildeten sich unverzüglich auf der Schnittfläche der
Lunge, der Process der Eiterung in der äusseren Wunde begann sofort
nach Befreiung der strangulirten Lunge, welche an ihren Platz in der Brust
zurückkehrte. Die Hautdecken schlössen sich über dem Intercostalraum,
aber die Muskelsubstanz blieb verlagert,'* sodass eine Lungenhemie ent-
stand, die bei jedem Hustenstosse sich stark hervorwölbte.
Ein anderer Indianer hatte zwei Tatzenschläge von einem Grizzly-
Bären erhalten. Der eine ging ihm links über das Gesicht, hatte ihm Ohr
und Wange zerrissen und das linke Auge vernichtet Der andere hatte
ihm an zwei Stellen die linke Thoraxhälfte eröffiiet Blut und Luft drang
daraus hervor.
Als man ihn auffand, hielt man ihn für todt Er wurde in seine Hütte
getragen, und in eine solche Lage gebracht, dass Blut und Eiter frei aus
284 XV. Die grosse Chirurgie.
der Brust ausfliessen konnten. Seine Wunden wurden emsig niit schleimigen
Decocten gewaschen und in wenigen Monaten war er im Stande, die Heise
nach der Agency at Sault Ste. Marie zu unternehmen.
Ueber eine perforirende Bauchwunde bei einem Weddah auf Ceylon
liegt uns ein Bericht von Baker vor. Der Weddah wurde auf einer Jagd
plötzlich von einem grossen Eber überrascht Dieser stellte sich sofort, und
der Weddah ging mit Bogen und Pfeilen zum Angriff vor. ,^ber kaum
hatte er die Bestie verwundet, als er mit grosser Wuth attackirt wurde. In
einem Augenblick war der Eber an ihm und im nächsten Moment lag der
Weddah auf dem Boden mit seinen Eingeweiden aussen. Glücklicher
Weise war ein Begleiter mit ihm, welcher die Eingeweide zurückplacirte
und ihn verband. Ich sah den Mann einige Jahre später; er war völlig
wohl, hatte aber eine schreckliche Geschwulst vom am Bauch, welcher
quer durchzogen war von einer breiten blauen Narbe von ungefähr 8 Zoll
Länge."
Ob hier von dem Gefährten eine Bauchnaht angelegt wurde, geht aus
dieser Geschichte nicht hervor. Immerhin aber müssen wir dem Erfolge der
Operation unsere volle Anerkennung zollen, obgleich, wie das bei der Schwere
der Verletzung nicht überraschen kann, ein grosser Bauchbruch (die „schreck-
liche Geschwulst'*') sich ausgebildet hatte.
118« Die Behandlung der Sehnsswnnden.
Wohl musB es uns verwunderlich erscheinen, da«s .wir so wenig darüber
erfahren, wie sich die uncivilisuten Völker mit ihren Schusswunden abzu-
finden pflegen. Bei ihren Kämpfen mit Bogen und Pfeil, mit dem Wurf-
spiess und mit dem europäischen Gewehre kann es an derartigen Ver-
letzungen doch nicht fehlen. Und dennoch finden wir in den uns zu Gebote
stehenden Berichten dieselben nur ganz vereinzelt erwähnt
Aus den Pfeilwunden saugen, wie wir früher schon sagten, die O p o a t e s -I n d i-
aner in Mexico sobald wie möglich das Blut heraus. Dann streuen sie Peyote-
Pulver ein. „Nach zwei Tagen wird die Wunde gereinigt und mehr von dem-
selben Pulver applicirt; diese Operation wird jeden zweiten Tag wiederholt
und schliesslich wird gepulverte Lechugilla- Wurzel angewendet Bei diesem
Vorgehen werden die Wunden, nachdem sie vollständig geeitert haben, ge-
heilt Aus den Blättern der Maguey, Lechugilla und Date-palm, wie von
dem Rosmarin machen sie ausgezeichnete Balsame zur Heilung von Wunden.
Sie haben verschiedene vegetabilische Substanzen, um den Durst verwundeter
Personen zu löschen, während Wasser als schädlich betrachtet wird."
Von den Dacota-In dianern wird angegeben, dass sie die Schuss-
wunden meist der Natur überlassen. Und so scheint es auch dem 42 Jahre
alten Kiowa-Häuptling Sitamore ergangen zu sein, der in einem Gefechte
mit den Pawnee-Indianern einen Pfeilschuss in die rechte Hinterbacke
erhielt Der Schaft wurde herausgezogen, die eiserne Pfeilspitze aber konnte
nicht entfernt werden, weil sie zu tief in den Körper eingedrungen war.
Unmittelbar nach der Verletzung entleerte der Kranke blutigen Urin. Seine
Wunde heilte und sechs Jahre hindurch vermochte er wieder die Büffel zu
jagen. Dann zwangen ihn zunehmende Urinbeschwerden, die Hülfe eines
z:^
119. Die Blutstillung. 285
amerikanischen Militärarztes au&:usuchen. Dieser fand einen sehr grossen
Slasenstein, den er durch einen glücklich verlaufenden Seitensteinschnitt
extrahirte. Der Stein war eiförmig, aus Triplephosphaten bestehend, und
enthielt als Kern die vier Centimeter . lange Pfeilspitze. Er ist in dem
amerikanischen Kriegsberichte abgebildet.
Geschickter pflegen dieWinnebago-Indianer mit den Schuss wunden
umzugehen.
„An erster Stelle reinigen sie die Wunde vollständig, und wenn es ein
Gewehrschuss ist, so extrahiren sie, wenn es ausfuhrbar ist, die Kugel, dann
setzen sie den Mund auf die Wunde und extrahiren durch lange fortgesetztes
Saugen geronnenes Blut und fremde Stoffe, welche in die Wunde hinein-
gekommen sein mögen; danach machen sie Verbände^ um die Entzündung zu
mildem und Eiterung hervorzurufen. Gemeinsam mit der guten Constitution
unterstützt gewöhnlich das Temperament des Kranken die Heilung. Die
Indianer verlassen sich, wenn sie verwimdet sind, selber auf ihre Wider-
standskraft imd sie ertragen Entbehrungen und Schmerzen, ohne an den
nervösen Erregungen zu leiden, welche häufig die Genesung der Weissen
verzögern."
Die Karok-Indianer verschliessen ihre Ffeilschusswunden mit dem
Theer von der Pinus edulis.
Bowditch führt von den Aschanti an, dass Schusswunden an den Ex-
tremitäten gewöhnlich bei ihnen zum Tode fuhren, sobald ein Knochen zer-
schmettert ist, oder ein grosses Blutgefäss zerrissen wurde. Im letzteren
Falle tritt der Tod durch Verblutung ein, weil sie es nicht verstehen, das
blutende Gefäss zum Verschluss zu bringen.
Das chirurgische Können der Eingeborenen in dem Gebiete des Quango
scheint dagegen ein wesentlich Höheres zu sein. Wolff berichtet von seiner
Expedition dorthin:
„Unterwegs hatte ich Gelegenheit, die chirurgische Kunst der Neger
zu bewundem. Einem Neger war im Kriege durch eine Kugel das Schien-
bein zerschmettert worden; zu ihm gerufen, fand ich den Unterschenkel in
einem festen gefensterten Verbände, der, aus an einander gebundenen Binsen-
stäben verfertigt, sich oben an dem Knie und unten an den Kjiöcheln stützte.
Er stellte das gebrochene Glied fest und übte zugleich eine Extension aus,
that also Alles, was wir von einem festen Verbände verlangen können.
Gegenüber der Wunde war der Verband ausgeschnitten, damit der Eiter
und das Wundsekret abfliessen konnte."
Die Mincopies auf den Andamanen pflegen die Schusswunden mit
Blättern zu verbinden; und von den Samoanern hören wir durch Turner:
„Um einen mit Widerhaken versehenen Speer aus dem Arm oder dem Bein
zu ziehen, schneiden sie das Glied an der entgegengesetzten Seite ein und
stossen ihn gerade durch. Amputation wird nie ausgeführt"
119. Die Blutstillung.
Das Stillen von Blutungen macht den Naturvölkern meist sehr erheb-
liche Schwierigkeiten. Für gewöhnUch wissen sie gar nichts damit anzu-
fangen. Die Haidah-Indianer und diejenigen von Alaska benutzen
286 XV. Die grosse Chirurgie.
zur Blutstillung Adlerdaunen, die Dacota- und Winnebago-Indianer
wenden pflanzliche und mineralische Styptica an, und die Karayä in Bra>
silien verstehen sich sogar auf das Abbinden der Glieder. Auch die blut-
stillenden Pulver einiger nordamerikanischer Indianer-Stämme werden
in der Weise angewendet^ dass die blutende Wunde vollkommen mit ihnen
ausgestopft wird und dass sie ausserdem noch durch eine fest herumgelegte
Binde das Pulver an seiner Stelle zu halten suchen. Es ist also sicherlich
der circuläre Druck, der bei dieser Art der Blutstillung besonders wirk-
sam ist
Die Eingeborenen von Manahiki oder der Humphreys-Insel in der
Südsee wenden gegen Blutungen aus Venen oder Arterien Verbände mit
dem schwammigen Kerne einer alten Cocosnuss an.
In Marokko ist das Abhacken von Gliedmaassen als Justizmaassregel
im Gebrauch. Durch circuläre Umschnürung des Stumpfes sucht man der
Blutung Herr zu werden. Wenn das aber nicht zum Ziele fuhrt, so steckt
man die Wunde in heisses Pech.
Wenn in Mittel-Sumatra Jemand verwundet ist, und man kann das
ausströmende Blut nicht stillen, dann glauben sie, dass der Paläsieq, ein
dämonischer Mensch, an der Wunde gesogen habe und dass sie dadurch
unheilbar wird und dass der Verletzte daran sterben müsse.
Von den Südsee-Insulanern, und zwar von den Eingeborenen von
Tahiti, Samoa, Tonga und den Loyalitäts-Inseln berichtet J^2a, dass
sie eine plumpe Art von Toumiquet in Anwendung ziehen, um den Versuch
zu machen, starke Blutungen zum Stehen zu bringen. Dazu benutzen sie
zahlreiche Lagen von der Tapa, dem einheimischen Kleiderstoff, welcher
aus der Binde des Papiermaulbeerbaumes gefertigt wird.
Um starkes Nasenbluten zu stillen, wird von den Indianern Nord-
Amerikas feingepulverte und heissgemachte Kohle in die Nasenlöcher
hineingestopft. Die Harrari haben Medicamente, welche sie dabei in die
Nase einschlürfen.
Wenn ein £jnd auf Nias Nasenbluten hat, so ist das fiir den Vater
eine Strafe, weil er während der Schwangerschaft seiner Frau ein Schwein
geschlachtet hat Um das Nasenbluten zu stillen, ist er dann gezwungen^
dem Ädü Fano'o m amaho'o ein Opfer zu bringen.
120. Da£i eifUien.
Einer ganz ausserordentlichen Beliebtheit erfreut sich dieCauterisatioii.
Die Behandlung mit heissen Blättern und mit heisser Asche sind ja eigent-
lich schon in dieses Gebiet zu rechnen. Davon war oben bereits die Bede.
Die Mincopies auf den Andamanen wenden zur Erleichterung der
Beschwerden bei Hautkrankheiten eine Form des Glühens an. Sie nehmen
einen grossen, flachen Stein, erwärmen denselben sorgfältig am Feuer und
legen ihn dann auf den befallenen Körpertheil.
Aber auch noch energischere Cauterien werden dabei herangezogen.
Das finden wir bei den Choctaw-Indianern und bei den Indianern
von Nicaragua. Die Letzteren werden durch diese Procedur nur in ge-
120. Das Glühen. 287
ringem Grade angegriffen. Bei den Bilqula wird die Cauterisation mit
Schiesspulver oder mit Baumrinde ausgeführt
Die Twana-, Chemakum- und Klallam-Indianer wenden die
Cauterisation zur Bekämpfung rheumatischer Affectionen an. Auch sie be«
nutzen dazu die Cedemrinde, häufig aber auch ein rothglühend gemachtes
Sisenstück.
Auf den Gilbert-Inseln ist nach Finsch das Cauterisiren dui'ch Auf-
legen kleiner Stückchen glimmender Cocusnussschale gebräuchUch.
Auch hartnäckige Geschwüre pflegen einige Indianer- Stämme Nord-
Amerikas mit dem Cauterium actuale zu behandeln, und die Süd-Cali-
fornier legen bei fiischer Syphilis eine glühende Kohle auf die indurirte
Stelle, um sie so zur Heilung zu bringen.
Als eine Art der Cauterisation müssen wir natürlicher Weise auch
die Behandlung der Wunden und Blutungen mit heisser Asche und erhitzten
Blättern betrachten, und dass die Indianer in Cen-
tral-Amerika die Wunden direct cauterisiren, das
wurde oben schon gesagt Auch ist bereits die pro-
phylaktische Cauterisation derFullah in Ost-Afrika
besprochen worden.
In Marokko ist das Cauterisiren eine sehr ge-
wöhnliche Maassnahme. Es werden hierzu besondere
Glüheisen (Fig. 158) gebraucht, die in einem irdenen
Kohlenbecken erhitzt werden. Ein kleiner Handblase-
balg dient dazu, die Gluth gehörig anzufachen. Drei
Formen von Glüheisen sind hier im Gebrauch, ein
messerformiges, ein spatenförmiges und ein münzen-
förmiges. Man sieht auf den marokkanischen
Märkten, sowie in Tunesien und in Tripolis, die
Heilkünstler in ihren dachförmigen Wanderzelten sitzen,
mit den Glüheisen zu sofortiger Anwendung bereit
„Man brennt, sagt Quedenfeldt^ nicht allein Wunden
und Geschwüre aus, sondern rückt auch einer schlecht
geheilten Verrenkung, Rheumatismen, Magencatarrhen, ^' Marokko*" *^'
kurz allen rebellischen Krankheiten, sogar Milz- und mos. f. Völkerkunde, Berlin.
Lebertumoren damit zu Leibe. Der Operateur er- Nach Photographie,
hält eine Okia (Unze, ungefähr fiinf Pfennige) für
das Brennen als geringstes Honorar; Reiche aber zahlen bis zu einer
Peseta, und im Falle, dass das Glühei^en post hoc oder propter hoc Heilung
gebracht, geben sie noch einen Hammel, ein Paar neuer gelber Lederschuhe
und dergleichen drauf."
Ganz ähnlich klingen die Schildenmgen, welche Moore von der ärzt-
lichen Thätigkeit der Eingeborenen von Radschputana entwirft. Hier scheinen
sich besonders die Bheels eines hervorragenden Vertrauens zu erfreuen.
Das bei den verschiedenartigsten innerlichen und äusseren Leiden in An-
wendung gezogene Glüheisen, der Dhag, ist gewöhnlich ein am Ende ab-
geflachtes Eisenstück, welches in dem Augenblick auf die Haut aufgesetzt
wird, wenn es stark rothglühend geworden ist
Li einigen Gegenden von Radschputana, nämlich in den Districten
der Bheels, wird häufig die Application des Glüheisens als Specialität von
288 XV. Die groeae Chirargie.
einem Weibe betrieben. Die Brandschorfe werden Unieofönnig, kreazweise
oder in der Form eines Bestes angelegt, oder auch äeckweise, tod der
Grösse eines Zwei-Anna-Stückea bis zu der einer Rupie. Gebrannt wird
alles, was eine Anschwellung macht, sei es eine entzündliche Schwellung,
ein Tumor, eine Cyste, eine Hernie oder ein verrenkter 8chnlterkop£ Diese
UQTorsichtige Anwendung des Gliiheisens richtet vielfach erheblichen Schaden
an. So war z. B. eine Hydrocele auf diese Weise zur Veijauchung und
der Testikel zur Gangrän gebracht. Die Zahl der applicirten Glüheisen
richtet sich nach der Grösse der Geschwulst. Einen lipomatösen Tamor
hat Moore mit fiin&ig Brandschorfen bedeckt gesehen.
Auf chinesischem und japanischem Gebiet wird das Glüheisen durch
die Hoxa ersetzt Wir haben früher schon hiervon gesprochen. Sie war
vor wenigen Jahrzehnten in etwas energischerer Form auch bei uns noch
im Gebrauch und bedarf hier keiner näheren Beschreibung.
An den milden Beiz der japanischen Moxen erinnert ein Verfahren
der Mincopies auf den Andamanen: „Bei f^ithisiB oder wenn irgend ein
inneres Organ erkrankt ist, so werden von den Freunden des Krfuiken
Schritte getban, um die Machinationen des bösen Geistes, dem die [meiden
des Opfers zugeschrieben werden, zu Nichte zu machen. Zu diesem Zwecke
werden ein oder mehrere Knochen-Halsbänder (Fig. 62) erst fest auf der Stelle
des Schmerzes befestigt, darauf wird ein Stück Bienenwachs to-bul-pid
über ein Feuer gehalten, bis es tropft, und dieses wird dann auf das
Fleisch schnell applicirt Das anhaftende Wachs wird nicht entfernt, aber
es fällt in einigen Tagen von selber ab."
Frwähnen müssen wir aber noch, dass auch auf Tahiti, Samoa,
Tonga und den Loyalitäts-Inseln das Glüheisen bisweilen angewendet
wird. Auf Tonga und Samoa wird es manchmal auch durch eine zer-
quetschte Weinrebe ersetzt, deren scharfer Saft dem Aetzkali nicht un-
ähnlich wirkt Ella sah sie bei einer Lähmung der Beine anwenden. Der
Kranke collabirte mehr in Folge dieser Behandliing, als durch seine ur-
sprünghche Krankheit.
121. Knochenbrttche und Verrenkungen.
131. Enochenbrfiche und Terrenknngen.
Dass die uncivilisirteii Völker sich auch mit KnochenbrUchen und Ver-
renlcuiigeD beschäftigen müssen, das ist hei ihrer Lebensweise selbetrerständ-
lich. Der MechaniamuB der Luxationen scheint ihnen aber nur selten zu
vollem BewuBsteeiB zu gelangen. Wenigstens sind unsere Nachrichten hier-
über von einer überraschenden Dürftigkeit. Bei den Hindu und bei den
Marokkanern wird, wie gesagt, auch gegen diese Verletzung mit dem Glüh-
eisen vorgegangen, und sogar die inveterirten Fälle hoffen sie auf solche
Weise zu heilen. DieAschanti mischen den Brei einer bestimmten Pflanze
mit Pfeffer und legen ihn auf das verrenkte Ghed.
, Neu-Seelaad.
Heber eine Einrenkung nach den Begeln der Kunst fand ich nur eine
einzige Angabe. Dieselbe stammt von der Insel Nias. Man hält daselbst
ausschliesslich solche Personen ftir befähigt, Luxationen wieder einzurenken,
welche mit den Füssen voran geboren worden sind. Allerdings ist es anderen
Leuten erlaubt, den für die Einrenkung notbwendigen Zug an dem luxirten
Ghede auszuüben, aber nur diese durch die Eigenart ihrer Geburt Bevor-
zugten dürfen mit ihren Händen den Rücktritt des verrenkten Gelenkkopfes
in die Gelenkhöhle dirigiren.
Ein geschicktes Einrichten und Bandagirengebro ebener Glie dm aassen
wird uns von verschiedenen Naturvölkern berichtet Sie benutzen zu diesem
Zwecke für gewöhnlich Scbieneur welche sie aus Holz oder aus Baumrinde
fertigen und die durch sorgfältig angelegte Bandagen an dem frakturirten
Gliede befestigt werden. Das wird namentlich von vielen Indianer-
Stämmen gemeldet von der Nordwestküste an bis südlich zu den
wilden Stämmen Brasiliens. Ihre Befähigung ist aber nicht gleich, denn
Bmrtel), H«dlciii der Natarrälksr. 19
290 XV. Die grosse Chirurgie.
während man z. B. von den Creeks und von den Winnebagos die ge-
schickte Handhabung derartiger Verbände rühmend hervorhebt, werden die
ihnen benachbarten Dacota als ungeschickt im Anlegen von Schienen
bezeichnet
Die Schienen sind von Holz oder von Rinde, Letzteres z. B. bei den
Bilqula-Indianern. Einige Stämme lassen die Verletzten in dem Schienen-
verbande liegen, bis die Consolidation der gebrochenen Knochenenden er-
folgt ist Die Heilresultate bei einigen nordamerikanischen Indianer-
Stämmen werden als nicht sehr günstige geschildert, weil sie es unter-
liessen, die nothwendige Extension anzuwenden.
Auch die Eingeborenen von Manahiki oder der Humphreys-Insel
verstehen sich auf das Anlegen von Schienenverbänden bei Knochenbrüchen,
und die Mincopies auf den Andamanen legen auch hierbei Blätter-
verbände an.
Die Winnebago-Indianer wagen sich aber sogar an die comph-
cirten Fracturen heran. Diese sowohl, als auch die einfachen Kjiochen-
brüche bandagiren sie nach erfolgter Einrichtung mit Schienen, und sie binden
dann die Extremität in extendirter Lage fest In dieser Verfassung muss
der Verletzte verbleiben, bis die Fragmente sich vereinigt haben.
Von den Hindu-Aerzten in Radschputana berichtet Moore, da^s
sie zwar die gebrochenen Glieder mit Bambusstücken schienen und banda-
giren, dass sie aber keine B;eposition der verschobenen Fragmente vor-
nehmen und dass daher sehr häufig eine Unbrauchbarkeit des Gliedes entsteht
Auch werden die Bandagen oft zu fest angelegt, und in Folge dessen sieht
man Druckgeschwüre gar nicht selten.J
Die Eingeborenen der Insel Nias bandagiren das gebrochene Glied
mit einem Baumwollenstoff oder mit dünn und weich gemachter Baumrinde.
Wenn Schmerzen eintreten oder Entzündung, so wird das Glied mit dem
ganzen Verbände zur Kühlung in einen frisch ausgehöhlten Bananenstamm
gelegt, welcher je nach Bedürfiaiss mehrmals gewechselt wird. Nach dem
Verlaufe von vier Wochen entfernen sie den Verband, weil sie den Glauben
haben, dass in diesem Zeitraum die Heilung glücklich erfolgt sein müsse.
„Wenn dann das Glied von Neuem bricht, oder wenn der Patient lahm
bleibt, so wird die Schuld nicht dem Arzte zugeschrieben, denn, wie sie
sagen, wer kann sehen, was im Inneren eines Menschen vorgeht!"
Am originellsten und für uns überraschendsten ist unstreitig die Be-
handlungsmethode eines im Uebrigen besonders tief stehenden Volkes, näm-
lich der Eingeborenen von Süd-Australien. Auch hier werden zwar von
einigen Stämmen die Fracturen geschient, aber bei einigen Anderen werden
die Glieder nach erfolgter Geradestreckung in eine Umhüllung von Thon
eingebettet Dieser erhärtet dann und schützt die Bruchenden vor erneuter
Verschiebung.
Bei einem Knaben, welcher durch einen Sturz vom Pferde eine Fractur
des Kiefers erlitten hatte, bedeckten sie sein ganzes Gesicht mit einer dicken
Maske von Thon. Die Heilung war eine ausgezeichnete. In einem Falle
hatten sie einem verunglückten Manne den gebrochenen Schenkel mit
Schienen und Bandagen verbunden. Als sie ihn dann aber zu dem Lager
der Seinigen bringen wollten, nahmen sie ihm den Schienenverband ab und
-1
1'22. Der Krankentransport. 291
ersetzten denselben durch solch einen Verband von erhärtendem Thon.
Auch hier war die Heilung eine Tollkommene, ohne eine Spur von Diffor-
mität oder Ijahmheit zurückzulassen.
13S. Der EraDkentranspoit.
Es wird vielleicht am passendsten sein, wenn wir an dieser Stelle
gleich folgen lassen, was wir über den Krankentransport der Naturvölker
erfuhren, van Hasselt fand bei der niederländischen Expedition nach
Mittel-Sumatra für die Beförderung der Kranken und Verletzten Hänge-
matten im Gebrauch, welche meistens aus Baumrinde hergestellt werden.
Man benutzt dort aber auch einen besonderen Stuhl (Fig. 159), der nach Art
einer sogenannten Kraxen, wie sie bei tms in den Alpen gebräuchlich sind,
auf dem Bücken getragen wurde. Auf einem ähnUchen Stühlchen (Fig. 160)
wurde auch ein sechsjähriger Knabe getragen, welcher angeblich durch den
Dämon Isjtanah vollständig lahm war. Der Stuhl hat eine kleine Lehne,
einen schmalen Sitz, und die schräg nach hinten gerichteten vorderen Füsse
stützen sich gegen die hinteren Füsse des Stuhles.
Von den Maori auf Neu-Seeland wird eine Art Hängematte zum
TrsuiEporte benutzt, welche sie mit dem Namen Amoo (Fig. 161) be-
i^eichnen. Sie hängt an zwei parallelen Tragestangen, welche auf den
Schultern der Träger ruben und Tom und hinten durch ein Querholz ver-
bunden sind. Zu den Stangen benutzt man passende Baumäste, und das
Netzwerk der Hängematte improvisirt man aus dem wilden Flachs, welcher
19*
292 XV. Die grosse Chirurgie.
fest und haltbar ist, eine Höhe von mehreren Fuss erreicht und überall
wächst Diese Tragen sind so practisch befunden, dass sie auch von den
weissen Occupationstruppen adoptirt worden sind. Uebrigens gilt das
Letztere auch von den verschiedenen Arten der Hängematten und Trage-
einrichtungen, wie sie im Himalaja und von den verschiedenen Stämmen
Indiens in Anwendung gezogen werden.
Die Dacota- und Winnebago-Indianer construiren für ihre Ver-
wundeten in sehr geschickter Weise Sänften (Fig. 162), und sie kommen
damit schneller zu Stande, als das bei den Weissen der Fall zu sein pflegt.
„Zu diesem Zwecke nehmen sie zwei Stangen, 4 oder 5 Fuss länger,
als die zu befördernde Person, und legen sie parallel auf die Erde 2 oder
3 Fuss von einander entfernt Quer darüber in passender Entfernung
werden zwei kurze Stangen gelegt, rechtwinklig zu den ersten und hier mit
ledernen Riemen festgebunden. Ueber die Stangen wird ein Blanket oder
ein Büffelkleid gelegt, das ausgespannt und in gleicher Weise festgebunden
wird. Hierauf wird der Kranke gelagert Zwei Tragriemen werden nun an
die Enden der langen Stangen gebunden, in der Weise, dass, wenn die Träger
zwischen ihnen stehen, die Mitte des Siemens fest oben auf ihrem Kopfe
liegt und sie bequem mit den Händen die Enden der Stangen fassen können.
Wenn sie aufbrechen, so kauert sich eine Person an jedem Ende der Trage
nieder, und wenn sie den B;iemen über ihren Kopf gelegt haben, fassen sie
mit den Händen die Stangen und richten sich auf, wenn nöthig, von einigen
Beistehenden unterstützt, und dann brechen sie auf und halten Schritt mit
einander, und auf diese Weise werden Kranke und Verwundete manchmal
sicher viele Meilen an einem Tage befördert in einer Gegend ohne irgend
einen Weg für Wagen oder Pferde." Bisweilen werden auch, wenn es das
Terrain gestattet, die beiden Träger durch zwei Pferde ersetzt
1S3. Amputationen.
Lassen sich die uncivilisirten Völker auch auf Amputationen ein? Da«
ist eine Frage, deren Erörterung wir noch zu unternehmen haben. XJeberall
dort, wo man uns berichtet, dass die Eingeborenen weder von der Behand-
lung schwerer Wunden, noch auch von einer Stillung der Blutung irgend-
welche Almung besitzen, werden wir es nicht erwarten können, dass sie sich
an Amputationen wagen. Ja sogar von solchen Volksstämmen, welche in
Bezug auf ihr chirurgisches Können immerhin schon eine leidliche Ent-
wickelungsstufe erstiegen haben, wird es uns manchmal ausdrücklich berichtet,
dass sie Amputationen nicht unternehmen. So hören wir von den Creek-
Indianern, dass sie niemals amputiren. Das Gleiche gilt von den Winne-
bago- In dianern, und der Berichterstatter fügt hinzu: „Ihre Praxis lehrt,
dass die Amputation nicht immer nothwendig ist, wenn die weissen Chirurgen
dieses erklären."
Den Dacota-Indianern wird nachgesagt, dass sie „selten" ein Glied
amputiren. Wir müssen hieraus die Folgerung ziehen, dass es doch bis-
weilen vorkommen muss.
Ein Insulaner der Loyalitäts-Insel Uvea wollte sich von einem
Panaritium befreien. Er holte einen Meissel aus der Werkstatt, setzte ihn
123. Amputationen. 293
rtuf den Fiuger und liess durch einen Hammerschlag sich von einem Freunde
den Finger amputiren. Es musste eine Nachainputation gemacht werden.
Die Amputation der einen oder beider Hände winl, wie bekannt, bei
manchen Stämmen als eine Scharfrichteroperation zum Zweck der Bestrafung
ausgeführt. Quedenfeldt berichtet, dass in solchen Fällen oft mit heissem
Pech die Blutung gestillt wird. Wir hatten das oben bereits erwähnt
Wahrscheinlich dürfen wir aber auch annehmen, dass in diesen Tjändem,
wo mau hier und da den glücklichen Ausgang einer solchen Strafaiuputatiou
/u beobachten vermag, man wohl auch bei
Zerschmetterungen der Finger und Hände
ein ähnliches Verfahren versuchen wird.
C&rre sah einen Fullah vom Rio
Nunez, dem man wegen Diebstahls die
Hand abgehackt hatte. Der Aniputations-
stunipf war „tr^s regulier" und in toU-
kommeuster Weise vernarbt.
Capello und Jvens erzählen von ihrer
Reise in das Yacca- Gebiet von West-
Afrika, dass Fälle von amputirten Schenkeln
bei den Negern gewölmlich waren, veran-
lasst durch die Zerstörungen, welche der
Handäoh iu ihren Uuterextremitäten hervor-
gebracht hatte. Die Schwarzen „hatten es
zugelassen, die Beute dieses schlimmen In-
sektes zu werden, so dass dann schliesslich
jegliche Behandlung , abgesehen von der
Amputation, unniüglich ist, weil der be-
fallene Theil buchstäblich von den Thieren
wimraelt". Es geht aus dieser Angabe nicht
mit Sicherheit henor, wer denn nun die
Amputation ausgeführt hat; ob sie von den
Negern unternommen wurde, oder ob die
iirnien Leute von Europäern araputirt
wonlen sind.
Krücken und i)rothptisclie A])puratc sind
im Ganzen wohl den Natu nöl kern unbekannt.
Wir haben ja schon gehört, dass das lahme
Kindchen in Mittel-Sumatra auf einer
stnhltönnigen Trage auf dem Kücken beiör-
dert wurde; Krücken oder stützende Stöcke ""«»ebPhoweriiiWo.'^'"''
scheint dasselbe nicht besessen nu haben.
Bei den Buschnegern in Guyana traf Orevaux ein Kind und ein
junges Mädchen, welche beide lahm waren in Folge einer Hüftgelenks-
entzündung. Auch hier war der Gebrauch der Krücken unbekannt; die
Kranken schleppten sich mühsam weiter, indem sie sich mit einem grossen
Stocke stützten.
Palla» hat bei den Sagajern am grossen Syr von einem berülimteii
Schamanen iu Erfahrung gebracht, dass ihm die Geister schon den einen
Ii'uBs unbrauchbar gemacht hätten. Er sollte aber im Stande sein, .,mit
294 XV. Die grosse Chirurgie.
seinem hölzernen i'usse die besten Zaubprsprünge zu verrichten". Es ist
im höchsten Grade bedauerlich, dass die Yon Pallas abgeschickten Boten
den Wundemiann nicht zu Mause trafen. Er hatte sich jedenfalls aus dem
Staube gemacht, um vor Rdlas nicht seine Zauberkünste zeigen zu müssen.
Wir kommen aber dadurch um die Möglichkeit, über die gewiss recht interes-
santen Einzellieiten dieses Stelzfiisses etwas Genaueres in Erfahrung zu
bringen.
124. Die BrncIiscliBden.
Von den t'nterleibsbrüchen stehen bei den Natnnölkeni in Bezug auf
ihre Anzahl und Verbreitung die Nabelbrüche bei Weitem obenan. Es hängt
dieses mit der Art zusammen, wie der Nabelstrang von dem Kinde getrennt
wird und wie die Mütter und die helfenden Weiber nachher mit dem Xabel
Fig. 164. Bruchband, Marokko. ÄeusBere Ansicht.
Hds. r. Talkerkoude, Beillu. — Nach PhotoKrapUe.
des Kindes verfahren. Ausführliches über dieses Thema findet man in
meinem niehrl'ach citirten Werke zusammengestellt Namentlich sind es die
afrikanischen Völker, bei welchen grosse Nabelbrüche zu den ganz alltäg-
lichen Erscheinungen gehören. Dieses ist ihnen so zum Bewusstsein ge-
kommen, dass sie sehr häufig sogar ihre in Holz geschnitzten Fetischfiguren
(Fig. 163) mit einer grossen Nabelbeniie darstellen. Das gilt für viele
ihrer weiblichen Figuren sowohl, als auch für männliche. Es muss daher
bei uns die Vemmtliung erwecicen. dass sie solch einen Nabelbruch entwedei-
iiir eine grosse körperliche Schönheit ansehen, oder dass sie ihn sogar als
zur normalen menschlichen Form gehörig betrachten.
Hiemach lässt es sich wohl begreifen, dass von Scliutzvomchtungen
oder von Maassnahmen, um einer allmählichen VergrÖssening der Nabel-
brüche zuvorzukommen, bei diesen Volksstämmen nirgends die Hede ist.
Allerdings ist mir aber auch keine Angabe bekannt, dass bei dieser Art
der Missbildungen bedrohliche Erscheinungen gesehen worden wären.
124. Die Bruchschäden. 295
Was die Leistenbrüche anbetrifft, so ist von diesen nur selten die Rede.
In Harrär haben sie ein Medikament, welches den Namen Martäss führt
und „zerstossen, mit Bindssuppe genossen, gegen den Leistenbruch" gebraucht
wird. Auf der Lisel Bali behandeln die Specialärzte für Bauchkranklieiten
auch die Leistenbrüche mit ihi*er Massage.
Grefährlicher ist schon ein Eingriff, dessen Endergebniss Moore bei einem
Inder in Badschputana sah. Der einheimische Arzt hatte ilim das Glüh-
eisen auf einen eingeklemmten Leistenbruch gesetzt, sicherlich ohne irgend
welche Ahnung von dem Wesen der Erkrankung zu haben.
Ein Eingeborener der Loyalitäts -Insel Uvea operirte sich selbst
eine Schenkelhemie. Er ging an dieser Operation zu Grunde.
Von den Indianer-Stämmen der Vereinigten Staaten giebt SlcAooZ-
craft an, dass sie bei einer Einklemmung der Leistenbrüche allerdings rathlos
Fig. 165. Bruchband, Marokko. Innere Ansicht.
Mas. f. Völkerkunde, Berlio. — Nach Photographie.
daständen, für die nicht eingeklemmten Brüche aber fertigen sie eine Bandage,
welche den Bruch zurückdrängt und in der That eine wirksame Hülfe leistet.
Ein schon ziemlich vollkommenes und ganz sinnreich construirtes Bruch-
band hat Quedenfeldt aus Marokko mitgebracht
Aehnlich wie bei unseren Bruchbändern geht eine mit rothem Leder
überzogene Feder im Halbkreis um die eine Körperhälfte; ein langer B;iemen
an dem hinteren Ende imd eine Schnalle an dem vorderen gestatten es, den
Verschluss zu vollenden. Am vorderen Ende der Feder ist ein Zahnrad,
gegen welches ein vertikaler Stab sich anstemmt. Er trägt an seinem unteren
Ende die Mitte eines horizontalen Eisenstabes, und an den freien Enden
des Letzteren sitzt wiederum ein verticaler Stab, der unten die Pelotte
trägt. Dieses System von Stäben mit den beiden Pelotten eiinnert in der
Form an eine kleine Waage mit aufgekippten Wiegeschalen. Die Pelotten
296 XV. Die grosse Chirurgie.
bilden flache Kugelschaleu und Rind ebenfalls mit rothem Leder bekleidet
Das Bruchband ist für einen doppelseitigen Leistenbruch bestimmt (Fig. 164
imd 165).
125. Operationen an den männlichen Harn- und Gesehleehtsorganeiu
Blutige Operationen an den männlichen Geschlechtstheilen werden seit
uralten Zeiten ausgeführt. Von den leichteren derselben, den Beschnei-
dungen u. s. w., haben wir früher bereits gesprochen. Erinnert soll hier
auch nur werden, ohne dass wir näher auf den Gegenstand eingehen, an die
bei orientalischen Völkern so weit verbreitete Castration.
Die Castration führen übrigens auch die Eingeborenen von Tahiti,
Samoa, Tonga und den Loyalitäts- Inseln aus zur Beseitigung der
Hydrocele und zur Behandlung von Hodenentzündungen.
Einer näheren Betrachtung müssen wir aber einige andere Operationen
unterziehen. Wir nennen hier zuerst die Lithotomie.
Die Steinbeschwerden sind einzelnen der unci\'ihsirten Völker wohl-
t)ekannt. Unter dem Heilschatze der Aschanti befindet sich nach Bowditch
das Neeöndoo, „die Arzney, die sie am höchsten halten. Vier Nüsse
wachsen in einer Hülse auf einem sehr grossen Baum vom härtesten Holze;
sie werden begierig gekauft, da sie nur an den Grenzen von Empoöngwa
wachsen, und die mit dem Steine Behafteten gebrauchen sie mit vielem
Erfolge".
Nach Fleming Carrow wird von den Chinesen gegen die Stein-
beschwerden die Moxa oder das Glüheisen angewendet. In Laos fand Bock
eine grosse Anzahl von Steinkraoken, er unterlässt es jedoch, anzugeben, wie
man ihre Beschwerden zu lindem sucht. Auch in Indien kommt der Blasen-
stein in einer ganz erstaunüchen Häufigkeit vor. Jetzt suchen die Inder in
vielen Fällen in den Regierungshospitälem Hülfe, und dass der Beistand der
einheimischen Aerzte nicht immer ein sehr befriedigender ist, das beweisen
Fälle, wie sie Moore in Radschputana gesehen hat, wo schliesslich der in
den Blasenhals eingekeilte Blasenstein aus einem Abscess am Damm sich
entleerte. Eine Reihe der einheimischen Aerzte wagt sich aber auch an
den Steinschnitt heran. Es sind dieses meistens Specialisten, ähnlich wie
die europäischen Steinsclmeider früherer Jahrhimderte. Auch ihre Opera-
tionsmethode scheint im Allgemeinen die gleiche zu sein. Ein Finger wird
in den After geführt und vom Mastdann aus der Stein fest gegen das
Perinäum angedrückt, bis sich dort eine Erhöhung hervorwölben lässt Dann
wird mit einem gewöhnlichen Basinnesser ein tiefer Einschnitt in den Damm
gemacht, bis auch die Wände der Harnblase durchtrennt sind, und danach
wird der Stein mit einer Zange entfernt.
Die Aehnlichkeit zwischen diesen indischen Lithotomisten und den
alten Steinschneideni Europas wird durch den Umstand noch erhöht, dass
auch die Ersteren, Praxis suchend, im Lande umherziehen. Uebrigens haben
sie nach der Angabe von Keelan in Hy der ab ad auch innerliche Mittel
gegen den Stein. Unter diesen Medicamenten, welchen man die Fähigkeit
zuschreibt, die Steine innerhalb der Harnblase aufzulösen, spielen gepulverte
Perlen eine hervorragende Bolle. Diese, sowie auch werthvoUe Steine werden
125. Operationen an den männlichen Harn- und Geschlechtsorganen. 297
in Gegenwart der Patienten zerstossen und, dem einzelnen Fall entsprechend^
ihnen darani' eingegeben. Diese kostbare Medicin nehmen sie mit vollem
Vertrauen ein.
Unter den Matakau- oder Verbotszeichen von der Insel Serang findet
sich auch eins (Fig. 166), das demjenigen, welcher das Verbot tibertritt, ein
Bluturiniren anzaubern soll. Es giebt ja nun bekanntlich allerdings gewisse
Malaria-Erkrankungen, bei welchen blutiger Urin gelassen wird. Hierher
gehört das namentlich an der Goldküste Afrikas sehr gewöhnliche Black«
water-Fever. Aber bei unserem Matakau ist doch höchst wahrscheinUch an
Steinbeschwerden gedacht worden. Es besteht aus einem horizontalen Holzstück,
auf welchem, von Domen oder Spähnchen getragen, fünf ringförmig zusammen-
gerollte Blätter sich finden. Die Blattstreifen sind aber derartig zusammen-
gebogen, dass sie in eine vordere Spitze auslaufen. "Wie ich vermuthe, soll
jedes Blatt einen spitzen Blasenstein repräsentiren, dessen Spitze die Schleim-
haut verletzen und die Blutimg hervoiTufen soll.
Eine eigenthümUche Operation an den männlichen Genitaüen wird ims
von r. MikluchO'Maclay und einigen Anderen berichtet. Sie ist bisher eine
imbestrittene Domäne gewisser Stämme von Australien und wird im All-
gemeinen mit dem Namen Mika, von dem am Coopers Creek wohnenden
Dieyerie-Stamme mit dem Namen Kulpi
bezeichnet. Sie besteht in einer vollständigen
Aufschlitzung der Hamröhi-e auf der Unter-
seite des Penis, von dem Orificium cutaneum
in der Eichel bis zu dem Hodensack hin.
Diese absonderUche Operation wird bei fast
allen Jünglingen der betreffenden Stämme
„^^«««rx-v.«^«« „«^ ««^«« :,v. Au^.. ,,^« „«,xif Fig. 166. Verbotszeichen voti Serang,
vorgenommen und zwar im Alter von zwölf ^^ ^^^ Uebertreter Blutharnen verl
bis vierzehn Jahren. Wenigstens hat man ursacht
gerade Knaben dieses Alters mit noch ent- NachÄ*«w.
zündeten oder Msch veniarbten Wunden ge-
sehen. Nach überstandener Operation dürlen sie wie die erwachsenen Männer
ohne das bei Knaben übKche Schamtuch umher gehen.
Nach Taplin wird die Operation in folgender Weise ausgeführt Ein
passend gearbeiteter Känguni-Knochen (vom Walibi) wird in die Harnröhre
eingeführt bis zum Ansätze des Scrotum, und dann wird er hier so hervor-
gedrängt, dass er durch die Weichtheile zu Tage tritt. Schliesslich nimmt
darauf der Operateur die Aufschlitzung mit einem Steuimesser vor. Nach
einem anderen Berichte wird der Einschnitt auch ohne die Leitungssonde
ausgeführt; es wird jedoch dazu der Penis auf ein Stück Baimiiinde auf-
gelegt. Die Nasims am Golf von Carpentaria sollen sich zum Operiren
ausser des Quarzsplitters auch wohl einer scharfen Muschel bedienen, v. Mih-
lucho-Maclay bildet ein zur ]VIika-Operation dienendes Messer von den Ein-
geborenen am Herbert-Flusse ab. „Dasselbe ist ein Quarzitsplitter mit
einem Stiel, welcher aus dem (durch Pettzusatz) gehärteten Safte des Gras-
baumes (Xanthonlioea) hergestellt ist" (Fig. 167). Bei den Dieyerie wird
gleich nach der Operation ein Baumrindenstück so auf der Wunde befestigt,
dass sie sich nicht wieder schliessen kann. Die Nasims legen ein Stöckchen
oder einen dünnen Knochen in die frische Wunde, um sie an sofortiger Ver-
klebung zu hindeni.
298 XV. Die grosse Chirurgie.
lieber die Wirkung dieser Hararöhreuspultung erfalu-en wir dann iiwli
Folgendes. Die Urethra bildet nun uatiirlich keine ßöhre. sondern nur eine
äache Rinne auf der Unterseite des Gliedes. Und die äussere Oeffnung dfr
Harnröhre befindet sich hart vor dem Hodensack. Der Urin wird wie von
den australischen Weibern mit breitgestellten Beinen im Stehen entleert.
„Wenn die Wunde geheilt ist, erscheint (bei den Nasims) der Penis sehi
zusammengezogen, imd hat im collabirteu Zustande das Aussehen eine*
grossen Knopfes." •) .,Bei der Erection soll der operirte Penis sehr breit und
äach werden und das Sperma bei der Ejaculutiou ausserhalb der Vagina
ausfliessen." Was mit dieser Operation l>ezweckt wird, lüsst sich aus letzterer
Angabe ersehen. Es handelt sidi wohl zweifellos um eine Beschränkung der
Nachkomjneuschaft, und die Eingeborenen vom Herbert-Fhisse geben dies
auch ohne Weiteres als den Beweggrund hierfür an. Die Stämme vom Port
Lincoln sageu allerdings, dass sie es nur thäten.
weil ihre Väter es so gemacht hätten. Aber auch
die Nasim-Weiber bestätigen, dass solche Slän-
ner sie nicht zu bi-fi'uchten vermochten.
Es ist nun sehr beraerkeuswerth, dass einzelne
Männer im Stamme ausgespart werden, denen der
Penis niclit vei-s tummelt ist Im Allgemeinen
scheinen dieses besonders kräftige Leute zu sein.
Nur bei den Nasim ist es umgekehrt: „Es
scheint, dass die stärksten jungen Leute vorzugs-
weise für die Operation gewählt werden, welclie
Wahl bei diesem Stamme als eine Ehre angesehen
wird." Allerdings giebt der Berichterstatter an.
dass sie von den AVeibem bevorzugt werden.
Wenn nun auch die Eingeborenen Austra-
liens, soweit bis jetzt unsere Nachrichten reicheu,
Fig. 167. Eteinmeeeer der »>it dieser kosmetischen, oder, wenn man will, mit
Auetralneger vom Her- dieser uationalökono mischen Operation, eine vöUig
bert-FluBs ^üi^^die Mika- -^^^^ Stellung einnehmen, so gilt doch nicht da.s
An« zoitadir. f. Ethnologie. Gleiche auch von der Urethrotomia externa
^^' ^^- überhaupt. Für diese wird uns eine Analogie
von Karl von den Steinen mitgetheilt. Bei seiner
Xingu-Expedition in Brasilien traf er bei den Bakairf im Wasser
Candiriis, d. h. „ein hier 2 cm langes transparentes Fischchen mit gelber
Iris, das gern in die ihm zugänglichen Körperhöblen eindringt. Wenn das-
selbe, wie häufig voikommen soll, in die Urethra schlüpft, ist die Lage wegen
der gleich Haken sich in die Schleimhaut einbohrenden Flossen sehr kritisch;
gelingt es nicht durch ein warmes Bad den Störenfried herauszuschafiTeD,
bleibt nur die O]»eration übrig. Es soll sich der Sertanejo alsdann aucb
nicht besinnen, die Urethrotomie auszuführen und in vielen Fällen an diesem
heroischen Verfahren zu Grunde gehen."
*) Die sehr gute Photographie eines solchen Operirten hat kürzlich die
Berliner anthropologische Gesellschaft von Herrn B, H. Parcell in U elbourne
erhalten.
Operationen am Halse und Trepanationen.
12€. Operationen am Halse nnd Trepanationen.
Die Operationen an dem Halse würde ich nicht mit in das Bereich
dieser Besprechungen gezogen haben, wenn nicht gerade von ihnen ein paar
interessante Beispiele gemeldet würden. Der Eine wurde in Persien Folak
von einem einheiraischen Chirurgen niitgetheiit Der Letztere fand bei emeni
Patienten am Halse eine grosse Anschwellung. Er wollte den Mann davon
befreien, aber schon nach den allerersten Schnitten trat eine profuse Blutung
ein. Nun erst durchschaute er den Ernst der Situation. Er erklärte dem
L
Fig. 168. Eiwrner Haken
ffir Hal>opeiation«n,
UauSBA. na USB» nauBBa.
Miu. t. YSIkerknndc, Berlin, — Nkcli Pbotoeraphle.
Patienten und dessen Angehörigen, dass er eiligst nach seinem Hanse müsse,
imi noch einige Instrumente zur Blutstillung zu holen. Er eilte fort und
floh ans der Htadt, den Kranken seinem Schicksal überlassend.
Man kann aus dieser Geschichte erseliwi, wie ausserordentlich wenig
die persischen Chirurgen von der Gefährhchkeit solcher Operationen am
Halse wissen. Wahrscheinlich hat imser Operateur sich die VerhältnisBe
vorgestellt migefähr wie bei einem Blutgeschwür.
Da sclieinen die Medicin-Manner der FuUah im Gebiete des Rio
Nuiiez doch einen bedeutend höheren Gi'ad von Gesciiicklichkeit zu he-
300 XV. Die groBae Chirurgie.
sitzen. Dieselben bekämpfen die so äusBerst gefährliche Schlafkrankheit
durch eine ÄusBchälimg der geschwollenen Drüsen am Halse. Corre hat
Kotch einen Fullah gesehen, der die Operation in seiner Kindheit durch-
gemacht hatte. Er zeigte an jeder Seit<i des Halses eine Narbe von auasiT-
»rdentlicher Grösse.
Unter den chirurgischen Instrumenten, welche Robert Flegel von dfii
HauBsa mitgebracht hat, befinden sicU auch einige, welche bei einer Hals-
krankhett in Anwendung kommen, die mit dem Namen Beli bezeichnet wird.
Sie soll unserer Bräune ähnlich sein und es sollen mit den InstrumenteD
schleimige Häute aus dem Halse herausgeholt werden. Es sind zwei kleine
eiserne Haken (Pig, 168, 169). deren umgebogenes Ende aus einem flachen
Eisenstück besteht; femer gehört dazu ein spatelähnliches Instrument (Fig. 169),
das vielleicht zum Niederhalteu der Zunge benutzt wird. Das vierte Stück end-
lich erinnert au einen Hohluieissel (Fig. 170), an dessen gedrehtem Stiel eiue
kleine Schelle hängt, nebst ein Paar kleinen Kingen. Ein Zeugstreifen ist
um den Stiel gebunden. Diese Instrumente gehören in ein kleines wurst-
formiges Besteck von Leder (Pig. 171),
Als oben von den Knochenbrüchen die Rede war, hatten wir bereits
den Fall berichtet von dem Indianer, welchem nach einer, Verletzung durch
einen Grizzly-Bäreu Kiiochens|>litter aus dem Gehirn gezogen wurden. K*
ist das ja nicht eigenthch eine Trepanation, sondern eine 0])eration, wie die
Noth sie vorschrieb.
Aber auch von wahren Trepanationen liegen uns genaue Be-
richte vor. Samuel Ella lebte hmge Zeit unter den Eingeborenen der
Loyalitäts-Insel Uvea, welche sich noch in der Steinzeit befinden, deivn
Culturstute also ungefähr derjenigen entspricht, auf welcher einst die Eur<i-
päer während der neolithischen Periode standen. Ella schreibt nun von
den Uvea-Insulanern: ..Eine wahrhaft überraschende Operation wird hier
ausgeführt. Hier herrscht die Ansicht, dass Kopfschmerz, Neuralgie, Schwindel
und andere Gehimaffectionen durch einen Spalt im Kopfe oder durch Druck
des Schädels auf das Gehirn verursacht würden. Das Heilmittel hierfür
besteht darin, dass sie die Weichtheile des Koptes mit einem -| — oder T"
Schnitte durchti-ennen und mit einem Stück Glas den Schädel sorgfältig mid
behuteam schaben, bis sie in den Knochen in ungefährer Ausdehnimg eines
Kronenstückes ein Loch bis auf die Dura mat^-r gemacht haben. Manchmal
wird die Schabe-Operation durch einen ungeschickten 0])erat«ur oder in
Folge der Ungeduld der Freunde bis auf die Pia mater ausgedehnt, und
dann ist der Tod des Patienten die Folge."
126. Operationen am Halse und Trepanationen. 'AQi
„Im besten Falle stirbt die Hälfte voa denen, die sich dieser Operation
unterziehen; jedoch ist aus Aberglauben und Sitte dieser barbarische Ge-
brauch so herrschend geworden, dass nur sehr wenige erwachsene
Männer ohne dieses Loch im Schädel sind. Es ist mir berichtet
worden, dass bisweilen der Versuch gemacht würde, die so exponirten Mem-
branen im Schädel durch das Einsetzen eines Stückes Cocosnus&Bchale unter
die Kopfhaut zu decken. Für dieBeo Zweck wählen sie ein sehr dauer-
haftes und hartes Stück der Schale, von dem sie die weichen Theile ab-
schaben und es ganz glatt schleifen, und sie bringen dann eine Platte hiervon
zwischen die Kopfhaut und den Schädel."
,fPrüher war das Trepanation B-Instrunient einfach ein UaiSschzahn, jetzt
wird aber ein Stück zerbrochenes Glas fiir geeigneter angesehen. Die fiir
gewöhnUch gewählte Stelle des
Schädels ist die Gegend, wo die
Sagittakaht mit der Kranznaht
sich verbindet, oder etwas weiter
üben, gemäss der Annahme, dass
hier ein Schädelbruch bestehe."
Diese interessante Angabe
wird auch von George Turner
bestätigt Er sagt: ,^uf Uea
heBtand die Behandlung von Kopf-
schmerzen darin, den Schmerz aus
der Höhe des Kopfes durch folgen-
den schrecklichen chirurgischen
Eingriff herauszulassen. Die Kopf-
haut wurde aufgeschhtzt und um-
geschlagen und der Schädelkno-
chen mit 'einer feinschneidigeu
Muschel durchgeschabt, bis die
Dura mater erreicht war. Man
duldete nur den Austritt von
sehr wenig Blut. In manchen
Fällen wurde die geschabte Oefl- Fig. 172. Trepanüter ScbUel «iner Momie ans
nung mit einem dünnen Stück Neo-Caledonien.
Cocosnussschale bedeckt; anderen- ^'^'^'^ '"'^' ^»"burg. - n«i, Ph«iogx.phi«.
faUs wurde die durchschnittene
Kopfhaut einfach an ihre alte Stelle gebraclit. Diese Cur hatte manch-
mal den Tod, meistens aber Heilung zur Folge. Dieses Mittel gegen Kopf-
schmerzen hatte eine solche Ausbreitung erlangt, dass die scharfspitzigen
Keulen ganz eigens zu dem Zweck gefertigt wurden, um diese weiche Stelle
auf der Höhe des Kopfes zu treffen und den unmittelbaren Tod zu ver-
ursachen."
Da diese Notiz von IWner sich in seinem Werke über Samoa befindet,
so ist durch unvollständiges Citiren verbreitet woi-den, daas auch bei den
Samoanei'n solche Trepanationen gebräuchlich wären. Das ist nicht der
Fall und es handelt sich hier einfach um eine Verwechselung.
Wenn wir nun hören, dass die Medic in -Männer der Uvea-Inaulauer
von ihren in so primitiver Weise Operirten noch die Hälfte am Leben er-
302 XV. Die grosse Chirurgie.
halten, so kann uns dieses ausgezeichnete Resultat nicht genug niit Be-
wimderung erfüllen. Denn fragen wir, was bei den civilisirten Völkern in
den Händen der geschicktesten Operateure die Trepanation fiir Erfolge bot,
bevor die Einfuhrung der antiseptischen Methode die Wundeiterungen aus-
zuschUessen vermochte, so fällt der Vergleich im höchsten Grade ungünstig
für die Culturvölker aus. Der berühmte Diejfenhach schreibt in seiner „opera-
tiven Chirurgie (IL 17):
„Seit vielen Jahren habe ich die Trepanation mehr gescheuet, als
die Kopfverletzungen, welche mir vorkamen; sie ist mir in den meisten
Fällen als ein sicheres Mittel erschienen, den Kranken umzubringen, und
unter den vielen Hunderten von Kopfverletzungen, bei welchen ich nicht
trepanirte, wäre der Ausgang, während ich so nur verhältnissmässig wenige
Ej*anke verlor, wahrscheinlich bei einer grösseren Zahl ungünstig gewesen,
wenn ich in der Trepanation ein Heilmittel zu finden geglaubt hätte. In
früheren Jahren, wo ich nach empfangenen Grundsätzen vielfach trepanirte,
war der Tod bei Weitem in der Mehrzahl der Fälle der Ausgang."
In dem Besitze des Herrn ümlauff in Hamburg befindet sich die
Mumie eines Neu-Caledoniers (Fig. 172), welcher einer Trepanation er-
legen ist. Ich schliesse dieses aus dem Umstände, dass die Operation nicht
ganz vollendet wurde. Wahrscheinlich also starb der Patient imter den
Händen seiner Operateure. Dass er die Operation nicht überlebte, zeigt
auch der Mangel jeglicher entzündlichen Reaction an den Bändern der
Knochenwunde; und dass es nicht eine Trepanation sein kann, die man an
einem eben Verstorbenen ausführte, etwa um der Seele einen Ausweg zu
schaffen, das wird wiederum dadurch bewiesen, dass die Operation unvoll-
endet blieb. Denn wenn der Mann bereits eine Leiche war, so ist es natür-
lich nicht einzusehen, warum man die Operation nicht zu Ende führte.
Die Trepanationswunde hat ihren Sitz auf der Höhe des rechten Stirnbeins,
ungefähr entsprechend dem Tuber frontale. Sie bildet eine fast kreisrunde
Oef&iung von der ungefähren Grösse eines grossen Zwanzigpfennigstücks.
Der Knochen ist in senkrechter Richtung durchschnitten, doch man erkennt
deutlich an den Rändern der Knochenwunde, dass nicht ein circulär schneiden-
des Instrument, ähnlich einer Trepankrone, den Knochen durchtrennte, sondern
dass diese Dui'chschneidung freihändig mit kui'zen Zügen stattgehabt hatte.
Diese immerhin nicht kleine Oefl&iung ist dem Operateur nun sicherlich
nicht als vollkommen hinreichend erschienen, denn er hat den Versuch ge-
macht, dieselbe noch nach hinten zu vergrössem. Man sieht, dass er um
ein halbmondförmiges Stück die Trepanationsöfl&iung noch erweitem wollte.
Der Schädel war schon so tief eingeschnitten, dass man die Form und Aus-
dehnimg der Nachoperation ganz klar und deutlich erkennen kann; aber die
Schnitte sind noch nicht durch die ganze Dicke des Schädels gegangen und
so haftet das umschnittene Stück noch unverrückt an seinem ursprünglichen
Platze. Nur an der lateralen Spitze durchsetzt der Schnitt schon die ganze
Dicke des Knochens, und von dem für die Entfernung bestimmten Stück ist
die äussere Knochenlamelle heruntergesprengt.
Die Trepanationen des Schädels gehören zu den allerältesten Opera-
tionen der Menschheit. An verschiedenen Stellen Europas haben sich
unter Skeletten der neolithischen Periode, der sogenannten jüngeren Stein-
zeit, mehrfach Schädel vorgefunden, welche ohne allen Zweifel trepanirt
12G. Operationen am Halse und Trepanationen. 303
worden waren. Auch die heraus gescJiDitteoeu Knochen Scheiben hat maD
wiederholeutlich entdeckt, und es konnte nachgewiesen werden, dass dieselhen
uls Ämulete getragen worden sind. Als den Entdecker dieser Thatsache
müssen wir Frunieres bezei<rhnen; ganz eingehend ist dieselbe darauf von
Paul Broca studirt Ein Theil der Schädel war ganz bestimmt erst nach
dem Tode der Trepanation unterworfen worden, bei anderen aber bewies
deuÜiche Vemarhung an den Itändem des künstlichen Schädeldefektea, dass
die alten Chirurgen der Steinzeit nicht nur am Lebenden operirt hatten,
sondern auch dass der Patient die Operation auf lange Zeit überlebte. Auf
die hypothetischen Erörterungen, warum man zu diesen Operationen schritt,
können wir hier nicht näher eingehen. Sie sind in der Abhandlung von TilU
manns in bequemer Weise zusammengestellt worden. Als eine Kegel wird
Fig. 17S. TrepaDiiier Peruaner- Schädel, Fisac.
Hm. /. Tfilkerkimde, BerüD. — NKh Ptiotograpbie.
es hei diesen pi^istorischen Trepanationen hingestellt, dass sie niemals im
Stirnbein ihren Sitz haben.
Bei dem oben erwähnten Neu-Caledonier der Sammlung ümlauff
sass aber, wie sich der Leser erinnern wird, die Trepanationsöffiiung gerade
im Stirnbein; und das Gleiche hatte Statt an einem alten Peruaner-Schädel
aus einem präcolunibischeu Gräberfelde in Yucay, welcher von Scpüer
abgebildet wurde. Die Form der Trepanations-Wunde ist hier eine un-
gewöhnhche imd Squier stellt die Vemiuthung auf, dass diese Operation mit
einem Meissel ausgeführt worden sei. Man sieht auf dem rechten Stirnbein
dieses Schädels zwei Paar parallele Linien, welche sich rechtwinklig schneiden.
Sie sind tief in den Knochen eingedrungen und das kleine, quadratische Feld,
das sie umschliessen, ist aus der ganzen Dicke des Schädels entfernt. Das,
304 XV. Die grosse Chirurgie.
Präparat hat Nelaton vorgelegen. Derselbe gab seine Ansicht dahin ab. dass
der Operirte die Trepanation um imgefähr 14 Tage überlebt haben müsse.
Dem Museum für Völkerkunde in Berlin ist durch Hetiner aus
einem alten Grabe von Pisac in Peru ebenfalls ein trepanirter Schädel
(Fig. 173) zugegangen. Die grosse Trepanationsöf&ung hat in der Seiten-
fläche des linken Stirnbeins ihren Sitz; mit ihrem hinteren Rande greift sie
sogar noch ein ganz klein Wenig in das linke Scheitelbein hinein, da der
untere Theü der Sutura coronaria mit hinweggenommen vnirde. Der untere
Rand liegt nur ganz wenig oberhalb der oberen Grenze der Schläfenbein-
schuppe, und von dem grossen Keilbeinflügel ist das oberste Ende noch mit
entfernt.
Die Form der Knochenwunde lässt es vennuthen, dass, ganz ähnUch
wie bei dem Neu-Caledonier-Schädel, der Operateur es fiir nöthig ge-
halten hat, die Trepanationsöfihimg nachträglich noch um ein gewisses Stück
zu vergrössem. Das primär trepanirte Stück, dem hinteren Theile der Wunde
entsprechend, hatte nahezu die Form eines Quadrats, dessen obere Seit^ etwas
convex ist Bei einer Länge von 28 mm hat sie eine Höhe von 26 mm.
Dieses ausgeschnittene Stück hat mm sicherlich nicht ausgereicht, um
den angestrebten Zweck zu erfüllen, und so hat dann der Operateur die
Wunde nach vom mn ein imregelmässig dreiseitiges Feld vergrösseit. Dabei
ist die obere vordere Ecke des ui*sprünglichen Quadrates als ein in die
Knochenöffiiung ein8j)ringender Vorsprung stehen geblieben, imd er legt mm
Zeugniss ab für diese nachträgüche Erweiterung der Wimde. Das secundär
entfernte Ejiochenstück hatte an seinem hinteren Rande eine Höhe von 17 mm,
während es vom nur 8 mm hoch war; seine Länge betmg 9 mm. Somit
hat also der gesammte künstliche Knochendefect eine Länge von 37 mm.
An der opeiii-ten Stelle ist der Schädel sehr dünn gewesen, was die Operation
ohne Zweifel nicht imwesenthch erleichtert hat. Mit was tür einem Instru-
mente dieselbe vorgenommen wurde, das lässt sich aus der Knochenwunde
nicht ersehen. Aber darüber kann kein Zweifel heirschen, dass der Operirte
die Trepanation glücklich überstanden hat und dass er lange Zeit nach der-
selben, wahrscheinlich Jalire lang hinterher, sich noch am Leben befunden
hat. Das lehren deutUch die Ränder der Knochen wunde, welche vollständig
übemarbt und mit neuer Knochenrindensubstanz bedeckt sind, welche die
Bänder wie zugeschärft erscheinen lässt. Nm' der dem grossen Keilbeinflügel
angehörende Theil zeigt eine massige ostitische Verdickung. Auch die den
Bändem benachbarten Knochentheile lassen die Reste entzündUcher Reaction
erkennen. Dieses Reactionsfeld hat nach vorai eine Ausdehnung von 3 mm.
nach unten .eine von 5 — 6 mm, und am oberen Rande begleitet es die Wunde
in der Ausdehnung eines ganzen Centimeters.
Wir hatten oben von den Trepanationen der Uvea-Insulaner Bericht er-
stattet. Dieselben trepaniren aber ausser dem Schädel auch noch die Extre-
mitätenknochen. Auch hierüber erfahren wir Näheres durch Ella. Derselbe
sagt von diesen Eingeborenen der Loyalitäts-Inseln: „Dieses Mittel der
Knochenausschabimg wird bei dem alten Volke in ähnlicher Weise bei Rheuma-
tismus angewendet. Die Haut wird in der Längsrichtung eingeschnitten und
darauf die Mitte der Ulna oder des Schienbeins blossgelegt. Dann wird die
Oberfläche des Knochens mit Glas geschabt, bis ein grosses Stück der äusseren
]iamelle entfemt ist."
127. Der Bauchschnitt oder die Laparotomien. 305
Wir sehen, dass es an chirurgischem Muth diesen Naturkindem nicht
gebricht, und immer muss es ims mit Bewmiderung enüllen, dass solche wahr-
lich kühnen EingriflFe doch schhesslich noch zu Heilungen fuhren. Allerdings
wird der angestrebte Zweck nur unvollkommen oder gar nicht erreicht. Demi
JElla sagt: „Ich habe niemals Jemanden gefunden, der sich dieser Operation
unterzogen hatte, welcher angegeben hätte, dass sie in der angestrebten Ab-
sicht wirksam gewesen sei. Sie waren rheiunatisch geblieben imd litten
ausserdem noch grosse Pein durch die im Verlaufe des Vemarbimgsprocesses
zu Stande kommende Fixirung der Haut an den Knochen."
127. Der Bauchsclmltt oder die Laparotomien.
Sogar an das Aufschneiden des Leibes, an die Laparotonven, wagen
sich die Naturvölker heran. Bancroß berichtet von einem Onkanagan-
Indianer, den sein Gewährsmann operiren sah. Es wurde ihm mit einem
Messer der Bauch aufgeschnitten und aus dem Inneren desselben eine grosse
Menge Fett herausgezogen. Darauf wurde die Wunde zugenäht und der
Medicin-Mann stellte den Operirten vollständig wieder her.
Auch von einem Chippeway-Indianer wHrd berichtet, dass er an seiner
schwangeren Frau mit glückhchem Erfolge den Kaiserschnitt ausführte.
Das Kind kam ebenfalls mit dem Leben davon. In
Uganda in Central -Afrika hat Felkin einem Kaiser-
schnitt beigewohnt Es war in Kahura im Jahre
1879. Er gab eine Skizze von der Operation, sowie
von dem convexen Messer (Fig. 174), mit welchem ^ig. 174.
der Medicin-Mann sie ausführte, imd auch von der Operationsmesser, Uganda,
vernähten Wunde (Fig. 157). lieber die Ausführung Naoh FeiHn.
dieser Laparotomie äusserte er sich folgendermaassen :
„Die Frau, eine 20 jährige Erstgebärende, lag auf einem etwas geneigten
Bette, dessen Kopfseite an der Hüttenwtmd stand (Fig. 175). Sie war durch
Banana-Wein in einen Zustand von Halbbetäubimg versetzt worden. VöUig
nackt war sie mit dem Thorax durch ein Band an das Bett befestigt, während
ein anderes Band von Baumrinde ihre Schenkel nieder- und ein Mann ihre
Knöchel festhielt Ein anderer, an ihrer rechten Seite stehender Mann
lixirte ihi-en Unterleib. Der Oi)erateur stand zur linken Seite, hielt das Messer
in seiner rechten Hand und munnelte eine Incantation. Hierauf wnisch er
seine Hände sowie den Unterleib der Patientin mit Banana-Wein, und als-
dann mit Wasser. Nachdem er dann einen schrillen Schrei ausgestossen,
der von einer ausserhalb der Hütte versammelten Menge erwidert wurde,
machte er plötzUch einen Schnitt in die Mittellinie, ein wenig oberhalb der
Schamverbindimg begimiend, bis kurz imter den Nabel."
„Die Wand sowohl des Bauches, als auch der Gebärmutter war diu*ch
<liese Incision getrennt und das Fruchtwasser stürzte hen-or. Blutende Stellen
der Bauchwand wm-den von einem Assistenten mittelst eines rothglühenden
Eisens tf)uchirt. Der Operateiu' beendete zunächst schleimig den Schnitt in
die Uteruswand; sein Gehülfe hielt die Bauchwände bei Seite mit beiden
Händen, und sobald die Uterinwjuid getrennt war, hakte er sie mit zwei
Fingern aus einander. Nmi wurde das Kind schnell herausgenommen und,
Bartels, Medioin der Naturvölker. 20
306 XV. Die grosse Chirur^e.
nachdem es einem Asuiötenten übei^eben worden war, durchschnitt man den
Nabelstrang.''
jfDer Operateur legte das Messer weg, rieb den Uterus, der sich zu-
sammenzog, mit beiden Händen und drückt« ihn ein oder zwei Mal. Zu-
nächst fiihrte er seine rechte Hand durch die Incision in die Uterinhöhle,
luid mit zwei oder drei Fingern erweiterte er den Gebärmutter-Cervix Tun
innen nach aussen. Dann reinigte er den Uterus von (rerinusehi, und die
Placenta, die inzwischen gelöst war, wiu^e von ihm durch die Bauchwunde
entfernt. Der Assistent bemühte sich ohne rechten Erfolg, den Vorfall der
Därme durch die Wunde zu verhüten. Das rothglühende Eisen benutzte
man noch zur Stillung der Blutung an der Bauchwunde, doch wurde dabei
sehr schonend verfahren,"
„Während dem hatte der Hauptarzt seineu Druck auf den Uterus bis
zur festen Zusammenziehung desselben fortgesetzt; Nähte wurden an die
Uteruswände nicht angelegt. Der Assistent, welcher die Bauchwände gehalteu
hatte, liess dieselben nun los, und man legte eine poröse Gras-Matte auf die
Wunde. Die B-ande, welche die Frau fesselten, wurden gelöst, sie selbst auf
den Bettrand gewendet und dann in
den Armen eines Assistenten auf-
gerichti't, so dass die Flüssigkeit aiis
der Bauclihöhle auf den Fussboden
abiliessen konnte. Dann wurde sie
wieder in ihre frühere Lage gebracht
und, nachdem man die Matte hiii-
weggeuommen, die auf der Wimde
lag, winden die Ränder der Wunde
d. h. der Bauchwand an einander ge-
legt und mittelst sieben dünner, wohl-
Fig. 175. Kaiserechnitt in Uganda. l>olii-ter eiserner Nägel, die den Äcu-
Hiah FiUtin. pressur-Nadelu glichen, mit einander
verbunden. Dieselben wurden mit
festen Fäden aus RindenstofF umwunden (Fig. l;")?). Schliesslich legte man über die
Wunde als dickes Pflaster eine Paste, die durch Kauen von zwei verschiedeniii
Wurzeln imd Ausspucken der Pulpa in einen Tü2)f hergestellt war, bedeckte
das Ganze mit einem erwärmten Baniinenbiatte und vollendete die Operatimi
durch eine feste, aus Mlmgu-Bast bestehende Bandage,"
„Während des Anlegens der Na<leln hatte die Patientin keinen Schrei
ausgestossen, und eine Stunde nach der 0]jeration befand sie sich ganz
wohl. Die Temperatur der Kranken stieg in den nächsten Tagen nicht be-
deutend (in der zweiten Nacht 101 F.), der Puls auf 108. Zwei Stundeu
nach der Operation wurde das Kind angelegt. Am dritten Morgen wacde die
Wunde verbunden luid man entfenite einige Nadeln, die Übrigen am fiinft*'U
imd sechsten Tage. Die Wunde sonderte wenig Eiter ab, den man mittelst
einer schwammigen Pidpa entfernte. Am eitlen Tage war die Wunde geheilt."
Muss uns hier der chirurgische Muth üben-asclien, so niuss dies aussenleiu
auch noch die physiologische Einsicht dieser Naturvölker, wenn wir erfahren,
dass sie sogar Ovariotomien imtemehmen und zwar iu der vollliewussleii
Absicht, das der Operation unterwoi-fene Mädcheu für die Fortpflanzung un-
tauglich zu machen. Solche Person aab Boberls in Indien; sie wai- ungefälir
127. Der Bauchschnitt oder die Laparotomien. 807
25 Jahre alt, gross, muskulös und yollkommen gesund. Die Fettentwickelung
an dem Körper war eine hinreichende, nur an den Hinterbacken imd an der
Schamgegend war das Fettpolster sehr gering. Pubes hatten sich nicht aus-
gebildet und die Menstruation fehlte vollkommen. Am Cap York in Austra-
lien hat Mac OilUvray eine Stumme gesehen, an welcher, wie die Narben
in der Leistengegend auch bestätigten, die eingeborenen Medidn-Männer die
Exstirpation der Eierstöcke ausgeführt hatten. Als Grund für die Operation
gaben sie an, sie hätten es yermeiden wollen, dass die ünglüddiche stumme
Kinder gebäre.
Ebenfalls unter den Eingeborenen Australiens imd zwar am Para-
pitshuri-See traf Botsh „ein eigenthümUch aussehendes Mädchen, welches,
die Gesellschaft yon Frauen meidend, immer bei den jungen Männern des
Stammes, mit welchen es die Beschäftigung und Strapazen theilte, sich* auf-
hielt. Das Mädchen zeigte eine sehr geringe Entwidtelung der Brüste und
des Fettpolsters überhaupt; die mageren Hinterbacken imd einige am Kinn
wachsende Haare gaben ihr ein knabenhaftes Aussehen. Wenn auch das
Mädchen den Weibern aus dem Wege ging, so zeigte es doch keine be-
sondere Neigung zu den jungen Männern, zu deren geschlechtlicher Befriedigung
sie bestimmt war. Auf zwei längliche Narben in der Leistengegend deutend,
erklärte einer der Eingeborenen, welcher etwas Englisch sprechen konnte,
dass das Mädchen „all same spayed cow^' wäre. Itotsh hatte auch gesagt, dass
dieses Mädchen nicht das einzige Exemplar dieser Art sei, dass diese Operation
von Zeit zu Zeit an Mädchen vorgenommen wird, um den jungen Leuten eine
specielle Art von Hetaira, welche nie Mutter werden kann, herzustellen."
Wenn wir die Berichte von diesen grossen Operationen lesen, so müssen
sie uns mit vollem Rechte in ein nicht geringes Erstaunen versetzen. Sie
alle gehören denjenigen operativen Eingriffen an, welche in den civilisirten
Ländern von den allerberufensten Händen doch nur so selten, wie nur irgend
möglich, und nur mit einer gewissen Scheu unternommen wurden, bevor man
durch das antiseptische Verfahren dahin gekommen war, mit einem hohen
Grade von Wahrscheinlichkeit die grossen Gefahren des Wimdverlaufes, das
Wimdfieber, die Eiterungen und vor allen Dingen die septische Lifection,
die „Blut- imd Eitervergiftimg", auszuschhessen. Diese Methoden beherrschen
die Naturvölker nicht. An schmutrigen Patienten, mit schmutzigen oder ganz
ungenügend desinficirten Händen und mit sicherlich oft höchst imsauberen
Instrumenten fahren sie diese gefährlichen Operationen aus, und dennoch
sterben ihnen nicht nur nicht alle ihre Operirten, sondern sie bringen über-
raschender Weise sogar eine grössere Zahl ihrer Kranken durch, als das
imter den geordneten Verhältnissen wohleingerichteter Kliniken und Kranken-
häuser der Fall war. Dieser Widerspruch ist nicht anders zu erklären, als
dass wir annehmen, die Naturvölker besitzen einen bedeutend höheren Grad
von Widerstandsfähigkeit gegen die Angriffe der Erreger der WundcompUca-
tionen, als die hochcivilisirten Nationen. Ich habe dies an einer anderen
Stelle in austührlicher Weise darzulegen versucht.*)
*) Max Barteis: Culturelle und Rassenunterschiede in Bezug auf die
Wundkrankheiten. Zeitschrift für Ethnologie. Jahrgang XX. Berlin 1888.
S. 169—183.
20^
Schlusswort.
Lassen wir nun zum Schluss noch einmal die Medicin der Naturvölker
an unserem Auge vorüberziehen, so finden wir ei;i absonderliches Gemisch
von -Unverstand und überlegtem Handeln, von falschen Voraussetzimgen und
logischen Folgerungen, von Aberglauben und Gespensterfurcht und von prak-
tischen Fähigkeiten Einzelner. Beherrscht auch ihre Dämonologie scheinbar ihr
gesammtes medicinisches Können, so stossen wir doch auch andererseife auf
manche gute Kenntniss und Maassnahme. Die genaue Bekanntschaft mit
der sie umgebenden Pflanzenwelt, die richtige Beurtheilung ihrer Heilwirkimgen
wird uns vielfach von den Naturvölkern gepriesen.
Von der Kraft des beschwörenden Wortes haben wir häufig berichten
müssen, ähnUch wie in unserer Volksmedicin die Besprechungen reichhch in
Anwendung kommen. In der Volksmedicin wird bekanntlich die verstümmelte
und imverstandene Formel oft für besonders wirksam gehalten. Auch unter
den Beschwörungsgesängen der Klamath-Indianer in Oregon finden sich
manche alterthümliche Formen, deren Erklärung den Indianern bereits schon
einige Schwierigkeiten verursacht. Das Geheimmittel ist, wie wir sahen, bei
den Medicin-Männem der nordamerikanischen Indianer vielfach im
Gebrauch. Ihre Medicamente werden gepulvert und mit wirkimgslosen
Dingen gemischt, nur imi sie nach Geruch und Aussehen fiir den Patienten
unkennthch zu machen. Kostbares, Seltenes und Ekelhaftes wird in der
Medicin der Naturvölker, wie in der Volksmedicin hochgeschätzt.
Aber auch noch viele andere Analogien finden wir zwischen diesen beiden
Gruppen der primitiven Medicin. Es soll hier nur an die Räucherungen und
die Schwitzcuren, an die schablonenhaft ausgeübte Hydrotherapie, an das ein-
schläfernde Magnetisiren, an die purgirenden Heiltrankcuren imd an das
Streichen erinnert werden. Jedermann weiss, welch hervorragende Rolle diese
Methoden bei unserem Volke spielen; und bis in welche Schichten der Be-
völkerung dieses „Volk" auch noch heutigen Tages hinaufreicht, davon geben
auch in Europa tägliche Beispiele deutiich Kunde.
Selbst für das Erbrechen des Medicin-Mannes findet sich eine interes-
sante Parallele. Ein berühmter „Magnetiseur" in Frankfurt am Main,
dem jetzt die erleuchtete Bürgerschaft zuströmt, streicht dem dyspeptischen
Kranken den Magen, wird dann von heftigem Erbrechen befallen imd der
Leidende ist geheilt.
Priester, Beichtvater imd Arzt zugleich, versteht es der Medicin-Mann,
das religiöse Bedürfiiiss imd die seelischen Empfindungen seiner Gemeinde
3 1 2 Schlusswort.
seinen ärztlichen Verordnungen anzupassen. Furcht vor der Gottheit, Opfer
imd Busse, sowie die beängstigende Nähe der Dämonen, deren Kommen und
Gehen und deren Sprechen er durch des Medicin-Mannes Bauchrednerkunst
mit seinen gespannt lauschenden Ohren deutlich zu vernehmen vermag, üben
auf das überreizte Nervensystem des Patienten einen gewaltig suggestiven
Einfluss aus. Vorsichtige Sorge für die Entleerung des überfiillten Magens
imd Darmes, Regelung der Diät imd körperliche Hebung werden ebenfalls
in Anwendung gezogen.
Operative Eingriffe erzwingt bisweilen die Noth des Augenbücks. Waren
sie mehrmals von Erfolg gekrönt, so entwickelt sich der chirurgische Muth.
Und ist nim diese Kühnheit im Operiren auch oft nur die Kühnheit des
Unverstandes, welcher von den drohenden Gefahren auch nicht die leiseste
Vorstellung besitzt, so geht aus solcher Kühnheit doch allmählich die chirur-
gische Gewandtheit hervor, und dieser folgt dann naturgemäss all m ä hli ch
zielbewusstes Können.
Gilt dieses für die Naturvölker allein? Keineswegs, denn auch dem
Gliedersetzer und dem Benkdoktor unseres Landvolkes kommt das Selbst-
bewusstsein auf gleiche Weise. Aber auch mancher hochangesehene Sclmeid-
arzt,' mancher Bruchschneider, Steinschneider oder Staarstecher hat in ver-
flossenen Jahrhimderten bei uns eine ganz ähnliche Entwickelung durchlaufen.
Möge es hiermit genügend sein. Ist es doch, glaube ich, hinreichend
bewiesen, dass ein gemeinsames, festes Band sich durdi diese Ideen hindurch-
schlingt, das die Naturvölker unter einander, sowie mit den Völkern des
Alterthums und mit unseren niederen Volksschichten verbindet Und so
sind wir denn gezwungen, in diesen Gedankengängen gleichsam eine noth-
wendige Function des primitiven Menschengehimes zu erblicken, und somit
dokumentiren sie sich als dasjenige, was wir in der Einleitung behauptet
haben, als echte und wahre Völkergedanken.
Anhang I.
Erklärung der Abbildungen.
Seite
Flg. 1. Mahäkola Ydkscha mit seinen 18 ihn begleitenden Krank-
heits - Dämonen. Holzschnitzerei der Singhalesen (Ceylon). (Be-
sprochen S. 13, 14.) — Geschickt von Freudenberg. Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufinahme des Verfassers . . . 14
Flg. 3. Holzmaske der Teufelstänzer der Singhalesen (Ceylon),
den Nagäsannijä darstellend, den Teufel, welcher Schmerzen verursacht,
die denen des Bisses der Brillenschlange gleichen. (Besprochen S. 14.)
— Mus. £ Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 15
Flg. 3. Holzmaske der Onondaga-Indianer, einen der bösen
Geister Hondoi darstellend, welche die Krankheiten bringen und durch
Tänze, Speise- und Tabaksopfer versöhnt werden. (Besprochen S. 14.)
— Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 15
Flg. 4. Holzmaske der Onondaga-Indianer, wie Fig. 3. (Be-
sprochen S. 14.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufaahme des Verfassers 15
Flg. 6. lAhfi, die Schleimige, weiblicher Krankheits-Dämon der
Zigeuner, welcher Catarrhe und Ruhr verursacht (Besprochen S. 15,
16.) — Nach H, V. Wlislocki: Aus dem inneren Leben der Zigeuner.
Berlin 1892. S. 27 Fig. 6 16
Fig. 6. ForesJcoro, der Geschwänzte, Krankheits-Dämon der Zi-
geuner, welcher die Epidemien verursacht. — Nach jBf. v. Wlislocki,
wie Fig. 5. S. 10 Fig. 2 16
Flg. 7. Ular naga, Gottheit der Alleres en [S. 16 und in der
Unterschrift irrthümlich als von den Kei- Inseln stammend bezeichnet),
aus Holz gefertigt, welcher zur Abwehr von Epidemien geopfert wird.
(Besprochen S. 16, 17.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f.
Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufiiahme des Verfassers 17
Fig. 8. Lederriemen mit Krallen und Pellstückchen besetzt, welche
der Medicin-Mann scheinbar aus dem kranken Körpertheile heraussaugt
Klamath-Indianer. — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photo-
graphischer Aufnahme des Verfassers 24
Flg. 9. Guri-guri, Topf mit einem geschnitzten Deckel, behängt
mit Schweinshauem, gefüllt mit Arznei von den Battakern in Sumatra.
316 Anhang I.
Seite
Dieselbe ist angeblich aus einem stark giftigen Präparate von Menschen-
fleisch gefertigt und soll so hochgradig giftig sein, dass schon der Ge-
ruch eine Vergiftung verursacht. — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 30
Fig. 10. Seelenfänger (Soul-catcher) der Hervey-Insulaner.
— British Museum, London. Nach C. W* Pleyte. Verh. d. Berliner
anthrop. Ges. Zeitschrift £ Ethnologie Bd. XIX S. 20. Berlin 1887 . 38
Flg. 11. Alte Erbstücke der Fürsten von Pasimpai, Mittel-
Sumatra; 1. a. b. goldener Pfeilring, saloei karijs nan doeno bale
taije genannt, getrieben und innen mit Harz gefüllt — 2. eisernes
Schwert mit hölzernem Knopf und hölzerner, mit Rotanbändchen ge-
bundener Scheide. Es heisst tjoerieq si mandang giri, soembii'ng
saratoejs sambilan poeloew, zu deutsch: das Schwert si mandang
giri mit den 190 Scharten. Es wird in vielen alten Ueberlieferungen
genannt — 3. u. 4. Steinchen, manliko, die früher am Leibe klebten
und Krankheiten heilen konnten. — Der Anblick dieser Gegenstände
bringt den Kindern Krankheiten; das Wasser, mit dem man sie über-
giesst, heilt Krankheiten. (Besprochen S. 41.) — Nach Ä. L. van HasseU'
Ethnograph. Atlas van Midden-Sumatra. PI. XXXI. Leiden 1881 . 40
Flg. 13. Kleine Hand von blauem Glase, Amulet der Türken in
Constantinopel gegen den bösen Blick. — Mitgebracht von Dr. Ludr
wig Aschoif» Im Besitze des Verfassers. (Vierfach vergrössert.) Nach
einer Zeichnung von Frl. Julie ScMemm 43
Flg. 13. Hand von Messing, Amulet der Juden in Marokko
gegen den bösen Blick. Es wird den Knaben an die Mütze geheftet
— Mitgebracht von Max Quedenfeldt Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 43
Flg. 14. Glasfluss, äusserster Bing blau, der folgende gelb, der
mittelste weiss mit schwarzem Mittelpunkt, an das Bild eines Auges
erinnernd, Amulet der Cyprioten gegen den bösen Blick. — Mit-
gebracht von Dr. Ludtoig Aschoff. Im Besitze des Verfassers. Nach
einer Zeichnung von Frl. Julie ScMemm 43
Flg. 15. Ein Mide nach der Darstellung auf einem Musikbrette
der Chippeway-Indianer. Er ist mit höherer Kjpaft erfüllt, was durch
die Homer auf seinem Kopfe angezeigt wird. Die von seinen Ohren
ausgehenden Linien bezeichnen, dass er hört Der hierzu gehörige Ge-
sang lautet: „Ich höre den Geist reden zu uns!" — Nach HT. J,
Hoffman: The Midc-wiwin or Grand Medicine Society of the Ojibwa.
Seventh Annual Report of the Bureau of Ethnology (Separat -Abdruck).
Washington 1892. p. 196 63
Fig. 16. Ein Mi de nach der Darstellung auf einem Musikbrette
der Chippeway-Indianer. Sein Köqjer, d. h. sein Herz, ist mit
Kenntniss von den heiligen Medicinen der Erde erfüllt Der hierzu ge-
hörende Gesang lautet: „Ich habe die Medicin in meinem Herzen.**
— Nach Hoffman, wie Fig. 15. p. 196 63
Flg. 17. Medicin -Tanz der Winnebago- Indianer in Nord-
Amerika. — Nach Henry IL Schoolcrafl: History, Condition and pro-
Erklärung der Abbildungen. 317
Seite
spects of the Indian Tribes of the United States. Philadelphia
1851—55. Part III Plate 31 64
Flg. 18. Maske des Medicin -Mannes der Ätna -Indianer in
Südwest -Alaska. (Besprochen S. 72.) — Mitgebracht von Adrian
Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl.
Julie Schlemm 65
Flg. 19. Maske des Medicin-Mannes der Atna-Indianer, Alaska.
(Besprochen S. 72.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm .... 66
Flg. 20. Medicin-Mann (Zauberer) der Basutho in Transvaal,
Süd-Afrika. (Besprochen S. 69.) — Nach einer Photographie im Be-
sitze des Verfassers 67
Flg. 21. Medicin-Mann der Atna-Indianer in Alaska. Nach
der Figur des Museum für Völkerkunde, Berlin. Vorderansicht. (Be-
sprochen S. 71 — 73.) — Nach photographischer Aufnahme von Fräu-
lein Julie Schlemm 68
Flg. 22. Maske des Medicin-Mannes der Atna-Indianer, Alaska.
(Besprochen S. 72.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm . . . . 69
Flg. 23. Medicin-Mann der Atna-Indianer in Alaska. Nach
der Figur des Museum für Völkerkunde, Berlin. Hinteransicht. (Be-
sprochen S. 71 — 73.) — Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm . 70
Flg. 24. Mütze des Medicin-Mannes der Haidah-Indianer, aus
Wieselfellen und Fuchsschwänzen, mit Boiochenstäben behangen. (Be-
sprochen S. 72.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm .... 71
Flg, 25. Medicin-Mann der Schwarzfuss-Indianer am Yellow-
stone-B-iver. (Besprochen S. 73.) — Nach George Gattin: Die In-
dianer Nord-Amerikas. Brüssel, Leipzig, Gent 1851 72
Flg. 26. Maske des Medicin-Mannes der Haidah-Indianer, ein
Fabelthier darstellend. (Besprochen S. 72.) — Mitgebracht von Adrian
Jacobsen, Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl.
Julie Schlemm 73
Fig. 27. Halsring des Medicin-Mannes der Haidah-Indianer.
Die beiden mittleren Kjiochenstäbe haben die Form einer Fischotter.
(Bes])rochen S. 72.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Museum für
Völkerkunde, Berlin. Nach einer photograph. Aufnahme des Verfassers 74
Flg. 28. Knöcherner Kopfkratzer des Medicin-Mannes der Haidah-
Indianer. (Besproclien S. 73.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 76
Fig. 29. Ajami, hölzerne menschliche Figur mit Glasaugen und
Fellbekleidung. Sie stellt den Candidaten der Schamanenwürde dar
und wird von dem ältesten Schamanen der Golden in Sibirien ge-
fertigt. Ist sie vollendet, so hat der Candidat die Schamanenwürde er-
langt. (Besprochen S. 83.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus.
£ Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 82
318 Anhang I.
Seite
Fig. 80« Ajami, hölzerne Frauenfigur, unbekleidet Sie stellt die
Candidatin der Schamanenwiirde dar und wird von dem ältesten Scha-
manen der Golden in Sibirien gefertigt. Ist sie vollendet, so hat die
Candidatin die Schamanenwürde erlangt — Mitgebracht von Adrian
Jacohsen, Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 8.S
Flg. 81. Einführung eines Mide-Candidaten bei den nordameri-
kanischen Indianern. (Besprochen S. 83 — 86.) — Nach Schoolcraft,
wie Fig. 17, Part V Plate 33 85
Flg. 82. Musikbrett der Waben o der nordamerikanischen In-
dianer: 88
1. Eine Hand des Wabeno, einen Zauberstab haltend. Dieses ist
das Zeichen für die Eröfl&iung des Medicin-Tanzes und es gehört dazu
der Gesang:
„Ich spreche zum grossen Geiste, dass er mein Leben schütze
durch dieses Zeichen (den Zauberknochen) und dasselbe wirk-
sam mache zu meinem Schutze und Erfolg.
Ich bin es nicht, der es gemacht hat, sondern Du, grosser Geist,
der diese Welt und alle Dinge darin gemacht hat
Höre mich und sieh erbarmungsvoU aut mein Schreien!"*
Dann singt der Chor:
„Ich bin ein Freund der Wabeno."
2. Ein Baum, der übernatürliches Getöse macht, bisweilen Gewehr-
schüssen ähnlich; er gilt für den Aufenthaltsplatz des grossen Geistes.
Der Chor singt:
„Ich (der Baum) lärme für mein Leben, wie ich stand."
Dazu wird gerasselt und dann erheben sich die Indianer und be-
ginnen den Tanz.
3. Ein Wabeno-Hund springt seinem Herrn entgegen. Dazu der
Gesang :
„Ich soll zu ihm laufen, welcher mein Körper ist."
4. Ein Wabeno, Blut auswerfend. Dazu der Gesang:
„Ich ringe um mein Leben, Wabeuo, tödte es."
5. Tabakspfeife mit Federn. Sie war von einem Uebelwollenden mit
„schlechter Medicin" gefüllt, und wurde ahnungslos geraucht, der Rauch
trat in die Lunge des Opfei^ und dieses welkt dahin. Dazu der Gesang:
„Den Mide ich fürchte — die Pfeife ich fürchte, welche Federn
an sich hat"
6. Der Wurm Mösa, welcher faules Holz fiisst und lärmendes Ge-
rausch macht Dazu der Gesang:
„Des Wumies Haut benutze ich — des Wurmes Haut be-
nutze ich."
7. Ein zu Hülfe gerufener Wabeno-Geist Dazu der Gesang:
„Wer ist das, der hier steht?
Ein Wabeno-Geist steht hier!"
8. Ein hungriger Wabeno-Jäfjer mit Bogen und Pfeil hat eine
Elchspiu* entdeckt. Den Urin des Thieres vermischt er mit Medicin und
Erklärung der Abbildungen. 319
bestreicht damit einen seiner vier Pfeile, den er nun in die Spur schiesst.
Der Elch wird darauf von Strangurie befallen; er muss in Folge dessen
hinter dem Kudel zurückbleiben und nun vermag ihn der Indianer ein-
zuholen und zu tödten. Dazu der Gesang:
„Ich schoss weit über die Erde."
9. Das Symbol des grossen Geistes, den Himmel mit seiner Gegen-
wart füllend. Dazu der Gesang:
„Wo ich sitze reicht mein Haupt bis zum Mittelpunkt des Himmels."
Hier folgt eine Pause im Tanze; die Ausübenden setzen sich, er-
heben sich aber nach einiger Zeit wieder und beginnen unter Rassel-
begleitung die Umgänge von Neuem.
10. Der Himmel mit Wolken. Dazu der Gesang:
„Die Wolke, die in meinem Himmel ist"
11. Bewölkter Himmel mit dem langgeschwänzten Fabelthier „der
weisse Tiger", der die Wolken jagt und nach oben, d. h. in die Zu-
kunft blickt Dazu der Gesang:
„Er wünscht zu blicken in den Himmel,
In den Himmel wünscht er zu blicken."
12. Der Wolf Mhowha^ gehörnt, um seine übernatürliche Kraft
darzustellen. Mystische Medicin ist ihm an Kopf und Schwanz gethan,
um ihn zum Jagen für die Wabeno zu veranlassen. Dazu der Gesang:
„Ich soll die Beute jagen.
Dieser Wolf von mir."
Die hier folgenden beiden verticalen Balken zeigen eine Pause an.
Nach dieser beginnt unter Trommelschlag der Tanz von Neuem.
13. Der Kriegsadler Kanieu, der über dem Kampi^latze schwebt
und sofort nach der Schlacht die Gefangenen frisst Seine Federn sind
des Küegers ehrenvollster Schmuck. Dazu der Gesang:
„Sieh, wie ich schiesse!"
14. Wünscht der Wabeno ein Thier zu erlegen, so fertigt er dessen
Bild aus Gras oder Cattun, hängt dasselbe im Wigwam auf und schiesst
imter Absingung obigen Beschwörungsgesanges auf dasselbe. Trifft der
Pfeil, so ist das ein Zeichen, dass er das Thier in den nächsten Tagen
erlegen wird. Der Pfeil wird ausgezogen und verbrannt
15. Ein Mide, auf der Erdkugel sitzend, hält mit einer Hand den
Himmel, dessen gelbliche Endigung Wolken bezeichnen soll. Er zieht
Kunde vom Himmel ein zum Wohle der Menschheit Dazu der Gesang:
„Was sehe ich? was sehe ich?
Meinen Himmel, den ich richte."
16. Die Sonne, als Symbol des grossen Geistes, auf den Indianer
herabblickend und die Ceremonien annehmend. Dazu der Gesang:
„Warum blickst Du auf mich?"
17. Bogen mit abwärts gerichtetem Pfeil auf der Mitte der Sehne,
zum Zeichen, dass er bezaubert ist; vor der Pfeilspitze fünf Kiesel in
einer Keihe. Diese alle durchschiesst der Pfeil und reiht sie auf seine
Spitze auf.
18. Junger Mann, phallisch, mit Federschmuck am Kopfe und mit
Trommel und Trommelstock in den Händen. Dieses bedeutet, dass er
den Gegenstand seiner Wünsche erlangen wird. Dazu der Gesang:
320 Anhang I.
Seite
„Höre meine Trommel, höre meine Trommel!
(Solltest Dn auch sein) an der anderen Seite der Erde, höre
meine Trommel!"
Nach Schoolcraft, wie Fig. 17.
Flg. 88. Medicin-Hütte, vom grossen Greiste erfüllt Von einem
Musikbrett der Mide der nordamerikanischen Indianer. — Nach
Schoolcrafl, wie Fig. 17. Part. I Plate 51 Fig. 1 89
Flg. 84. Matakoko, Verbotszeichen oder Matakau von der
Insel Serang, um den Uebertreter blind werden zu lassen. (Besprochen
S. 100.) — Nach J, G. F. Biedel, De Sluik en kroesharige Rassen
tuschen Selebes en Papua. s'Gravenhage 1886. Taf. XIII Fig. 18 97
Flg. 35. Sasakene, Verbotszeichen oder Matakau von der Insel
Serang, um dem Uebertreter Ichthyosis zu verursachen. (Besprochen
S. 100.) — Nach Riedel, wie Fig. 34. Taf. XIII Fig. 6 97
Flg. 36. Ädü Folagi Höro. Schutzgeist gegen Leibschmerzen. Xias.
— Nach Modigliani: Un viaggio a Nias. Milane 1890 98
Flg. 87. Anamata, Verbotszeichen oder Matakau von der Insel
Serang, um dem Uebertreter die Kiefer versteifen zu lassen. (Be-
sprochen S. 101.) — Nach JRiedel, wie Fig. 34. Taf. XIII Fig. 1 . . 98
Flg. 88. Verbotszeichen oder Matakau von der Insel Leti; der
Uebertreter soll einen geschwollenen Leib bekommen. (Besprochen S. 100.)
— Mua. f. Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Ver&ssers 99
Flg. 89. Mätto la tjürtjüri, Verbotszeichen oder Matakau von
der Insel Luang; dem Uebertreter sollen die Eingeweide verdreht
werden. (Besprochen S. 100.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin, Nach
photographischer Aufiiahme des Verfassers 99
Flg. 40. Tiasusuu, Verbotszeichen oder Matakau von der Insel
Serang, um dem Uebertreter Blutdiarrhoe zu verursachen. (Besprochen
S. 100, 101.) — Nach Riedel, wie Fig. 34. Taf. XIII Fig. 5 .... 100
Flg. 41. Sakorea, Verbotszeichen oder Matakau von der Insel
Serang, um dem Uebertreter Schmerzen in den Gliedmaassen zu ver-
ursachen. (Besprochen S. 101.) — Nach Riedel, wie Fig. 34. T^f. XIII
Fig. 8 101
Flg. 42« Tahulupu oder Lasepoota, Verbotszeichen oder Ma-
takau von der Insel Serang, um dem Uebertreter Schwellung der
Testes zu verursachen. — Nach Riedel, wie Fig. 34. Taf XIII Fig. 3 101
Flg. 48. Potole, Verbotszeichen oder Matakau von der Insel
Serang, imi dem Uebertreter böse Schwären zu verursachen. — Nach
Riedel, wie Fig. 34. Taf XIII Fig. 4 101
Flg. 44. Medicin-Büchse in Holz geschnitzt. Bonerate. [Im
Text S. 112 irrthtimlich als aus Keisar stammend bezeichnet] — Mus.
f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auftiahme des Verfassers 105
Flg. 46* Purminakun, Ziegenhom mit Ai'znei. Den Deckel bildet
eine menschliche Figur, Ganagana genannt, welche auf einer anderen
reitet. Von den Battakern in Sumatra. (Besprochen S. 112.) —
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 106
Erklärung der Abbildungen. 321
Seite
Flg. 46. Medicin-Löffel der Singhalesen. (Besprochen S. 113.) —
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 107
Flg. 47. Batu bawi, Stein, der angeblich aus dem Gehirn des
Stachelschweines stammt; Medicin gegen Kopfschmerzen von der Insel
Flore s. — Mitgebracht von Adrian Jacohsen. Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 107
Flg. 48. Purminakun, Ziegenhom mit Arznei. Den Deckel bildet ,
eine menschliche Figur, Ganagana genannt, welche auf einer Anderen
reitet. Von den Battakern in Sumatra. (Besprochen S. 112.) —
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 108
Flg. 49. Chuletü, Stäbchen mit zwölf Stückchen Calmuswurzel,
von dem Schamanen der Golden verabfolgt, um einen Heiltrank für
Wöchnerinnen daraus zu kochen. (Besprochen S. 113.) — Mitgebracht
von Adrian Jacohsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph.
Au&ahme des Verfassers 109
Flg. 60. Umflochtenes Büffelhom, Dasän tandok hadangan
genannt, von KwälaKapuas in Borneo. Aus demselben müssen die
von den Sangiang, den Luftgeistem, Besessenen Tuak (Airak) trinken.
(Besprochen S. 112.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photo-
graphischer Aufiiahme des Verfassers 110
Flg. 61. Medicin-Sack der Indianer aus dem Missouri-Gebiet;
Fischotterbalg mit Stachelschweinstacheln besetzt. — Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . .111
Flg. 62. Halsband der Zulu-Kaffern in Natal, das als Amulet
und gleichzeitig als Apotheke dient. Es besteht aus erbsengrossen,
gelben Perlen, zwischen denen sich in kurzen Abständen Pflanzentheile,
Binden- und Wurzelstücke, ein Entenschnabel und Antilopenhömer be-
finden. Letztere waren einst mit Medicin gefüllt und mussten ebenso
wie die Wurzeln für bestimmte Krankheiten die Medicamente liefern.
(Besprochen S. 113.) — Mitgebracht von Herrn Missionar A. Proaesky.
Im Besitze des Verfassers. Nach photographischer Aufnahme des Verf. 112
Flg. 63. Medicin-Löffel der Singhalesen aus Nautilusschale.
— Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 113
Fig. 64. Perminakan, Vase mit sehr zauberkräftiger Medicin,
welche angeblich aus Menschenfleisch gefertigt ist Auf dem Deckel
sitzt zu Pferde der Geist der Medicin Pangulu balang. Von den
Battakern in Sumatra. (Besprochen S. 113.) — Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 114
Flg. 56. Bing aus Gelbholzstücken von der Insel Flores, gegen
Fieber und Kopfschmerzen gebraucht. — Mitgebracht von Adrian
Jacohsen* Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 120
Flg. 66. Kalebasse, als Klystierspritze für Kinder dienend, mit
einem Loch zum Einblasen der Flüssigkeit Liberia. (Besprochen
S. 120.) — Nach J, BüttihofeTy Reisebilder aus Liberia. Leyden
1890. Band H p. 327 121
Bartels, Medicin der Naturvölker. 21
322 Anhang I.
Seite
Flg. 57. Angekohlte Stücke von Taqucira-Holz, Idziua genannt,
zum Einfuhren in den Schlund, um Morgens Erbrechen hervorzurufen.
Karayä-Indianer am Rio Araguya (Goyaz) in Brasilien. (Be-
sprochen S. 121.) — Mitgebracht von Paul Ehrenreich. Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . .122
Fig. 68. Schwitzhütte, nach der Zeichnung auf einem Musik-
brett derWabeno der nordamerikanischen Indianer. Die Zacken
sollen den entweichenden Dampf andeuten. Dazu gehört der Gesang:
„Ich gehe in das Bad — ich mache meinen Bruder kräftig.**
— Nach Schoolcraft, wie Fig. 17. Part. I Plate 51 Fig. 5 137
Fig. 69. Tuh, Schwitzhütte der Indianer von Tactic in Gua-
temala. — Nach 0. Stoll, Guatemala. Leipzig 1886 13S
Fig. 60. Wöchnerin der Rouquouyennes -Indianer in Süd-
Amerika im Dampfbade. (Besprochen S. 140.) — Nach Crevaux, Von
Cayenne nach den Anden. Globus XI S. 70. Braunschweig 1881 . 139
Fig. 61. Massage. Nach einem japanischen Holzschnitt. —
Im Besitze des Mus. f. Völkerkunde, Berlin 145
Fig. 62. Tschon-ga-täh, Halsband der Mincopies auf den
A,ndamanen-Inseln, aus Menschenknochen hergestellt (im vorliegen-
den Falle aus zwei kindlichen Schlüsselbeinen, einer ersten Rippe und
der oberen Hälfte eines kindlichen Speichenknochens, Radius). Die
Knochen sind durchbohrt, theilweise mit Lappen umwickelt und auf
einem Bindfaden aufgezogen, an dessen Enden zwei Schneckenhäuser
(helix sp.) hängen. Das ganze ist mit schmutzigrother Farbe bestrichen.
In Ki'ankheitsfällen umwickelt man mit solchem Halsband den schmerz-
haften Theil, um den Schmerz zu vertreiben. — Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 147
Fig. 63. Medicin-Mann der Schwarzfuss - Indianer, einen
Kranken behandelnd. (Besprochen S. 148.) — Nach einer Handzeich-
nung von George Catlin, im Besitze des Mus. f. Völkerkunde, Berlin . 149
Fig. 64. Bambuszweig mit daran befindlichen Opfergaben, der
ins Feuer gehalten 'wii'd, um zu sehen, ob ein böser Geist an einer
Erkrankung schuld ist. Insel Flores. — Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 162
Fig. 65. Consultation des Medicin-Mannes der Sioux-Indianer.
Die Hülfsgeister des Medicin-Mannes, die Manidos, fliegen in die
Medicin-Hütte, vor welcher der den Medicin-Mann um Rath Fragende
steht. (Besprochen S. 164.) — Nach Schoolcraft^ wie Fig. 17. Part V
Plate 32 163
Flg. 66. Die Medicin-Hütte des Medicin-Mannes (Jös'sakkid)
der Chippeway-Indianer, zu welcher die Thiergeister (Manidös)
fliegen. Senkrecht über der Medicin-Hütte schwebt der Donnervogel,
der besonders hoch verehrt wird. Die als Unterhändler zwischen den
Geistern und dem Medicin-Manne dienende Schildkröte befindet sich
im Inneren der Hütte. Nach der Zeichnung auf einem Musikbrette
von Birkenrinde. — Nach Hoffman, wie Fig. 15. p. 252 Fig. 28 . . 165
Erklärung der Abbildungen. 323
Seite
Fig. 67. Schamanentrommel der Burjäten. Aeussere Ansicht
(Besprochen S. 176.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph.
Aufnahme des Verfassers 174
Flg. 68. Schamanentrommel der Burjäten. Innere Ansicht.
(Besprochen S 176.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph.
Aufiiahme des Verfassers 174
Flg. 69. Schamanentrommel mit dem Bilde des Adlers, des
Donnervogels und des Walfisches. Von den Indianern in Portland,
Oregon. (Besprochen S. 176.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
einem Aquarell von Erl. Julie Schlemm 175
Flg. 70. Flache, tarabourinartige Trommel der Indianer des
Missouri -Gebietes zum Beschwören der Krankheit — Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm . . . .176
Flg. 71. Rückseite von Fig. 70. — Nach einem Aquarell von Frl.
Julie Schlemm 177
Flg. 72. Rassel des Medicin-Mannes der Indianer von Port-
land, Oregon, bestehend aus einem Stabe, der mit Federn geschmückt
und mit den Hufen von Hirschen und den Schnäbeln von Seepapageien
behängt ist. (Besprochen S. 179.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm 178
Flg. 78. Medicin-Mann der Dacota-Indianer, zur Heilung
eines Kranken rasselnd. — Nach Schooloraß^ wie Fig. 17. Part I
Plate 46 179
Flg. 74. Rassel des Medicin-Mannes, aus einem Kürbis her-
gestellt Indianer von Holamux. (Besprochen S. 179.) — Mitgebracht
von Dieck. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach einem Aquarell von
Frl. Julie Schlemm 180
Fig. 76. Hölzerne Rassel des Medicin-Mannes der Haidah-
Indianer, in der Gestalt des Raben, des Lichtbringers, mit der Kohle
im Schnabel; auf seiner Brust ist das Bild der Sonne. Auf dem Rücken
trägt er die Figur des Wolfes, der das Feuer und den Tod symbolisirt
Der Vogel ihm gegenüber ist wahrscheinlich die Eule, oder die Nacht
Ihr Schopf ist durch Stilisirung aus dem Schwänze des Raben ent-
standen. Der Frosch im Maule des Wolfes ist das Sinnbild des Wassers
und der Dunkelheit Das Beissen in die Zunge bedeutet „Medicin".
(Besprochen S. 179, 180.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus.
f. Völkerkunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm. 181
Flg. 76. Kokomen, kupferne sackförmige Rassel eines Medicin-
Mannes der Nutka-Indianer in Britisch-Columbien, mit Leder-
bast verziert; zum Heilen von Kranken und zum Heranlocken der
Fische an die Küste gebraucht. (Besprochen S. 180.) — Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . . 181
Flg. 77. Midö der nordamerikanischen Indianer zeigen sich
im Walde in der Pause eines Medicin-Tanzes den geheimnissvollen
Inhalt ihrer Medicin-Säcke. (Besprochen S. 180, 181.) — Nach Schoolr
craft, wie Fig. 17. Part. V Plate 5 182
21*
324 Anhang I.
Seite
Flg. 78. Ml'gis, Medicin - Steine der Mide der Chippeway-
In dianer, kleine, roth oder roth und grün bemalte Homstiicke, typisch
für den vierten Grad (die beiden ersten Stücke oben). Purpurperle für
den dritten Grad (das dritte Stück oben). Schnecke für den dritten
Grad (das vierte Stück oben). Längliche Perle fui* den zweiten Grad
(das erste Stück unten). Schnecke, Cyprea moneta (das zweite und dritte
Stück unten), Schnecke, Helix (das vierte Stück unten), beide dem Ober-
priester der Mide-Gesellschaft von Leech Lake, Minnesota, ge-
hörig. (Besprochen S. 181.) — Nach Hoffman, wie Fig. 15. PL XI . 183
Flg. 79. Medicin-Stein des Medicin-Mannes, auf dem ein Schwert-
wal und ein abwärts gekehrtes, untertauchendes Menschengesicht ein-
geschnitten ist. West-Vancouver. (Besprochen S. 183.) — Mus. £
Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . 184
Flg. 80. Alter, sculptirter Stein mit zwei Gesichtern, angeblich
eine Fischotter darstellend, aus West-Vancouver. (Besprochen S. 183.)
— Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 185
Fig. 81. Medicin-Stein des Medicin-Mannes mit zwei geschnitzten
Köpfen, angeblich Frosch und Fisch. West-Vancouver. (Besprochen
S. 183.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 186
Flg. 82. Tongrusmut-tschnchei, sehr rohe hölzerne Figur,
welche den Haupthülfegeist des Schamanen der Giljaken vorstellt
Er verfugt über sieben üntergeister, welche auf seinem Kopfe dar-
gestellt sind. (Besprochen S. 183.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen.
Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers . 187
Flg. 88. Ein Medicin -Mann (Jös'sakkid) der Chippeway-
Indianer einen vor ihm liegenden Kranken heilend. Er hält die
BässcI in der Hand und die von seinem Auge zu dem Körper des
Patienten laufende Linie bedeutet, dass er den Sitz des Krankheits-
Dämons hier gefunden hat und dass er nim seine Beschwörung be-
ginnt Nach der Zeichnung auf einem Musikbrett von Birkenrinde. (Be-
sprochen S. 186, 189.) — Nach Hoffman, wie Pig. 15. p. 255 Fig. 32 . 188
Flg. 84. Ein Medicin -Mann (Jös'sakkid) der Chippeway-
Indianer, welcher eine Frau heilt. Der seinen Kopf umgebende con-
centrische Kreis bedeutet einen mehr als gewöhnlichen Bestand von
Kenntnissen; der von dem Munde ausgehende Strich soll das B-ohr zum
Aussaugen der Krankheit bezeichnen. In der Hand hat er eine BasseL
Nach der Zeichnung auf einem Musikbrett von Birkenrinde. — Nach
Hoffman, wie Fig. 15. p. 255 Fig. 31 189
Fig. 86. Medicin-Mann der Mandan-Indianer, einen Kranken
behandelnd. (Besprochen S. 189.) — Nach einer Handzeichnung von
George Catlin, im Besitze des Mus. f. Völkerkunde, Berlin 191
Fig. 86. Menschliche Figur aus einem Koliblatt, in welche der
Krankheits-Dämon hineingelockt imd dann vernichtet wird; von der
Lisel Dama. — Nach Eiedel, wie Fig. 35. Tafel XLIII Fig. 7 . . .195
Erklärung der Abbildungen. 325
Seite
Flg. 87. Medicin-Hütte für den Medicin-Tanz „der Gesang
gegen die Berge" der Navajö -Indianer in Arizona. — Nach
Washington Matthews^ The Mountain chant etc. Fifth Annual Eeport
of the Bureau of Ethnology. Washington 1887. PI. X 198
Flg. 88. Trockengemälde der Navajö-Indianer in Arizona,
zu dem grossen Medicin-Tanze: „der Gesang gegen die Berge" ge-
hörig. Es soll die Malerei vorstellen, welche ihr Prophet Dsilyi Neydni
in dem Heim der Bären in den Carrizo-Bergen gesehen hatte.
Eine Wasserschüssel, mit schwarzem Pulver bestreut, steht in der Mitte
des Bildes; Sonnenstrahlen und vier sogenannte Sonnenflösse sind regel-
mässig' um dieselbe geordnet. Auf jedem der Letzteren steht eine Gott-
heit, Yay, den vier Himmelsgegenden entsprechend. Rothes Sonnen-
licht und Sonnenstrahlen umgürten ihre Lenden; Blitze auf schwarzer
Regenwolke sind auf ihren Vorderarmen imd Schenkeln dargestellt. Ohr-
gehänge, Halsbänder und Armringe, blau und roth, Türkis und Koralle,
die geheiligten Juwelen bezeichnend, und reich gemusterte Taschen,
Ornamente von Stachelschweinstacheln vorstellend, schmücken sie. Mit
einer Schnur an der rechten Hand befestigt trägt jede Gottheit einen
Korb, ein Amulet und eine Medicin-Manns-Rassel; die linke Hand ist
gegen eine stylisirte Pflanze hingestreckt, welche der Gottheit geheiligt
ist Zu dem weissen Gott des Ostens gehört im Südosten der weisse
Getreidehalm, zu dem blauen Gott des Südens im Südwesten der
blaue Bohnenstengel, zu dem gelben Gott des Westens im Nord-
westen die gelbe Kürbisranke und zu dem schwarzen Gott des
Nordens im Nordosten die schwarze Tabakspflanze. Die Pflanzen
strecken jede fünf Wurzeln der centralen Wasserschüssel entgegen. —
Umrahmt wird das Bild zu drei Viertel seines Umfanges von einer
langgestreckten, im Kreise gebogenen, menschlichen Gestalt. Es ist der
Regenbogen, dessen weibliches Geschlecht durch die viereckige Form
des Kopfes bezeichnet wird. Seine Hände sind leer und auf dieselben
wird die Kalebasse mit der Medicin gestellt, welche Patientin imd
Medicin-Mann einnehmen müssen. In der Lücke der Umrahmung im
Osten stehen zwei Blauvögel (Sialia arctica) mit ausgestreckten
Flügeln. Sie halten Wache an dem Thore des Hauses, in welchem diese
Gottheiten wohnen. Von den Navajö werden sie Qoli genannt, da sie
mit ihrem Rufe Qoli ^oli in der Morgendämmerung den Tag begrüssen.
Sie werden als die Herolde des Morgens für heilig gehalten und ihre
blauen Federn bilden ein nothwendiges Zubehör zu allen Federetickereien
der Navajö-Indianer. — Auf dem Kopfe jedes Yay sieht man eine
horizontal liegende Adlerfeder und eine gleiche befindet sich auf den
Körben, welche von den Gottheiten gehalten werden. Ihre Richtung
ist derjenigen des Sonnenlaufes entgegengesetzt. — Nach Matthews^ wie
Fig. 87. Plate XVIII 199
Flg. 89. Instrumente der Medicin-Männer der Haidah-Indianer,
um die fliehende Seele des Kranken zu halten; aus Knochen und Iris-
muscheln. Mitgebracht von Adrian Jacohsen. Mus. f. Völkerk., Berlin.
Nach einem Aquarell von Frl. Julie Schlemm 203
326 Anhang L
Seite
Flg. 90. Schneebrillen der Eskimo, Kwixpagmut in Alaska.
— Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 210
Fig. 91. Jagdhut der Eskimo von der Mündung des Yukon
in Alaska, mit Federbusch und Walrosszalmornamenten geschmückt,
Walrossköpfe, Vogelköpfe u. s. w. darstellend. (Besprochen S. 210.) —
Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 211
Flg. 92. Schalenförmiges Geräth, aus einem dichten Grasgeflecht
hergestellt, von den Kwixpagmut, einem Indianer- oder Eskimo-
Stamme an der Mündung des Yukon, als B,espirator benutzt, um in
den Schwitzhütten ihre Athmungsorgane vor der Belästigung durch den
Wasserdampf zu schützen. Aeussere Ansicht. (Besprochen S. 222.) —
Mitgebracht von Adrian Jacobsen, Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 221
Flg. 98. Dasselbe wie Fig. 92. Innere Ansicht Man sieht einen
horizontal gestellten hölzernen Vorsprung, an welchem der Respirator
mit den Zähnen festgehalten wird. (Besprochen S. 222.) — Nach photo-
graphischer Aufnahme des Verfassers 221
Flg. 94. Amulet des Medicin -Mannes der Tschimsian-Indianer
in Britisch Columbien, einen Vogelkopf und zwei Menschenköpfe
darstellend. (Besprochen S. 226.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen,
Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers . 222
Flg. 96. Japanerin bei der Toilette. Auf ihrem entblössten
Rücken sieht man eine B,eihe Moxen-Narben. (Besprochen S. 222, 223.)
— Nach einem japanischen Holzschnittwerke, im Besitze des Museum
f. Völkerkunde, Berlin 222
Fig. 96. Japaner und Japanerin, denen Moxen gesetzt werden.
(Besprochen S. 222, 223.) — Nach einem japanischen Holzschnitt-
werke, im Besitze des Mus. f. Völkerkunde, Berlin 223
Fig. 97. Amulet des Medicin-Mannes der Tschimsian-Indianer
in Britisch-Columbien; in Knochen geschnitzt, mit Haarschopf. (Be-
sprochen S. 226.) — Mus. f Völkerkunde, Berlin. Nach photograph.
Aufiiahme des Verfassers 224
Fig. 98. Steinernes Amulet des Medicin-Mannes der Tschimsian-
Indianer in Britisch - Columbien, zum Heilen gebraucht. (Be-
sprochen S. 226.) — Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photographischer
Aufnahme des Verfassers 224
Fig. 99. Steinernes Amulet eines Medicin-Mannes der Tschim-
sian-Indianer in Britisch-Columbien, zum Heilen von Kranken
gebraucht. (Besprochen S. 226.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 225
Fig. 100« Mepit, hölzerner Igel, mit Zeug umhüllt, Amulet der
Giljaken, das zum Schutz vor Krankheiten in der Jurte aufbewahrt
wird. (Besprochen S. 228.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen, Mus.
f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 225
Erklärung der Abbildungen. 327
Seite
Flg, 101. Tiger aus Stroh geflochten, Amulet der Golden, in
welches die Krankheit gebannt wird. (Besprochen S. 228.) — Mit^
gebracht von Adrian Jacohsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 226
Flg. 102. Mökr, holzgeschnitzter und mit Zeug umhtiUter Menschen-
kopl^ Amulet der Giljaken, gegen alle Krankheiten helfend. (Be-
sprochen S. 228.) Mitgebracht von Adrian Jacohsen, Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . . 227
Flg. 108. Xox Fit, armloses hölzernes MenschenJSgürchen zwischen
zwei Holzstücken an einem Lederriemen, Amulet der Golden gegen
Brust- und Achselschmerzen. (Besprochen S. 230.) — Sammlung Um-
lauff, Hamburg. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . .227
Flg. 104. Kasö, hölzerner Thierkopf mit einem Fisch wirbel im
Maul; Amulet der Golden gegen Kücken- und Kreuzschmerzen. (Be-
sprochen S. 231.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen, Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . . 228
Flg. 106. Tschotz, Bär aus Holz, der von den Schamanen der
Giljaken gefertigt wird, wenn ein Krankheitsfall eintritt und der dann
im Walde „versteckt" wird, bis die Krankheit vorüber ist. (Besprochen
S. 228.) — Mitgebracht von Adrian Jacohsen. Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 228
Flg. 106. Sewö, hölzerne Menschenfigur der Golden, in welche
der Krankheits-Dämon übergeht (Besprochen S. 228.) — Mitgebracht
von Ad/rian Jacohsen. Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photographischer
Aufnahme des Verfassers 229
Flg. 107. Rohe Holzfiguren von der Insel Nias, die in Krank-
heiten mit Palmenblättem geschmückt werden und vor denen man
dann opfert. — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufnahme des Verfassers 229
Flg. 108.' Hölzernes Amulet der Golden gegen Nasenübel. (Be-
sprochen S. 229.) — Sammlung Umlauff, Hamburg. Nach photo-
graphischer Aufiiahme des Verfassers 230
Flg. 109. Hölzernes Herz, Amulet der Golden gegen Herzleiden
und Brustschmerzen. (Besprochen S. 229.) — Mitgebracht von Adrian
Jacohsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 230
Flg. 110. Tschamlüt-nif, hölzernes, an der Spitze gespaltenes
Herz; Amulet der Giljaken; wird gegen Brustschmerzen am Halse
getragen. (Besprochen S. 229.) — Mitgebracht von Adrian Jacohsen.
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 230
Flg. 111. Pomöro-mot-tschotz, hölzerne Menschenfigur mit
einem Bärenkopf, der sich in die Brust beisst; Amulet der Giljaken
gegen Brustschmerzen. (Besprochen S. 230.) — Mitgebracht von Adrian
Jacohsen. Mus. f. Völkerkunde. Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 231
328 Anhang I.
Seite
Flg. 113, Kolkerö, hölzerne Menschenfigur mit Gelenken in den
Armen und Beinen, Amulet der Golden gegen Rheumatismus. (Be-
sprochen S. 230.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen^ Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . .231
Flg. 118. Sitzende Menschenfigur von Holz mit einer Kröte auf
der Brust; von den Schamanen der Giljaken gefertigt als Amulet
gegen Krankheiten der Brust und des Leibes. (Besprochen S. 229.) —
Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 231
Flg. 114. XJmsemama, hölzerne Menschenfigur, einen an der
Auszehrung Leidenden mit vorstehenden Domfortsätzen der Wirbel
darstellend; Amulet der Golden, zur Vertreibung der Auszehrung im
Hause aufgestellt. Hinteransicht. (Besprochen S. 233.) — Mitgebracht
von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photo-
graphischer Aufiiahme des Verfassers 232
Flg. 115. XJmsemama, hölzerne Menschenfigur, einen an der
Auszehrung Leidenden mit vorstehenden Bippen darstellend, Amulet
der Golden, zur Vertreibung der Auszehrung im Hause aufgestellt
Vorderansicht (Besprochen S. 233.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen,
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 232
Flg. 116. Ein Kranker, welcher Blut bricht; Zeichnung auf einem
Musikbrett der Wabeno der nordamerikanischen Indianer. (Man
vergleiche Fig. 32.) — Nach Schoolcraft wie Fig. 17. Part I Plate 51
Fig. 4 233
Flg. 117. Holzmaske der Teufelstänzer der Singhalesen, den
Korasannijä, den Teufel der Lähmung darstellend. (Besprochen
S. 233.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 234
Flg. 118. Maske des Lascorin, mit Wunden an Stirn, Nase und
Lippe, von den Singhalesen, Ceylon. (Besprochen S. 233.) —
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufiiahme des
Verfassers 234
Flg. 119. Tschnchei-moitr-chu, hölzernes Menschenfigürchen
ohne Extremitäten mit durchbohrtem Leib, Amulet der Giljaken gegen
Durchfall. (Besprochen S. 230.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen.
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 235
Flg. 120. Matschka-mökr, hölzerner Menschenkopf mit Zeug
umwickelt, Amulet der Giljaken gegen Zahnschmerzen. (Besprochen
S. 231.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen, Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 235
Flg. 121. Altperuanisches Thongefäss, einen mit Beulen
überdeckten ]Mann darstellend, welcher sich mit Hülfe eines in der
Hand gehaltenen Gegenstandes juckt. (Besprochen S. 233.) — Mus. f.
Völkerkunde, Berlin. Nach einem Aquarell von Fräulein Jidie ScMemm 235
Erklärung der Abbildungen. 329
Seite
Flg. 133. Kecept eines Schamanen der Golden mit schwarzer
Farbe auf Papier gemalt. Die aufgemalten Gegenstände müssen in
Holz oder Stroh gefertigt werden, damit der Krankheits-Dämon in die-
selben hineingebannt werden kann. (Besprochen S. 234.) — Mitge-
bracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Au&ahme des Verfassers 236
Flg» 133. Holzgeschnitzte Amulete der Golden, welche nach
dem Recepte des Schamanen (vergl. Fig. 122) geschnitzt worden sind.
Sie helfen gegen Kinderkrankheiten. (Besprochen S. 234.) — Mitge-
bracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach pho-
tographischer Aufiaahme des Verfassers 237
Flg. 134. Weiberkamm der Orang Semang, Malacca, als
Amulet gegen eine bestimmte Krankheit dienend. (Besprochen S. 232, 233.)
— Geschickt von Vaughan Stevens. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufiiahme des Verfassers 237
Flg. 126. Kirsmu-tschotr-ku, hölzerner Bär mit einem kleinen
Bären auf dem B,ücken; Amulet derGiljaken gegen Rückenschmerzen.
(Besprochen S. 229.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völker-
kunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . . 238
Flg. 126. Bambusstück mit eingeschnittenen Zeichen, in Cholera-
Zeiten vor den Dörfern der Khäs im Gebiete des M^-Khong in
Hinterindien aufgehängt, um Fremden den Eintritt in das Dorf zu
verwehren und Zuwiderhandelnden bestimmte Strafen anzudrohen.
(Besprochen S. 238.) — Nach Harmand: Les races Indo-Chinoises.
M^moires de la Soci^t6 d' Anthropologie de Paris, tome IH. IL S^rie.
Paris 1875 239
Flg. 127. Hölzerne Arme mit Gelenken und einem Menschen-
gesicht, Amulete der Golden gegen Gelenkschmerzen und Versteifungen
der oberen Extremitäten. (Besprochen S. 230.) — Mitgebracht von
Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufnahme des Verfassers 239
Flg. 128. Abolo Xeron, hölzernes Thier (Eidechse oder Tiger?)
mit gespaltenem Schwanz und mehrfach eingekerbtem Rücken; Amulet
der Golden gegen Geschlechtskrankheiten. (Besprochen S. 231.) —
Sammlung Umlauff^ Hamburg. Nach photographischer Au&iahme des
Verfassers 239
Fig. 129. Jergä. Panther aus Holz, mit schwarzen Flecken,
Amulet der Golden, gegen Schmerzen im Unterleibe. (Besprochen
S. 231.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 240
Flg. 180. Poinga-kurr-tü-tschnchei, hölzerne Menschenfigur
mit fliegendem Vogel auf dem B,ücken; Amulet der Giljaken gegen
heftige Kreuzschmerzen. (Besprochen S. 229.) — Mitgebracht von
Adrian Jacobsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Au&ahme des Verfassers 241
330 Anhang L
Seite
Flg. 131. Sutschkä, zwei hölzerne Menschenfigürchen in einem
hinten mit Zeug bespannten Holzbogen, Amulet der Golden gegen
Augenkrankheiten. (Besprochen S. 231.) — Mitgebracht von Adrian
Jcuxhsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 241
Flg. 182. Tamke-tress-tschöff, holzgeschnitzte Hand mit
Menschengesicht; Amulet der Giljaken. (Besprochen S. 230.) —
Mitgebracht von Adrian Jacöbsen. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 242
Flg. 183. Holzgeschnitzte Menschenfigürchen mit Gelenken, Amulet
der Giljaken gegen Puss- und Beinschmerzen. (Besprochen S. 230.)
— Mitgebracht von Adrian Jacobsen, Mus. £ Völkerkunde, Berlin,
Nach photographischer Aufiaahme des Verfassers 243
Flg. 134. Njerä-sewö, hölzernes, armloses Menschenfigürchen
mit einem Gelenke im Mittelkörper, Amulet der Golden gegen Fuss-
kraukheiten. (Besprochen S. 230.) — Mitgebracht von Adrian Jacobsen.
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 243
Flg. 185. Pomali, flacher Korb mit vier daran hängenden Bam-
buscylindem. Diese werden mit Wasser gefüllt, in den Korb werden
Opfer gelegt, das Ganze wird, um dem bösen Geiste Nahrung zu gewähren,
vor dem Hause aufgehängt. Dieser wird dadurch günstig gestimmt
und verschont die Bewohner mit Krankheit. Insel Bonerate. (Be-
sprochen S. 250.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufiiahme des Verfassers . 245
Flg. 186. üma bomoki, Häuschen, das bei Epidemien auf
Süla-Besi gefertigt und mit Opferspeisen gefüllt wird, um die Krank-
heits-Dämonen zu besänftigen, oder auch um die guten Geister zur
Bekämpfung derselben geneigt zu machen. (Besprochen S. 250.) —
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers „ 247
Flg. 187. Adü Fangüru, hölzernes Idol von der Insel Nias,
das zur Abwehr der Pocken dient. (Besprochen S. 251.) — Nach
Modigliani^ wie Eig. 34 249
Flg. 188. Fa-nap, holzgeschnitzte Menschenköpfe, welche auf
der Insel Süla-Besi bei iEpidemien von der gesammten Dorfbevölkerung
zur Abwehr in ein kleines Haus ausserhalb des Dorfes gebracht werden.
(Besprochen S. 251.) — Mus; f. Völkerkunde, Berlin. Nach photo-
graphischer Aufiaahme des Verfassers 249
Flg. 189. Tau-Tau-likoballo, „tanzende Puppen", Menschen-
figürchen aus Palmblättem so an einem horizontal hängenden Keifen
aufgehängt, dass der leiseste Lufthauch sie in Bewegung bringt Sie
dienen zum Schutze gegen Epidemien. Insel Saleijer. (Besprochen
S. 252.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers •...••••.... 251
Erklärung der Abbildungen. 331
Seite
Flg. 140. Stab mit [Blättertüten und Baumwollenbüscheln, als
Talisman zur Abwehr von Krankheiten im Dorfö aufgesteckt. Aus
Luschai in Tschit tagong. (Besprochen S. 253.) — Mitgebracht von
Riebeck. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme
des Verfassers 251
Flg. 141. Talisman zur Abwehr von Krankheiten im Dorfe auf-
gesteckt. Aus Luschai in Tschittagong. — Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 253
Flg. 143. Lotta-gah, kleines Boot, das bei dem Ausbruch von
Epidemien in Süla-Besi gefertigt und mit Speisen beladen der See
übergeben wird. (Besprochen S. 255.) — Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 254
Flg. 143. Leor, Modell eines Fahrzeuges, wie Letzteres bei Epi-
demien in Timoriao verfertigt und unter Gebeten den Wellen über-
lassen wird. Die menschlichen Figuren werden von denjenigen Fa-
milienhäuptem geschnitzt, deren Angehörige erkrankt sind. Die den
Figuren umgehängten Körbchen dienen zur Aufiiahme der Opfergaben.
— Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 255
Flg. 144. Kora-Kora, kleines Boot von West-Allor, dem
Nüu oder Henarah geweiht, mit menschlichen, zum Theil mit Schild
und Schwert bewaffneten Figuren, im Hause aufgestellt, um Krankheiten
abzuhalten. — Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufnahme des Verfassers 257
Flg. 145. T-saura, Scarificationsinstrument der Karayä-In-
dianer am Rio Araguya (Goyaz) in Brasilien; in eine auf der
Rückseite mit Harz oder Wachs beschwerte Cuyen-Schaale sind Fisch-
zähnchen eingesetzt. — Mitgebracht von Taül Ehrenreich. Mus. f.
Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 267
Flg. 146. Eiserne Messerchen mit hölzernem Griff zum Aderlass
von den Kwixpagmut, einem Indianer- oder Eskimo-Stamm von der
Mündung des Yukon in Alaska. — Mitgebracht von Adrian Jacobsen.
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 268
Flg. 147. Jös'sakkid, Medicin-Mann der Chippeway-Indianer
einem Patienten mit Hülfe eines knöchernen Bx>hres die Krankheit aus-
saugend. (Besprochen S. 270.) — Nach Hoffman, wie Fig. 15 . . . 269
Flg. 148. Oberes Ende eines Kuhhoms mit durchbohrter Spitze,
Schröpfkopf der Haussa. — Mitgebracht von Staudinger. Mus. f.
Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 270
Flg. 149. Schröpfkopf von Messing aus Marokko. (Besprochen
S. 270.) — Mitgebracht von Max Quedenfeldt Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 271
Flg. 150. Eisernes, pinzettenähnliches Instrument der Haussa
(Nordwest-Afrika) mit Leder umflochten. Es wird zum Ausziehen
von Domen u. s. w. benutzt. (Besprochen S. 274.) — Mitgebracht von
332 Anhang I.
Seite
Itobert Flegel. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufiiahme des Verfassers 272
Flg. 151. E[leines eisernes Messer mit umwickeltem Griff, Ton
einem Medicin-Mann der Haussa in Granda (Nordwest- Afrika) zum
Operiren und Tättowiren benutzt. (Besprochen S. 275.) — Mitgebracht
von Staadinger. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer
Aufiiahme des Verfassers 273
Flg. 153. Scheeren eines Heuschreckenkrebses (Squilla) zum Offiaen
von Pusteln u. s.w. von der Carolinen-Insel Yap. (Besprochen S. 275.)
— Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Aufnahme des
Verfassers 273
Flg. 153. Pinjampo, geglättete und bearbeitete holzige Wurzel
aus Borneo, von den Dayaken zum Offnen von Abscessen und zum
Herausziehen des Schmerzes aus dem Körper benutzt. (Besprochen
S. 275, 276.) — Mitgebracht Von Felix Isidor Bacees. K. K. Natur-
historisches Hofmuseum in Wien. Nach einer durch Herrn Custos
Franz Heger freundlichst übersendeten Zeichnung 27$
Flg. 154. Eiserne Zahnzange (Awarteki) der Haussa von
Sokoto in Nordwest-Afrika. (Besprochen S. 277.) — Mitgebracht
von Bobert Flegel. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph.
Aufiiahme des Verfassers 274
Flg. 155. Eiserne Zahnzange (Awarteki) der Haussa von
Sokoto (Nordwest-Afrika) im Lederfutteral. (Besprochen S. 277.) —
Mitgebracht von Robert Flegel. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 275
Flg. 156. Junger Mann der Bawenda aus Ha Tschewasse,
Transvaal, welchem beim Herausmeisseln eines Zahnes ein Stück
des Unterkiefers durch die Wange getrieben wurde. (Besprochen S. 277.)
— Nach photographischer Aufiiahme im Besitze des Verfassers . . .276
Flg. 157. Vernähte Bauch wunde einer Frau in Uganda (Central-
Afrika), bei welcher der Kaiserschnitt ausgeführt war. — Nach Itobert
W. Felkin: Ueber Lage und Stellung der Frau bei der Geburt auf GFrund
eigener Beobachtung bei den Neger-Völkern der oberen Nil-Gegenden.
Marburg 1885. Taf. H Fig. 18 283
Flg. 168. Ein beilförmiges und ein spatelförmiges Glüheisen aus
Marokko. — Mitgebracht von 3Iax Quedenfeldt Mus. f. Völkerkunde,
Berlin. Nach photographischer Aufiiahme des Verfassers 287
Flg. 159. Tragestuhl von Bambus für eine Kranke inSi-Belaboew
in Mittel-Sumatra, auf dem Rücken getragen. (Besprochen S. 291.)
— Nach van Hasselt, wie Fig. 11, PL XXXVII, Fig. 2 288
Flg. 160. Stuhl von Bambus für einen gelähmten Knaben aus
Soeroelangoen in Mittel-Sumatra. (Besprochen S. 291.) — Nach
van Hasselt, wie Fig. 11, PL XXXVn, Fig. 5 288
Flg. 161. Amoo, Kranken-Tragbahre der Maori auf Neu-
seeland. (Besprochen S. 291.) — Nach Thomson- Longmore Fig. XXII 289
Erklärung der Abbildungen. 333
Seite
Flg. 163. Dacota-Indianer einen Verwundeten transportirend.
(Besprochen S. 292.) — Nach Schoolcraft, wie Fig. 17, Part. 11 plate 25 291
Flg. 168. Hölzerner Fetisch mit ächten, verfilzten Haaren, einen
grossen Nabelbruch zeigend, Benguela (Central- Afrika). (Besprochen
S. 294.) — Mus. f. Völkerk., Berlin. Nach photograph. Aufiiahme d. Verf. 293
Flg. 164. Bruchband für doppelseitigen Leistenbruch aus Marokko.
Aeussere Ansicht. (Besprochen S. 295, 296.) — Mitgebracht von Max
Quedenfeldt. Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photographischer Auf-
nahme des Verfassers 294
Flg. 165. Dasselbe, wie Fig. 164. Innere Ansicht. (Besprochen
S. 295, 296.) — Nach photographischer Aufnahme des Verfassers . . 295
Flg. 166. Wal am a, Verbotszeichen oder Matakau von der Insel
Serang, um den Uebertreter Blut uriniren zu lassen. — Nach Biedel,
wie Fig. 34, Taf. XIII Fig. 7 297
Flg. 167. Steinmesser der Australneger vom Herbert-Flusse
fiir die Mika-Operation, Quarzitsplitter in einem Griff, der aus dem
gehärteten Safte des Grasbaumes (Xanthorrhoea) hergestellt ist. Vorder-
seite und Bückseite. Nach Photographie und Schematischer Quer-
schnitt des Quarzitsplitters. (Besprochen S. 297.) — Aus N-vonMiklucho-
Maclay: Bericht über Operationen australischer Eingeborener. Zeitschrift
für Ethnologie. Band XIV. S. 28. Berlin 1882 298
Flg. 168. Eiserner Haken der Haussa vonSokotö (Nordwest-
Afrika) zur Entfernung von „schleimigen Häuten" bei einer Beli ge-
nannten, der Bräune ähnlichen Halskrankheit. (Besprochen S. 300.) —
Mitgebracht von Robert Flegel* Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischef Aufnahme des Verfassers 299
Flg. 169. Spatelartiges Instrument und eiserner Haken der Haussa
aus Sokotö (Nordwest- Afrika) zur Entfernung von „schleimigen
Häuten" bei einer Beli genannten, der Bräune ähnlichen Halskrankheit.
(Besprochen S. 300.) — Mitgebracht von Staudinger. Mus. f. Völkerk.,
Berlin. Nach photographischer Aufnahme des Verfassers 299
Flg. 170. Hohlmeisselartiges Instrument der Haussa aus Sokotö
(Nordwest-Afrika), von Eisen, mit einer Schelle und Eingen am
Griff, zur Entfernung von „schleimigen Häuten" bei einer Beli ge-
nannten, der Bräune ähnlichen Halskrankheit. (Besprochen S. 300.) —
Mitgebracht von Staudinger. Museum f. Völkerkunde, Berlin. Nach
photographischer Aufnahme des Verfassers 299
Flg. 171. Ledernes Futteral der Haussa aus Sokotö (Nordwest-
Afrika) föi' ein chirurgisches Besteck. — Mitgebracht von Staudinger.
Mus. f. Völkerkunde, Berlin. Nach photograph. Aufnahme des Verfassers 300
Flg. 173. Schädel einer Mumie aus Neu-Caledonien mit einer
nur theilweise vollendeten Trepanationswunde auf dem rechten Stirn-
bein. Der Gesichtstheil des Schädels wird durch die angezogenen Kniee
verdeckt und ist deshalb im Holzschnitt fortgelassen worden. (Besprochen
S. 302.) — Sammlung ümlauff^ Hamburg. Nach photographischer
Aufnahme des Verfassers 301
334 Anhang I. Erklärung der Abbildungen.
Seite
Flg. 178, Trepanirter Schädel aus einem altperuanischen Grabe
in Pisac. (Besprochen S. 304.) — Mitgebracht von Hettner. Mus. f.
Völkerkunde, Berlin. Nach photograph. Aufiiahme des Verfassers . . 303
Flg. 174. Operationsmesser, wie es die Eingeborenen in
Kahura (Uganda, Central-Afrika) zur Ausführung des Kaiser-
schnittes benutzen. — Nach FelJciff, wie I'ig. 157. Taf II, Fig 19 305
Flg. 175. Kaiserschnitt, von Eingeborenen in Kahura
(Uganda, Central-Afrika) ausgeführt. — Nach Felkin^ wie Fig. 157.
Taf. II, Fig 17 306
Anhang II
Yerzeichnlss der benutzten Schriften.
Älvord s. Schoolcraß.
Äustraliay South- (Woods, Taplin, Wyatt, Meyer, Schürmann^ Gason,
Bennett). The native tribes of Adelaide. 1879.
Aymonier, Jßtienne. Notes sur les coutumes et croyances des Cambod-
giens. (Cochinchine FraiiQaise: Excursions et Reconnaissances.
No. 16. Saigon 1883.) p. 133.
Aymonier^ Jßtienne. Notes sur le Laos. (Cochinchine Fran^aise: Ex-
cursions et Reconnaissances. No. 21 (IX). Saigon 1885.)
Baker s. Sarasin.
Bancroft, Hubert Howe. The native races of the Pacific States of
North America. Vol. I. New York 1875.
Bartels^ Max s. Bloss.
Bastian., A. Die Völker des östlichen Asiens, Studien und Reisen.
Dritter Band. Reisen in Siam im Jahre 1863. Jena 1867.
Bastian, Adolf. Die deutsche Expedition an der Loango-Küste nebst
älteren Nachrichten über die zu erforschenden Länder. Nach persön-
lichen Erlebnissen. Jena 1874/75.
Bastian^ Adolf. üeber psychische Beobachtungen bei Naturvölkern.
Schriften der Gesellschaft für Experimental - Psychologie zu Berlin.
IL Stück. Leipzig 1890. S. 6 — 9 (aus: Allerlei aus Volks- und
Menschenleben. IL 102).
Bowditch^ T. Edward, Mission der Englisch-Afrikanischen Coni-
pagnie von Cape Coast Castle nach Ashantee u. s. w. (Museum
der neuesten und interessantesten Reisebeschreibungen für gebildete
Leser. Vollständig nach den Originalausgaben. XIV. Band.) Wien 1826.
Broca, Paul. Sur les trepanations prehistoriques. Bulletins de la Societ(^
d'Antliropologie de Paris, tome XI, 11. serie. Paris 1876. p. 236 — 256.
(Man vergleiche auch die Discussion bei Prunieres)
Brough'Smith, R. The Aborigines of Victoria, with notes relating to
the habits of the Natives of other parts of Australia and Tasmania.
London 1878. vol. L p. XXXVIII.
Brousmiche^ iJdouard. Apercu general de Thistoii'e naturelle du Tonkin.
(CochinchineFran^aise: Excursions et Reconnaissances. No. 30 (XIII).
Saigon 1887. 176.)
Bartels, Medioia der Natarvölker. 22
338 Anhang IL
Büttikofer, J. Reisebilder aus Liberia. Leiden 1890.
Carrou?, Fleming. Lithotomy in Canton. Brit. Med. Jour. 1880. ü. 898.
Catlinj Geo. Letters and Notes on the manners, customs, and condition
of the North American Indians. London 1841. L 40.
Catlin^ G. Die Indianer Nord- Amerikas und die während eines
achtjährigen Aufenthalts unter den wildesten ihrer Stämme erlebten
Abenteuer und Schicksale. Deutsch von Heinrich Berghaus, Zweite
Ausgabe. Brüssel, Leipzig, Gent 1851. S. 28.
Capello, Ä, and IL Ivens. From Benguella to the Territory of Yacca.
Description of a Joumey into Central and West Africa. London 1882.
Corre^ A. Les peuples du Rio Nunez (cöte occidentale d'Afrique).
Memoires de la Soci^t^ d' Anthropologie de Paris, tome III deuxi^me
Serie. Paris 1888. p. 49.
Crevaux^ Jtdes, Memoire sur les N^gres Bosh ou N^gres Marrons
des Guyanes. Memoires de la Societe d'Anthropologie de Paris.
Paris 1875. tome IL 269.
Grevaux, J. Von Cayenne nach den Anden. Globus. Band XL S. 70.
Braunschweig 1881.
Dobhert s. Quedenfeldt,
Eells, Myron* The Twana, Chemakum and Klallam Indians, of
Washington Territory. Annual Report of the Board of Regent^ of
the Smithsonian Institution for the year 1887. Part I Washington
1889. p. 675.
Ehr enr eich ^ P. Beiträge zur Völkerkunde Brasiliens. Veröffentlichungen
aus dem königlichen Museum für Völkerkimde. Band 11. 1. u. 2. Heft.
Berlin 1891.
Ella^ Samuel. Native medicine and surgery in the South Sea Islands.
The Medical Times and Gazette. 1874. Vol. I. 50. London.
Engelhardt, H. E. D. Mededeelingen over het eiland Saleijer. Bijdragen
tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indie. 4te volg-
krees. 8te deel. s'Qravenhage 1884.
Felkin, Robert W. Ueber Lage und Stellung der Frau bei der Geburt
auf Grund eigener Beobachtungen bei den Neger-Völkern der oberen
Nil-Gegenden. Marburg 1885.
Finsch^ 0. Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee.
Dritte Abtheilung: Mikronesien (West-Oceanien). Annalen des
K. K. Naturhistorischen Hofinuseums. Band VIII. Wien 1893. S. 49.
Fossel^ Victor. Volksmedicin und medicinischer Aberglaube in Steier-
mark. Graz 1886.
Freudenberg. Schriftliche Mittheilungen an das kgl. Museum für Völker-
kunde in Berlin.
Frischbier, U. Hexenspruch und Zauberbann. Ein Beitrag zur Geschichte
des Aberglaubens in der Provinz Preussen. Berlin 1870.,
Gatschet^ Albert Samuel. The Klamath Indian of Southwest ern
Oregon. Department of the Interior. U. S. Geographica! and Geo-
logical Survey of the Rocky Mountain Region. (J. W. Potvell in
Charge.) Washington 1890.
Verzeichniss der benutzten Schriften. 339
Grünwedel. Mündliche Mittheilungen.
Harmand^ /. Les Eaces Indo-Chinoises. M^moires de la Soci^te
d'Anthrop. de Paris, tome 11. Paris 1875. p. 338.
Hasselt^ Ä. L. van* Volksbeschrijving van Midden-Sumatra. Leiden.
1882. Aus: Midden-Sumatra. Reizen en onderzoekingen der Su-
matra -Expeditie, uitgerust door het aardrijkskundig Genootschap
1877 — 1879 beschreven door de leden der expeditie, onder toezicht van
Prof. P. J. Veth. Derde Deel: Volksbeschrijving en Taal. Eerste
Gedeelte. Eerste Afdeeling.
Hasselt, J. L. van. Die Papuastämme an der Geelvinkbai (Neu-
Gui n e a). Mittheilungen der Geographischen Gesellschaft (für Thüringen)
zu Jena. Band IX. Heft 3 u. 4. Band X. Jena 1891.
Helfrich^ 0. L. Bijdrage tot de Geographische, geologische en ethno-
graphische kennis der Afdeeling Kroe (S.W.Sumatra). Bijdragen tot
de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indie. Vijfte volgreeks,
vierde deel. (deel XXXVIII der geheele reeks.) s'Gravenhage 1889.
Hoffman, W. J. The Mide Viwin or „Grand Medecine Society" of the
Ojibwa. Washington 1892.
Holuh^ Emil Sieben Jahre in Süd-Afrika. Erlebnisse, Forschungen und
Jagden auf meinen Beisen von den Diamantfeldern zum Zambesi.
(1872—1879.) Band I. Wien 1881.
Hughan s. Brough Smith.
Jacobs, JuUus. Eenigen tijd onder de Baliers. Eene Reisbeschrijving
met aanteekningen betreffende Hygiene, Land- en Volkenkunde van de
Eilanden Bali en Lombok. Batavia 1883.
Jacobs en^ Adrian s. Woldt
Jagor, F. Reisen in den Philippinen. Berlin 1873.
Jensen, Petrus, De incantamentorum Sumerico-Assyriorum seriei quae
dicitur Surbu tabida sexta. Monachii 1885.
Johl. Emdiseni -Petersberg, Kafferland. Berliner Missionsberichte.
1884. S. 130.
Joest, W. Ethnographisches und Verwandtes aus Guayana. Supplement
zu Band V des Internationalen Archivs für Ethnographie. Leiden 1893.
Ivens s. Capello.
Keelan, B. C One Year's statistics of Lithotomy Operations perfonned in
the Hy der ab ad Civil Hospital. Sind, India. The British Medical
Journal. Vol. IL p. 82G. London 1887.
Krauss^ Friedrich S. Volksglaube und religiöser Brauch der Südslaveu.
Münster i.W. 1890.
Kropf, A. Das Volk der Xosa-Kaffern im östlichen Süd-Afrika nach
seiner Geschichte, Eigenart, Verfassung und Religion. Berlin 1889.
Landes. Notes sur les moeurs et superstitions populaires des Annamitos.
Cochinchine fi^ancjaise: Excursicms et Reconnaissances. No. 6. Saigon
1880. p. 447 ff.
Lenormant, Frangois. Die Magie und Walirsagekunst der Chaldäer.
Jena 1878.
22*
340 Anhang IL
Lochkarte Wiüiam» Der ärztliche Missionar in China. Mittheilungen
nach zwanzigjähriger Erfahrung. Uebersetzt von Hermann Bauer.
Würzburg 1863.
Longmore^ T. A treatise of the transport of sick and wounded troops.
London, s. a. Fig. XXII, p. 114.
Mac Gillivray s. v. Miklucho-Maclay.
Man, Edward Horace. On the Aboriginal Inhabitants of the Andaman
Islands. Reprinted from the Journal of the Anthropological Institute
of Great Britain and Ireland. London, s. a, (1883) p. 16 — 20.
Martin, K. Bericht über eine Reise ins Gebiet des oberen Surinam.
Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indie.
Vijde volgkrees, eerste deel (deel XXXV der geheele reeks). s'Graven-
hage 1886.
Mason^ Otts T. Papers relating to anthropology. The Ray CoUection
from Hupa Reservation. Annual Report of the Board of Regents
of the Smithsonian Institution for the year 1886. Part I. Washington
1889. p. 235.
Matthews, J. W. Incwadi Yami or twenty years personal experience
in South Africa. London 1887.
Matthews, Washington- The Mountain chant: a Navajo ceremony.
Fifth annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of
the Smithsonian Institution 1883—84. Washington 1887. p. 379 — 467.
MikluchO'Maclay, N. von. lieber die Mika - Operation in Central-
Australien. Zeitschr. £ Ethnologie. Bd. 12. VerhandL d. Berliner
anthrop. Gesellschaft. S. 85. Berlin 1880.
MikluchO'Maclay , N. von- Bericht über Operationen australischer
Eingeborener. Zeitschr. f. Ethnologie. Bd. 14. Berlin 1882. S. 26—29.
(Roberts, Rotsh, Mac Gillivray.)
Modigliani, Elio. TJn viaggio a Nias. Milano 1890.
Moffat, Bobert. Missionary Labours and Scenes in Southern Africa.
London 1844.
Moore^ W. «7! Native Practice in Rajpootana. The Medical Times and
Gazette. London 1875. Vol. I. 39. 124.
Müller, F. W. K. Cultusgegenstände aus der Sammlung Jacobsen-Kühn.
Zeitschrift für Ethnologie. Band 24. Verhandl. S. 234. Berlin 1892.
Neis, P., et Septans. Rapport sur un voyage d'exploration aux sources
duDong-Nai. (CochinchineFrangaise: Excursions et Reconnaissances.
No. 10. Saigon 1881.)
Niblack, Albert P. The Coast Indians of Southern Alaska and
Northern British Columbia. Annual Report of the Board of Regents
of the Smithsonian Institution for the year ending June 30, 1888.
AVashington 1890. p. 349.
Nilsson, L. Das Steinalter oder die Ureinwohner des skandinavischen
Xordens. (Uebersetzt v. J, Mestorf,) Hamburg 1868. S. 145. 163.
Otis, George A. The Medical and surgical history of the war of the rebellion.
Part. II. Volume IL Surgical history. p. 276. case 804. plate VII. Fig. 7.
Oviedo s. Bancrofi.
Verzeichniss der benutzten Schriften. 341
Pallas y P. 8. Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen
Reiches. L St Petersburg 1771.
Paulitschke, Philipp, Beiträge zur Ethnographie und Anthropologie der
Somäl, Galla und Hariri. Leipzig 1886.
Petitot, Emile, Traditions Indiennes du Canada Nord-Ouest Textes
originaux et traduction litterale. Alengon 1887.
PintOf Serpa, s. v. Woheser.
Pleyte, C. W. Zwei neue Gegenstände von den Hervey-Inseln. Zeit-
schrift für Ethnologie, Verhandl. d. Berliner anthropolog. Ges. Band
XIX S. 30. Berlin 1887.
Ploss, H, Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologische
Studien. Dritte umgearbeitete und stark vermehrte Auflage. Nach
dem Tode des Verfassers bearbeitet und herausgegeben von Dr. Max
Bartels, Leipzig 1891.
Polak^ Jacob Eduard. Persien, das Land und seine Bewohner. Leipzig
1865. Band 11.
Proeesky. (Privatmittheilung.)
Prunihres, Sur les cränes artificiellement perfor^s ä T^poque des dol-
mens. Bulletins de la Societe d' Anthropologie de Paris, tome IX
n Serie. Paris 1874. p. 185—205.
Quedenfeldt, M, Krankheiten, Volksmedicin und abergläubische Kuren
in Marokko. Das Ausland. Jahrg. 64. 1891. S. 71, 95, 126.
Badloff, Wilhelm. Das Schamanenthum und seine Cultur. Leipzig 1885.
Report^ Seventh^ on the North Western Tribes of Canada. British
Assoc. for the Advancement of Science. London 1891. The Bilqula.
Riedel^ Johann Gerhard Friedrich, De sluik-en kroesharige Rassen tuschen
Selebes en Papua. s'Gravenhage 1886.
Riedel, J. G. F, De Topantunuasu of oorspronkelijke volksstammen
van Central Selebes. Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde
van Nederlandsch-Indie. Vijde volgkrees, eerste deel (deel XXXV der
geheele reeks). s'Gravenhage 1886.
Roberts, Reise von Delhi nach Bombay. Müllers Archiv £ Anat und
Physiol. Berlin 1843. S. 159.
Rosenberg^ H, von. Der Malayische Archipel. Land imd Leute.
Leipzig 1878.
Rotsh^ s. V. MikltichO'Maday,
Sarasin, Paul, und Sarasin^ Fritz, Die Weddas von Ceylon und die
sie umgebenden Völkerschaften, ein Versuch, die in der Phylogenie des
Menschen ruhenden Räthsel der Lösung näher zu bringen. Band HI:
Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon. Wiesbaden
1892—1893. S. 528—530.
Schoolcraft^ Henry R, Historical and Statistical Information respecting
the History, Condition and Prospects of the Indian Tribes of the
United States. (Ethnological researches respecting the Red Man of
Amerika.) Part I— V. Philadelphia 1851—1855.
Septans o. Neis.
342 Anhang IL
Soyaux^ Hermann. In West-Afrika. 1873 — 1876. Erlebnisse und Be-
obachtungen. Leipzig 1879.
SquieTf E. Oeorge. Peru. Incidents of travel and exploration in the Land
of the Incas. London 1887. p. 457, 577.
Staudinger^ Paul. Im Herzen der Haussalaender. Berlin 1889.
Steinen, Karl von den. Durch Central-Brasilien. Expedition zur Er-
forschung des Schingü im Jahre 1884. Leipzig 1886.
Stevens^ Vaughan, s. Virchow.
Stall, Otto. Guatemala. Reisen und Schilderungen aus den Jahren
1878—1883. Leipzig 1886. S. 158 ff.
Svoboda^ W. Die Bewohner des Nikobaren-Archipels. Internationales
Archiv für Ethnographie. Bd. V u. VI. Leiden 1892 u. 1893.
Sivan, Caler s. Schoolcraft.
Taplin, George^ s. Atistralia, South-.
Tennenty James Emerson. Ceylon, an account of the island physicaL
historical and topographical with notices of its natural history, anti-
quities and productions. London 1860. 11. 544 ff.
Thomas s. Brough Smith.
Thomson. The story of New Zealand, past and present London 1859.
Siehe Longmore.
Thomsen^ J. William. Te Pito Te Henua or Easter Island. Smith-
sonian Institution, TJ. S. Nat. Mus. Washington 1892. p. 470, 471.
Tillmanns, H. lieber prähistorische Chirurgie, v. Langenbecks Archiv
iur klinische Chirurgie. Band XXVHL Berlin 1883. S. 775—802.
(Mit Tafel.)
Toorn, J. L. van der. Het Animisme bij den Minangkabauer der
Padangsche Bovenlanden. Bijdragen tot de Taal-, Land- en
Volkenkunde van Nederlandsch Indie. Vijfde volgreeks, vijfde deel.
s'Gravenhage 1890.
Tromp, S. W. XJit de Salasila van Koeteii Bijdragen tot de Taal-,
Land- en Volkenkunde van Nederlandsch Indie. Vijfde volgkrees, deerde
deel (deel XXXVII der geheele reeks). s'Gravenhage 1888.
Tschudi, J. J. von. Culturhistorische und sprachliche Beiträge zur
Kenntniss des alten Peru. Denkschriften d. kais. Ak. d. Wiss. in
Wien. PhiL-hist Classe. Band XXXIX. Wien 1891. S. 148, 149.
Turner^ Oeorge. Samoa a hundred years ago and before. Together with
notes on the cults and customs of twenty-three other islands in the
Pacific. London 1884.
Vethj P. J. Borneo's Wester-Afdeeling. Zalt-Bommel 1856. S. 242.
Veth s. van Hasselt.
Virchow, R. Die wilden Eingebomen von Malacca. Zeitschrift fiir
Ethnologie, Verhandl. der Berliner anthropolog. Gesellschaft Band
XXIIL S. 838. Berlin 1891.
Wangemann. Ein zweites Reisejahr in Süd-Afrika. Berlin 1886. S. 106.
Wernich, A. Zur Geschichte der Medicin in Japan. Archiv fiir Ge-
schichte der Medicin und medicinischen Geographie. Leipzig 1878.
Verzeichniss der benutzten Schriften. 343
Wise, T, A. Commentary on the Hindu System ofMedicine. London 1860.
Wissmann, Hermann. Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von
West nach Ost Von 1880 — 1883 ausgeführt von Paul Pogge und
Hermann Wissmann. Berlin 1889.
Wlislocki, Heinrich von. Aus dem inneren Leben der Zigeuner. Ethno-
graphische Mittheilungen.. Berlin 1892.
Woheser, H. v. Serpa Pinto's Wanderung quer durch Afrika vom At-
lantischen zum Indischen Ocean durch bisher grösstentheils gänz-
lich unbekannte Länder, die Entdeckung der grossen Nebenflüsse des
Zambesi nach des Reisenden eigenen Schilderungen frei übersetzt.
Leipzig 1881.
Woldtj August Capitaen Jacobsen's Reise an der Nordwestküste
Amerikas. Leipzig 1884.
Wolff, Reise von San Salvador zum Quango. Verhandlungen d. Ges.
f. Erdkunde. Berlin 1886. Band XIIl S. 63.
Anhang III.
Yerzeiehniss der geographischen und Yölkernamen.
Die in [ ] gesetzten Eigennamen bezeichnen die Autoren, denen die im Texte
gemachten Angaben entnommen sind. Die betreffenden Werke sind in An-
hang II aufgeführt worden. M. V. bedeutet, dass die Angaben den Er-
klärungen entnommen sind, welche sich in den Akten des kgl. Museums für
Völkerkunde in Berlin finden. Die Ziffern bedeuten die Seitenzahlen des
Textes, auf welchen die Namen vorkommen. Schräg gedruckte Seitenzahlen
zeigen Abbildungen an.
Aaru-Inseln (Aru-Inseln, Arru-Inseln), südlich von Neu- Guinea.
[Riedel] 21, 24, 24, 28, 30, 35, 42, 42, 47, 53, 56, 58, 185, 195, 217,
246, 246, 246, 250, 266.
Acinam^ Fluss in Brasilien. [Ehrenreich.] 185.
Adelaide [AustraUa, Sauih']. (Süd- Australien.) 106.
Aegypten, 212, 226, 271.
Akkader [LenonnanUJensen]. Dieses Volk wird von den heutigen Assyrio-
logen als Sumerier bezeichnet Der Name Akkader ist gleich-
bedeutend mit Babylonier. Die Sumerier waren aber die nicht
semitischen Vorgänger der Babylonier und Assyrer in dem Euphrat-
Tigris-Gebiete. 12, 27, 34, 35, 175, 206, 227, 228, 252, 253.
Alahanpandjang, Mittel-Sumatra, [van Haaselt^ Veth.] 88.
Alaska, Nordwest-Amerika. [Bancroft, Niblack, Jf. F.] 11, 57, 61, 109,
122, 127, 147, J210, J211, 221, 221, 268, 268, 270, 282, 285. Siehe auch
Ätna, Eskimo, Koniaga, Kupferfluss, Kwixpagmut, Yukon
River.
Alor (Allor), Insel im malayischen Archipel zwischen Timor und
Flores. [Riedel, M. F.] 16, 17, 17, 41, JS57, 257.
Alpen, 36, 204, 230.
Altai, östliches "West-Sibirien. [Badloff.] 17, 18, 70, 80.
Altal-Tataren, "West-Sibirien. [Badloff.] 70, 177, 177, 178.
Ambon, Insel im östlichen malayischen Archipel, südlich von Serang.
[Riedel] 19, 28, 28, 28, 30, 35, 35, 38, 41, 128, 162, 195, 201, 201,
203, 204, 214, 249, 259.
Amur-Geblet, Ost-Sibirien. [Jf. F.] 98.
348 Anhang HI.
Andai, Nordwest-Neu-Guinea. [von Rosenberg.] 11, 49.
Andamanen. [Jfan.] 266. Siehe auch Mincopies.
Annam, Hinterindien. [Landes.] 12, 18, 19, 19, 21, 31, 35, 37, 42, 50, 52,
53, 54, 55, 56, 56, 57, 60, 63, 66, 66, 67, 80, 81, 87, 88, 96, 97, 106,
106, 107, 107, 113, 113, 114, 148, 148, 154, 154, 154, 160, 161, 162,
166, 166, 166, 169, 192, 195, 212, 214, 216, 242, 244, 244, 245, 259.
Annamlten^ siehe Ann am.
Anelteum^ Insel der Neu-Hebriden-Gruppe. [Turner.] 175.
Arabien. 212.
Arizona, Nord-Amerika. 59, 160, 180, 197, 198, 198, 199, 199, 200, 270.
S. a. Navajö, Pueblos.
Arowaken, Indianer in Surinam. [/oe5^.] 261.
Asehantl, Negerstamm in Ober-Guinea, Afrika. [Botvditch.] 52, 53,
106, 123, 123, 124, 128, 134, 210, 210, 212, 267, 275, 282, 285, 289,
296. S. a. Empoöngwa.
Assyrer« [Lenormant^ Jensen.] 12, 34, 35, 175, 206, 227.
Atlas-Gebirge, Marokko. [Quedenfeldt] 211.
Atna-Indlaner in Alaska. [M. F.] 65, 66, 68, 69, 70, 71, 72, 73.
Atopeu in Cochinchina. [Harmand.] 238, 249.
Australien, s. a. Adelaide, Australien Nordwest-, Australien Süd-,
Coopers Creek, Dieyerie, Gippsland, Goulbourn, Herbert-
Fluss, Kukuta, Maclay River, Murray - Fluss, Narrinyeri,
Nasim, Parapitschuri-See, Queensland, Victoria.
Australien, Süd-. [Äustralia, South-, Taplin.] 24, 24, 24, 24, 47, 53, 63,
86, 92, 106, 106, 119, 133, 134, 140, 148, 186, 186, 188, 205, 206, 209,
247, 269, 275, 282, 282, 290, 291.
Australien, Nordwest-, [von Miklucho-Maclay.] 274.
Aynthla, in Siam. [Bastian.] 134.
Azteken. [Stoll] 137.
Babar-Inseln (Babber-Inseln), im östlichen malayischen Archipel,
nahe der Westküste von Timoriao. [Biedel] 35, 134, 168, 195, 217,
246, 246, 246.
Babylonler. 227.
Bakalri-Indlaner, Brasilien. [Ehrenreich, von den Steinen.] 24, 298.
Ball, kleine Sunda-Insel, östlich an Java grenzend. [Jacobs.] 39, 39,
52, 53, 62, 88, 127, 128, 173, 240, 242, 253, 258, 295. S. a. Boele-
leng, Djembrana.
Basutho, Betschuanen-Stamm im südöstlichen Afrika, besonders in
Transvaal. [Wangemann.] 28, 67, 69, 112, 181, 270.
Battaker (Battah), Volk in Sumatra. [M. F.] 30, 30, 106, 108, 112,
113, 114.
Verzeichniss der geograpbiBchen und Völkemamen. 349
Bawenda, Volk in Transvaal, Süd-Afrika. 276, 277.
Benguela (Benguella), Nieder-Guinea, West-Afrika. {M, F.] 293.
Betschuanen, Südost-Afrika. [Moifat, Holub.] 30, 55, 57, 57, 69, 75,
80, 110, 197, 270.
Bheels, Volk in Eadschput ana, nordwestliches Indien. [Moore.] 40, 287, 288.
Bilqula-Indlaner in Canada. [Report] 24, 76, 78, 120, 120, 275, 275,
287, 290.
Blakfeet s. Schwarzfuss-Indianer.
Blendas s. Orang Blendas.
Boeleleng (Buleleng), auf Bali. [Jctcobs.] 258.
Bonerate, kleine Insel, südöstlich von Saleijer. [M. F.] 105, 245, 250.
Bonlto in Neu-Mexico. [Bancroft.] 139.
Bomeo. [Tromp, Veth, M F.] 11, 19, 52, 53, 55, 63, 110, 112, 128, 149,
183, 195, 273, 275. S. a. Dayaken, Kapoeas, Koetei.
Bowditch-Insel, s. Fakaofo.
Brasilien. [Ehrenreich, von den Steinen.] S. Acinam, Araguya, Bakairf,
Goyaz, Hyutanaham, Ipurina, Karayä, Purus, Sertanejo,
Xingu, Yammamadi, Yuruma.
Brack, Schloss bei Lienz in Tirol. 27.
Bttrgersdorf bei Wehlau, Provinz Preussen. 10.
Baijäten (Buräten), Volk in der Gegend von Irkutsk in Süd-Sibirien.
[Pallas, M. F.] 134, 134, 174, 174, 176, 215, 241, 248, 250.
Bam, Insel im malayischen Archipel, zwischen Serang und Selebes.
[Riedel] 11, 28, 28, 38, 41, 42, 67, 134, 160, 180, 180, 214, 214, 214,
246, 254, 255, 256, 256.
Baschneger in Surinam und Guyana. [Martin, Crevaux.] 128, 261, 293.
Basehneger in Togo, "West-Afrika. [Herold.] 251.
Callfomlen, Indianer von. [Bancroft.] 22, 50, 51, 53, 53, 58, 60, 60, 64,
87, 106, 106, 119, 124, 124, 124, 133, 134, 135, 140, 155, 186, 188,
197, 205, 247, 266, 266, 267, 269, 275, 275, 282, 287. S. a. Karok,
. Meewoc, Schasta.
Cambodja, Hinterindien. [Aymonier, Bastian^ 42, 53, 109, 146, 274.
S. a. Hatien, Me Khong, Schaudoc.
Canada» Indianer von. [Report, Petitot.] 24, 76, 81, 106, 106, 127, 161,
203, 268. S. a. Bilqula.
Caqalngae, Central-Afrika. [Serpa Pinto.] 49. S. a. Ganguella-Neger.
Carlben (Karaiben), Indianer in Surinam und der Nachbarschaft.
[Joest.] 120, 261.
Carolinen-Inseln s. Karolinen-Inseln.
Carpentarla-Glolf, Nord-Australien, [von Miklucho-Maclay.] 297.
Cascade Bange, im Washington-Territorium und Oregon, westliches
Nord-Amerika. [Gatschet] 87.
350 Anhang HL
Cayase-Indlaner, Oregon. [Schoolcraft.] 43, 75, 78, 86.
Celebes s. Selebes.
Ceram s. Serang.
Ceylon. [Sarasin^ Tennent, M. F.] S. Singhalesen, Tamilen, Weddah.
Chaudoc s. Schaudoc.
Chemakimi - Indianer im Washington - Territory, westliches Nord-
Amerika. [Eells.] 22, 23, 23, 25, 59, 106, 201, 209, 287.
Chettro Kettle in Neu-Mexiko. [Bancroft,] 139.
Chikasaw-Indianer (Chickasaw) in Alabama. [Swan, Schoolcraft.] 25.
China. [Lockharl, Jacobs^ Carrow, Wemich] 40, 65, 128, 129, 154, 212,
222, 223, 288, 296.
Chlppeway-Indianer (Ojibwa) im Nordosten von Minnesota. [School-
craft, Hoifman] 11, 36, 50, 63, 63, 69, 106, 106, 125, 133, 153, 163,
165, 179, 181, 182, 155, 185, 186, 188, 189, 189, 191, 204, 209, 210,
269, 270, 305.
Choetaw-Indlaner im Staate Mississippi. [Schoolcraft.] 25, 25, 29, 73, 74.
Chorotegan-Indianer (Tschorotegas) in Nicaragua. [Bancroft.] 120,248.
Colombia, Indianer von, Süd-Amerika. [Bancroft.] 133.
ColumMen, Britisch-. [Bancroft.] 11, 24, 55, 59, 60, 66, 68, 86, 134,
147, 180, 187, 188, 266. S. a. Haidah, Frazer River, Nutka,
Onkanagan, Sahaptin, Tschimsian.
CongO^ Afrika. 120.
Coopers Creek, Australien, [von Miklucho-Maclay.] 297.
Copper Biver s. Kupferfluss.
Creek-Indianer in Alabama. [Schoolcraft.] 25, 29, 53, 56, 57, 60, 106,
125, 133, 163, 185, 267, 270, 290, 292.
Cypem. 42, 43.
Dacota-Indianer in Nordamerika. [Schoolcraft.] 18, 21, 21, 22, 23, 49,
51, 53, 57, 58, 59, 77, 92, 106, 120, 120, 121, 123, 124, 125, 133, 133,
134, 134, 136, 139, 140, 153, 154, 179, 179, 184, 186, 196, 243, 246,
267, 268, 270, 275, 282, 282, 284, 286, 290, J291, 292, 292.
Dad^ss im Atlas-Gebiet, Marokko. [Quedenfeldt.] 211.
Dama (Damme), Insel im östlichen malayischen Archipel, zwischen
Timor und Timoriao. [Riedel] 162, 195, 195, 196.
Dayaken^ Eingeborene von Borneo. JS73, 275, 276.
Dieyerie, Volksstamm in Süd- Australien. [Ätistralia, South-, vonMiklucho-
Maclay.] 76, 86, 92, 106, 186, 205, 297, 297.
DJallolo (Djilolo oder Halmahera), Insel der Molukken - Gruppe.
19, 19.
Djembrana auf der Insel Bali. [Jacobs.] 258.
DoreJ (Doreh), nordwestliches Neu-Guinea. [von Rosenberg.] 11, 47, 47,
61, 133, 135.
Verzeichniss der geographischen und Völkemamen. 351
Keaador^ Indianer von. [Bancrofl.] 121.
Eetar (Wetter), Insel im östlichen malayischen Archipel, nördlich von
Timor. [Riedel] 22, 22, 24, 24, 24, 28, 29, 31, 32, 41, 99, 127, 162,
213, 214, 246, 246, 250, 256, 260.
Emdisenl in Kafferland, Süd-Afrika. [Johl] 51. S. a. Petersberg.
EmpoOngwa, an der Grenze der Aschanti, West- Afrika. [Bowditch,] 296.
Engano^ Insel im malayischen Archipel, an der Südwestküste von Su--
matra. [von Bosenberg.] 119, 275, 275, 282.
Erromanga^ Insel der Neu-Hebriden-Gruppe. [Ella.] 36.
Eskimo von Alaska. [Jacobsen.] 211, ^^i, 221.
Ewe-Neger im Togo-Gebiete, West-Afrika. [Herold.] 19, 20, 251, 261.
Cakaofo (Bowditch-Insel), südlichste Insel der Tokelau-Gruppe in
der Südsee, südöstlich von der Duke of York Insel, nördlich von
Samoa. [Turner.] 146.
Flathead-Indlaner (Flachkopf-Indianer) in Oregon. [Bancroft.] 133,
267, 282.
Flores, eine der kleinen Sunda-Inseln. [M. V.] 107, 107, 1J20, 120,
16J2j 162.
Frankfart am Malii. 311.
Frankreich. [Broca^ Prunihres.] 303.
Frazer Elrer, Fluss in Britisch-Columbien. [Jacobsen.] 275.
Fullah, Volk am Rio Nunez in West-Afrika (auf S. 222 u. 287 ist irr-
thümlich Ost -Afrika genannt). [Corre.] 222, 276, 287, 293, 299.
Oalla^ Volk im östlichen Central-Afrika. [PauUtschke.] 53.
Granguella-Neger in Caquingue, Central-Afrika. [Serpa Pinto.] 49, 58,
67, 106, 110, 160.
Greelvlnk-Bal im nordwestlichen Neu-Guinea, [J, L. van Hasselt] 18,
167, 168, 195.
G^ilbert-Inseln, nordöstlich von Neu-Guinea, südlich von denMarshall-
Inseln. [Finsch.] 168, 287.
Glljaken, Volk an der Mündung des Amur in Ost-Sibirien und im
nördlichen Sachalin. [M, F.] 98, 183, 187, 225, 227, 228, 228, 228,
229, 229, 230, 230, 231, 231, 233, 235, 235, 238, 242, 243, 277.
Glippsland in Victoria, Australien. [Brough Smith.] 26, 49, 197.
Golden, Volk im Amur-Gebiet in Ost-Sibirien. [M. F.] 81, 82, 82, 83,
98, 109, 113, 226, 227, 228, 228, 228, 229, 229, 230, 230, 230, 230, 231,
232, 232, 233, 234, 234, 234, 236, 237, 239, 239, 240, 241, 241, 243.
Goldkfiste, Neger der, West-Afrika. 297.
Gorong-Inseln im östlichen malayischen Archipel, zwischen Serang
und Neu-Guinea. [Riedel] 11, 12, 19, 27, 30, .30, 32, 38, 42, 42,
106, 109, 110, 114, 134, 161, 162, 173, 191, 191, 210, 213, 214, 216,.
239, 241, 256, 266, 282.
352 Anhang III.
Goulbourn-Stamin im südlichen Australien. \Äustralia, South-,] 211.
Oraudenz. 22.
Orlechen^ alte. 26. "
Griechen, neue. 19.
Guatemala, Indianer von. [Stall] 137, 138, 138. 8. a. Tactic.
Guyana (Guayana), Indianer von. [Bastian, Grevaux*] 126, 293.
Haldah-Indianer in Britisch-Columbien. [Bancroft^ M> F.] 60, 71,
73, 74, 76, 121, 134, 179, 180, 181, 203, 203, 285.
Harftr (Harrär), Stadt im östlichen Central - Afrika. Die Einwohner
heissen Harrari. [Paulitschke,] 12, 21, 44, 53, 89, 106, 120, 123, 123,
123, 191, 209, 210, 212, 213, 214, 215, 216, 282, 286, 295.
Hatten in Cambodja. 53.
Ha Tschewasse in Transvaal, Süd-Afrika. 276, 277.
Haussa, Volk im nordwestlichen Afrika. [Staudinger^ M, F.] 270, 270, 272,
273, 274, 274, 275, 275, 277, 299, 299, 299, 300, 300.
Herbert-Fluss in Nord- Queensland, Australien, [von Miklacho-Maclay.]
297, 298, 298.
Hervey-lnseln, südöstiich von Samoa, zum Karatonga- oder Cooks-
Archipel gehörig. [Pleyte.] 38, 38.
Hlmalaya. 292.
Hindu« [Wise, Moore.] 289, 290. S. a. Inder.
Holamnx in Oregon. [M. V.] 179, 180.
Hollaender. 249, 254.
Honduras^ Indianer von. [Bancroft] 133, 154, 269.
Humphreys-Insel (Manahiki), westliche Insel der Penryn-Gruppe, nord-
östiich von Samoa. [Turner.] 286, 290.
Hnna, Portland in Oregon. [M. V.] 179.
Hyderabad (Haidarabad), Vorder-Indien. [Keelan.] 296, 297.
Hyutanaham in Brasilien. [Ehrenreich.] 248.
Ibakl-Berge in Japan. [Wemich.] 223.
Igorroten, Volk auf den Philippinen. [Jagor.] 47.
Inder, alte. [Wise.] 14, 109.
Inder, neue. [Keelan, Moore.] 19, 65, 209, 212, 227, 273, 289, 290, 292,
295, 306, 307. S. a. Bheels, Ceylon, Himalaya, Hindu, Hydera-
bad, Radschputana, Tschittagong.
Ipurlna-Indianer am oberen Rio Purus (Amazonas), Brasilien. {Ehreyi-
reich.] 24, 25, 29, 49, 53, 59, 78, 92, 126, 153, 181, 185, 245,
247, 248.
Irland. [Nilsson.] 26.
Verzeichnies der geographischen und Völkernamen. 353
Isthmus-Indianer, Central-Amerika- [Bancrofl.] 24, 57, 185, 185, 2G8.
Italien. 43.
Jakuten, Volk in West-Sibirien. [Pallas.] 215, 215.
Japan. [Wernich:] ^S, G5, (}(}, 75, 91, 145, 145, 222, 222,223, 223, 224, 288.
Java. 19, 217.
Jemez in Neu -Mexico. [BancrofL] 139.
Jenessei-Tataren in Sibirien. [Pallas.] 125, 215.
Juden. 13, 22, 26, 26, 27, 28, 37, 43, 43, 226, 272.
Kaffern in Süd- Afrika. [Johl, Matthews,] 51, 181, 270.
Eaffern von Natal. [Prozeshy.\ 57, 112, 113. S. a. Xosa - Kaffern,
Emdiseni, Petersberg, Zulu.
Kahura, Ortschaft in Uganda, in Central-Afrika, [Felkin.] 305. 305,
306, 306.
Kalmttelien in Sibirien. [Pallas.] 124, 210, 222.
Kamatsehinzen (Kamaschinzen), Volk in Sibirien. [Pallas.] 71.
Kambodja s. Cambodja.
Kamtsehadalen. [ Pallas. \ 2 1 5.
Kapoeas (Kapuas), Fluss im westlichen Borneo. [M. F.] 112.
Karaiben s. Cariben.
Karaya-Indianer in Brasilien. [Ehrenreich.] 11, 42, 53, 79, 121, 121,
i22, 123, 238, 261, 267, 260, 274, 282, 286.
Karen, Volk in Siam. [Bastian.] 23.
Karok-Indianer in der Hupa-lleservation in Californien. [Jlfasow.]
22, 22, 64, 106, 119, 123, 266, 282, 285.
Karolinen-Inseln. [M. V.] 273, 275. S. a. Yap.
Kasaken. [Pallas.] 125, 125.
Katsehinzen, Volk in Sibirien. [Pallas.] 71, 180, 215.
K£i-Inseln (Keei-Inseln, im östlichen malayischen Archipel, zwischen
Xeu-Guinea und Timoriao. [liiedel, Müller, M. F.] 11, 16, 19, 19,
24, 24, 24, 24, 28, 28, 29, 30, 42, 42, 42, 191, 214, 214, 216, 246, 246,
252, 257, 259, 266.
Keisar (Kisser), eine der kleinen Sunda-Inseln nördlich von Timor.
28, 28, 42, 42, 109, 114, 123, 124, 162, 192, 192, 239, 259, 266.
Kha, wilde Stämme in Laos. [Harmand.] 238, 239.
Kiowa-Indlaner in Nord-Amerika. [O^is.] 284, 285.
Kirgisen. [Pallas, Eadloff.] 52, 53, 57, 59, 64, 74, 80, 179, 180, 238, 248, 276.
Klallam-Indianer im Washington-Torritory, westliches Nord-Amerika.
[Eells.] 22, 23, 23, 25, 59, 106, 185, 201, 209, 287.
Klaniath-Indlaner in Oregon. [Gatschet. M. V.] 22, 22, 22, 22, 23, 24,
2L 41, 43, 44, 51, 55, 87, 87, 133, 136, 140, 141, 153, 163, 165, 166,
179, 184, 184, 186, 189, 197, 209, 210, 235, 243, 266, 311.
Bartels, Medicin der Naturvölker. 23
354 Anhang III.
Koniaga-Indlaner im westlichen Alaska. [Bancroft] 11, 53, 50, 56, Oü, lOo.
Koetel (Kutei). in Borneo. [Tromp.] G3, 109, 128, 195.
Koibaleii, Volk in Sibirien. [Pallas.] 125.
Korea. 234.
KroS (Krohe), Limdschaft im südöstlichen Sumatra. [Helferich,] 108, i:v^,
148, 240, 250.
Knknta, Yolksstamm in Australien. [Brougk Smith] 53.
Kupferflass (Copper River), in Alaska. \Jacobsen.] 110.
Kwlxpaginnt, Eskimo- oder Indianer-Stamm in Alaska. [M. F.J J2J^1,
221, 222, 268, 268.
liakor, Insel im östlichen malayischen Archipel, zwischen Timor und
Timoriao. [Eiedel] 23, 24, 24, 24, 24, 28, 28, 42, 42, 53, 154, IcST,
213, 214, 245. 270, 271.
Lampoiig;, im südöstlichen Sumatra, [van Hasselt.] 250.
Laos, Hinterindien. [Aymoniery Bastian.] 23, 43, 107, 107, 140, lOfJ,
192, 238, 238, 244, 244. 296. S. a. Kha.
Lappen. [Nilsson.] 20, 268.
Lebaiig, Landschaft in Sumatra, [van Hasselt] 242.
Leech Lake in Nord- Amerika. Sitz der Chippeway- und Sioux-
Indianer. [Schoolcrafl^ Hoffman.] 155, 164, 165, 183.
Leti (Letti), Insel im östlichen malayischen Archipel, zwischen Timor
und Timoriao. [Riedel] 23, 24, 24, 24, 24, 28, 28, 28, 42, 42, 53,
99y 100, 154, 187, 213, 214, 245, 270, 271.
Liberia, Westküste von Afrika. [Büttikofer.] 49, 50, 57, 63, 75, 120,
120, 121.
Llenz, Stadt in Tirol. 27.
Lincoln, Port, in Australien, [von Miklucho-Maclay.] 53, 147, 148,
246, 298.
Loango, AVest-Afrika. {Bastian, Soyaux.] 20, 29, 31, 38, 39, 52, 52, 54,
58, 62, 62, 66, 69, 69, 77, 78, 80, 81, 90, 90, 91, 97, 109, 112, 161,
180, 180, 197, 246.
Loyalitäts-Inseln, östlich von Australien, zwischen Neu-Caledonien
imd denNeu-Hebriden. [Ella, Turner.] 275, 286, 292, 293, 295, 296.
S. a. Uvea.
Lnang-Inseln, im östüchen malayischen Archipel, zwischen Timor und
Timoriao. [Riedel] 23, 31, 41, 42, 99j 100, 163, 190, 213, 217, 240,
250, 255, 271).
Lnbuku, Central- Afrika. [Wissmann, ^ogge.] 52, 63, 69.
Ilabunde, Volksstamm des Marutse-Reiches am Zambesi, Süd-Afrika.
[Holuh.] 68, 86.
Maelay-Kiver in Queensland, Australien. \Brough Smith.] 106, 107.
Malabaren, Vorderindien. [M. V.] 233.
Verzeichniss der geographischen und Völkemamen. 355
Malacca. [Vaughan Stevens, Virchow.] 217, 218, 231, 232, 233. S. a. Orang
Blendas, Orang Utan, Orang Semang.
Manahlkl s. Humphreys-Insel.
Mandan-Indlaner in Dacota, Nord-Amerika. [Catlin,] 189, 191,
Manindjau in Mittel-Sumatra, [van Hasselt, Veth] 88.
Maiisinam in Neu-Guinea. [van Hasselt] 242, 243.
Maorl, Eingeborene von Neu-Seeland. [ThoYnson^ Longmore.] 134, J2S9,
291, 292.
Marokko. [Quedenfeldt, M. V.\ 12, 30, 43, 43, 56, 65, 153, 155, 211, 212,
270, :271, 286, 287, ^87, 289, 293, 294, 295, 295, 296. S. a. Atlas,
Dadess.
Manren. [Bowditch,] 128. .
Maya. [Bancroft\ 28, 53, 57, 59, 120, 161, 168.
M6 Khong, Fluss in Siam und Cambodja. [Harmand.] 238, 238, 249,
250, 258.
MentareJ, Insel an der "Westküste von Sumatra, [von Rosenberg,] 11, 47.
Mexico. [Bancroft] 20, 21, 22, 53, 120, 125, 126, 134, 160, 162, 168, 191,
222, 242, 266, 267, 267. S. a. Michoacan, Opoates, Pimas.
Meewoc-Indianer in Califomien. [Bancroft,] 50.
Michoacan in Central-Mexico. [Bancroft,] 168.
Minangabauer, Volksstamm in Sumatra, [van den Toorn,] 110, 163, 201 202.
Mlncopies, Volk auf den Andamanen. [Man.] 51, 61, 121, 146, 147. 147,
148, 197, 217, 242, 246, 252, 267, 267, 282, 285, 286, 288, 290.
MIssouri-Gcblet^ Indianer desselben. [M, F.J 111, 176, 176, 177,
Moa, Insel im östlichen malayischen Archipel, zwischen Timor und
Timoriao. [Riedel] 23, 24, 24, 24, 24, 28, 28, 28, 42, 42, 53, 154,
187, 213, 214, 245, 270, 271.
Modoc-Indlancr in Oregon. [Gatschet,] 203.
Montenegriner. [Krat^s,] 20.
Moqni-Indlaner, östlich vom mittleren Laufe des Little Colorado River.
[Bancroft.] 133, 133.
Mosquito-Indlauer in Honduras. [Bancroft.] 12, 54, 59, 69, 192, 197,
244, 260, 267.
Murray-Fluss, in Victoria, Australien. [Brough Smitk] 209.
jS'arrlnyerl, Volksstamm in Süd-Australien. [Äustralia, South-, Taplin.]
30, 32, 33, 34, 36, 63, 140, 148, 206.
Naslm, Volksstamm am Golf von Carpentaria, Nord -Australien.
[von MiJcluchO'Maclay,] 297, 297, 298, 298.
Natal-Eaffem s. Kaffern.
Nav^ö-Indianer in Arizona. [Matthews,] 59, 66, 67, 115, 122, 123, 160,
174, 180, 197, 198, 198, 199, 199, 200, 270.
Nea-Galedonien, Inselgruppe östlich von Australien. 273, 301, 302, 303.
23*
356 Anhang III.
Neudorf bei Graudenz. 22.
Ncu-trulnea. [von Bosenbergy van Hasselt] 18, 47, 49, 133, 107,, 1G8, 195.
282. S. a. Andai, Dorej, Geelvinkbai, Mansinam.
Nen-Hebrldcii, Inselgruppe zwischen Vit i und Neu-Caledonien. [Turner^
Ella.] 33, 3(i, 175. S. a. Aneitum, Erromauga, Tanioia, Tana,
Neu-Mcxico. [Bancroft] 138, 154.
Neu-Seeland s. Maori.
Nez Perc^z-Indlaner. [Bancroft] 75, 78, 78, 134, 139, 235.
Nias, Insel an der Westküste von Sumatra. [Modigliani^ von Bosenherg.]
11, 19, 19, 24, 28, 28, 29, 38, 39, 49, 53, 54, 59, 62, 75, 80, 97, 98, 98,
107, 162, 163, 167, 180, 192, 193, 201, 201, 229, 229, 239. 240, 241,
244, J249, 250, 251, 257, 286, 289, 290.
Nicaragua, Indianer von. [Bancroft] 286.
Nicobaren. [Swoboda.] 190, 259, 260, 275.
Nlla, Insel im östlichen malayischen Archipel, nordwestlich von Tim or-
lao. [Biedel] 162, 195, ^96.
NuJiez, Eio, West-Afrika. [Corre.] S. Fullah.
Nutka, Indianer in Britisch-Columbien. [M. V.] 180, 181.
OJibwa s. Chippeway.
Onkanagan-Indianer in Britisch-Columbien. [Bancroft] 86, 135,266, ,305.
Onondago-Indlaner im Missouri-Gebiete. [M. F.] 14, 15, 15.
Opoates-Indianer in Mexico. [Bancroft] 283, 284.
Oraiig llleiidas, Volksstamm in Malacca. [Stevens^ Virchow.] 218.
Oraiig Titan. Volksstamm in Malacca. [Stevens^ Virchow.] 217, 218.
Oraiig Semaiig, Volksstamm in Malacca. [Stevens, Virchow.] 231, 232,
233, J337.
Oregon. [Älvord, Schoolcraft, Gatschet, M. V.] 55, 55, 60, 60, 60, 81, 82,
86, 133, 140, 141, 165, 166, 175, 176, 178, 179, 179, 179, 209, 235. S. a.
Cascade Range, Cayuse, Flathead, Holamux, Huna, Klamath,
Modoc, Portland. Walla Walla, Wascows.
Orinoco. 245.
OsterinscI. [Thomson.] 96, 105, 145, 148, 222, 274.
Osljaken, in West-Sibirien. [Fallas.] 66, 107, 107, 191, 197, 215, 216.
Parapitschurl-Sec in Australien. [Botsh, von Miklucho-Maclay.] 307.
Pasimpai in Mittel-Sumatra, [van Hasselt] 40, 41.
Pawnee-Indlaner in Nebraska. [Otis.] 284.
Perser. [PolaJc] 54, 56, 57, 60, 61, 65, 74, 81, 106, 120, 121, 124, 129,
134, 145, 154, 211, 269, 271, 271, 299.
Peru, [von Tschudi, Squier.] 51, 61, 64, 233, J235, 268, 269, 303, 303, 304
S. a. Pisac, Yucay.
Petersberg in Britisch-Kafferland. [Johl] 51. S. a. Emdiseni.
Verzeichniss der geographischen und Völkemamen. 857
PMlIppiiien. [Jagor.] 47. S. a. Igorroten.
Pimas-Indlaner in Neu-Mexico. [Bancroft.] 53, 133.
Plsac, Ort in Peru. [M. V.] 303, 304.
PokoncM-Indianer in Guatemala. [Stoll] 138.
Pommern. 20.
Portland in Oregon. [M. F.] 175, 176, 178, 179.
Preussen. Provinz. [Frischbier.] 96. S. a. Biirgersdorf, Graudenz,
Neudorf, Wehlau.
Prot Satr in Siam. [Bastian.] 134.
Pueblos-Indiancr in Arizona und Xeu-Mexico. [Bancroft] 133, 138, 140.
^uango-Ncger in Central- Afrika. [Wolff.] 285.
Queensland, Australien. 106, 107.
^uenlalt-Indianer, Nordwest-Amerika, [Rejwrt] 247.
^aiehö-Indlaner in Guatemala. [Stoll] 137.
Radsehputana in Vorderindien. [Moore.] 40, 287, 287, 288, 290, 295, 296.
Slo Nunez s. Nunez.
BOmer^ alte. 43, 231.
Bomang (Roma), Insel im östlichen malayischen Archipel, nordöstlich
von Timor. [Riedel] 162, 195, 196.
Sonquouyennes-lndlaner in Guyana. [Crevaux.] 139, 140.
Sassen« [Pallas.] 134.
Sagajer. [Pallas.] 71, 293, 294.
Sahaptln-Indianer in Britisch- Columbien. [Bancroft] 43, 51, 55, 75.
Saleljer, Insel an der Südküste von Selebes. [Engelhard.] 133, 197, J251,
252, 258.
Sambesi s. Zambesi.
Samoa, Inselgruppe nördlich von den Tonga-Inseln. [Turner.] 49, 62,
125, 128, 155, 160, 161, 167, 173, 174, 174, 190, 214, 246, 258, 275,
282, 282, 285, 286, 288, 296, 301.
Samojeden im nordwestlichen Sibirien. [Pallas.] 191, 215, 215, 216.
Sault Ste, Marle^ am Lake Superior in Ontario. 284.
Sehasta-Indianer in Nord-Californien. [Bancroft.] 140, 186.
Schaudoc (Chaudoc), in Cambodja. 53.
Sehor, Volk in Sibirien. [Eadloff.] 70.
Sehwarzfass - Indianer (Blackfeet), zwischen dem Missouri und dem
Yellowstone River. [Catlin.] 72, 73, 148, 149, 189.
Schivarzwald-Tataren in Sibirien. [Radioff.] 70.
Selarenkfiste, West-Afrika. 19.
Belara, Insel im östlichen malayischen Archipel, zu den Tanembar-
und Timorlao-lnseln gehörig. [Riedel] 30.
358 Anhang III.
Selebes (Celebes). [Riedel] 19, 21, 24, 24, 28, 29, 38, 52, 53, 119, 189,
201, 214, 217, 246, 249, 250, 282. S. a. Topantunuasu.
Seran^ (Ceram), südöstliche Insel der Molukken-Gruppe. [RiedeL] 11,
28, 28, 30, 31, 31, 31, 42, 42, 97, 97, 96, 100, 100, 100, 101, 101, 101,
189, 214, 246, 249, 259, 259, 260, 272, 297, ^97.
Seranglao-Inseln (Ceram La'ut), im östlichen malayischen Archipel,
zwischen Serang und Neu-Guinea. [Riedel] 11, 12, 19, 27, 30, 30,
32, 38, 42, 42, 106, 109, 110, 114, 134, 161, 162, 173, 191, 191, 210,
213, 214, 216, 241, 246, 256, 260, 261, 266, 282.
Serbien. [Krauss,] 19.
Sennata-Inseln (Sermatan), im östlichen malayischen Archipel, zwischen
Timor und Timoriao. [Riedel] 23, 31, 41, 42, 163, 190, 213, 217,
246, 250, 255, 270.
Sertanejo, am Xingu in Brasilien, [von den Steinen»] 298.
Serua, Insel im östlichen malayischen Archipel. [Riedel] 162, 195, 196.
Slam. [Bastian.] 11, 11, 11, 12, 19, 19, 21, 22, 23, 24, 24, 58, 63, 88, 91, 92,
110, 129, 134, 146, 154, 167, 245, 255. S. a, Karen, Prot Satr, Suren.
Si Belaboew in Mittel-Sumatra, [van Hasselt, Veth.]
Sibirien. [Pallas, Radioff, M. F.] 51, 52, 75, 76, 77, 81, 91, 113, 176,
177, 179, 191, 215. S. a. Altai, Amur, Burjäten, Giljaken, Golden,
Jakuten, Jenessei-Tataren, Kalmücken, Kamatschinzen, Ka-
saken, Katschinzen, Kirgisen, Koibalen, Ostjaken, Sagajer,
Samojeden, Schor, Schwarzwald -Tataren, öyr, Tataren, Te-
leuten, Tungusen, Uiguren, "Wald-Tungusen.
Singhalesen in Ceylon. [Tennent, Sarasin, Freudenberg, Baker, M. F.J
12, 13, 14, 15, 47, 48, 74, 107, 113, 113, 233, 233, 233, ^34, 234, 282.
Sloux-Indianer in Nord-Amerika. [Schoolcraft.] 21, 22, 23, 59, 163,
163, 164, 165. •
Skagit-Indlaner in Columbia. [Baru^roft] 133, 147.
Slaren. [Erauss.] 226, 250.
Soeroelagoen (Surulagun), in Mittel-Sumatra, [van Hasselt, Veth]
Sokotö^ Hauptstadt des Haussa - Landes im nordwestlichen Afrika.
[M. F.] 277.
Spanier. 20.
Sporkanes-Indianer. [Bancrofl] 260.
Steiermark. [Fossel] 62.
Sttd-Slaven. [Krauss] 20.
Sula Bdsi, Insel der Molukken-Gruppe, zwischen Serang undSelebes.
[M. F.] 247, 249, 250, 251, 254, 255.
Sumatra, [van Hasselt, Veth^ van den Toorni] 11, 19, 20, 21, 38, 53, 57,
59, 59, 79, 88, 97, 106, 108, 112, 113, 119, 120, 125, 127, 127, 127,
133, 133, 134, 134, 135, 147, 148, 154, 163, 168, 192, 201, 202, 209,
210, 212, 214, 215,, 216, 216, 240, 240, 242, 242, 246, 249, 250, 255,
Verzeichniss der geographischen und Völkernamen. 359
256, 286, 288, 288, 291, 293. S. a. Alahanpandjang, Battaker,
Kroe, Lampong, Lebang, Manindjau, Minangkabauer, Pasim-
pai, Si Belaboew, Soeroelagan.
Suren (Souren), in Laos. [Aymonier.] 192, 244.
Surinam. [Martin.] 128.
Syr, grosser Fluss in Sibirien. [Pallas,] 293, 294.
Tactic in Guatemala. [Stoll] 138.
Tahiti. [Ella.] 275, 286, 288, 296.
Tamilen^ Volk in Ceylon. [Tennent, Sarasin.] 33, 34, 47, 48, 49, 89, 282.
Tamoia, Insel der Neu-Hebriden-Gruppe. [Ella.] 36.
Tana, Insel der Neu-Hebriden-Gruppe. [Turner.] 33, 34.
Tanembar-Inseln (Tenimber), im östlichen malayischen Archipel, nord-
westlich von Timoriao. [Riedel] 11, 22, 30, 31, 42, 42, 108, 196,
213, 214, 216, 217, 255, 256, 261, 282.
Tataren in West-Sibirien. [Pallas, Radioff.] 123, 125, 215. S. a. Altai-
Tataren, Jenessei-Tataren, Schwarzwald-Tataren.
Teleuten in West- Sibirien. [Radioff.] 70.
Teun (Teon), Insel im östlichen malayischen Archipel, westlich von
Timoriao. [Riedel] 162, 195, 196.
Tiber in Rom. 231.
Tibet. [Pallas.] 124.
Timorlao-Inseln (Timorla'ut), im östlichen malayischen Archipel, zwi-
schen Timor und Neu- Guinea. [Riedel] 11, 22, 30, 31, 42, 42, 42,
108, 196, 213, 214, 216, 217, 255, 255, 255, 256, 261, 282.
Tirol. 27.
Togo, Landschaft in West-Afrika. [Herold.] 251, 261.
Tonga-Inseln, östlich von Viti. 125, 275, 286, 288, 296.
Tonkln (Tongking), [Brousmiche^ 107.
Topantunuasu, Volk in Central-Selebes. [Riedel] 53, 189, 190, 192,
201, 213, 250.
Transvaal, Süd-Afrika. [Wangemann:] 69, 276, 277. S. a. Basutho,
Bawenda. Ha Tschewasse.
Traos, Volk in Cochinchina. [Nein, Septans.] 241, 248.
Tripolis. [Quedenfeldt] 56, 287.
Tsehimslan-Indianer in Britisch- Columbien. [M. F.] 222, 224, 224,
225, 226.
Tscilittagong in Indien. [M. F., Riebeck^ 251, 253, 253.
Tarken. [Radioff.] 42, 43, 43, 146, 212.
Tungusen in Ost-Sibirien. [RaMoff.] 67, 71, 79, 81, 215, 241, 248, 250.
S. a. Wald-Tungusen.
Tunis. [Quedefifeldt] 56, 287.
360 Anhang III.
Twana- Indianer im Washington - Territory, im westlichen Xord-
Amerika. [Eells.] 22, 28, 23, 25, 59, lOG, 122, 201, 203, 209, 287.
Uganda, Landschaft in Central- Afrika. [Felkin.] 125, 2S3, 283, 505,
305, 306, 30G. S. a. Kahura.
Ulnaren, türkischer Volksstamm. [Radioff,] 42, 65.
Uliase-Inseln (Uliasser-Inseln), im östlichen malayischen Archipel,
südlich von Serang und Amboina. [Riedel] 11, 12, 19, 28. 28, 30,
35, 35, 38, 41, 128, 162, 195, 201, 201, 203, 204, 214, 249, 259.
Utan s. Orang Utan.
Urea (Uea), Insel der Loyalitäts-Gruppe. [Ellis, Turner.] 292, 293,
295, 300, 301, 301, 302, 304.
Vancouver, Nordwest-Amerika. [M. F.] 25, 5.3, 74, 183, 164, 185j
186 j 186, 226.
Victoria in Australien. [Brough Smith, Hughan, Thomas.] 11, 11, 24,
24, 24, 24, 24, 31, 34, 35, 35, 35, 36, 37, 49, 49, 50, 50, 51, 52, 54, 55,
56, 59, 75, 76, 78, 87, 92, 96, 112, 119, 124, 127, 127, 127, 133, 1.33,
134, 134, 135, 137, 147, 148, 148, 149, 153, 161, 169, 181, 186, 191,
192, 194, 196, 204, 205, 209, 210, 211, 214, 214, 266, 267, 269, 275,
275, 276, 276, 282.
Wald-Tungnsen in Ost-Sibirien. [Radioff.] 71.
Wales. 26.
Walla-Walla-Indlancr in Oregon. [Schoolcraft] 43, 75, 78, 86, 154.
Washington -Territory im westlichen Nord-Amerika. 66, 203. S. a.
Chemakum-Indianer, Klallam-Indianer, Twana-Indianer,
Waskow-Indlaner in Oregon. [Schoolcraft] 43, 51, 53, 75, 78, 81, 86.
Watubela-Inseln (Watubello), im östlichen malayischen Archipel, in
der Mitte zwischen Serang, Timoriao und Neu-Cluinea. [Riedel.]
28, 29, 38, 154, 155, 214, 239, 245, 246, 246, 249, 249, 250, 256, 256,
259, 268.
Weddah, Volk in Ceylon. [Sarasin, Baker.] 47, 47, 48, 48, 242, 282, 284.
Wehlau, Provinz Preussen. 10.
Wlnnebago-Indianer in Wisconsin. [Schoolcrafl.] 50, 53, 58, 59, 64,
106, 121, 125, 133, 163, 180, 182, 185, 244, 250, 267, 270, 282, 285,
286, 290, 290, 292, 292.
Xtnga (Schingu), Fluss in Brasilien, [von den Steinen.] 298.
Xosa-Eaffern im Capland, Süd-Afrika. [Kropf] 21, 21, 22, 22, 24,
57, 61, 62, 76, 78, 79, 81, 90, 91, 188.
Yaeca in Afrika. [Capello, Ivens.] 293.
Yaki-Indtaner. 188.
Tammamadl- Indianer am Rio Purus (Amazonas) in Brasilien.
[Ehrenreich.] 120, 148, 188, 189, 244, 245.
Yap, westliche Insel der Karolinen-Gruppe. [M. F.] J273, 275.
Verzeichniss der geographischen und Völkernamen. 361
Yellowstone-Rlyer, Nord-Amerika. [CcUUn.] 73.
York, Cap, in Australien. [Mac OiUivray^ van MiMucho-Maclay^] 307.
Yukay in Peru. [Sguier.] 303, 304.
Yokon-Blrer in Alaska. [Jacobsen.] 147, 268.
Yurimia-Indianer in Brasilien, [von den Steinen.] 194.
Zambesl, Fluss in Central-Afrika. [Serpa Pinto.] 160.
Zigeuner, [von WUslochi.] 15, 16, 16, 16.
Zulu, Süd-Afrika. [Matthews.] 28, 49, 50, 52, 56, 59, 75, 81, IIJ^, 113.
S. a. Kaffern.
Im gleicbeD Verlage erschien u. a.:
Wmm Weib
in der Natur- und Völkerkunde.
Anthropologische Stadien von Dr. H. Ploss«
Dritte umgearbeitete und stark yermehrte Auflage.
Nach dem Tode des Verfassers bearbeitet und herausgegeben yon Dr. Iffaz Bartels.
Mit 10 lithographischen Tafeln (je 9 Frauentypen enthaltend) und 203 Holzschnitten im Text.
Zwei starke Bände, gress Lexikos-8®. ^
Preis: brochirt 24 Mark, in Halbfranzbänden 29 Mark.
Auszüge aus Besprechungen dieses Werkes:
Dr. Ploss, dem wir das treffliche Buch über das Kind verdanken, hat uns ein nicht
minder umfassendes Buch über das „Weib* geschenkt, das wir mit Fug und Recht ein
Standardwerk, einen Stolz der heimischen Literatur nennen dürfen.
Ueber Land nnd Meer.
Auf die Anregung des Präsidenten der Deutschen anthropologischen Gesellschaft,
Budolf Virchow, übernahm M. Bartels, der bekannte Berliner Arzt, die Bearbeitung der
zweiten Auflage des obengenannten Werkes Alle die tausend Beziehungen des
Weibes ausserhalb des Kreises des Geschlechtslebens im engeren Sinne waren unberücksiditigt
geblieben, und hier tritt Bartels yomehmlich ein. Sein S&eben, das Bild zu vervollständigen
nnd ein in sich zusammenhängendes und soweit nur möglich abgeschlossenes Bild des Weibes
im Lichte anthropologischer Forschung zu geben, kann als ein nach allen Sichtungen
geglücktes bezeichnet werden. . . . War schon der ersten Auflage mit Eecht nachgesagt
worden, dass keine Literatur der Welt ein Werk wie das vorliegende aufzuweisen hat, so gilt
das für die Neubearbeitung desselben um so mehr. Deutsche medfcinlsche Woehenschrift.
Li neuem Gewände, reich vermehrt durch die gründlichsten Studien und eine Staunens-
werthe Anzahl der interessantesten und seltensten neuen Abbildungen tritt das berühmte
Werk des hochverdienten Anthropologen und Arztes: Sanitätsrath Dr. Bartels, hier wieder
in die Oeffentlichkeit. Es ist nicht nöthig, das Publikum und die Fachmänner von Neuem auf
diese prächtige Gabe hinzuweisen — aber das muss ausgesprochen werden, xdass das Werk,
obwohl die Bescheidenheit des Autors noch immer den Namen Ploss an die Spitze stellt,
doch schon in der zweiten, aber vollkommen jetzt in der dritten Auflage das Werk von Bartels
geworden ist, dessen exakte wissenschaftliche Darstellung nun aus jeder Zeile des Buches uns
entgegenleuchtet. Correspondenzblatt für Anthropologie.
Selten findet man eine so reiche Fülle culturhistorischer und ethnologischer, physio-
logischer und psychologischer Daten vereinigt, wie in dem Werke von Ploss. Die Anthro-
Eologie des Weibes ist mit einer geradezu staunenswerthen Eenntniss aller einschlägigen Ver-
ältnisse behandelt und zeigt uns den Verfasser mit der diesbezüglichen Literatur in einer
Weise vertraut, die nur ein langjähriges Studium mit sich bringt. — Von wissenschaftlicher
Grundlage ausgehend, nnd im Verlaufe der ganzen Arbeit an diesem Standpunkte festhaltend,
weiss der Verfasser in gleicher Weise seinen Stoff derartig zu verarbeiten, dass auch der
gebildete Laie, vorausgesetzt, dass er von jeder Prüderie absieht, das Buch mit Vergnügen
lesen, und bereichert an seinen Kenntnissen aus der Hand legen wird. Wir brauchen dem
Werke keinen Geleitsbrief nachzugeben. Wiener medieinisehe Zeitung.
Dadurch wird seine Arbeit ungemein belehrend und anziehend für jeden hoher gebil-
deten Mann, namentlich für den Freund der Völkerkunde. £s ist bewundemswerth, welche
reiche Fülle etc. Rundschau fttr Geogr. u. Statistik.
So ist das »Weib* zu einer Encyklopädie für alles geworden, was sich auf die Frau
in irgend einer Lebenslage bezieht — Sie ist einzig in ihrer Art. Globus«
Auszug aus einer Besprechung im ^^ArehiT ffir Anthropologie^^,
Band XXI:
Keine Culturentwickelung ohne Sesshaftigkeit und Bildung der Familie,
aber der Familie, in welcher diejenige die richtige Achtung, Anerkennung
und Würdigung erfährt, welche so recht eigentlich als die Trägerin der Cultur
innerhalb der Familie bezeichnet zu werden verdient, das ist:
„das Weib«.
Mit diesem Schlussgedanken des Ploss-B arteis 'sehen Werkes ist die ganze
Bedeutung des vorliegenden doppelbändigen Buches charakterisirt. Es han-
delt sich hier nicht nur um „anthropologische Studien"; vor mir liegt ein
Werk von fundamentalster Bedeutung und zwar gleich bedeutend für die
Anthropologie, für die Ethnologie, für die Culturgeschichte ausgearbeitet durch
den Riesenfleiss zweier unserer thätigsten Forscher auf dem umfassenden
Arbeitsfelde der anthropologischen Wissenschaften. — Der Leser des obigen
Buchtitels glaube es übrigens Herrn Bartels ja nicht, dass er nur „um-
gearbeitet und herausgegeben" hat! Die rege Schaffenslust des uns vor nun
schon sieben Jahren leider entrissenen Ploss verbot es von selbst, Unfertiges
in die Welt treten zu lassen; so blieb für Bartels zunächst bei der zweiten
Ausgabe mit Bezug auf Ploss' eigentliche Stammarbeit nur übrig, das mit
unsäglichem Fleisse aufgestapelte Riesenmaterial übersichtlicher zu ordnen.
Wenn so die Ploss 'sehe Physiognomie des Werkes auch pietätvoll gewahrt
wurde — zwei Dinge haben wir ausschliesslich Bartels zu danken. In erster
Linie gab er für den nicht medicinisch geschulten Leser die Erklärung der
medicinisch - anthropologischen termini technici in knapper, präciser Form.
Femer empfand er, dass Ploss' „Weib" eigentlich ein Torso sei und auch
offenbar geblieben sein würde; denn in dem literarischen Nachlass fanden sich
nur Notizen zur Supplementirung der vorhandenen Kapitel; so wäre das
„Weib" nur in seinem allerdings sexuell wichtigsten Lebensabschnitte von
der Pubertät an dargestellt gewesen in allen seinen geschlechtlichen Erleb-
nissen bis zum Wochenbette. Bartels wandte deshalb in der zweiten Auf-
lage seinen Fleiss auf die Betrachtung des Weibes im Stande der Ehelosig-
keit, als Wittwe, Mutter, Stiefmutter, Grossmutter, Schwiegermutter, als altes
Weib und (in der jetzigen JH. Auflage) in allen Kindes- und Backfischstadien
— also vollendet vom Mutterleibe bis über den Tod hinaus. — Wer aber
selbst in dieser Hinsicht literarische Studien angestellt hat, wer ähnliches
Material gesichtet hat, der begreift, welche gewaltige Mühewaltung und Energie
die Zusammenstellung eines solchen auf genauesten und umfassendsten statisti-
schen Beobachtungen beruhenden Werkes erfordert. Eine um so grössere
Dankbarkeit zollen wir diesen beiden Männern!
Eine ausserordentlich werthvoUe Zugabe sind die 10 Tafeln mit 90 Ab-
bildungen nach Photographien, welche alle Altersstufen aller Rassen zur Dar-
stellung bringen, und 203 in den Text eingedruckte Illustrationen. Auch
hier wieder sind Sammeleifer und genaue Kenntnisse der einschlägigen Ver-
hältnisse und Museen (speciell von Berlin und München) zu bewundem. . . .
Im gleichen Verlage enchien n. a.:
in Brauch und Sitte der Völker.
Anthropologische Studien
von Dr. H. Ploss.
Zweitt, Ml durobgesebeue aad stark vemabrte Ailltie.
Zweite Ausgabe. 2 starke Bftnde.
Preis: brochirt 12 Mark, in Ganzleinwandbfinden 15 Mark.
Auszüge aus Besprechungen dieses Werkes;
Wir wünschten den Baum yon mehreren Nummern besetzen zu können, um das frag-
liche Werk nach allen Richtungen hin in einer ihm ebenbürtigen Weise zu beeprechen. Denn
hier liegt uns ein Buch yor, das wir sicher am treffendsten bezeichnen, wenn wir es das Hohe-
lied des Kindes nennen. Es ist ein klassisches Werk, in welchem sich die ganze üniyer-
saiität des deutschen Geistee und seine yorurtheilsfireie Kritik ausspricht. Wir würden es zu
degradiren färchten, wenn wir ihm noch irgend eine Empfehlung anh&ngten.
Dr. Karl MüUer. ..Die Natur"'.
Ein nicht geringer Beitrag zum Studium der Ginlisation sind die eben erschienenen
zwei Bände anthropologischer Essays von Dr. H. Ploss . . . Wir haben es hier mit einem
echten und rechten Stück Arbeit zu thun, die aber keine Stückarbeit ist: Das Buch bringt
ausgezeichnetes Material in trefflidister und verständigter Auswahl ... Es ist ein guter
Baustein für das grosse Zukunftsgebäude einer allgememen Culturgeschichte.
„lieues Wiener TagblaU^,
. . . eine ganz eigenartige, ungemein stoffreiche und dabei lesbare, sehr unterhaltende
Arbeit, welche, durchweg auf wissenschaftlicher Grundla^ aufgebaut, das, was der Titel ver-
n>richt, auch in der That giebt — eine culturgeschichtiich- ethnographische Schilderung des
Kindes vom Augenblick seiner Geburt an bei allen Völkern unseres Erdballs . . .
JDr« Richard Andree. „Daheim**.
Das sind anthropolofi^sche Studien, welche das höchste Interesse in Anspruch zu nehmen
berechtigt sind. Der Vermsser, welcher eine wahrhaft staunenerregende Belesenheit besitzt,
hat Alles zusammengetragen, was sich auf das Kind, sein Leben vom ersten Moment bis zum
Abschluss der Kindeijahre bezieht, und zwar ebenso sehr vom physiologischen als psycho-
logischen und culturhistorischen Standpunkt aus, und wir wüssten kaum zu sagen, welcher
Theil am reichlichsten bedacht, welcher am interessantesten ist ...
„üeher Land und Meer**,
. . . eine culturhistorische Monographie, welche in ihrer Art einzig dasteht und, wenn-
gleich für Jedermann, ^anz besonders wicntig für den Arzt ist . . . Hochinteressant sind die
Daten über sympathetische und arzneiliche Behandlung des Kindes. Für den Gerichtsarzt
und Juristen sind die Kapitel der Aufnahme des Kindes in Familie und Gesellschaft, die
Geschichte der Kindesaussetzungen und Kindesmorde, sowie für den Pädagogen die Erörte-
rungen über die weitere Pflege und Erziehung der Kinder von Belang ... ein Jeder wird
aus diesem Buche Vieles lernen . . . Die gebildete Frau wird das Bucn mit Vergnügen und
Gewinn lesen . . . Prof, Dr* RiUer van ßiUershain. „Frager Medicin. Wachensehr%ß*\
Man darf deshalb das vorlie^nde Buch, die Frucht yieljähriger Studien, als das
Erschöpfendste und Gründlichste bezeichnen, was über das Kind in ethnographischer Hinsicht
yeröffentlicht worden ist . . . Dr. lAvius Fürst. „IlTustrirte Zeitung**,
Eine höchst lehrreiche und schätzenswerthe Arbeit, die eigentlich in der Hausbibliothek
gebildeter Eltern nirgends fehlen dürfte . . . „Nordd. AUgem, Zeitung/**.
Druck yon Oressner k Schramm in Leipzig.
OOUNTWAY UBRABV
HC 3VST E